Estartu

Die Sklavin

Vorwort

Hallo werte Leserschaft, nachfolgend meine neueste Geschichte. Freue mich über Eure Kritik und Anregungen. Ein besonderer Dank geht an dieser Stelle wieder an eine gute Freundin, die maßgeblich dazu beigetragen hat, die schlimmsten Fehler zu beheben. Und nun, viel Vergnügen beim Lesen!

Prolog

Wir befinden uns auf einer Parallelwelt der Erde namens Taura, zu einer anderen Zeit. Die Bewohner sehen genau so aus wie wir und verhalten sich auch ganz ähnlich, es gibt aber einige gravierende Unterschiede zu uns. Sie haben fast alle großen Probleme gelöst, so gibt es keine Kriege mehr und auch die meisten Krankheiten sind besiegt, allerdings zu einem sehr hohen Preis. Es gibt eine zentrale Regierung, welche die Bevölkerung auf Schritt und Tritt überwacht, nur in ihren Wohnungen sind die Menschen weitgehend unbeobachtet. Dieses Zugeständnis wurde gemacht, da es sich gezeigt hatte, dass die Menschen sich dann besser fühlen, wenn sie etwas Privatsphäre haben. Letztlich dient diese Maßnahme dazu, sie ruhig zu halten und wenigstens den Anschein von persönlicher Freiheit zu erwecken. Die Gesellschaft ist grob in zwei Klassen aufgeteilt, Freie und Sklaven, wobei die Sklaven absolut rechtlos und der Willkür der Freien, beziehungsweise ihrer Besitzer ausgesetzt sind, wohingegen die Freien ein relativ gutes und bequemes Leben führen, solange sie nicht gegen die Interessen der Regierung verstoßen. Dazu gehört auch, dass alle Freien ab einem gewissen Alter dazu angehalten werden, einen oder mehrere Sklaven zu besitzen, an denen sie dann ihre Aggressionen und ihre Unzufriedenheit auslassen können und sogar sollen. Dieser Umstand wird von der Regierung sehr ernst genommen und entsprechend sanktioniert, so soll vermieden werden, dass es zu Unruhen und Umsturzversuchen kommt. Der Sklavenhandel liegt folglich auch ausschließlich in der Hand einer Regierungsbehörde.

Seit einiger Zeit hatte die Regierung notgedrungen sogar einige rudimentäre Gesetze zum Schutz der Sklaven erlassen, da es in der Vergangenheit einige zum Teil aufsehenerregende Vorfälle gegeben hatte. Damit sollen wenigstens die schlimmsten Auswüchse menschlicher Brutalität etwas eingedämmt werden. Diese Gesetze kommen aber höchst selten zur Anwendung und dienen hauptsächlich dazu, die Sklaven ruhig zu halten. Um versklavt zu werden, gibt es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten, erstens durch Geburt, das heißt Kinder von Sklaven werden später selbst welche und zweitens durch Verurteilung, entweder auf Zeit oder lebenslänglich. Daneben gibt es noch ein geheimes Programm der Regierung, um den Bedarf an Sklaven zu decken. Darüber ist in der Öffentlichkeit nur sehr wenig bekannt, es kursieren allenfalls Gerüchte. Weiterhin existiert eine Untergrundbewegung, die die bestehenden Verhältnisse von Grund auf ändern will. Das Ziel dieser Bewegung ist, die Freiheit und Selbstbestimmung aller Menschen wiederherzustellen. Die Regierung ihrerseits unternimmt alles, um diese Bewegung einzudämmen und in der Öffentlichkeit totzuschweigen, oder aber als Terroristen, die vor Mord und Totschlag nicht zurückschrecken, darzustellen. Wie es sich in Wahrheit damit verhält, wissen dagegen nur sehr wenige. Es gibt aber auch eine steigende Zahl von Menschen, die nicht organisiert sind, aber das bestehende System aus Überzeugung ablehnen und eine Abschaffung der Sklaverei fordern, was die Regierung mit nicht geringer Sorge beobachtet. Ein weiteres Problem ist, dass Empfindungen wie Mitgefühl, Toleranz und auch Liebe nicht gern gesehen und als Schwäche, die es zu beherrschen gilt, behandelt werden. Menschen, die allzu offen ihre Gefühle zeigen, leben gefährlich und können jederzeit in sogenannte Umerziehungslager gesteckt werden.

Kapitel 1

Mark war ein durchschnittlicher Typ, er hatte die vierzig bereits überschritten und gehörte zu den Privilegierten, also den Freien und lebte in einer mittelgroßen Stadt. Er war etwa einen Meter fünfundsiebzig groß, mit kurzen Haaren und leichtem Bauchansatz. Er hatte einen gut bezahlten Job, der hauptsächlich darin bestand, die Arbeit der ihm zugeteilten Sklaven bei der Produktion von Haushaltsgeräten zu überwachen. Dazu kam noch ein ebenfalls gut bezahlter Nebenjob, den er hauptsächlich deswegen mochte, da er hier nichts mit Sklaven zu tun hatte. Ein weiterer Vorteil des Jobs war, dass er nicht so oft zu Hause war, wo ihm eh nur die Decke auf den Kopf fiel. Er hatte nur wenige Freunde, was hauptsächlich daran lag, dass er ein nach außen sehr verschlossener Mensch war. Im Laufe der Jahre hatte er sich eine fast undurchdringliche Maske zugelegt, hinter der er seine Gefühle und Gedanken sehr sorgfältig verbarg. In seinem inneren sah es dagegen ganz anders aus, wie oft er nachts allein in seinem Bett lag und weinte, wusste zum Glück niemand. Mark war ein sehr sensibler Mensch, der sich Tag für Tag damit quälte, niemandem zu zeigen, wie es in ihm aussah und der das gefühlskalte, unmenschliche System abgrundtief verabscheute. Seine Beziehungen zu Frauen waren auch ein eher unerfreuliches Kapitel in seinem Leben. Er war zwar ein paar Mal verliebt, aber diese Liebe war stets unerwidert geblieben und so hatte er sich mit dem Alleinsein mehr oder weniger abgefunden. Die Einsamkeit machte ihm aber immer mehr zu schaffen, vor allem nach dem Tod seiner Eltern, den er nie richtig verarbeitet, sondern lediglich verdrängt hatte. Er sehnte sich nach einer Partnerin, mit der er sein Leben teilen konnte, nach jemandem, den er lieben konnte und bei dem er auch mal schwach sein durfte. Das war auch der Grund, warum er sich entgegen dem Rat seiner Freunde keine Sklavin nehmen wollte. Er befürchtete, dass eine Sklavin ihm nie ehrliche Gefühle entgegenbringen würde und das letzte, was er brauchte, war jemand, der ihm was vorspielte, denn das beherrschte er schließlich selbst nahezu perfekt. Dazu kam noch, dass er sich selbst als wenig attraktiv empfand und sein Selbstwertgefühl nicht das Beste war.

Er war für diese Welt, wie man so schön sagt, einfach nicht gemacht, für jemanden der Gewalt und Unterdrückung so sehr verabscheute wie er, waren die Zustände auch nur sehr schwer zu ertragen. Seine Dreizimmerwohnung war für ihn allein eigentlich viel zu groß und einfach, aber zweckmäßig eingerichtet. Sein einziger Luxus waren sein Computer und seine Stereoanlage. Er war jetzt auch schon längst in einem Alter, in dem er sich eigentlich eine Sklavin oder einen Sklaven hätte anschaffen müssen, Geld dafür hatte er jedenfalls genug, diese Ausrede zog also nicht. Bisher hatte er dem immer mit dem Hinweis auf seine besondere berufliche Situation, durch seinen Zweitjob als Programmierer für eine staatliche Behörde, aus dem Weg gehen können. Er wusste aber, dass das nicht mehr lange gut gehen würde, er war bereits verdächtig geworden und nur seine sehr guten Leistungen, hatten ihn bisher vor Verfolgung bewahrt. Mark war also nicht sehr überrascht, als er eines Tages die förmliche Aufforderung zu einer medizinisch, psychologischen Untersuchung bekam. Er hatte schon länger damit gerechnet und sich darauf vorbereitet. So wusste er, dass es sich hierbei um eine Art leichtes Verhör handelte, die Regierung versuchte nämlich immer zuerst auf sanftem Wege, etwaige Abweichler wieder auf Linie zu bringen und griff nur, wenn das nicht half, zu härteren Maßnahmen. Es war die typische ‚Zuckerbrot und Peitsche Politik‘. Auf der eine Seite wollte man es sich mit Leuten, die funktionierten und Leistung brachten, nicht verscherzen, auf der anderen Seite machte man aber auch ganz deutlich, was mit unbelehrbaren und Abweichlern geschieht. In dem Schreiben stand dann auch ganz klar, dass es für ihn jetzt höchste Zeit wird, sich einen Sklaven oder eine Sklavin anzuschaffen, man legte ihm nahe, dies gleich nach der erfolgten Untersuchung zu erledigen. Damit hatte Mark nun allerdings weniger gerechnet, vor allem die Eindringlichkeit des Schreibens in dieser Frage überraschte ihn doch sehr. Ihm war klar, dass er keine andere Wahl hatte, als das Spiel mitzumachen, wenn er sich nicht noch mehr Schwierigkeiten einhandeln wollte. Denn dieses Mal würden sie sicher keine Ausreden mehr gelten lassen.

Für die Untersuchung wurde Mark von der Arbeit freigestellt, ein Robottaxi brachte ihn in die dafür zuständige Behörde. Die medizinische Untersuchung überstand er ohne größere Beanstandungen, es wurde lediglich ein leicht erhöhter Blutdruck festgestellt und er bekam auch gleich ein Rezept für die dafür notwendigen Medikamente. Der psychologische Teil war völlig anders, als er sich vorgestellt hatte. Die Psychologin, die etwas älter als er war und sich als Frau Doktor Schwarz vorgestellt hatte, begrüßte ihn mit den wenig Vertrauen erweckenden Worten: „Bevor wir richtig anfangen, möchte ich Ihnen klarmachen, dass wir alles über Sie wissen, versuchen Sie also gar nicht erst, uns irgend etwas vorzumachen.“ Ohne auf eine Antwort von ihm zu warten, sprach sie gleich weiter: „Wir wissen, dass Sie oft viel zu nachsichtig sind, oder dachten Sie ernsthaft, es bliebe uns verborgen, dass Sie an Ihre unterstellten Sklaven immer nur die geringstmögliche Strafe verhängen? Und dann Ihre beharrliche Weigerung, selbst einen Sklaven zu halten, dachten Sie wirklich, das fällt uns nicht auf?“ Er erschrak zutiefst, mit so massiven Vorwürfen hatte er nicht gerechnet, hatte sich aber gleich wieder in der Gewalt. Jetzt zahlte sich seine jahrelang antrainierte Maske voll aus. Trotzdem wusste er nicht recht, was er ihr antworten sollte, sie hatte anscheinend auch gar nicht mit einer Antwort gerechnet, sondern fuhr fort: „Dies soll Ihnen als Warnung dienen und als Anregung, über Ihr Leben nachzudenken. Ihre Leistungen und die Ihres Teams sind wirklich beeindruckend, darauf können und wollen wir zumindest vorerst nicht verzichten, aber wir können auch anders, wenn Sie verstehen, was ich meine?“ Er antwortete ihr darauf nur mit einem kurzem: „Ja, ich glaube schon, dass ich Sie verstanden habe.“ Sie erwiderte darauf versöhnlich: „Das ist auf jeden Fall besser für Sie, glauben Sie mir und damit Sie Ihren guten Willen auch gleich beweisen können, wird Ihnen meine Kollegin Frau Haber dabei behilflich sein, einen Sklaven oder, wenn Ihnen das lieber ist, eine Sklavin auszusuchen.“

Damit war er entlassen. Mark war ziemlich verwirrt, mit einer so kurzen Untersuchung hatte er nicht gerechnet, er konnte auch nicht ahnen, dass er die Psychologin noch einmal unter gänzlich anderen Umständen wiedersehen würde, allerdings war ihm aufgefallen, dass ihre Worte nicht recht zur Körpersprache passten, so als trüge sie ebenfalls eine Maske. Viel Zeit darüber nachzudenken hatte er aber nicht, denn Frau Haber erwartete ihn bereits. Sie erwies sich als etwas untersetzte und mürrisch wirkende Frau, Mitte dreißig, die dem Vergleich mit einer gereizten Bulldogge durchaus standgehalten hätte. Da sie bereits informiert war, fragte sie ihn nur kurz angebunden: „Sklave oder Sklavin?“, er weigerte sich, das Wort Sklavin zu benutzen und sagte stattdessen ebenso kurz: „Frau“, sie nickte und deutete dann auf einen Bildschirm, an dem er eine Vorauswahl treffen sollte. Mark wusste, dass er beobachtet wurde, also gab er sich den Anschein, als würde er die angebotenen Frauen aufmerksam prüfen, in Wirklichkeit überlegte er die ganze Zeit, wie er aus der Sache herauskam, ohne im Lager zu enden. Am Ende setzte sich bei ihm die Erkenntnis durch, dass er keine Chance hatte und er tun musste, was von ihm erwartet wurde, so sehr er es auch verabscheute, einen Menschen, genauer gesagt eine Frau, als Besitz zu betrachten. Inzwischen war er schon fast auf der letzten Seite angekommen. Frau Haber hatte sein Zögern durchaus bemerkt und sagte leichthin: „Weiter hinten kommen die Älteren, die eigentlich nur noch eine Chance haben, einen neuen Besitzer zu bekommen, ansonsten landen die im Arbeitslager.“ Er erschrak, wusste er doch vom Hörensagen, was Arbeitslager bedeutete, nämlich schwere Arbeit ohne jegliche Freude oder Ablenkung, geschweige denn Hoffnung bis zum Lebensende. Mühsam beherrschte er sich wieder, um nicht noch weiter aufzufallen.

Ohne es zu bemerken, war er inzwischen auf der letzten Seite angekommen, die eine Frau von vielleicht Mitte bis Ende dreißig zeigte, mit mittellangen rötlichen Haaren, normaler Figur und grünen Augen, die ihn sofort faszinierten, es war als würde eine innere Stimme sagen: „Nimm sie!“ Den Rest der Beschreibung nahm er gar nicht mehr richtig wahr, das einzige, dass er noch bemerkte, war, dass sie mit einem Meter fünfundsechzig etwas kleiner war als er. Ohne weiter nachzudenken, tippte er auf ihr Bild, Frau Haber bemerkte nur spitz: „Na klar, war ja fast zu erwarten bei Ihrer Vorgeschichte. Sie haben aber Glück, die hat wirklich ihre allerletzte Chance, die kriegen Sie deshalb auch sehr günstig, allerdings müssen wir die dann noch etwas vorbereiten, die ist nicht in guter Verfassung.“ Mark musste bei diesen Worten schwer schlucken, die Menschenverachtung, mit der Frau Haber über die Frau sprach, machte ihn fassungslos. Er machte also gute Miene zum bösen Spiel und fragte: „Was heißt das, nicht in guter Verfassung? Kann ich sie trotzdem sehen?“, „Na ja, ihr Vorbesitzer hat sie ziemlich stark gefoltert und wohl auch hungern lassen, sodass wir gezwungen waren einzugreifen. Sie wissen ja – die Gesetzte? Aber sehen können Sie sie natürlich“, fuhr die Frau mit völlig unbeteiligter Stimme fort, „und auch gleich mitnehmen, Sie müssten sie dann allerdings zu Hause kurieren, das wäre uns natürlich am liebsten und wir würden Ihnen dann selbstverständlich auch beim Preis noch weiter entgegenkommen.“ Mark antworte hierauf nur mit einem gepressten: „Okay, dann machen wir das so, aber vorher will ich sie sehen.“ „Das ist gar kein Problem, ich bringe Sie gleich zu ihr, in der Zwischenzeit bereiten wir schon mal den Vertrag vor.“ bekam er prompt die Antwort, Mark nickte nur und Frau Haber brachte ihn zu der Zelle, in der die Unglückliche auf ihr Schicksal wartete.

Als sich die Zellentür öffnete, erschrak er doch noch einmal heftig, die Zelle war vielleicht anderthalb Meter breit und zweieinhalb Meter lang, darin befanden sich nur eine einfache Pritsche, ein kleines Waschbecken sowie eine Toilette. Jedes Tier hätte man besser untergebracht als diese Frau, die dort auf der Pritsche unter einer dünnen Decke lag. Sie sprang sofort auf und drückte sich dann voller Angst an die Wand in ihrer Zelle. Sie war eigentlich eine hübsche Frau, aber in sehr schlechtem gesundheitlichen Zustand, ihr Haar war stumpf, die Wangen blass und eingefallen. Da ihre Kleidung lediglich aus einem Slip bestand, konnte er deutlich schlecht verheilte Peitschenhiebe und etliche Blutergüsse auf ihrem Körper erkennen, außerdem stachen die Rippen mehr als deutlich hervor. Mark erkannte sofort, dass sie starke Schmerzen hatte, die sie aber verzweifelt versuchte zu unterdrücken. Frau Haber nahm darauf keinerlei Rücksicht und fuhr die Frau stattdessen in hartem Befehlston an: „Auf die Knie Du faules Stück und begrüße Deinen neuen Herrn, sonst landest Du doch noch im Arbeitslager“, sie kniete daraufhin sofort vor Mark nieder und berührte mit der Stirn den Boden. Sie hatte trotz ihrer offensichtlichen Schmerzen eine angenehme Stimme als sie die vorgeschriebene Formel sprach: „Danke mein Herr, dass Ihr mich als Sklavin nehmt, ich werde Euch stets zu Diensten sein.“ Mark war schockiert. Dass ein Mensch, dem es offensichtlich nicht gut ging und Schmerzen hatte, zu so einer entwürdigenden Handlung gezwungen wurde, ging über sein Vorstellungsvermögen. Als er sich wieder gefangen hatte, sagte er, immer noch peinlich berührt: „Es ist gut, Du kannst jetzt wieder aufstehen.“ Als er sah, wie sie versuchte, sich langsam aufzurichten, war es mit seiner Beherrschung endgültig vorbei, ohne nachzudenken, griff er ihr vorsichtig unter die Arme, um ihr hochzuhelfen und setzte sie zurück auf die Pritsche. Sie schlug die Augen nieder und sagte: „Danke mein Herr für Eure Gnade.“ Frau Haber kommentierte das ganze mit einem süffisanten: „Ts ts, nicht zu fassen, was für ein Samariter, ein richtiger Gentleman.“ Mark antwortete hierauf nichts, er, der Gewalt so sehr hasste, hätte sie dafür jetzt aber am liebsten erwürgt. Die Frau auf der Pritsche war durch die Worte von Frau Haber ebenfalls aufmerksam geworden und sah in ihre Richtung. In diesem Moment konnte Mark ihr direkt in die Augen sehen und wusste in derselben Sekunde, dass er sie auf jeden Fall hier herausholen würde, keinen Tag länger sollte sie in dieser Zelle verbringen müssen. Diese Erkenntnis half ihm, als er sich an Frau Haber wandte und kalt sagte: „Gut, ich nehme sie gleich mit, wenn Sie nichts dagegen haben, bitte machen Sie sie reisefertig, die Formalitäten können wir anschließend auch erledigen.“ Frau Haber nickte nur, geleitete ihn zurück in ihr Büro und erließ dann einige Anordnungen. Die Formalitäten waren zu Marks Überraschung schnell erledigt, er schloss bei dieser Gelegenheit auch gleich eine Krankenversicherung für seine neue Mitbewohnerin ab, er scheute sich das Wort Sklavin für sie zu verwenden. Dann wurde er zu seinem Besitz beglückwünscht und verabschiedet.

