Also, neben den Schuhen habe ich nie gestanden. Höchstens davor gesessen! Obwohl mir mein Lehrer dies in mein Aufsatzheft schrieb. Denn meine Schuhe liegen ordentlich im Schuhschrank. Und ich habe nicht wenige davon. Kann mich von keinem Paar trennen. Jedes hat seine Vergangenheit. Seine Geschichte. Und solange sie in meinem Ablageort wohlgeordnet liegen auch ihre Zukunft. Selbst mit Löchern in der Sohle. Man kann nie wissen. Möglicherweise wird das Klima so warm, dass ein Loch in der Sohle zur wahren Wohltat wird. Oder die Samt- und Lackschuhe. Samtig weich könnten damit einen Lackschaden am Automobil meines Vaters ausbessern, sodass keiner sieht wenn ich die Garageneinfahrt leise und sanft gestreichelt habe. Und dann die ersten Stöckelschuhe! Mein Erwachsenwerden werde ich doch nicht dem Müllgott opfern. So viele Erinnerungen! Kurz bevor ich der schlechten Noten wegen in Depression verfalle, setze ich mich vor meinen Schuhschrank, lasse alle Abenteuer erneut passieren die mir jedes Paar erzählt. Auch die Ausrangierten. Und genau das habe ich in meinem letzten Aufsatz, die Probeausgabe des Matura- oder Abituraufsatzes beschrieben. Ausführlich und blumig erzählt. Mein Lieblingspaar, das sich seit dem Kennenlernen nie trennen wollte. Selbst als ich eines Sommers Halbbarfuss ausgehen wollte und das zweite im Schrank belassene Halbpaar entsetzlich aufschrie, bis ich es erlösend dem zweiten Fuß überzog. Und erst der Bergschuh der mich bedrängte endlich, endlich wieder eine Bergtour zu unternehmen und mit seinen jodlerischen Klagelied – es klang bewegender als diejenigen griechischer Klageweiber der Antike - bewirkte, dass ich mit einem Freund aufbrach und eine 7200tausendunddritte Besteigung des Gipfels in den Tiroler Bergen unternahm. Der Tanzschuh, der Zierliche berichtete mir von meinem ersten Korb im Tanzkurs. Und der Holzschuh, die Sandale, der Schneeschuh, der Ersteliebeschuh, an dem noch alle meine Gefühle an der Sohle haften, berichteten mir von ihren freudigen Sorgen. Der Kussschuh und alle weiteren Paar und Unpaare sprachen zu mir. Da meldete sich aus einem anderen Schrank bittend und bettelnd mein Einzeleinsamhandschuh, er habe auch etwas zu erzählen. Wichtiges. Entscheidendes. Und da schrieb mein Lehrer der den Aufsatz korrigierte: 'Du bist neben den Schuhen'. Einerseits korrekt, ich sitze jeweils neben ihnen, höre ihnen stets zu. Aber ich denke, er wollte etwas ganz anderes ausdrücken. Und das was er sagen will kann ich nicht nachvollziehen. Überhaupt nicht!
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.03.2020.
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