Stephan Seidel

Mona Luna

Mona Luna ist eine wunderschöne Frau, doch obwohl mir bei ihrem Anblick warm ums Herz wird hat sie doch eine dunkle, kalte Seite. Uns gegenüber ist sie immer gleich freundlich und ebenso hübsch wie mysteriös. Viele behaupten, sie habe magische Fähigkeiten, die sie gern einsetzt, um den Schein zu wahren.
Wenn sie sich in voller Größe und Schönheit vor dir aufbaut, die Hände sanft in die Hüften gestemmt, schleicht sich meistens das Gefühl von Ruhelosigkeit ein, so als entzöge sie dir einen kleinen, opferungswürdigen Teil der doch so kostbaren Lebensenergie.
Doch anstatt zu verzagen, fühlt man sich plötzlich gesundet, so als tauschte sie stets die verebbten Emotionen gegen eine Flut voller Leidenschaft und Hingabe. Ja mir ist's fast, als bedankte sich das Gelassene auf letzte, wundervolle Weise und zeigt dem neuen seinen alten Platz, noch einmal hell erstarkend, um mit stolzgeschwellter Brust der Wandlung zu begegnen.
Ihr großer Bruder ist Ritter Helios. Ein strahlender Held, um den sich viele Sagen ranken. Obwohl sie nicht zu seiner Familie gehört, hat sie doch einen großen Platz in seinem Herzen, und er zeigt sich jederzeit erkenntlich, indem er ihre Größe preist, denn sie ist sein Spiegel, der auf unsere dunkle Seite gerichtet ist.
Irgendwann einmal, nach einem heißen Streit, haben sie sich den Tag geteilt, und nur noch gelegentlich necken sie sich ein wenig, wobei jeder dem anderen bei bester Gelegenheit etwas Zeit stiehlt. Ganz selten sieht man sie auch zusammen und kaum einer kann sich vorstellen, was der Inhalt dieser Momente für einen selbst wohl bedeuten sollte.
Sie sagen nie ein Wort und dennoch können wir sie hören, aus allem, was sie mit ihrer Präsenz durchdringen. Sie sprechen durch die Gefühle, die uns mal flüsternd und manchmal auch brüllend überkommen, wenn wir an sie denken oder ihren starren, fesselnden Blicken ausgesetzt sind.
Mona Luna ist eine ehrenhafte Prinzessin. Doch es gibt schwerwiegende Gerüchte. Man erzählt sich, dass ihr schillernder Glanz nur eine Maske sei, unter der sich ein hässliches, zerfurchtes Gesicht, übersät mit entzündeten Pickeln und tiefen Kratern verberge. Und es wird noch schlimmer. Manchmal, so sagt man, gefiele es ihr, diesen Fluch nach außen zu tragen, und dann zeige sie sich jenen, die nicht stark genug sind ihr zu wiederstehen. Die Unglücklichen würden sich alsbald in raubtierhafte Wesen mit reißenden Klauen und spitzen Zähnen verwandeln, um so die unerträglichen Qualen mitzutragen, die sie erleide, wenn sie zur schönsten Blüte des Monats gedeihe. Die markerschütternden Schmerzensschreie ihrer Opfer seien weithin als verderbtes Geheul erkennbar und ließen einem das Blut in den Adern gefrieren. Eine Begegnung mit einem dieser unheilvollen Wesen bedeute den sicheren Tod, und nur wer die Ehrenhaftigkeit ihres Bruders im Herzen trägt, sei imstande diesen Spuk unbeschadet zu überstehen. Ihre, sowie die Schmerzenstränen der Geknechteten seien das Tau auf den Halmen am Morgen, und Nebel der schützende Schleier der Ohnmacht, welcher träge verweilt, wenn sie erwacht und sich in ihr Reich zurückzieht.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.09.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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