Das Robottaxi, in dem die Frau schon voller Ungewissheit wartete und das beide zurück zu seiner Wohnung brachte, bezahlte großzügigerweise die Behörde. Bevor sie losfuhren, nahm er ihr noch die Handschellen ab, mit denen sie unnötigerweise gefesselt worden war, den Schlüssel dazu hatte er von Frau Haber erhalten. Sie antwortete wieder mit der ihm bereits bekannten Formel: „Danke mein Herr für Eure Gnade“, wagte aber nicht, ihn dabei anzusehen. Sie hatte ganz einfach Angst, da sie nicht wusste, was auf sie zukam, einerseits war sie zwar froh, dem Arbeitslager entronnen zu sein, andererseits konnte sie natürlich nicht wissen, ob sie nicht ein Elend gegen ein anderes, vielleicht noch schlimmeres, getauscht hatte? Was würde ihr neuer Herr von ihr verlangen und wie würde er sie behandeln? Das waren im Wesentlichen die Gedanken, die ihr durch den Kopf gingen. Sie dachte an die Misshandlungen und den Hunger durch ihre letzte Herrin und hoffte inständig, dass sie so etwas nicht noch einmal durchmachen musste. Beim kurzen Blickkontakt mit ihrem neuen Herrn vorhin in der Zelle, waren ihr nur eine Art Traurigkeit und mühsam unterdrückte Wut aufgefallen, da sie beides nicht richtig zuordnen konnte, wurden die Angst und die Unsicherheit natürlich nicht geringer. Mark bemerkte ihre Angst und hätte so gern etwas Tröstendes zu ihr gesagt, wusste aber nicht genau, was er sagen sollte, außerdem war er sicher, dass sie beobachtet wurden, also schwieg er.

Unterwegs machten sie noch einmal Halt, da Mark noch einige Dinge besorgen musste, das waren zum einen die Medikamente für ihn selbst, aber auch Salben und Verbandszeug für sie. Die freundliche Apothekerin wunderte sich zwar etwas, als sie hörte, worum es ging, denn wer betrieb schon großen Aufwand mit einer Sklavin? Beriet ihn dann aber gut und ausführlich, welche Mittel er benötigte, damit seine Mitbewohnerin schnell und ohne große Schmerzen wieder gesund wurde und keine hässlichen Narben behielt, allerdings nicht, ohne ihn vorher einem kleinen Test zu unterziehen. Die erste Salbe, die sie ihm anbot, hatte die Nebenwirkung, dass sie stark auf der Haut brannte. Sie erklärte dazu: „Diese Salbe wird sehr gerne gekauft, das starke Brennen dient sozusagen als zusätzliche Bestrafung, wenn Sie verstehen, was ich meine?“ Aufmerksam wartete sie auf seine Reaktion. Er sah sie erschrocken an und sagte dann: „Entschuldigen Sie bitte aber ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor, die beschriebenen Verletzungen sind nicht von mir. Ich möchte auf keinen Fall, dass sie noch mehr leidet, ganz im Gegenteil, ich will ihr helfen, haben Sie denn nichts anderes? Sie nickte und erwiderte scheinbar gelassen: „Ach so, dann habe ich Sie vorhin falsch verstanden, verzeihen Sie bitte – mein Fehler. Das ist natürlich was anderes, dann nehmen Sie besser die hier, die ist aber etwas teurer, brennt dafür aber nicht und wirkt zudem schmerzlindernd“ und zeigte ihm die andere Salbe. Okay, dann nehm’ ich die“, antwortete er sofort, ohne auch nur zu fragen, wie viel teurer die denn wäre. Er bezahlte und bedankte sich. Bei der Verabschiedung fiel ihm das eigenartig wissende Lächeln der Apothekerin zwar auf, er konnte sich jedoch keinen Reim darauf machen. Anschließend ging er noch in ein Bekleidungsgeschäft, um auch einige Sachen zum Anziehen zu besorgen. Da er von der Behörde einen Laserscan der Frau bekommen hatte, war es nicht schwierig mithilfe der Verkäuferin passende Sachen für sie zu finden. Nun benötigte er nur noch einige Hygieneartikel, aber das war schnell erledigt und endlich hatte er alles zusammen und sie konnten die Fahrt fortsetzen.

Kapitel 2

Zu Hause angekommen, bestand die erste Schwierigkeit darin, dass seine Mitbewohnerin doch stärker geschwächt war, als Mark zunächst angenommen hatte. Er half ihr aus dem Taxi und bemerkte, dass sie sich kaum auf den Beinen halten konnte. Er überlegte keine Sekunde und bevor sie begriff was er vorhatte, nahm er sie behutsam auf den Arm und trug sie die Stufen hoch bis in seine Wohnung. Sie erleichterte sein Vorhaben, indem sie, eher unbewusst, ihre Arme um seinen Nacken schlang. Ihm fiel sofort ihr geringes Gewicht auf und er verstand einfach nicht, wie man eine Frau derart quälen konnte, dass man sie sogar hungern ließ. Endlich angekommen, setzte er sie sanft in einen Sessel, sie war derart verwirrt, dass sie nicht einmal, die ihm schon bekannte Formel hervorbrachte, da verschwand er auch sofort wieder, um die restlichen Sachen zu holen. Er ließ die Sachen erst einmal im Flur liegen, um nach ihr zu sehen, als sie ihn bemerkte, stand sie auf, warf sich ihm vor die Füße und machte Anstalten, diese zu küssen. Mark war ziemlich verdattert, damit hatte er nicht gerechnet und schärfer, als er eigentlich wollte, sagte er: „Hör sofort auf damit!“, sie erschrak und antwortete: „Ja Herr, natürlich, bitte bestrafen Sie mich für meinen Fehler.“ Mark sagte darauf zunächst nichts, er half ihr wieder hoch und setzte sie zurück in den Sessel. Dann setzte er sich zu ihr und sagte, jetzt schon viel freundlicher: „Hör mir jetzt bitte genau zu, ich weiß, dass Du so erzogen wurdest, aber ich möchte nie wieder erleben, dass Du vor mir auf die Knie gehst, hast Du mich verstanden?“, „Ja, Herr“, antwortete sie, wieder ohne ihn anzusehen. Er sah ihr aber deutlich an, dass sie ihn nicht wirklich verstanden hatte und versuchte zu erklären: „Ich will nicht, dass Du Dich noch einmal vor mir so erniedrigst, ich kann so etwas nicht ausstehen. Weiterhin möchte ich, dass Du mich, wenn wir beide allein sind, mit Mark oder einfach mit du ansprichst und Du darfst mich dabei auch gerne ansehen. Da fällt mir übrigens gerade ein, wie heißt Du eigentlich?“

Seine Worte verwirrten sie nur noch mehr, sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Sein Verhalten passte absolut nicht zu ihren Erwartungen und Erfahrungen. Er war so völlig anders, als ihre bisherigen Herren, allerdings hatte sie keine Ahnung, wie sie damit umgehen, oder sich verhalten sollte. Was erwartete er von ihr? War ihm denn nicht klar, dass er eine völlig rechtlose Sklavin vor sich hatte? Sie überlegte, sollte sie ihm ihren Namen sagen, oder war das vielleicht nur ein Test? Schließlich siegte die Vorsicht und sie antwortete: „Ich habe keinen Namen, Ihr könnt mir einfach einen geben, Herr.“ Er sagte darauf mit nachsichtigem Lächeln: „Habe ich Dir nicht eben gesagt, dass ich das Wort Herr hier in meiner Wohnung von Dir nicht mehr hören möchte? Und außerdem, Du musst doch einen Namen haben, ich meine früher …?“, er brach ab, weil er bemerkte, dass sie den Tränen nahe war und nur die Angst vor Strafe noch verhinderte, dass sie weinte. Mark nahm dies allerdings als gutes Zeichen, denn es zeigte ihm, dass sie noch nicht völlig abgestumpft und gefühllos geworden war. Er sah unauffällig zur Seite und tat so, als hätte er nichts bemerkt und ließ ihr Zeit, sich zu sammeln, da antwortete sie zu seiner Überraschung wieder nach bekanntem Muster: „Bitte verzeih‘ mir Mark, ich habe einen Fehler gemacht, bitte bestrafe mich.“ Er verdrehte die Augen, irgendwie hatte er das Gefühl, so nicht weiterzukommen, aber wenigstens hatte sie ihn schon mal angesehen und seinen Namen gesagt, immerhin ein Fortschritt, wenn auch ein kleiner, dachte er bei sich. Laut sagte er: „Ich weiß, dass Du mir nicht vertrauen kannst und Angst vor mir hast, aber bitte glaub‘ mir, vor mir brauchst Du Dich nicht fürchten, ich werde Dir nicht weh tun und Dich schon gar nicht bestrafen, ich wüsste ja noch nicht einmal wofür. Mir ist klar, dass Du Dich nicht von heute auf morgen ändern kannst und Zeit brauchst, aber bitte versuch‘ wenigstens, keine Angst mehr vor mir zu haben und sprich mit mir.“ Daraufhin war es eine Weile still. Katya, denn das war ihr Name, überlegte, ob sie ihm glauben sollte oder nicht, denn was er gerade gesagt hatte, kam ihr zu schön vor, um wahr zu sein, andererseits hatte er ihr bis jetzt nichts getan, ganz im Gegenteil, ihr nur geholfen, warum also sollte er seine Meinung plötzlich ändern? Oder war das eine ganz fiese Masche von ihm, ihr erst Hoffnung zu machen, um sie dann umso schlimmer zu quälen? So richtig glaubte sie das allerdings nicht, irgendwie traute sie ihm so viel Bosheit einfach nicht zu, und das, obwohl sie sich schon einmal in einem Menschen schwer getäuscht hatte. Sie dachte daran, dass von den früheren Herren keiner auf die Idee gekommen wäre, ihr hochzuhelfen, geschweige denn, sie zu tragen, die hätten sie eher die Treppe hoch geprügelt. Dann war ihr ebenfalls aufgefallen, dass er, als er sie vorhin nach ihrem Namen gefragt hatte und sie wegen der plötzlich hochkommenden Erinnerungen den Tränen nahe war, so getan hatte, als hätte er es nicht bemerkt. Außerdem hatte er das Wort ‚bitte‘ benutzt, das schon lange keiner mehr zu ihr gesagt hatte und so gab sie sich einen Ruck und sagte immer noch etwas unsicher: „Katya, mein Name ist Katya, ich hoffe, er gefällt Dir?“. Er lächelte sie an und sagte erleichtert: „Na endlich, ich hatte schon Angst, ich muss mir einen Namen für Dich ausdenken, da hättest Du aber wahrscheinlich nächsten Monat noch keinen und ja, Katya ist ein schöner Name und er passt irgendwie richtig zu Dir“, sie erwiderte hierauf zwar nichts, aber Mark konnte deutlich erkennen, dass sie sich freute. Dabei übersah er, dass Katya mindestens ebenso erleichtert war, dass sie ihren ersten Versuch ihm zu vertrauen, nicht gleich bitter bereuen musste. Immerhin hatten sie damit die erste Hürde genommen.

Nach einer Weile fragte er dann: „Wie geht es Dir jetzt, wie schlimm sind Deine Schmerzen und bitte, sei ehrlich zu mir? Dass es Dir nicht gut geht, sehe ich, also mach mir bitte nichts vor. Ich frage Dich deshalb, weil ich wissen möchte, ob wir erst essen, oder ich mich vorher um Deine Verletzungen kümmern muss.“ Sie sah ihn an, als zweifle sie an seinem Verstand. Wer fragt auch schon eine Sklavin wie es ihr geht und macht davon sogar noch seine eigenen Handlungen abhängig? Das ging ganz eindeutig über ihr Vorstellungsvermögen, allerdings erkannte sie, dass er es wirklich ernst meinte. Ihr war auch klar, dass sie ihm jetzt auf jeden Fall ehrlich antworten musste. Trotzdem brauchte sie noch einen Moment, bevor sie antworten konnte und diplomatisch sagte: „Im Moment geht es, ich kann es ganz gut aushalten. Du brauchst keine Rücksicht auf mich nehmen“, in Gedanken fügte sie noch hinzu: „Ich bin viel Schlimmeres gewohnt …“. Er gab sich mit dieser Antwort zufrieden, da er erkannte, dass sie gar nicht anders konnte. Ein lautes Knurren, welches unzweifelhaft aus Katyas Magen kam, beseitigte dann alle Unklarheiten. Sie sah ihn erschrocken an und wollte gerade zu einer Entschuldigung ansetzen, als er ihr zuvor kam „Okay, das war jetzt mehr als eindeutig! Ich werd’ uns dann fix was zu Essen bestellen“, sagte er schmunzelnd und fügte hinzu, „meine Kochkünste sind nämlich ziemlich miserabel, musst Du wissen, ich bin schon froh, wenn bei mir das Wasser nicht anbrennt“. Jetzt huschte sogar so etwas wie ein kurzes Lächeln über ihr Gesicht, wie er erfreut feststellte.

Um sie nicht zu verunsichern, tat er wieder so, als hätte er es nicht bemerkt und nahm stattdessen sein Tablet zur Hand und fragte: „Was möchtest Du denn gerne essen?“. Die Frage überraschte und verwirrte sie, da sie es einfach nicht gewohnt war, nach ihren Wünschen gefragt zu werden. Prompt fiel sie wieder in ihre Rolle zurück und erwiderte: „Ich werde selbstverständlich das nehmen, was Du mir erlaubst.“ Er antwortete ihr halb verzweifelt, halb bittend: „Mädel, mach es mir doch bitte nicht so schwer, was soll ich denn machen, damit Du mir endlich glaubst, dass ich Dir nichts Böses will? Hältst Du mich wirklich für so ein Monster, dass ich Dir weh tue, nur weil Du mir gesagt hast, was Du essen möchtest, zumal ich Dich vorher danach gefragt habe?“ Sie sah ihn an und erkannte instinktiv, dass er es ehrlich meinte, sie schüttelte den Kopf bevor sie leise sagte: „Nein, Du bist kein Monster, aber ich wurde schon lange nicht mehr gefragt, was ich möchte.“ Er erwiderte: „Gut, das kann ich verstehen, ich möchte aber trotzdem, dass Du Dir, wenn ich Dir jetzt das Tablet rübergebe, selbst was aussuchst, Okay?“ „Ich werde es versuchen“, gab sie ihm zur Antwort, nahm das Tablet und schaute sich die angebotenen Menüs an. Schon nach erstaunlich kurzer Zeit gab sie es zurück und er staunte nicht schlecht, sie hatte sich ein leichtes aber vitamin- und nährstoffreiches Gericht, mit viel Gemüse, einer Art Reis und Fisch ausgesucht. Daran hatte er gar nicht gedacht, dass sie jetzt vor allem eine ausgewogene Ernährung brauchte, damit sie rasch wieder auf die Beine kam. Er lobte sie für ihre Auswahl und meinte dazu: „Mhm, das sieht wirklich lecker aus, ich glaube, das nehme ich auch mal, statt Schnitzel und Fritten wie sonst immer“ und wieder sah er kurz den Anflug eines Lächelns in ihrem Gesicht.

Das Essen wurde schnell geliefert und schmeckte so lecker, wie es aussah. Mark nahm sich vor, so etwas jetzt öfter mal zu versuchen. Einige Male versuchte er Katya zu bremsen, die sich mit wahrem Heißhunger über ihre Portion hermachte, wobei er sie aber gut verstehen konnte, nach allem, was sie durchgemacht hatte und so hungrig, wie sie augenscheinlich war. Er machte sich trotzdem Sorgen, dass sie zu hastig aß „Langsam Mädchen, langsam, keiner nimmt Dir was weg, nicht dass Du nachher Bauchschmerzen bekommst“, sagte er deshalb. Sie sah ihn an und versuchte tatsächlich etwas langsamer zu essen, war aber trotzdem noch vor ihm fertig und das wollte was heißen, war er doch sonst immer derjenige, der zuerst mit dem Essen fertig war. Nach dem Essen sagte er: „Das war wirklich lecker, danke für den Tipp, da wäre ich von allein wohl nie drauf gekommen, so was mal zu probieren“, worauf sie leicht verlegen entgegnete: „Gern geschehen.“ Nach dem Essen war es eine Zeitlang still, beide hingen ihren Gedanken nach.

Bis er dann die Stille unterbrach mit den Worten: „So gegessen haben wir, jetzt wird es Zeit, dass Du erstens aus diesem furchtbaren Mantel rauskommst und ich mich zweitens um Deine Wunden kümmere, also ab in die Wanne mit Dir.“ Sie trug nämlich immer noch so eine Art Bademantel, den sie von der Behörde bekommen hatte, da sie ja keine andere Kleidung besaß. Katya sah ihn ungläubig an „Heißt das, ich darf baden? Ich meine so richtig, mit warmen Wasser?“, fragte sie zögernd. Er sah sie überrascht an „Na klar, oder hast Du gedacht, ich setze Dich in kaltes?“, antwortete er und wunderte sich ein wenig über das Leuchten in Ihren Augen mit dem sie sich bedankte, er konnte ja nicht wissen, wie sehr sie sich nach einem heißen Bad sehnte, nachdem sie, wenn überhaupt, meist nur kalt hatte duschen dürfen. Er ging also ins Bad, um das Wasser einzulassen, dann holte er sie und half ihr in die Wanne, er spürte, wie sie ein paar Mal kurz zusammen zuckte, als das warme Wasser ihre Wunden berührte, aber dann hatte sie es geschafft und streckte sich wohlig aus. Im Wasser befand sich außerdem ein Mittel, das nicht nur gut duftete, sondern gleichzeitig auch desinfizierend und heilungsfördernd wirkte. Er sah ihr an, dass sie ihn eigentlich noch etwas fragen wollte, sich aber nicht recht traute, er konnte sich aber denken, was sie wollte und sagte: „So Mädchen, ich lass Dich jetzt kurz allein, ich komme dann so in einer halben Stunde und helfe Dir“, sie sah ihn dankbar an und versuchte sogar ein Lächeln als sie „Danke“, sagte.

Mark nahm ihren Slip und den Bademantel von der Behörde und ließ beides im Müllschlucker verschwinden. Er holte die restlichen Sachen aus dem Flur, suchte die Salbe für sie raus und ging ins Schlafzimmer, um das Bett für sie vorzubereiten. Anschließend ging er zurück ins Bad. Katya machte es ihm dieses Mal leicht, sie hatte sich schon die Haare gewaschen und war fast fertig, nur beim Rücken brauchte sie seine Unterstützung, jetzt konnte er auch zum ersten Mal die zum Teil recht tiefen Verletzungen sehen und ihm ging die Frage durch den Kopf, was man für ein Mensch sein musste, um einer Frau so etwas anzutun. Anschließend half er ihr aus der Wanne, trocknete sie vorsichtig ab und ging dann mit ihr ins Schlafzimmer, um die Wunden zu versorgen. Das Essen und das anschließende Bad, hatten ihre Lebensgeister geweckt, sie fühlte sich schon wieder viel besser. So bemerkte sie auch sofort, dass beide Seiten des Doppelbetts bezogen waren und fragte sich im Stillen: „Hat er etwa eine Freundin?“ Dass er nicht verheiratet war, hatte sie mit weiblicher Intuition nämlich bereits herausgefunden, allerdings dachte sie nicht einmal im Traum daran, dass eine Seite vielleicht für sie bestimmt sein könnte.

Auf der einen Hälfte des Bettes lag ein großes Handtuch und er bat sie sich daraufzulegen, damit er ihre Wunden versorgen konnte. Sie wickelte sich ganz unbefangen aus dem Handtuch und legte sich dann so, wie Gott sie schuf aufs Bett. Er fing mit dem Rücken an, der das meiste abbekommen hatte. Einige der Striemen waren durch das Bad wieder aufgegangen und bluteten ein bisschen, so behutsam wie möglich, tupfte er sie ab und bestrich sie mit der Salbe. Als er schließlich am Po ankam und die starken Striemen sah, die sie dort hatte, konnte er kaum glauben, dass sie damit überhaupt hatte sitzen können „Wie hast Du das vorhin bloß ausgehalten, das muss doch weh getan haben?“, fragte er mitfühlend und fügte dann etwas traurig und enttäuscht hinzu: „Warum hast Du mir denn vorhin nicht die Wahrheit gesagt, als ich Dich nach Deinen Schmerzen gefragt habe?“ Sie drehte sich zu ihm um und antwortete betroffen: „Bitte glaub’ mir, ich hab’ nicht geschwindelt, sie haben mir bevor wir losgefahren sind ein Schmerzmittel gegeben, damit ging es.“ Mark begriff, dass sie ihn nicht böswillig angelogen hatte, sondern die Schmerzen lediglich etwas heruntergespielt hatte, vielleicht auch aus Angst etwas Falsches zu sagen. Seine Achtung vor ihr stieg jedenfalls noch weiter, denn er wusste genau, dass er mit solchen Verletzungen bestimmt nicht hätte sitzen können. Besorgt erwiderte er: „Bitte sag mir jetzt aber wirklich ehrlich, wenn ich Dir weh tue, weil ich zu ungeschickt bin, ja?“ „Du tust mir nicht weh, ganz im Gegenteil, Du machst das richtig gut“, antwortete sie und er freute sich, denn er fühlte, dass sie es auch wirklich so gemeint hatte und langsam anfing, ihm zu vertrauen. Die Salbe zog überraschend schnell ein und stillte vor allem auch die Blutungen nahezu sofort, sodass er fast kein Verbandsmaterial benötigte, außerdem wirkte sie, wie bereits erwähnt, schmerzlindernd.

Endlich war er mit ihrem Rücken fertig und bat sie, sich umzudrehen, zum Glück waren die Verletzungen hier nicht so schlimm, aber auf den Brüsten und dem Bauch waren doch einige deutliche Striemen zu sehen. Er zögerte kurz, sie war trotz der Unterernährung ja immer noch eine schöne Frau und lag jetzt vollkommen nackt vor ihm. Dann begann er zuerst die Striemen auf dem Bauch zu versorgen, wobei er ein leichtes Zittern seiner Hände aber nicht gänzlich verhindern konnte. Katya hatte sein Zögern bemerkt und fragte leicht amüsiert: „Was denn, hast Du noch nie eine nackte Frau gesehen?“, sie erschrak, das war ihr jetzt einfach so rausgerutscht. Sie war ärgerlich auf sich selbst, warum konnte sie nicht einfach den Mund halten? Wenn er sie jetzt bestrafte, war es ihre eigene Schuld, schließlich hatte sie ihn beleidigt oder zumindest verletzt, so dachte sie, aber nichts dergleichen geschah. Er sah sie nur mit einem merkwürdigen Blick an und sagte dann etwas verlegen: „Doch, ist aber schon eine Weile her“, und war mit seinen Gedanken plötzlich ganz weit weg. Er dachte ein paar Jahre zurück, als er mit einer guten Bekannten am Strand baden war, das war tatsächlich das letzte Mal, dass er eine nackte Frau ‚in Natura‘ gesehen hatte. Ihre Stimme holte ihn aus seinen Erinnerungen „Bitte entschuldige, das wusste ich nicht, ich wollte Dich nicht verletzen, das ist mir einfach so rausgerutscht“, sagte sie kleinlaut und er konnte deutlich die Angst spüren, die in ihrer Stimme mitschwang. Er antwortete deshalb in beruhigendem Ton: „Ach was, ist schon gut, das konntest Du ja auch nicht wissen und außerdem finde ich es Klasse, dass Du nicht auf den Mund gefallen bist und Deinen Humor noch nicht ganz verloren hast.“ Die Erleichterung war ihr trotzdem deutlich anzusehen, als er die Salbe wieder zur Hand nahm und seine unterbrochene Tätigkeit fortsetzte. Bei ihren Brüsten zögerte er wieder kurz, sie nickte ihm auffordernd zu und er begann ganz sanft, die Striemen zu behandeln.

Inzwischen war es doch schon ziemlich spät geworden und er hatte bemerkt, dass sie schon einige Male das Gähnen nur mit Mühe unterdrückt hatte, deshalb sagte er: „Ich glaube, es wird Zeit, dass Du ins Bett kommst, Du schläfst mir sonst ja gleich ein.“ Sie sah ihn erstaunt an, obwohl sie schon einiges von ihm gewohnt war, konnte sie nicht glauben, dass er sie wirklich in einem richtigen Bett schlafen lassen würde und fragte ihn vorsichtig: „Wo darf ich denn schlafen?“ „Sieh Dich um, Du liegst schon fast richtig, allerdings ist das hier meine Seite, Du musst also rüberrutschen“, sagte er schmunzelnd und fügte entschuldigend hinzu: „Ich habe zwar drei Zimmer, aber das eine ist mein Arbeits- und Trainingszimmer und da ist leider kein Bett drin.“

Bei dem Wort ‚Arbeits- und Trainingszimmer‘ zuckte Katya kurz zusammen, denn sie wusste, dass das für die meisten so eine Art Umschreibung für ‚Spielzimmer‘ war und eigentlich Folterkammer meinte, sollte das bei Mark etwa auch so sein? Sie unterdrückte den Impuls, ihn danach zu fragen, stattdessen konzentrierte sie sich erst mal auf das Nächstliegende, in dem sie fragte: „Ich darf wirklich hier neben Dir schlafen?“ „Ja, natürlich“, gab er, etwas erstaunt über ihre erneute Nachfrage, zurück, hätte er gewusst, dass sie meist auf dem Boden hatte schlafen müssen, wäre ihm die Frage wohl weniger merkwürdig vorgekommen. Dann kam ihm der Gedanke, dass sie vielleicht auch einfach nur Angst hatte, dass er sich an ihr verging und sagte deshalb: „Und bitte, hab’ keine Angst, ich werde ganz sicher nicht über Dich herfallen.“ Katya gelang es im letzten Moment die Bemerkung, die ihr schon auf der Zunge lag, herunterzuschlucken „Wieso, gefalle ich Dir etwa nicht?“, hätte sie beinahe gesagt. Sie wusste immer noch nicht, wie sie sein Verhalten einordnen sollte. Warum hatte er das erwähnt? Sie war doch nur eine Sklavin und wenn er sie nehmen wollte, würde sie sich ihm doch eh hingeben müssen?

Jetzt war es seine Stimme, die ihre Gedanken unterbrach „Hier, bitte, das ist für Dich“, sagte er und zeigte ihr das türkisfarbene Nachthemd, das er für sie gekauft hatte. Für einen kurzen Moment war sie sprachlos, als sie sich wieder gefangen hatte, fragte sie: „Das …, das ist wirklich für mich?“ „Na klar, für wen denn sonst? Ich pass‘ da bestimmt nicht rein. Ich hoffe, es gefällt Dir?“, antwortete er grinsend, worauf sie entgegnete: „Vielen Dank, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll …, es gefällt mir sogar sehr, aber woher wusstest Du, dass ich Türkis mag?“ „Das hab‘ ich geraten“, sagte er einfach, „aber ich dachte, das passt gut zu Deinen Augen, wie wär‘s, wenn Du es gleich mal anprobierst?“ „Gern“, antwortete sie und zog das Nachthemd über, dann drehte sie sich so, dass er sie von allen Seiten sehen konnte und fragte: „Gefalle ich Dir damit?“ „Du siehst Spitze aus“, erwiderte er impulsiv und bemerkte, dass sie sogar ein bisschen rot wurde. Katya sah wirklich hinreißend darin aus, das Türkis bildete einen schönen Kontrast zu ihrem rötlichen Haar, es war zwar ein wenig zu weit, aber das würde sich geben, wenn er sie wieder aufgepäppelt hatte, dachte er im Stillen bei sich. Am meisten aber freute er sich darüber, dass sie jetzt endlich die Angst etwas verlor. Er wünschte ihr eine gute Nacht und ging noch ins Wohnzimmer, um noch etwas fernzusehen, schließlich hatte er ein paar Tage frei und außerdem musste er den Tag auch erst mal verarbeiten.

Im Fernsehen lief allerdings wieder mal nur Müll und so beschloss er, ebenfalls schlafen zu gehen. Als er ins Schlafzimmer kam, schlief Katya bereits fest, er betrachtete noch eine Weile ihr gelöst wirkendes Gesicht und dachte kurz daran, warum die Welt so grausam und kalt war, wenn doch schon so wenig ausreichte, um einem Menschen wie Katya, das Leben leichter zu machen? Wäre die Welt nicht viel schöner, wenn sich die Menschen helfen würden, anstatt sich gegenseitig das Leben schwer zu machen? Er verfluchte zum wiederholtem Male das System, das Menschen zwang, ihre Gefühle zu unterdrücken und zu Sklaven machte, dann fiel er in einen unruhigen Schlaf. Katya hatte zunächst, trotz der Müdigkeit, nicht einschlafen können, zu viel ging ihr durch den Kopf. Sie dachte ein paar Stunden zurück, als sie noch hungrig, mit starken Schmerzen und frierend in der Zelle lag. Größer konnte der Gegensatz kaum sein. Sie war frisch gebadet, und nach langer Zeit wieder richtig satt. Lag in einem sauberen Bett mit einer richtigen Decke und hatte vor allem fast keine Schmerzen mehr. Das alles hatte sie nur ihm zu verdanken und sie war ihm auch mehr als dankbar dafür.

Katya verstand aber einfach nicht, warum Mark das alles für sie getan hatte? Sie war doch ‚nur‘ eine Sklavin und trotzdem hatte er sie behandelt, als wäre sie seine Geliebte oder Schwester und sie eben nicht angeschrien oder geschlagen. Sie wagte auch noch nicht daran zu denken, dass sie vielleicht auch mal etwas Glück haben könnte und an jemanden geraten war, der sie nicht wie den letzten Dreck behandelte. Der morgige Tag würde da sicher mehr Gewissheit bringen! Bevor schließlich doch die Müdigkeit siegte und sie endlich einschlief, jagte noch ein Gedanke durch ihren Kopf, konnte es sein, dass Mark einfach nur einsam war und eigentlich gar keine Sklavin, sondern eine Partnerin wollte? Das wäre zumindest eine Erklärung für sein Verhalten und sie nahm sich fest vor herauszufinden, ob sie damit richtig lag. Andererseits, warum hatte er sie dann überhaupt gekauft? Zu viele Fragen und keine Antworten, zumindest noch nicht.

In der Nacht hatte sie einen furchtbaren Alptraum, sie träumte, dass sie wieder in der Zelle war und ins Arbeitslager abgeholt wurde, mit einem Schrei wachte sie schließlich auf. Mark war natürlich ebenfalls wach geworden, er machte Licht und sah sie fragend an: „Was ist denn los, hast Du schlecht geträumt?“, sie zitterte am ganzen Körper und stammelte, noch immer unter der Nachwirkung ihres Traums: „Bitte, schick mich nicht wieder zurück …, bitte, ich mach alles, was Du willst, aber bitte, schick mich nicht zurück, ich will nicht im Lager sterben“, er begriff sofort was sie meinte, legte seinen Arm sanft um sie und sagte verständnisvoll: „Ist ja schon gut, Du brauchst keine Angst haben, ich werde Dich ganz bestimmt nicht zurückschicken, ich möchte, dass Du bei mir bleibst, es war nur ein Alptraum.“ Sie begriff jetzt erst richtig, wo sie war und dass sie ihn geweckt hatte „Bitte entschuldige, ich wollte Dich nicht wecken, aber es hat sich so echt angefühlt, als wenn ich wirklich …“, flüsterte sie schuldbewusst. „Du brauchst Dich nicht zu entschuldigen, ich verstehe ja, dass Dir das Angst gemacht hat, versuch‘ jetzt einfach wieder zu schlafen, ja?“, sagte er verständnisvoll. Sie sah ihn an und nickte. „Danke“, hauchte sie noch mit einem Lächeln, dann schliefen sie fast gleichzeitig wieder ein.

Kapitel 3

Mark erwachte am nächsten Morgen ziemlich früh, blieb aber noch eine Weile liegen und lauschte Katyas ruhigen Atemzügen, sie schlief noch ganz fest, was angesichts ihrer Erschöpfung ja auch nicht verwunderlich war. Weil er nicht wieder einschlafen konnte, stand er ganz leise auf, um sie nicht zu wecken und versuchte so wenig Lärm wie möglich zu machen, als er das Frühstück vorbereitete. Dann ging er ins Schlafzimmer, um sie zu holen. Sie war inzwischen aber schon wach geworden und wunderte sich, warum er sie nicht geweckt hatte. Panik begann sich in ihr breitzumachen, denn wo gab es so was, dass eine Sklavin länger schlief als ihr Herr? Tausend Gedanken und Entschuldigungen rasten ihr durch den Kopf, auf das Einfachste, nämlich dass sie ihn immer noch völlig falsch einschätzte, kam sie allerdings nicht, dafür war der gestrige Tag auch einfach nicht ausreichend. So erschrak sie ziemlich heftig, als er sie mit einem freundlichen: „Guten Morgen, hast Du gut geschlafen nach Deinem Alptraum?“, begrüßte. „Ich …, ja danke, ich habe sogar sehr gut geschlafen, aber warum hast Du mich nicht geweckt, ich meine …“, sagte sie völlig überrumpelt. „Ich wollte Dich einfach noch etwas schlafen lassen. Wie geht es Dir denn heute, hast Du noch Schmerzen?“, fragte er sie einfach unbekümmert weiter. Sie antwortete, noch immer ziemlich irritiert: „Viel besser als gestern und die Schmerzen sind auch fast weg, dank Dir.“ Er erwiderte: „Das freut mich, nun aber fix ins Bad, das Frühstück wartet.“ Immer noch ziemlich durcheinander verschwand sie schließlich im Bad.

In der Zwischenzeit hatte Mark einige Sachen für sie zum Anziehen bereitgelegt und freute sich diebisch, als er wieder das Vergnügen hatte, sie sprachlos zu erleben. Katya sah das einfache, aber schöne dunkelblaues Shirtkleid und glaubte immer noch zu träumen, das konnte er doch unmöglich ernst meinen? Sie begriff erst, dass es tatsächlich so war, als er lächelnd sagte: „Bitte beeil Dich beim Anziehen, sonst wird der Kaffee kalt“ und in die Küche ging. Die Aussicht auf einen Kaffee brachte sie in Schwung, denn sie liebte Kaffee, hatte aber schon so lange keinen mehr trinken dürfen. Sie zog sich an und ihre Verblüffung wurde nicht kleiner, er hatte wirklich an alles gedacht, so fand sie neben passender Unterwäsche und Strümpfen sogar einen BH in der richtigen Größe vor, auch ein paar bequeme Hausschuhe hatte er nicht vergessen. Sie schaute zum Abschluss noch einmal in den Spiegel, ob alles richtig saß, dann ging sie zu ihm in die Küche. Mark pfiff anerkennend durch die Zähne, als er sie sah und rief: „Wow, chic siehst Du aus!“ und das, was er gehofft hatte, trat auch tatsächlich ein, sie wurde prompt rot und fragte zweifelnd: „Wirklich?“ „Ja wirklich, Du siehst einfach fantastisch aus“, antwortete er bewundernd. Sie sagte darauf nur verlegen: „Danke und vielen Dank für das schöne Kleid, das hab ich doch aber gar nicht verdient.“ „Papperlapapp, eine schöne Frau braucht auch ein schönes Kleid“, antwortete er, worauf das Rot in ihrem Gesicht natürlich nicht weniger wurde und bevor sie etwas erwidern konnte, fuhr er freundlich fort: „Komm setz Dich und lang zu, der Kaffee ist auch gleich fertig“ „Gern“, erwiderte sie und setzte sich zu ihm. Er registrierte erleichtert, dass sie die Scheu langsam ablegte und jetzt endlich, auch ohne erneute Aufforderung, mit gutem Appetit zu essen begann.

Nach dem Frühstück sagte Mark: „Komm, ich möchte Dir mein Arbeits- und Fitnesszimmer zeigen“, denn er hatte ihr Zusammenzucken am Vorabend bei dessen Erwähnung durchaus bemerkt. Katya folgte ihm mit etwas gemischten Gefühlen, zwar glaubte sie inzwischen nicht mehr recht daran, dass er sie foltern würde, aber ein ungutes Gefühl blieb trotzdem. Er hatte das natürlich bemerkt und so konnte er auch deutlich ihre Erleichterung spüren, als sie feststellte, dass das Zimmer wirklich nur ein paar Trainingsgeräte, wie eine Ruderbank und einen Crosstrainer sowie seinen Schreibtisch mit Computer enthielt. Er sah sie ein wenig spöttisch an und fragte: „Na, zufrieden?“, sie senkte den Kopf und sagte entschuldigend: „Bitte sei mir nicht böse, aber bisher kannte ich es nicht anders, als dass so ein Zimmer eine Art Folterkammer war.“ „Ich bin Dir nicht böse, so was Ähnliches habe ich mir schon fast gedacht, aber bitte glaub’ mir, ich könnte niemals einen Menschen und schon gar keine Frau quälen“, entgegnete er in ziemlich erstem Ton. Sie sah ihn an und nickte nur, als Zeichen, dass sie verstanden hatte. Abschließend bemerkte er noch, jetzt wieder viel netter: „Du darfst die Geräte später gerne nutzen, natürlich nur, wenn Du möchtest und auch erst, wenn Du wieder völlig okay bist“, sie antwortete darauf lächelnd: „Danke, das werd‘ ich ganz bestimmt machen.“ Dann verließen sie das Zimmer und kehrten in die Küche zurück, wo er ihr noch einen Kaffee anbot, den sie dankbar annahm.

Jetzt kam das, worauf Katya insgeheim schon die ganze Zeit gewartet und wovor sie sich gleichzeitig auch ein wenig gefürchtet hatte. Er sagte nämlich: „Also, ich möchte Dir kurz erklären, wie ich mir unser Zusammenleben vorstelle.“ Sie sah ihn fragend an und erwiderte etwas unsicher: „Ja?“, im Stillen dachte sie: „Was gibt’s da groß zu erklären, Du befiehlst und ich habe zu gehorchen.“ Mark fuhr also fort „Ich will ganz ehrlich zu Dir sein, ich wollte nie eine Sklavin haben, ich wurde mehr oder weniger dazu gezwungen. Du kennst ja bestimmt die Gepflogenheiten, dass man ab einem bestimmten Alter dazu angehalten wird? Nun ja, ich bin in dem besagten Alter und so hatte ich keine Wahl.“ Sie sah ihn erschrocken an, so war das also! Er bemerkte ihr erschrecken und sprach weiter: „Du brauchst aber keine Angst haben, ich werde meinen Frust ganz bestimmt nicht an Dir auslassen, Du kannst ja am allerwenigsten was dafür. Ich werde immer ehrlich zu Dir sein und Dich auch immer respektieren, allerdings erwarte ich diese Ehrlichkeit und den Respekt auch von Dir. Hast Du mich so weit verstanden?“ „Ja“, antwortete sie, mehr als überrascht, das hatte sie so nicht erwartet. „Gut“, sagte er darauf, „weiter im Text. Ich werde Dich zu nichts zwingen und Dich auch niemals schlagen oder sonst was in der Art tun. Ich möchte, dass Du wenigstens versuchst mir zu vertrauen, wenn Du irgendwas brauchst, oder es Dir nicht gut geht, dann sag es mir bitte. Dann hätte ich gerne, dass Du auf Dich achtest und mir ein bisschen im Haushalt und beim Kochen hilfst. Ist das so weit okay für Dich?“

Katya wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, nach allem was sie durchgemacht und erlebt hatte, klang das für sie fast wie ein Märchen. Sie verstand einfach nicht, warum er das alles überhaupt tat, schließlich beschloss sie ihn einfach danach zu fragen, denn sie brauchte endlich Gewissheit. Sie antwortete: „Ja, das ist mehr als okay für mich, bitte versteh‘ mich jetzt nicht falsch, aber darf ich Dich was fragen?“ „Na klar, immer raus damit, obwohl ich mir schon fast denken kann, was“, erwiderte er. Sie holte noch einmal tief Luft, dann fragte sie: „Warum erklärst Du mir das alles, ich bin doch nur eine Sklavin? Du brauchst mir doch nur zu befehlen und ich werde alles tun, was Du von mir verlangst. Und warum hast Du eigentlich ausgerechnet mich ausgewählt? Du hättest doch bestimmt eine jüngere und hübschere bekommen können?“ Er sah ihr direkt in die Augen und antwortete: „Wow, das waren jetzt aber eine ganze Menge Fragen, also erstens, bist Du für mich in erster Linie ein Mensch und eine Frau, keine Sklavin. Außerdem möchte ich, dass Du mich verstehst und mir vertraust und wie soll das gehen, wenn ich Dir nichts erkläre? Zweitens, kann ich Gewalt und Unterdrückung einfach nicht ertragen, deshalb werde ich Dir auch nie etwas befehlen, sondern Dich höchstens um etwas bitten. Ich möchte, dass wir sozusagen ‚auf Augenhöhe‘ miteinander auskommen. Und ja, eine jüngere vielleicht, aber eine hübschere? Wäre schwierig geworden. Du hast mir ganz einfach sofort gefallen, schon, als ich nur Dein Bild gesehen habe, war ich irgendwie fasziniert von Dir.“

Sofort kam wieder etwas Farbe in ihr Gesicht, vor allem seine letzten Worte hatten ihr doch ziemlich geschmeichelt. Ihre Verblüffung wurde dadurch allerdings nicht geringer, wusste er überhaupt, was er gerade gesagt hatte? Dass er ihr quasi so etwas wie Gleichberechtigung angeboten hatte, ihr – einer Sklavin? So richtig glauben konnte sie das alles noch nicht, auch wenn sie langsam zu begreifen begann, was für ein Mensch Mark war. Leise und verlegen sagte sie: „Danke für das schöne Kompliment und bitte entschuldige meine Fragerei, aber ich wollte einfach wissen, woran ich bin.“ Mark antwortete: „Ist schon okay, das versteh‘ ich doch. Du brauchst Dich auch nicht dauernd entschuldigen, Du kannst einfach offen mit mir reden.“ Sie lächelte, weil genau diese Antwort ihre Zweifel langsam schwinden ließ und sagte: „Ich werd’s versuchen.“ „Und ich werd’ Dich gelegentlich daran erinnern“, versprach er augenzwinkernd. „Eine Sache hätt’ ich beinahe vergessen. Du bist natürlich nicht meine Gefangene und kannst das Haus jederzeit verlassen, wenn Du spazieren gehen möchtest oder auch zum Einkaufen, dazu werde ich Dir noch eine Kreditkarte besorgen. Ich bitte Dich nur darum mir zu sagen, wenn Du weggehst, damit ich mir keine Sorgen machen muss“, sagte er noch wie ganz nebenbei.

Katya hatte eigentlich gedacht, dass sie nichts mehr erschüttern könne, aber Marks Worte bewiesen ihr das Gegenteil. Sie wusste schon gar nicht mehr, wann sie zuletzt draußen spazieren oder gar einkaufen war. Sie hatte auch schon fast vergessen, wie sich die Wärme der Sonne auf der Haut oder der Wind in den Haaren anfühlten. Ihre bisherigen Herren hatten sie stets eingesperrt, nie durfte sie das Haus verlassen und sie hatte stillschweigend angenommen, dass es bei ihm genauso sei. Und nun das! Sogar eine eigene Kreditkarte sollte sie bekommen, ob ihm klar war, welchen Vertrauensvorschuss er ihr damit gab? Sie brauchte einige Zeit, um zu realisieren, was er gesagt hatte, dann übermannten sie die Gefühle und die Tränen liefen ihr übers Gesicht. Mark sah sie erschrocken an und fragte verunsichert: „Warum weinst Du, hab’ ich was Falsches gesagt? Ich wollte doch nur ...“ Er unterbrach sich, da er erkannte, dass er einen schweren Fehler gemacht hatte.

Er hätte behutsamer vorgehen und ihr etwas mehr Zeit geben müssen, er hatte nicht erkannt, dass ihre Aufnahmefähigkeit bereits überschritten war. „Nein, es ist nur, Du bist viel zu gut zu mir und ich hab’ Dir bis jetzt nur Ärger eingebracht und dumme Fragen gestellt“, schluchzte sie. Instinktiv machte er jetzt das einzig richtige, er nahm sie in den Arm und hielt sie einfach nur eine Weile fest, bis sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Dann erst sagte er tröstend: „Ist schon gut, ich glaube, das war jetzt ein bisschen viel für Dich. Das waren übrigens keine dummen Fragen und von Ärger weiß ich erst recht nichts. Bitte tu mir den Gefallen und lächle wieder, ja?“ Sie sah ihn an und fragte immer noch zweifelnd: „Und ich hab’ Dir wirklich keinen Ärger gemacht?“ „Ich habe keine Ahnung, was Du meinst“, erwiderte er schmunzelnd und fügte um die Spannung zu nehmen, hinzu: „Und falls doch, war es jedenfalls der hübscheste, der mir je begegnet ist – wobei, ob man das dann Ärger nennen kann?“ Sie stutzte kurz und wurde wieder ein bisschen rot, dann lächelte sie wieder und sagte: „Danke und Du bist der netteste Mann, der mir bisher begegnet ist!“ Und genau wie sie gehofft hatte, wurde Mark prompt rot und sie freute sich, dass es ihr auch endlich mal gelungen war, etwas Farbe in sein Gesicht zu bringen.

Bevor er etwas erwidern konnte und auch um das Thema zu wechseln, sagte sie schnell: „Ich glaube es wird jetzt langsam Zeit, dass ich mich nützlich mache und mich um das Mittagessen kümmere …“, er unterbrach sie und sagte, mit dem Schalk im Nacken: „Aber nur unter einer Bedingung“ „Und die wäre?“, fragte sie leicht misstrauisch, „Ich möchte, dass Du etwas kochst, was Du selbst gern isst und mir außerdem nicht verrätst was“, antwortete er. Sie sah ihn ungläubig an „Wirklich?“, „Ja, wirklich, allerdings habe ich nicht das meiste da, ich muss nachher erst noch was einkaufen für die nächsten Tage, sonst gibt es Dosenfutter“, antwortete er grinsend.

Katya inspizierte also die Küche beziehungsweise das, was er noch da hatte und ihr kam auch sofort eine Idee, was sie daraus machen könnte. Zusammen erstellten sie dann eine Einkaufsliste, wobei es diesmal an Mark war, zu staunen. Soviel Gemüse und gesunde Sachen hatte er nämlich noch nie gekauft. Er verabschiedete sich und ging los. Katya fing in der Zwischenzeit an, zu kochen und als er zurückkam, war das Essen auch bereits fertig und es duftete verführerisch aus der Küche. Mark widerstand der Versuchung, sie zu fragen, was da so gut roch, wobei er seine Neugier allerdings nur schwer zähmen konnte. Sie erlöste ihn schließlich und wieder konnte er nur anerkennend staunen, sie hatte aus dem, was sie noch gefunden hatte, eine Art Wurstnudelpfanne gezaubert, so wie es ihre Mutter früher auch getan hatte und die sie selbst auch sehr gern aß. Gespannt wartete sie auf seine Reaktion, als er probierte. „Klasse“, sagte er begeistert, „einfach nur Klasse, so was Leckeres hab‘ ich ja lange nicht mehr gegessen, und das aus dem Bisschen, was ich noch hier hatte. Du bist ja eine richtige Zauberin“ „Ach was, ich kann doch nicht zaubern, aber ich freue mich, dass es Dir schmeckt“, antwortete sie bescheiden und er sah, dass sie sich wirklich freute. Damit war das Eis endgültig gebrochen.

Nach dem Essen fragte er: „Wie fühlst Du Dich, hättest Du Lust auf einen kleinen Spaziergang bei dem schönen Wetter? Oder möchtest Du Dich erst ein bisschen ausruhen?“ Sie war nicht allzu überrascht, da sie die Frage schon fast erwartet hatte, trotzdem fiel ihr die Antwort alles andere als leicht. Einerseits wollte sie schon sehr gern nach draußen und endlich mal wieder frische Luft schnappen, andererseits, so gestand sie sich ein, war sie doch noch ziemlich geschwächt und ein wenig Ruhe nach dem Essen würde ihr sicher guttun. Die Frage war aber vor allem, konnte sie ihm das so einfach sagen? Sie kämpfte mit sich und entschied, den Versuch zu wagen ihm zu vertrauen, in dem sie antwortete: „Bitte, sei mir nicht böse, aber ich möchte mich lieber ein wenig ausruhen, wenn ich darf? So richtig fit fühle ich mich noch nicht.“ Er lächelte sie offen an und erwiderte: „Na klar darfst Du und warum sollte ich Dir böse sein? Ganz im Gegenteil, ich freue mich, dass Du endlich den Mut hattest mir zu sagen, was Du möchtest, unseren Spaziergang machen wir dann eben einfach ein bisschen später, wenn Du magst?“ Freudig stimmte sie zu und dachte sich im Stillen: „Du Gauner, das war doch garantiert wieder ein Test. Jetzt bin ich aber mal gespannt, ob Du Dein Wort nachher wirklich hältst.“ Er unterbrach ihre Gedanken mit den Worten: „Okay, Du kannst Dich gerne im Schlafzimmer etwas hinlegen, ich setzte mich noch kurz an den Rechner, um etwas zu arbeiten. Ich wecke Dich dann zum Kaffee.“ Sie nickte und drehte sich schnell um, damit er ihr grinsen nicht sah und ging ins Schlafzimmer. Sie hatte sofort begriffen, was er mit arbeiten meinte, nämlich nichts anderes, als auf der Couch ein Schläfchen machen. Und genau so war es auch! Er hatte allerdings bemerkt, dass sie ihn durchschaut hatte und dachte anerkennend: „Sieh an, sieh an, sie ist nicht nur nicht auf den Mund gefallen, auf den Kopf zum Glück auch nicht. Du könntest Dich glatt in sie verlieben.“ Sein Herz war seinem Kopf allerdings längst voraus und hatte den Satz schon mit: „… wenn Du es nicht bereits wärst“, vollendet, er wollte es nur noch nicht wahrhaben.

Nach seinem Nickerchen, beseitigte er erst alle verräterischen Spuren und besorgte beim Bäcker um die Ecke noch schnell zwei Stück Kuchen, dann weckte er sie. „Na, wieder ein bisschen erholt? Konntest Du wenigstens etwas schlafen?“, fragte er. Katya hatte der Mittagsschlaf sichtlich gut getan und sie antwortete: „Ja, danke, das tat wirklich gut. Ich habe sogar richtig gut geschlafen.“ „Sehr schön, das freut mich. Ich bin mit meiner Arbeit irgendwie nicht so wirklich weitergekommen“, sagte er und versuchte, bei seinen letzten Worten, möglichst ernst zu bleiben, was ihm aber nicht wirklich gelang. Sie nickte und hatte ebenfalls Mühe sich das Grinsen zu verkneifen, als sie erwiderte: „Ja, wahrscheinlich warst Du auch etwas müde.“ Er sagte einfach nur: „Erwischt“, worauf beide fast gleichzeitig losprusteten. Als sie sich wieder beruhigt hatten, sagte er gut gelaunt: „So genug gelacht, jetzt gibt’s Kaffee“, ihm war aber deutlich anzusehen, dass er das mit dem genug gelacht alles andere als ernst meinte. Als Katya die beiden Teller mit dem Kuchen sah, glaubte sie zu träumen, so lange hatte sie schon keinen mehr gegessen. Sie erwachte aus ihrer Starre, als er lächelnd sagte: „Setz Dich doch, Kaffee kommt gleich“, „Danke“, war das einzige, was sie daraufhin herausbrachte. Er konnte sich denken, was jetzt in ihrem Kopf vorging und ließ ihr einfach etwas Zeit. Schließlich wich die Spannung und sie begann ihr Stück genüsslich zu verspeisen. Anschließend sagte sie: „Das war wirklich lecker, ich hatte ja schon fast vergessen, wie Kuchen schmeckt“, und er freute sich, dass sie wieder ein kleines Stück weitergekommen waren.

Grinsend erwiderte er: „Tja, da wirst Du Dich wohl wieder dran gewöhnen müssen. Übrigens, was ist denn nun eigentlich mit unserem Spaziergang?“ Sie war kurz verblüfft, das hatte sie beinahe vergessen, sie wollten ja noch nach draußen! Dann strahlte sie und antwortete: „Sehr gern“, „Gut, dann lass uns losgehen“, sagte er einfach und bemerkte, dass sie jetzt sogar richtig aus dem Häuschen war, so sehr freute sie sich, endlich mal wieder nach draußen zu kommen. Mark musste kurz schlucken, als er daran dachte, wie einfach es doch manchmal sein konnte, jemandem eine kleine Freude zu machen. Er verscheuchte den Gedanken und zeigte ihr die Schuhe, die er für sie gekauft hatte. Sie war ein bisschen überrascht, als sie die bequem aussehenden Sneaker sah, dann lächelte sie anerkennend, da sie schon befürchtet hatte mit High Heels herumlaufen zu müssen und sagte: „Vielen lieben Dank für die schönen Schuhe“, er erwiderte: „Aber gerne doch, außerdem kann ich Dich ja wohl kaum barfuß gehen lassen.“ Sie dachte nur: „Wenn Du wüsstest, wann ich zuletzt Schuhe anhatte …“ Seine Befürchtungen, dass die Schuhe nicht passen würden, erwiesen sich zum Glück als unbegründet und so konnte es endlich losgehen. Er ging mit ihr in den nahe gelegenen Park und sie genoss die frische Luft und das Zwitschern der Vögel in vollen Zügen. Wie sehr hatte sie das die letzten Jahre doch vermisst! An einer Bank setzten sie sich, da vor allem Katya eine kleine Pause brauchte. Sie saßen eine Zeitlang einfach nur schweigend da und ließen ihre Gedanken baumeln, als Katya ihm plötzlich einen Kuss auf die Wange gab und mit leuchtenden Augen einfach nur „Danke“, sagte. Er war so verblüfft, dass er zunächst kein Wort herausbrachte, ihm wurde ganz warm ums Herz und als er sich wieder gefangen hatte, sagte er, lächelnd: „Ich glaube, wir sollten öfter spazieren gehen.“ Sie erwiderte sein Lächeln und ihr Blick in diesem Moment sagte ihm mehr als tausend Worte.

Kapitel 4

In der Welt ‚draußen‘ hatte inzwischen eine bedeutsame Entwicklung eingesetzt. Die bisher tot geschwiegene Untergrundbewegung begann, sich immer stärker bemerkbar zu machen, dies aber gänzlich anders, als in der Regierungspropaganda berichtet. Denn anders als behauptet, griff die Bewegung, meist nur ‚die Organisation‘ genannt, da ihr richtiger Name etwas sperrig ‚Organisation zur Abschaffung der Sklaverei‘ oder kurz ‚OzAdS‘ lautete, nur im äußersten Notfall zu Gewalt. Sie versuchte vielmehr, die Menschen zu überzeugen in dem sie ebenfalls das Mittel der Propaganda einsetzte. Zu diesem Zweck wurden einige regierungstreue Informationskanäle gehackt und quasi zweckentfremdet. Gewalt wurde nur dann eingesetzt, wenn es galt Sklaventransporte in die Arbeitslager zu verhindern und die Unglücklichen zu befreien, allerdings wurde auch hierbei streng darauf geachtet, niemanden von den Wachen ernsthaft zu verletzen oder gar zu töten. So blieb es nicht aus, das selbst unter dem Wachpersonal für die Transporte hier und da Verständnis und Sympathie für die Bewegung aufkam. Die Regierung unternahm daraufhin große Anstrengungen, um die Transporte zu sichern, allerdings mit eher mäßigem Erfolg. Die Bewegung wuchs beinahe täglich, da es mittlerweile sehr viele Menschen gab, die sich fragten „Wozu Sklaven – wir könnten doch alle friedlich leben, ohne andere zu erniedrigen?“ Selbst innerhalb der Regierung gab es schon eine kleine, aber stetig steigende Gruppe, die das Thema ‚Sklaverei‘ zumindest schon mal kritisch betrachtete.

Kerstin, wir kennen sie bereits als Frau Haber, war übel gelaunt. Das war bei ihr zwar nichts Ungewöhnliches, die meisten kannten sie gar nicht anders, nicht umsonst nannte man sie ‚die Bulldogge‘, aber heute ganz besonders. Der Grund war, dass sie den für heute geplanten Sklaventransport kommandieren musste. Sie hasste diese Aufgabe, trotzdem würde sie alles daran setzen den Auftrag gewissenhaft zu erfüllen. Sie ließ die Wachmannschaft antreten und schnauzte ein paar Männer an, weil diese einen Knopf an der Uniform offen hatten oder die Schuhe nicht gut genug geputzt waren und dergleichen Kleinigkeiten mehr. Einer der Männer sagte leise zu seinem Nebenmann: „Meine Fresse, hat die Bulldogge eine Laune heute, das kann ja heiter werden“, „Lass sie das bloß nicht hören“, wurde er gewarnt. „War die schon immer so?“, fragte ein anderer, bekam aber nur Achselzucken als Antwort.

Nein, sie war natürlich nicht schon immer so, erst seit dem tragischen Tod ihres Mannes vor einigen Jahren, hatte sie sich so sehr verändert. Davor war sie eine lebenslustige junge Frau, die gern und oft lachte, manchmal auch über sich selbst. Was war passiert? Die Sache lag jetzt schon ein paar Jahre zurück und war unter anderem der Aufhänger für die eingangs erwähnten Gesetze, aber der Reihe nach. Kerstin war frisch verheiratet und glücklich. Dass ihr Mann eine dunkle Seite hatte, bemerkte sie nicht oder wollte es nicht bemerken. Liebe macht ja bekanntlich blind. Es begann, als er eines Tages ein blutjunges Mädchen, sie war höchstens zwanzig, als Sklavin nach Hause brachte. Kerstin war völlig ahnungslos, er hatte nicht ein Wort mit ihr darüber gesprochen. Sie bemerkte aber sofort, dass ihr Mann das Mädchen ziemlich grausam behandelte, manchmal hörte sie die Kleine nachts vor Schmerzen wimmern. Nicht einmal einen richtigen Namen hatte er ihr gegeben, sondern sie immer nur mit irgendwelchen Schimpfwörtern belegt. Kerstin hatte Mitleid mit ihr und versuchte, immer wenn ihr Mann es nicht mitbekam, dem Mädchen zu helfen, deshalb kannte sie auch ihren Namen, Bianca hieß sie.

Kerstin wagte aber nicht ihren Mann zur Rede zu stellen oder gar aufzubegehren. So nahm das Unheil seinen Lauf, ihr Mann hatte Bianca wieder einmal ziemlich heftig ausgepeitscht und anschließend ans Bett gefesselt, um sie brutal und rücksichtslos zu missbrauchen. Sie schrie vor Schmerzen, bis er ihr eine Plastiktüte über den Kopf stülpte, sie drohte zu ersticken und kämpfte verzweifelt um ihr Leben. Die Todesangst verlieh ihr ungeahnte Kräfte, sie schaffte es eine Hand aus den Fesseln zu lösen und bekam die auf dem Nachtschrank liegende Nagelfeile zu fassen, diese rammte sie ihrem Peiniger in den Hals. Der gab daraufhin ein seltsam gurgelndes Geräusch von sich und ließ von ihr ab. Mit letzter Kraft schaffte sie es noch die Tüte von ihrem Gesicht zu ziehen, dann verlor sie das Bewusstsein. Der von den Nachbarn alarmierten Polizei und den Rettungskräften bot sich ein grauenvolles Bild. Bianca lag bewusstlos und übel zugerichtet auf dem Bett, ihr mutmaßlicher Peiniger in einer großen Blutlache direkt davor. Für ihn kam aber bereits jede Hilfe zu spät. Bianca wurde befreit und abtransportiert, bei der anschließenden Untersuchung des Tatorts, wurde festgestellt, dass Kerstins Mann das Ganze sogar gefilmt hatte. Die Polizisten warten allerhand gewöhnt, aber was sie da sehen mussten, schockierte sie doch sehr.

Bianca wurde leidlich gesund gepflegt und dann in eine Zelle gesteckt, bis entschieden war, was mit ihr weiter geschehen sollte. Eines war aber jedem der den Film gesehen hatte klar, es war auf jeden Fall Notwehr. Wobei aber nicht abschließend geklärt werden konnte, ob Kerstins Mann wirklich die Absicht hatte, Bianca zu töten. Kerstin selbst konnte dazu nicht befragt werden, sie erlitt einen Nervenzusammenbruch und musste psychiatrisch betreut werden, anschließend verweigerte sie jegliche Aussage. Sie machte sich schwere Vorwürfe, hätte sie doch nur den Mut gehabt einzugreifen! Ein paar Tage später wollte sie Bianca besuchen, obwohl ihr die behandelnde Psychologin dringend davon abgeraten hatte und sie sollte Recht behalten. Aber die Schuldgefühle trieben Kerstin dazu, sie ging also zu ihr und hier geschah das zweite Unheil, die Wachen ließen sie einfach so in die Zelle, ohne sie vorher zu durchsuchen, wie es eigentlich Vorschrift war. Bianca sah ihr voller Angst entgegen und in diesem Moment hakte es bei Kerstin komplett aus, sie nahm ihren Gummiknüppel und fing an wie eine Furie auf Bianca einzuprügeln. Zum Glück, griffen die Wachen, durch Biancas Schreie alarmiert, rechtzeitig ein und brachten Kerstin wieder zur Besinnung. Als sie sah, was sie angerichtet hatte, erlitt sie den zweiten Nervenzusammenbruch.

Bianca lag verkrümmt und blutend auf dem Boden lebte aber glücklicherweise noch. Eine schnell alarmierte Ärztin ließ sie dann sofort wieder in die Klinik bringen. Kerstin musste für mehrere Wochen in eine psychiatrische Anstalt und war danach nicht mehr dieselbe. Zwar konnte sie die Arbeit wieder aufnehmen, wurde aber versetzt und musste weiterhin psychologisch betreut werden, zuletzt unter der Obhut von Frau Doktor Schwarz. Zu den starken Selbstvorwürfen kam jetzt auch noch ein zerstörerischer Selbsthass hinzu, jegliche Freude, so schien es, war aus ihrem Leben gewichen. Die schreckgeweiteten Augen Biancas und ihre furchtbaren Schreie, verfolgten sie bis in ihre Träume und ließen sie einfach nicht mehr los.

Von offizieller Seite aus wurde versucht den Vorfall zu vertuschen, aber irgendwie bekam die Öffentlichkeit Wind davon, hierbei machte dann auch zum ersten Mal die Organisation mit ihrer Forderung nach Abschaffung der Sklaverei auf sich aufmerksam. Die öffentliche Meinung stand ganz klar auf der Seite Biancas und forderte erst leise, dann aber vehement ihre Freilassung und Rehabilitierung. Einige Tage später sollte Bianca dann abgeholt und in eine andere Klinik verlegt werden. Dass sämtliche vorgelegte Papiere erstklassige Fälschungen waren, erwies sich erst später. Bianca war und blieb allerdings verschwunden. Man vermutete, dass auch hierbei die Organisation ihre Hand im Spiel hatte, beweisen konnte man es aber nicht. Ein gutes hatte der Vorfall aber doch, es wurden jetzt endlich, wenn auch unter starkem Druck der Öffentlichkeit, einige Gesetze zum Schutz der Sklaven erlassen.

Kerstins Glück war, dass keiner der ihr unterstellten Männer diese Vorgeschichte kannte. Die zuständige Behörde hatte ganze Arbeit geleistet und die Spuren weitgehend beseitigt. Man hielt das meiste davon inzwischen nur noch für Gerüchte. Schließlich war Kerstin mit dem Abkanzeln der Männer fertig und es konnte losgehen. Die Mannschaft bestand aus fünf bewaffneten Männern, sie selbst hatte auf eine Waffe verzichtet und sie sollten insgesamt dreiundzwanzig Sklaven, zwölf Frauen und elf Männer überführen. Da in dieser Gegend bisher keine Überfälle auf die Transporte stattgefunden hatten, hielt man die Bewachung für ausreichend und hatte auf ein weiteres Begleitfahrzeug verzichtet. Die Männer, von denen einige sogar schon mal einen Überfall der Organisation erlebt hatten, waren trotzdem nervös und angespannt. Der Bus, der als Transportfahrzeug diente, war zwar gepanzert, aber sie wussten, dass das keinen ausreichenden Schutz bot. Die Fahrt begann und verlief zunächst reibungslos, als sie mehr als die Hälfte des Weges und ein gefährliches Waldstück schon fast hinter sich hatten, entspannten sich Kerstin und die Männer langsam. Da geschah es, plötzlich, wie aus heiterem Himmel versagte der Antrieb, dem Fahrer gelang es gerade noch den Bus auf der Fahrbahn zum Stehen zu bringen, gleichzeitig fielen die Funkgeräte aus. Allen war klar, was das bedeutete, ein Überfall! Da erschienen auch schon etliche vermummte Gestalten und richteten ihre Waffen drohend auf den Bus. Kerstin war kurz geschockt und dieses Gefühl verstärkte sich noch, als sie sah, dass der Truppführer ihrer Mannschaft keine Anstalten machte zu kämpfen. Sie sah ihn völlig entgeistert an und schrie dann schon fast: „Was soll das werden, was haben Sie vor?“ Der Truppführer antwortete ganz ruhig: „Na was wohl, wir werden uns ergeben, was sonst?“ „Sind Sie komplett wahnsinnig, los macht die Bastarde fertig!“, schrie sie. „Die sind uns zahlenmäßig etwa dreifach überlegen, von der Bewaffnung mal ganz zu schweigen“, entgegnete er und fuhr fort, „das wäre noch kein Grund sich zu ergeben, ich würde keine Sekunde zögern und kämpfen, wenn es um unser Leben gehen würde. Aber die wollen nur die armen Teufel befreien, uns werden sie nichts tun. Deshalb wäre es völlig sinnlos unser Leben zu riskieren.“ Er hatte noch einen weiteren Grund, aber den würde er ihr ganz sicher nicht sagen, er fand es schlicht und ergreifend falsch, was sie hier taten und sympathisierte insgeheim sogar mit der Organisation. Kerstin sah ein, dass hier nichts zu machen war und fügte sich, wenn auch zähneknirschend. Sie schwor sich aber, den Kerl nach ihrer Rückkehr so richtig fertigzumachen.

Die Vermummten hatten den Kreis um den Bus inzwischen enger gezogen und eine Stimme rief: „Werft die Waffen aus dem Fenster und kommt mit erhobenen Händen raus, dann passiert Euch nichts!“ „In Ordnung, wir kommen“, rief der Truppführer zurück. Er nickte seinen Männern zu und sie warfen, wie befohlen, die Waffen aus dem Fenster. Dann verließen sie mit erhobenen Händen den Bus. Die Vermummten durchsuchte sie nach versteckten Waffen, fanden aber nichts und gaben dies ihrem Anführer durch ein kurzes Handzeichen bekannt. „Okay, Ihr könnt die Hände wieder runternehmen“, sagte er darauf. Kerstin und ihre Männer ließen erleichtert die Hände sinken und verhielten sich ruhig. Einige der Vermummten gingen in den Bus, um die Sklaven zu befreien. Sie musste anerkennen, dass die Typen ihr Handwerk verstanden, alles war perfekt organisiert. Die Befreiten wurden auf verschiedene Fahrzeuge aufgeteilt und abtransportiert. Die ganze Aktion hatte dabei höchstens ein paar Minuten gedauert. Der Anführer richtete sich wieder Kerstin und ihre Truppe: „Ich will, dass Ihr mir kurz zuhört, bevor wir Euch freilassen. Wisst Ihr überhaupt was in den Arbeitslagern mit den Menschen geschieht?“ Er bekam keine Antwort und so sprach er weiter: „Nein? Dann will ich es Euch sagen. Zuerst werden alle medizinisch untersucht, dabei werden die Frauen, die geeignet sind ausgesondert und mehr oder weniger gezwungen sich künstlich befruchten zu lassen und die Babys auszutragen. Das ist das geheime Regierungsprogramm, von dem Ihr bestimmt schon gehört habt und das sicherstellen soll, dass der Sklavennachschub nicht versiegt. Der Rest wird, je nach Arbeitsfähigkeit, eingesetzt. Erst wenn sie völlig ausgelaugt und am Ende ihrer Kräfte sind, bekommen sie eine Art Gnadenbrot, bis sie dann sterben, was meist nicht mehr lange dauert. Ich weiß, das klingt grausam und unglaublich, aber das ist leider die bittere Wahrheit! Ich kann es Euch auch beweisen, wir haben Fotos und sogar Videomaterial aus den Lagern.“

Nach dieser Ansprache war es eine Zeitlang still, das gehörte hatte sie doch ziemlich schockiert. Zwar waren ihnen einige Gerüchte zu Ohren gekommen, aber das es so schlimm war, hatten sie nicht erwartet. Niemand wollte die Beweise sehen, sie glaubten auch so jedes Wort. Der Anführer sagte: „Ihr könnt jetzt wieder einsteigen, der Antrieb und auch der Funk werden bald wieder funktionieren.“ Er zeigte auf Kerstin „Du nicht, Du kommst mit uns!“, befahl er, sie wurde kreidebleich und hatte plötzlich furchtbare Angst, wagte aber keinen Widerspruch. Ihre Männer stiegen inzwischen in den Bus und keiner von ihnen rechnete damit, Kerstin noch einmal wiederzusehen. Entsprechend gedrückt war die Stimmung unter ihnen und das, obwohl keiner sie richtig leiden konnte, sie hatte trotzdem irgendwie zu ihnen gehört und wirklich niemand empfand in diesem Moment so etwas wie Schadenfreude. Alle hofften, dass sie die Sache glimpflich überstehen würde.

Der Anführer sagte zu Kerstin: „Wir werden Dir jetzt die Augen verbinden, es hängt von Dir ab, ob wir Dich auch fesseln müssen. Gibst Du uns Dein Wort, dass Du nicht versuchen wirst, die Augenbinde abzunehmen?“ Sie war ziemlich erleichtert, umbringen wollte man sie also nicht, sonst wäre die Augenbinde überflüssig und antwortete: „Ihr habt mein Wort! Aber was wollt Ihr eigentlich von mir?“ „Das wirst Du noch früh genug erfahren, nur soviel kann ich Dir jetzt schon sagen, Du brauchst keine Angst um Dein Leben oder Deine Gesundheit haben“, bekam sie zur Antwort. Sie entspannte sich und irgendwie imponierte ihr der Kerl sogar, gern hätte sie sein Gesicht mal ohne Maske gesehen. Sie dachte auch keine Sekunde daran ihr Wort zu brechen, soviel Ehrlichkeit hatte sie. Ihr wurden die Augen verbunden und man setzte sie behutsam in einen Wagen und losging es, einem ungewissen Ziel entgegen. Während der Fahrt hatte sie dann Zeit zum Nachdenken, die Ansprache vorhin, hatte sie doch ziemlich aufgewühlt. So viel Menschlichkeit besaß sie, dass ihr das Schicksal der Sklaven nicht völlig gleichgültig war. Sie hatte aber absolut keine Ahnung, warum man sie mitgenommen hatte, oder was man von ihr wollte. An einen Zufall glaubte sie allerdings auch nicht recht, dafür waren die Typen zu zielgerichtet vorgegangen. Irgendein Plan steckte gewiss dahinter, aber welcher? Sie sollte es bald erfahren!

Inzwischen waren sie angekommen und Kerstin wurde, immer noch mit verbundenen Augen, in ein Gebäude geführt. Sie hörte mehrere Türen und einen Aufzug, dann ließ man sie die Augenbinde abnehmen. Sie blinzelte ein wenig und sah sich um, sie befand sich in einem kleinen Raum ohne Fenster, der aber trotzdem eine gewisse Gemütlichkeit ausstrahlte. Es gab ein paar bequeme Sessel und einen Tisch in der Mitte, das ganze erinnerte ein wenig an eine Art Aufenthaltsraum. „Setz Dich doch bitte“, wurde sie, von dem natürlich immer noch maskierten, Anführer aufgefordert, sie tat ihm den Gefallen und er sprach weiter: „Du fragst Dich bestimmt was Du hier sollst? Nun, das ist ganz einfach, jemand wollte Dich treffen und hat uns gebeten das Treffen zu arrangieren. Dieser jemand wird gleich hier sein, dann lassen wir Euch allein. Wir bleiben aber ganz in der Nähe.“ Irrte sie sich oder waren seine letzten Worte eine Art Warnung und wer wollte sie treffen? Das alles ergab absolut keinen Sinn für sie. Bevor sie weiter darüber nachgrübeln konnte, klopfte es an der Tür. Der Anführer öffnete und verließ mit seinen Begleitern den Raum.

Der Besucher trat ein und schloss die Tür hinter sich. Kerstin sah trotz der Maskierung sofort, dass es sich um eine Frau handeln musste und wartete gespannt. Die Frau nahm die Maske ab und Kerstin erstarrte „Bianca?!“, rief sie, vollkommen überrascht. „Ja, ich bin Bianca“, antwortete die Frau und setzte sich Kerstin gegenüber. Beide sahen sich meine Weile wortlos an. Kerstin hatte Bianca sofort erkannt, auch wenn sie natürlich etwas älter geworden war, wie hätte sie auch jemals diese Augen vergessen können? Plötzlich war alles wieder da, die Zelle, das Blut, die Schreie, die Angst und das Entsetzen in Biancas Augen! Sie wollte irgendwas sagen, dass es ihr leid tat, sie um Verzeihung bitten, aber sie brachte kein Wort heraus. Schließlich verlor sie das letzte bisschen Beherrschung und ihre jahrelang aufgestauten und unterdrückten Gefühle brachen sich Bahn. Sie fing hemmungslos an zu weinen, ein regelrechter Weinkrampf schüttelte sie. Sie bekam gar nicht richtig mit, dass Bianca sie ganz fest in den Arm genommen hatte. „Bitte …, es tut mir so leid, was ich Dir angetan habe, bitte, glaub’ mir, ich wollte das nicht. Bitte verzeih’ mir …“, schluchzte sie. Bianca sagte zunächst nichts, sondern wartete bis Kerstin sich wieder etwas beruhigt hatte, dann sagte sie: „Ich habe Dir schon lange verziehen, ich wusste schon als Du damals in meine Zelle kamst, dass das nicht wirklich Du sein konntest. Ich habe nie vergessen, wie oft Du mir geholfen hast, als Dein Mann mich gequält hat. Ja, er hat mich gequält und weißt Du warum? - Einfach nur aus Spaß! Ich wünschte, ich könnte sagen, dass es mir leid tut, dass ich ihn getötet habe, aber das tut es nicht! Ich habe ihn gehasst, aber ich wollte ihn nicht umbringen, das musst Du mir glauben. Ich wollte aber auch nicht sterben! Hatte ich denn kein Recht auf Leben, nur weil ich eine Sklavin war?“ Bei den letzten Worten kamen auch ihr die Tränen. In die nachfolgende Stille hinein antwortete Kerstin: „Doch, jeder Mensch hat ein Recht auf Leben! Ich weiß, was mein Mann Dir angetan hat und ich schäme mich dafür. Ich kann Dich nicht verurteilen für das, was Du getan hast, Du musstest um Dein Leben kämpfen! Ich dagegen wollte einfach nur nicht wahrhaben, dass er ein mieser Kerl war und war zu feige etwas zu unternehmen. Das ist alles meine Schuld!“ Bianca sah sie an und sagte: „Bitte hör auf mit Deinen Selbstvorwürfen, es ist nicht alles Deine Schuld. Was nützt es, wenn Du Dich selbst kaputt machst? Ich wollte dieses Treffen, weil ich möchte, dass wir beide mit der Vergangenheit abschließen und unseren Frieden finden können. Was meinst Du, kriegen wir das hin?“ Kerstin brauchte einen kurzen Moment, um zu begreifen, was Bianca gesagt hatte, dann nickte sie und antwortete: „Ja, ich glaube wir kriegen das hin. Ich bin jedenfalls froh, Dich getroffen zu haben!“ „Geht mir genauso“, erwiderte Bianca und eine kurze aber innige Umarmung besiegelte ihre Versöhnung.

Anschließend plauderten die Beiden noch eine ganz Weile, jetzt aber ganz entspannt. Dabei erfuhr Kerstin, dass Bianca tatsächlich von der Organisation entführt worden war, da man befürchtete die Regierung würde sie in irgendeinem Lager verschwinden lassen. Man hatte sie gesund gepflegt und ihr eine neue Identität verschafft. Aus der Sklavin von einst, war eine selbstbewusste junge Frau geworden, die ihr Leben der Abschaffung der Sklaverei gewidmet hatte. Das war seinerzeit auch der Grund für ihre Verurteilung gewesen, schon als die Organisation noch ganz am Anfang stand, war sie mit ganzem Herzen dabei. Sie war dabei erwischt worden, als sie Flugblätter der Organisation verteilt hatte. Das Vergehen war eigentlich gar nicht so schwer, aber sie hatte schon einige Jugendstrafen wegen ‚aufrührerischem Verhalten‘ hinter sich und außerdem wollte die Regierung ein Exempel statuieren. Damit sollte jeglicher Widerstand bereits im Keim erstickt werden, indem man klarmachte was geschieht, wenn man aufzubegehren wagte. Ihr Pech war, dass sie kurz vor der Tat volljährig geworden war und so wurde sie zu lebenslanger Sklaverei verurteilt. Bianca achtete darauf, dass sie Kerstin nicht zu viel über die Organisation verriet, nicht weil sie ihr nicht traute, sondern um sie nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Sie machte auch nicht den Fehler, Kerstin für die Organisation gewinnen zu wollen, dafür war es noch viel zu früh. Die Beiden beschlossen in Kontakt zu bleiben, allerdings musste dies, wegen der allgegenwärtigen Überwachung, heimlich und vorsichtig geschehen. Zu guter Letzt tüftelten sie noch einen Plan aus, wie Kerstin ihre Entführung und die anschließende Rückkehr später, möglichst plausibel erklären konnte. Dann hieß es Abschied nehmen, beide umarmten sich noch einmal und wünschten sich alles Gute. Der Anführer erschien, selbstverständlich, wieder maskiert, aber bevor er etwas sagen konnte, kam Kerstin ihm grinsend zuvor: „Ja, ich weiß. Ihr müsst mir die Augen verbinden und ja, Ihr habt mein Wort!“ Worauf sie alle zusammen lachten und es war ein herzliches, befreiendes Lachen!

Wieder zu Hause, überlegte Kerstin kurz, ob sie sich gleich zurückmelden, oder das ganze auf Morgen früh verschieben sollte. Sie merkte aber, dass sie doch ziemlich fertig war und verschob die Meldung auf morgen. Das war das erste Anzeichen, dass etwas mit ihr geschehen war, früher hätte sie keine Sekunde nachgedacht und sich sofort zurückgemeldet. Das Gespräch mit Bianca und ihre gegenseitige ehrliche Vergebung, sowie das Wissen, dass es Bianca gut ging und sie in Sicherheit war, hatten bewirkt, woran sämtliche Psychologen gescheitert waren, der Selbsthass und die Schuldgefühle waren verschwunden, ihr wahres ich wieder zum Vorschein gekommen. In der Nacht schlief sie dann auch das erste Mal seit langem wieder richtig gut und ohne Alpträume, entsprechend erholt wachte sie am nächsten Morgen auf. Sie machte sich fertig und fuhr zum Dienst, so wie sonst auch. Hier gab es ein großes Hallo als sie ankam, niemand hatte damit gerechnet, sie überhaupt wiederzusehen, geschweige denn so schnell. Alle bestürmten sie mit Fragen, es dauerte aber auch nicht lange, bis man sie, wie erwartet, zum Verhör brachte. Zu Kerstins Überraschung war Frau Doktor Schwarz ebenfalls anwesend, sie hatte darauf bestanden, als behandelnde Psychologin, der Befragung beizuwohnen. Die Befragung verlief, dank der guten Vorplanung, ohne größere Probleme. Kerstin konnte auf alle Fragen befriedigende Antworten geben und ihr selbstsicheres Auftreten beseitigte auch das letzte Misstrauen. Das Einzige, was sie nicht zuordnen konnte, war das feine Lächeln von Frau Doktor Schwarz, ahnte sie etwas? Aber nein, dann hätte sie bestimmt was gesagt, so korrekt wie sie immer war. Oder?

Kerstin durfte die Arbeit jedenfalls wieder aufnehmen und in den folgenden Tagen hatte ihre Kollegen und Kolleginnen reichlich Grund sich zu wundern. Aus der stets grimmigen und schlecht gelaunten Frau, war wieder eine geworden, die freundlich grüßte und sogar wieder lachen konnte! Die wildesten Gerüchte waren daraufhin im Umlauf, von Gehirnwäsche bis zur Doppelgängerin war alles dabei. Das kam auch ihren Vorgesetzten zu Ohren und so wurde sie noch einmal zum Verhör geladen, aber auch das überstand sie anstandslos. Man ließ die Sache dann einfach auf sich beruhen, man wollte nicht noch mehr Staub aufwirbeln, sondern Gras über die Sache wachsen lassen. Dazu kam, dass Kerstin nicht viel verraten haben konnte, da sie nicht genug wusste und für wichtige Informationen über die Organisation war ihr Aufenthalt dort einfach zu kurz gewesen. Dass der Lügendetektor, der beim zweiten Verhör zum Einsatz kam, manipuliert worden war und Frau Doktor Schwarz im Hintergrund ebenfalls ihre schützende Hand über sie gehalten hatte, ahnte Kerstin natürlich nicht.

Kapitel 5

Inzwischen waren drei Wochen vergangen. Katya hatte sich in dieser Zeit glänzend erholt. Die Verletzungen waren, wie die Apothekerin gesagt hatte, vollständig abgeheilt, ohne Narben zu hinterlassen. Ihr Haar glänzte und sie hatte wieder eine gesunde Gesichtsfarbe, von ihrer Unterernährung war ebenfalls fast nichts mehr zu sehen. Sie war regelrecht aufgeblüht und wieder eine strahlend schöne Frau. Auch menschlich waren sich Katya und Mark näher gekommen und lebten fast wie Bruder und Schwester zusammen. Ein Außenstehender wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass Katya ‚nur‘ eine Sklavin war. Wobei Mark längst begriffen hatte, dass er sie liebte.

Er hatte sich schon, als er sie das erste Mal in der Zelle sah, in sie verliebt. Sein Verstand hatte allerdings deutlich länger gebraucht, um es zu akzeptieren. Anfangs hatte er sogar versucht, sich dagegen zu wehren, musste aber schnell einsehen, dass man Gefühle nicht so einfach abstellen kann. Da half ihm auch seine Maske wenig. Sein Herz hatte sie gewählt und es fragte recht wenig danach, ob sie eine verurteilte Sklavin war. Sie war für ihn einfach ‚die Richtige‘ und sein Gefühl sagte ihm, dass sie gar kein Verbrechen begangen haben konnte. Eine unerklärliche Scheu hatte ihn aber bis jetzt davon abgehalten, sie nach dem Grund für ihr Schicksal zu fragen. Er ahnte, dass es keine erfreuliche Geschichte war. Vielleicht würde sie, wenn die Zeit reif war, von selbst darauf zu sprechen kommen?

Bei Katya lagen die Dinge ein wenig anders und deutlich komplizierter, ihre Achtung und ihren Respekt hatte er sich schon am ersten Tag verdient. Zunächst imponierten ihr seine ehrliche Art und dass er seine Macht, die er zweifelsohne besaß, nicht ausgenutzt hatte. Dann war da noch etwas anderes, sie fühlte sich bei ihm irgendwie sicher und geborgen, vor allem aber auch als Frau respektiert. Gefühle, die sie schon gar nicht mehr kannte. Sie war unsicher, ob sie ihn wirklich liebte, oder sich nur zu ihm hingezogen fühlte, weil er sie so gut behandelte? Dazu kam die Angst vor einer erneuten Enttäuschung, die sie zögern ließ, seine Gefühle zu erwidern. Dass er eine Menge für sie empfand, hatte sie natürlich längst bemerkt, ebenso wie die Tatsache, dass es auch in seinem Leben ein paar dunkle Kapitel gab, über die er ungern redete. Sie hatte es allerdings, genau wie er, bisher vermieden, ihn darauf anzusprechen. Zwischen den Beiden hatte sich eine Spannung aufgebaut, die dringend einer Lösung bedurfte.

Mark wusste bisher nicht, dass es eine Art Untergrundbewegung gab. Er hatte zwar davon gehört, hielt das meiste davon aber nur für Gerüchte und ging wie gewohnt seiner Arbeit nach. Er bemerkte aber, dass die Behörde, für die er in seinem Nebenjob arbeitete, zunehmend nervös wurde. So wurde er eines Tages zu seinem Vorgesetzten zitiert und gefragt, ob er als Programmierer nicht eine Möglichkeit sähe, die Kontrolle über die Infokanäle zurückzubekommen, beziehungsweise die Angriffe zu unterbinden. Mark hatte keine Ahnung, was eigentlich los war und worum es ging und bat um weitere Informationen. Sein Vorgesetzter reagierte hierauf ziemlich nervös und schickte ihn schließlich mit dem Vorwand, dass die Sache doch nicht so wichtig wäre, wieder weg. Mark war zwar etwas irritiert, dachte sich aber nicht viel dabei, zumal er im Moment eh an einem anderem wichtigen Projekt arbeitete.

Auf dem Weg nach Hause bekam er dann zum ersten Mal eine Vorstellung von dem, was sein Vorgesetzter gemeint hatte. Er sah auf einer großen Videowand, wo normalerweise irgendeine Werbung lief, plötzlich etwas ganz anderes. Die Wand zeigte einige Bilder von gefolterten Menschen, der zugehörige Text erläuterte, dass es sich dabei um Sklaven handelte. Die Botschaft endete mit den Fragen: „Warum tun wir Menschen so etwas an? Warum Sklaverei und Menschenverachtung? Sind wir nicht alle gleich?“ Mark zuckte elektrisiert zusammen, waren es doch die gleichen Fragen, die ihn ebenfalls beschäftigten und dann die Bilder, war nicht Katya genauso misshandelt worden? Die Botschaft wurde noch einige Male wiederholt, dann erschien wieder die gewohnte Werbung, denn die zuständige Behörde hatte die Kontrolle über die Wand zurückbekommen. Mark sah sich vorsichtig um, ob er eventuell beobachtet worden war, konnte aber nichts Verdächtiges erkennen, die meisten Passanten hatten, genau wie er, gebannt auf das Video geschaut. Die Frau, die ihn unauffällig beobachtete, übersah er allerdings und so konnte er auch ihr feines Lächeln nicht sehen, als sie ging. Das Kürzel der Bewegung OzAdS und ihr Logo, welches ein paar zerbrochene Handschellen zeigte, hatten sich jedenfalls in seinem Gedächtnis eingebrannt.

Als Mark nach Hause kam, spürte Katya sofort, dass etwas nicht stimmte, er versuchte zwar, sich nichts anmerken zu lassen, aber sie hatte trotzdem bemerkt, dass er ziemlich durcheinander war. Sie gab ihm erst mal seinen gewohnten Kaffee und wartete ab, bis er von sich aus zu erzählen begann, was geschehen war. Er berichtete ihr also von seinem Gespräch mit seinem Vorgesetztem und von der Botschaft auf der Videowand. Sie erschrak, als er die Buchstaben OzAdS erwähnte und als er sie fragte, woher sie die Abkürzung kannte, sagte sie: „Das ist schon ziemlich lange her. Ich glaube, es wird sowieso Zeit, dass ich Dir meine Geschichte erzähle, damit Du weißt, mit wem Du es zu tun hast.“ Er sah sie an und antwortete: „Gut, vielleicht hilft es uns Beiden ja mir, um Dich besser zu verstehen und Dich wird es bestimmt erleichtern.“

Katya nickte und fing an zu berichten: „Also, ich war ja nicht immer Sklavin, ich bin erst später dazu gemacht worden. Ich hatte eine glückliche Kindheit mit liebevollen Eltern, meine Schulzeit und die anschließende Ausbildung zur technischen Zeichnerin habe ich mit recht guten Noten abgeschlossen. Die Arbeit machte mir von Anfang an Spaß, hier lernte ich auch meinen Ehemann kennen, ja Du hörst richtig, ich war verheiratet. Anfänglich waren wir ein glückliches Paar, ich habe ihn wirklich geliebt. Eine Sache trübte unser Glück aber doch sehr, ich wurde einfach nicht schwanger, obwohl wir so gern ein Kind gehabt hätten, wollte es einfach nicht klappen. Mein Mann schleppte mich darauf hin von einem Spezialisten zum anderen, immer mit demselben Ergebnis, bei mir war alles in Ordnung. Leider weigerte sich mein Mann standhaft, sich selbst mal untersuchen zu lassen.

Er fing an, mir Vorwürfe zu machen, dass ich Schuld hätte und als Frau nichts tauge und so weiter, er wurde mir gegenüber immer abweisender, bis er dann sogar aus unserem gemeinsamen Schlafzimmer auszog. Er wollte nicht mit einer Frau im Bett liegen, die ihm keine Kinder schenken kann, sagte er. Ich war zutiefst verletzt und verzweifelt und versuchte alles, um meinen Mann zurückzubekommen, vergeblich. Es wurde so schlimm, dass er mich manchmal sogar schlug, wenn er nach Hause kam, ich konnte ihm einfach nichts recht machen. Irgendwann hielt ich es einfach nicht mehr aus und zog zu meinen Eltern. Leider besserte sich meine Situation dadurch nicht, meine Eltern hatten wenig Verständnis für mich und gaben mir die Schuld. Es hagelte Vorwürfe „Wie konntest Du Deinen Mann einfach so verlassen? Stell Dich nicht so an. Wenn eine Frau keine Kinder bekommt, hat die Frau Schuld“, und so was in der Art. Ich war ziemlich am Ende, aber es sollte noch schlimmer kommen. Als ich eines Tages von der Arbeit kam, wurde ich von zwei Polizisten angehalten, ich dachte mir zuerst nichts dabei, sie sagten, dass sie meine Tasche durchsuchen müssten. Ich gab ihnen meine Tasche und mich traf fast der Schlag, als ich sah, was sie darin fanden. Einige Päckchen mit irgendeiner Droge und dann das Schlimmste, Propagandamaterial von der OzAdS, von der ich vorher noch nie was gehört hatte. Ich wurde sofort verhaftet und in Untersuchungshaft gesteckt, alle Beteuerungen, dass mir das jemand untergeschoben haben musste, nützten nichts, niemand glaubte mir.

Niemand half mir, mein Mann sagte sogar gegen mich aus und als ich sein Grinsen sah, ahnte ich, wer mir das untergeschoben hatte. Sogar meine Eltern ließen mich jetzt endgültig im Stich, ich wäre nicht mehr ihre Tochter, mit einer Kriminellen wollten sie nichts zu tun haben, erklärten sie. Ich sollte sie nie wieder sehen. Für mich brach eine Welt zusammen, ich hatte doch nichts getan, ich war doch unschuldig! Selbst mein Verteidiger war keine große Hilfe, er wollte mich zu einem Geständnis überreden und dann im Gegenzug eine milde Strafe aushandeln, wobei mild so etwa 25 Jahre Sklaverei bedeuteten. Ich lehnte das rundweg ab, schließlich hatte ich nichts Unrechtes getan. Die Gerichtsverhandlung war kurz und zerstörte meine letzten Hoffnungen. Die gegen mich vorgelegten Beweise waren erdrückend, dazu kam noch die Aussage meines Mannes. Ich dagegen hatte nichts in der Hand, außer meinen Unschuldsbeteuerungen.

Meine Weigerung, zu gestehen, machte die Sache auch nicht besser, ich wurde zu lebenslanger Sklaverei verurteilt und so ganz nebenbei auch gleich geschieden. Ich brach innerlich zusammen, schluchzend und weinend wurde ich aus dem Gerichtssaal geführt. Da ich nicht vorbestraft war, hatte der Richter noch eine, wie er es nannte ‚Gnadenklausel‘ eingebaut, danach könnte mich mein jeweiliger Herr nach fünf Jahren begnadigen und mir meine Freiheit zurückgeben. Ich wurde dann in ein Umerziehungslager gesteckt, wo ich ein Jahr lang auf meine möglichen Aufgaben als Sklavin vorbereitet wurde. Ich möchte da nicht so genau drauf eingehen, aber Erniedrigungen aller Art und sogar Folter waren dort völlig normal, einige meiner Leidensgenossinnen, hielten das nicht aus und nahmen sich das Leben. Ich aber wollte und will leben!“

Katya unterbrach ihren Bericht, da sie ein verräterisches Glitzern in Marks Augen bemerkt hatte „Was hast Du, was ist mit Dir?“, fragte sie besorgt. Er war tief erschüttert und kämpfte mit den Tränen, er hatte zwar geahnt, dass er nichts Gutes zu hören bekommen würde, aber so etwas? Dass sie von ihrem Ehemann verraten und von ihren Eltern im Stich gelassen worden war, machte ihn fassungslos. Er zweifelte nicht im Geringsten daran, dass sie die Wahrheit gesagt hatte. Sein Gefühl hatte ihn also nicht getäuscht, sie war tatsächlich unschuldig! In diesem Moment begriff er, wie stark sie wirklich war, dass sie nach diesem Schicksalsschlag nicht aufgegeben und die Hoffnung verloren hatte. Jetzt verstand er auch, wie schwer es ihr danach gefallen sein musste, ihm zu vertrauen. Er wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und antwortete: „Ich kann Dir gar nicht sagen, wie leid mir das alles tut. Ich finde einfach nicht die richtigen Worte. Ich glaube Dir, dass Du unschuldig bist und wenn ich könnte, würde ich Dich sofort freigeben. Ich verspreche, nein ich schwöre Dir, dass ich immer zu Dir stehen und Dich niemals im Stich lassen werde! Du hast mein Wort, dass Du in fünf Jahren frei sein wirst!“

Katya riss überrascht die Augen auf, was hatte er gerade gesagt, sie und frei? Wusste er überhaupt, was er gerade gesagt hatte? Sie konnte es einfach nicht glauben und fragte zögernd: „Meinst Du das wirklich ernst, würdest Du mich wirklich gehen lassen?“ Sein Herz sprach aus ihm, als er antwortete: „Ja, auch wenn es sehr schwer für mich wäre. Ich möchte Dich nicht verlieren, weil …, weil ich Dich liebe!“ Jetzt war sie wirklich sprachlos. Ihr wurde klar, wie sehr er sie lieben musste, wenn ihm ihre Freiheit und ihr Glück wichtiger waren, als sein eigenes. Sie hätte auch niemals gedacht, dass ihm ihre Geschichte so nahe gehen würde, dass ihm sogar die Tränen kamen. Er hatte auf sie bisher immer sehr beherrscht und verschlossen gewirkt. Den Verdacht, dass er schon beinahe gewaltsam versuchte, seine Gefühle zu unterdrücken, hatte sie zwar schon länger, aber jetzt wusste sie es ganz sicher. Sie erkannte, dass er viel sensibler und gefühlvoller war, als er nach außen hin zeigte. Dass er sein Versprechen auf jeden Fall halten würde, stand für sie völlig außer Frage, so weit kannte und vertraute sie ihm. Wohingegen sie keine Ahnung hatte, was sie ihm sagen oder wie sie ihm danken sollte, zu viel war auf sie eingestürmt.

Zu ihrer Überraschung sprach er weiter: „Mir ist vollkommen klar, dass man Gefühle nicht erzwingen kann. Ich kann natürlich nicht verlangen, dass Du ebenfalls etwas für mich empfindest. Ich möchte nur, dass Du ehrlich zu mir bist. Mit der Wahrheit komme ich auf jeden Fall eher klar, als mit einer Lüge.“ Sie bekam das Chaos in ihrem Kopf jetzt langsam in den Griff und antwortete: „Ich würde Dich nie anlügen. Ich mag Dich wirklich sehr, aber ich bin mir meiner Gefühle nicht sicher. Bitte, gib mir noch etwas Zeit, ja? Ich muss erst wieder lernen, Gefühle zuzulassen. Mir hat schon lange keiner mehr gesagt, dass er mich liebt. Ich weiß auch nicht, wie ich Dir jemals dafür danken soll, für das, was Du für mich getan hast? Ich habe noch nie jemanden wie Dich getroffen, der so viel gegeben hat, ohne etwas dafür zu verlangen.“ Er wurde knallrot und sein Herz schlug gleich viel höher, das war mehr, als er zu hoffen gewagt hatte! Er war erleichtert und verstand auch vollkommen, dass sie noch etwas Zeit brauchte, immerhin war sie bitter enttäuscht und ihr Herz gebrochen worden. Auch, dass sie Schwierigkeiten hatte, Gefühle zuzulassen, konnte er sehr gut nachvollziehen, ihm ging es schließlich nicht anders. Beide hatten ihre Gefühle lange Zeit unterdrücken müssen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. „Du brauchst mir nicht zu danken. Ich hab’ das sehr gern für Dich getan und so viel war das doch auch gar nicht. Du hast mir außerdem schon sehr viel gegeben, einfach nur, weil Du da warst“, erwiderte er, sichtlich verlegen. Bei seinen letzten Worten wurde ihr ganz warm ums Herz, impulsiv umarmte und küsste sie ihn, bevor sie „Danke“, sagte. In diesem Moment fühlte er, dass seine Hoffnung nicht vergebens sein würde.

Einige Zeit später sagte sie: „Meine Geschichte geht aber noch weiter. Bitte, lass mich zu Ende erzählen.“ „Gut, wenn Du unbedingt willst? Ich hol’ uns aber erst fix was zu trinken“, erwiderte er und ging in die Küche. Das war wieder ganz typisch für ihn, er ging eher selbst, als Katya zu schicken. Er reichte ihr das Glas, sie bedankte sich und nahm einen Schluck, dann setzte sie ihren Bericht fort: „Nach dem Lager wurde ich mehrmals verkauft. Mein erster Herr machte mir sogar Hoffnungen, mich zu befreien, wenn ich all seine Spielchen mitmachen würde. Hier lernte ich dann auch, was ein ‚Spielzimmer‘ war, nämlich nichts anderes als ein Raum, um Menschen zu quälen. Es gab dort einen Pranger und eine Streckbank, dazu kamen noch ein Andreaskreuz sowie diverse Peitschen und ähnliche ‚Nettigkeiten‘. Er verlangte von mir alle möglichen BDSM Sachen, ohne dass ich nein sagen konnte oder gar ein Safewort hatte. Du kannst mir glauben, nichts davon hat mir Spaß gemacht, außer Schmerzen und Abscheu habe ich nichts dabei empfunden. Manchmal trieb er es so schlimm, dass ich das Bewusstsein verlor. Natürlich dachte er nicht im Traum daran, mich freizugeben, sondern verkaufte mich wieder, als er genug von mir hatte.

Herr Nummer zwei war nicht besser, allerdings auf ganz andere Art. Er hatte einen ausgeprägten Hundetick und verlangte von mir, mich wie ein Hund zu verhalten. Ich musste in einer Art Hundekorb schlafen und auch aus Hundenäpfen essen und trinken. Am schlimmste aber war, dass er sogar ein Halsband für mich hatte, um mit mir Gassi zu gehen, wie er es nannte. Glücklicherweise landete er schon nach kurzer Zeit in der Klappsmühle. So kam ich zu einem Ehepaar ohne Kinder, etwas älter als ich.

Der Mann war ganz in Ordnung und behandelte mich meist anständig, ganz anders dagegen seine Frau, sie hasste mich vom ersten Augenblick an. Sie machte mir das Leben buchstäblich zur Hölle. Sie erniedrigte und schlug mich, wo sie nur konnte. Sie war es, die ihren Mann dazu überredete, einen Käfig anzuschaffen, in dem ich dann schlafen musste. Ganz schlimm wurde es, als ihr Mann für ein paar Wochen auf Dienstreise musste, sie fing damit an, mich eingesperrt im Käfig hungern zu lassen. Ich hatte schon vorher wenig zu essen bekommen, aber nun bekam ich tagelang gar nichts und auch nur sehr wenig zu trinken. Das Schlimmste aber war, dass sie mich zwang, ihr beim Essen zuzusehen.“ An dieser Stelle versagte Katya die Stimme, Tränen liefen ihr übers Gesicht.

Mark nahm sie sanft in den Arm und sagte mitfühlend: „Bitte, Du musst nicht weiterreden, quäl’ Dich nicht länger“, innerlich kochte er vor Wut, wie konnte man nur so grausam sein? Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und sagte: „Danke, ist schon gut. Ich möchte, dass Du den Rest auch noch erfährst.“ Er nickte nur, da er erkannt hatte, dass sie jetzt einfach weiter sprechen musste. Sie fuhr also fort: „Ich habe sie angefleht, mir wenigstens etwas Wasser zu geben, aber sie hat mich nur ausgelacht. Immerhin erlaubte sie mir noch, zur Toilette zu gehen. Als sie bemerkte, wie ich versuchte, dabei etwas Wasser zu trinken, um meinen unerträglichen Durst wenigstens etwas zu lindern, zerrte sie mich an den Haaren in ihr ‚Spielzimmer‘ und fing an, mich gnadenlos zu verprügeln, zuerst mit einem Stock und als ihr das nicht reichte, mit der Peitsche. Irgendwann machte mein Körper dann einfach schlapp und ich verlor das Bewusstsein. Ich kam erst im Sklavenkrankenhaus der Behörde wieder zu mir, hier sagte man mir, dass mich die Frau fast tot geschlagen, schließlich aber doch einen Arzt gerufen hatte. Ja und dann kamst Du.“

Mark sah sie einfach nur eine Weile an, er wusste nicht, was er dazu sagen sollte, alles, was ihm einfiel, kam ihm zu banal und nichtssagend vor. Schließlich sagte er: „Ich weiß nicht, wie Du das alles überhaupt ertragen konntest. Du hast es sogar geschafft, Dir Dein Lachen zu bewahren. Ich bin nicht so stark wie Du, obwohl ich eigentlich sehr bequem lebe, habe ich leider schon öfter daran gedacht …“. Er brachte den letzten Satz nicht zu Ende, trotzdem wusste sie sofort, was er meinte und erwiderte erschrocken: „Bitte, denk’ nie wieder an so was. Du darfst nie aufgeben. Bitte, versprich mir das, ja?“ „Ich versprech’s“, antwortete er reumütig. Sie unterhielten sich noch eine ganze Weile und Katya bat ihn, bloß vorsichtig zu sein, da die Regierung in Puncto OzAdS absolut keinen Spaß verstand, wie er an ihrem Beispiel sehen konnte. Er versprach ihr, auf sich aufzupassen, um nicht in die Fänge der Behörden und der Justiz zu geraten. Beide ahnten nicht, dass sie längst zu Figuren in einem seltsamen Spiel geworden waren.

Kapitel 6

Mark ging wie gewohnt seiner Arbeit nach, bemerkte aber, dass die Leute zunehmend nervöser wurden und anfingen, unbequeme Fragen zu stellen. Außerdem hatte er das ungute Gefühl, beobachtet zu werden. Gleichzeitig nahmen auch die Aktivitäten der Organisation ständig zu. So wurden wieder mehrere Transporte in die Arbeitslager überfallen und die Unglücklichen befreit, wobei es zu keinerlei Gegenwehr der Wachen mehr kam. Von diesen Aktionen kursierten sogar Videos in den sozialen Netzen. Teilweise weigerten sich die eigentlich hartgesottenen Wachmannschaften, Menschen beziehungsweise Sklaven in die Arbeitslager zu überführen. Die Sympathie für die Organisation stieg ständig an, nicht zuletzt deshalb, weil sie meist gewaltlos vorging. Auch die normale Bevölkerung begann, zuerst leise, dann aber immer lauter, die Abschaffung der menschenunwürdigen Sklaverei sowie der Arbeitslager zu fordern. Die Regierung konnte dies auch nicht länger ignorieren und es setzten Überlegungen ein, ob und wie eine Abschaffung der Sklaverei durchführbar wäre. Aber die Mühlen der Regierung und der Bürokratie mahlen ja bekanntlich sehr langsam. In dieser Phase fasste die Organisation einen skurrilen Plan, um die Angelegenheit zu beschleunigen und die Volksmassen zu mobilisieren.

Mark und Katya waren wieder einmal im Park spazieren. Sie hatten ihre Spaziergänge mit der Zeit immer weiter ausgedehnt, damit Katya die Gegend kennenlernen konnte. Bisher war ihnen dabei nie jemand begegnet, der ihn kannte, sodass ihnen eine mögliche Demütigung erspart geblieben war. Heute allerdings kam ihnen eine Frau entgegen, die Mark irgendwie bekannt vorkam und als sie näher kam, erkannte er sie, es war die Apothekerin. Er hatte ein komisches Gefühl und hoffte, dass sie ihn nicht wieder erkennen und vorbeigehen würde. Sie hatte ihn aber sofort erkannt und blieb stehen, als sie die Beiden erreicht hatte. „Eine schönen guten Tag und bitte entschuldigen Sie, wenn ich so direkt frage, aber waren Sie nicht vor kurzem bei mir, wegen dieser Salbe?“, fragte sie zur Begrüßung. Mark war verblüfft, er hatte nicht damit gerechnet, dass sie ihn so direkt ansprechen würde und erwiderte: „Danke, Ihnen auch einen guten Tag! Und ja, ich war vor ein paar Wochen bei ihnen, aber warum fragen Sie?“ „Ist das die Dame neben Ihnen, von der Sie mir erzählt haben?“, fragte sie darauf statt einer Antwort. Marks Verwunderung stieg, was wollte die Apothekerin von ihm? Am meisten aber wunderte er sich darüber, dass sie tatsächlich Dame und nicht Sklavin gesagt hatte. Er antwortete: „Ja, das ist sie, aber wieso interessiert Sie das so?“ „Ach nur so aus Neugierde und weil ich wissen wollte, ob mit der Salbe, die ich Ihnen gegeben habe, alles gut verheilt ist? Ich hatte eigentlich gehofft, Sie kommen noch mal vorbei und berichten mir, wie die Heilung verlaufen ist. Schließlich habe ich ja eine gewisse Verantwortung für meine Patienten“, antwortete sie ganz offen. Er bekam ein bisschen ein schlechtes Gewissen, er hätte wirklich noch einmal bei ihr vorbeischauen und sich bedanken sollen, nachdem sie ihn so nett beraten hatte. Bevor er etwas erwidern konnte, sprach sie weiter: „Wie ich sehe, ist ja alles gut verlaufen, oder sind irgendwelche Narben geblieben? Hätten sie vielleicht noch ein paar Minuten, um mir ein paar Fragen zu beantworten, für eine Studie?“ Er antwortete: „Selbstverständlich, wenn ich Ihnen damit behilflich sein kann?“

Katya hatte sich währenddessen eng an ihn geschmiegt und fühlte sich vollkommen überflüssig, am liebsten hätte sie sich in Luft aufgelöst. Sie wollte sich gerade verabschieden und auf den Heimweg machen, als die Apothekerin sie ansprach: „Sie dürfen gern bleiben und ich würde mich freuen, wenn Sie mir auch ein paar Fragen beantworten könnten? Und bitte entschuldigen Sie, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Yvonne Klebér und ich bin Apothekerin.“ Katya war vollkommen überrascht, nie hätte sie damit gerechnet, dass die Frau sie so höflich anreden und wie ihresgleichen behandeln würde. Wusste die Apothekerin denn nicht, dass sie eine Sklavin war? Ihr Argwohn war jedenfalls geweckt, irgendetwas stimmte hier nicht! Sie nickte nur und sagte leise: „Ja, gern“, wobei sie sich sichtlich unwohl und unsicher fühlte. Yvonne lächelte ihr aufmunternd zu und erwiderte: „Danke für Ihr Verständnis“, und an beide gerichtet: „Da hinten ist eine Bank, vielleicht sollten wir uns setzen, im Sitzen plaudert es sich angenehmer?“ Sie nickten und nahmen Platz, Yvonne zückte ihr Tablet und begann die Beiden systematisch auszufragen. Katya beschlich der Verdacht, dass die angebliche Studie nur ein Vorwand war und es eigentlich um etwas ganz anderes ging. Die Fragen von Yvonne kamen ihr doch reichlich merkwürdig vor, da sie zum großen Teil ihr Zusammenleben betrafen. Was wollte sie wirklich? Katya konnte sich nicht erklären, welchen Sinn das Ganze haben sollte. Schließlich beendete Yvonne das Gespräch, bedankte sich höflich bei ihnen und verabschiedete sich.

Wieder zu Hause, sprach Katya mit Mark über ihren Verdacht: „Sag mal, ist Dir eigentlich aufgefallen, dass die Apothekerin sehr viel darüber wissen wollte, wie wir zusammen leben? Irgendwie kam mir das sehr merkwürdig vor. Ich glaube auch kaum, dass die Begegnung Zufall war, das sah doch sehr nach Absicht aus, oder was meinst Du? Wenn ich nur wüsste, was die wirklich wollte?“ „Ja, Du hast recht, ich fand das auch sehr komisch. Kann schon sein, dass die uns quasi aufgelauert hat. Nur welchen Sinn sollte das haben?“, antwortete er. Sie entgegnete: „Ja, das ist die Frage, hoffentlich haben wir ihr nicht zu viel über uns erzählt?“ Er sah sie leicht erschrocken an und erwiderte: „Du hast eine unnachahmliche Art, mich zu erschrecken! Wir werden sehen. Ich glaube aber kaum, dass sie allzu viel damit anfangen kann. Wir können nur abwarten. Zu spät ist es jetzt ohnehin.“ „Ja, das stimmt, leider. Ich wollte Dich nicht erschrecken, das ist mir eben nur so eingefallen. Vielleicht machen wir uns auch ganz unnötige Sorgen?“, antwortete sie. „Hoffen wir, dass Du recht hast“, erwiderte er abschließend. Beide ahnten nicht, dass die Überwachung ausgerechnet an der Stelle, wo sie sich getroffen und unterhalten hatten, ‚zufällig‘ ausgefallen war, sonst wäre ihr Unbehagen gewiss noch größer geworden.

Zwei Tage später traf sich Yvonne mit Frau Doktor Schwarz in einem kleinen Café. Frau Doktor Schwarz war wieder mal etwas zu spät und sagte zur Begrüßung: „Hallo Yvonne und sorry, dass ich zu spät bin. Ich hatte noch einiges zu erledigen. Du weißt ja, wie das bei mir manchmal so ist?“ „Grüß’ Dich Sabine, ist ja nichts Neues bei Dir und so viel zu spät bist Du nun auch nicht. Hast Du wenigstens alles erledigt?“, erwiderte Yvonne. „Ja, oder sagen wir, fast alles“, antwortete Sabine. Beide kannten sich schon sehr lange und sprachen sich deshalb auch mit ihren Vornamen an. Yvonne hatte ein paar Broschüren mitgebracht, damit es so aussah, als ob sie über medizinische Probleme sprachen. Das war die perfekte Tarnung, so kam niemand auf den Gedanken, dass hier zwei der führenden Köpfe der Organisation in aller Öffentlichkeit zusammenkamen. Es war auch tatsächlich eine ‚Krankheit‘ über die sie sprachen und diese ‚Krankheit‘ hieß Sklaverei und Menschenverachtung!

Sabine fragte: „Wie war denn das Treffen mit Mark und Katya? Was hältst Du von den Beiden?“ Yvonne antwortete: „Ich bin mir bei den Beiden noch nicht ganz sicher, ob sie für unser Vorhaben infrage kommen. Er ist auf jeden Fall bis über beide Ohren in sie verliebt, bei ihr kann ich es noch nicht genau sagen. Da müssen wir wohl noch etwas abwarten. Du hättest mal sein Gesicht sehen sollen, als ich ihn angesprochen habe. Das war fast noch sehenswerter, als bei dem kleinen Test mit der Salbe. Ich vermute, dass Katya etwas Verdacht geschöpft hat, so merkwürdig, wie sie mich angesehen hat. Sie scheint sehr intelligent zu sein. Außerdem wirkten die Beiden auf mich sehr sympathisch. Ich habe selten ein Paar gesehen, das so respektvoll und liebevoll miteinander umgeht. Dabei sind sie erst ein paar Wochen zusammen, dass Katya eigentlich seine Sklavin ist, merkt man jedenfalls überhaupt nicht. Er hat ihr alle Freiheiten gegeben, die sie überhaupt bekommen kann. Ich denke, da haben sich zwei gefunden, auch wenn Katya vielleicht noch etwas Zeit braucht. Du musst mir versprechen, dass Ihr gut auf die Beiden aufpasst, sonst mache ich da nicht mehr mit! Ich möchte nicht, dass ihnen etwas zustößt!“

Sabine begriff, dass Mark und Katya einen tiefen Eindruck bei Yvonne hinterlassen hatten und erwiderte: „Keine Sorge, ich will genauso wenig wie Du, dass den Beiden was passiert. Ihnen wird nichts geschehen, darauf kannst Du Dich verlassen. Wir werden sogar sehr gut auf sie aufpassen, denn wir brauchen sie wahrscheinlich. Ich habe ein paar Dokumente bekommen, aus denen hervorgeht, dass Katya höchstwahrscheinlich unschuldig verurteilt wurde. Wir müssen das allerdings noch genau prüfen, bevor wir es veröffentlichen können. Eventuell kriegen wir sie damit früher frei. Er hat ja bereits dafür gesorgt, dass sie in spätestens fünf Jahren frei ist. Von Nicky, unserer Hackerin, weiß ich, dass er die ‚Gnadenklausel‘ aktiviert und hieb- und stichfest gemacht hat. Die Regierung weigert sich nach wie vor, mit uns zu verhandeln. Wir kommen da einfach nicht weiter. Die Sache mit dem geheimen Programm können wir leider nicht verwenden, die Gefahr, dass die Regierung die Beweise verschwinden lässt, ist viel zu groß. Wir müssen also, wohl oder übel, das ‚Spiel‘ mit den Beiden durchziehen und hoffen, dass es funktioniert.“

Yvonne sagte daraufhin erleichtert: „Danke für Dein Verständnis! Irgendwie mag ich die Beiden und würde mir schwere Vorwürfe machen, wenn ihnen durch unsere Schuld etwas passiert. Wäre schön, wenn die Dokumente sich als echt erweisen und Katya dadurch wieder frei wird. Es wundert mich ehrlich gesagt auch überhaupt nicht, dass er die Klausel aktiviert hat. Ich glaube, er würde alles für sie tun. Ich weiß, dass wir etwas brauchen, das die Menschen aufrüttelt, aber bitte, übertreibt das mit dem ‚Spiel‘ nicht, ja?“ Sabine lächelte verständnisvoll und antwortete: „Mach Dir bitte keine Gedanken. Andre hat sehr genaue Vorgaben für das ‚Spiel‘ und ich werde versuchen, dieses Mal persönlich dabei zu sein, um notfalls einzugreifen.“ „Danke, das beruhigt mich“, sagte Yvonne und wechselte das Thema: „Wie ist eigentlich die Sache mit Deiner Dauerpatientin, Frau Haber, gelaufen?“ „Mit Kerstin? Ja, das hat hervorragend geklappt, Kerstin und Bianca haben sich verziehen und Kerstin ist seit dem ein ganz anderer Mensch geworden. Sie achtet wieder auf sich und hat sogar schon ein paar Kilo abgenommen. Jetzt fehlt nur noch ein passender Partner, aber ich bin überzeugt, auch das wird sich finden. Da halt’ ich mich selbstverständlich raus“, antwortete Sabine. „Hattest Du denn eigentlich keine Angst, dass Kerstin wieder auf Bianca losgehen könnte?“, fragte Yvonne. „Nein, hatte ich nicht, erstens waren unsere Leute ganz in der Nähe und zweitens ist Bianca nicht mehr so wehrlos wie damals. Sie kann sich ganz gut verteidigen. Außerdem war ich mir fast hundertprozentig sicher, dass Kerstin nicht noch einmal durchdrehen würde, sonst hätte ich die Aktion gar nicht erst eingefädelt“, erwiderte Sabine. „Okay, Du bist die Psychologin hier, freut mich jedenfalls, dass Dein Plan funktioniert hat. Ich behalte Mark und Katya weiter im Auge und berichte Dir, wenn sich was Neues ergibt“, sagte Yvonne. „Danke, ich halte Dich ebenfalls auf dem Laufenden. Hoffen wir, dass unser Vorhaben gelingt“, entgegnete Sabine, Yvonne nickte und sie verabschiedeten sich.

Wieder in paar Tage später unterhielten sich Mark und Katya ganz entspannt bei einer Flasche Wein und sie erfuhr jetzt auch einiges über sein Leben. Er erzählte ihr von seiner Kindheit und der anschließenden Schulzeit. Dass er einige Male arbeitsbedingt umgezogen war, bevor er seinen jetzigen Job bekommen hatte und als leichter Computerfreak einen Nebenjob als Programmierer hatte. Sie bemerkte aber, dass er zwei Themen konsequent aussparte, seine Eltern und Frauen in seinem Leben. Sie spürte, dass er versuchte, hier etwas zu verdrängen, beziehungsweise auch zu vergessen, was ihm anscheinend aber nicht gelang. So weit kannte sie ihn inzwischen. Sie wusste, dass es ihm schwerfiel, von sich aus über persönliche Dinge zu sprechen, deshalb entschied sie sich, ihn vorsichtig danach zu fragen: „Sag mal, Du hast mir ja noch gar nichts über Deine Eltern erzählt?“ Obwohl er mit der Frage gerechnet hatte, brauchte er ein paar Augenblicke, um seine plötzlich hochkommenden, schmerzlichen Erinnerungen in den Griff zu bekommen. Sie bemerkte sofort, was mit ihm los war und sagte: „Bitte entschuldige meine Neugier, ich wollte Dich nicht in Verlegenheit bringen. Ich hätte nicht so direkt fragen dürfen.“ „Ist schon okay. Irgendwann hätte ich es Dir ja sowieso sagen müssen, deshalb ist es ganz gut, dass Du gefragt hast“, antwortete er und fuhr fort: „Ich hatte sehr liebevolle Eltern. Ich denke nur manchmal, dass ich sie als Sohn ziemlich enttäuscht habe. Ich habe viel zu oft nur an mich selbst gedacht und nicht an sie. Meine Eltern haben mir fast jeden Wunsch erfüllt und ich habe ihnen dafür viel zu wenig zurückgegeben.

Mein Vater starb vor etlichen Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls. Mir ging es damals ziemlich mies. Ich musste aber stark sein, vor allem für meine Mutter. Als sie dann ein paar Jahre später starb, ist ein Teil von mir ebenfalls gestorben. Sie war schon seit einiger Zeit in Pflege, da es ihr gesundheitlich nicht gut ging und starb an dem Tag, an dem ich sie besuchen wollte. Ich habe an ihrem Bett gestanden, um Abschied zu nehmen und absolut nichts dabei gefühlt, keine Trauer, rein gar nichts, nur völlige Leere. Ich konnte nicht einmal weinen, es war, als hätte ich überhaupt keine Gefühle mehr. Anschließend bin ich zur Arbeit gefahren, als wäre nichts gewesen. Das Schlimmste aber war, dass mich alle für eiskalt hielten und ich niemanden hatte, mit dem ich richtig darüber reden konnte. Ich habe den Tod meiner Eltern bis heute nicht wirklich verarbeitet, sondern das gemacht, was ich am besten kann – verdrängen.“ Er kämpfte mit den Tränen. Katya nahm ihn sanft in den Arm und sagte mitfühlend: „Ich glaube, ich weiß, wie Du Dich gefühlt hast, meine Eltern sind kurz nach meiner Verurteilung gestorben. Aus Gram, wie es hieß und ich bin bis heute auch noch nicht richtig darüber hinweggekommen. Ich bin mir aber sicher, dass Du Deine Eltern geliebt hast und ich glaube, dass sie das auch gespürt haben.“, „Meinst Du wirklich?“, fragte er zweifelnd. „Das meine ich nicht nur, ich weiß es“, antwortete sie.

Dann war es eine Weile still, da beide etwas Zeit brauchten, um ihre Gedanken zu sortieren und das Gehörte zu verarbeiten. Mark konnte förmlich spüren, wie es in ihr arbeitete und er ahnte auch, was als Nächstes kommen würde. Er kam ihr zuvor, in dem er sagte: „Da gibt es noch eine Sache, die ich Dir sagen muss. Du hast bestimmt schon bemerkt, dass ich von Frauen wenig Ahnung habe?“, ohne eine Antwort von ihr abzuwarten, sprach er weiter: „Ich hatte noch nie eine feste Beziehung, ich hatte einfach kein Glück dabei. Mir ist auch klar, dass ich zum größten Teil selber Schuld habe. Ich habe leider nie gelernt, meine Gefühle auszudrücken. Ich habe meist alles abgeblockt und nichts und niemanden an mich ran gelassen. Da brauch‘ ich mich natürlich auch nicht zu wundern, dass sich nie jemand in mich verliebt hat. Man kann sein Herz eben nicht schützen, indem man so tut, als hätte man keins. Es gab da vor einiger Zeit mal eine Frau, die es tatsächlich geschafft hat, hinter meine Fassade zu schauen. Ich habe sie wirklich ernsthaft geliebt, es dann allerdings gründlich vermasselt, ich hatte einfach nicht den Mut, ihr meine Gefühle zu gestehen. Irgendwann habe ich sie dann aus den Augen verloren. Seitdem war ich allein, bis Du dann gekommen bist.“ Katya sah ihm direkt in die Augen und erwiderte: „Mir kannst Du nichts vormachen, ich weiß, dass Du ein gutes Herz hast.“ „Glaubst Du wirklich?“, fragte er. „Ja und genau deswegen liebe ich Dich!“, antwortete sie ohne Zögern. Er konnte es kaum fassen, sein Herz schlug wie wild und er erwiderte: „Könntest Du das bitte noch mal sagen?“ Sie lächelte nur, nahm ihn in die Arme und küsste ihn. In ihren Augen sah er die Antwort und ihre Umarmung beseitigte auch die letzten Zweifel. Sie war ganz weich und zärtlich. Er konnte deutlich die Wärme ihres Körpers spüren. Sie nahm seine Hand und führte ihn ins Schlafzimmer. Beide verstanden sich völlig ohne Worte und es wurde eine leidenschaftliche Nacht voller Zärtlichkeit.

Kapitel 7

In den nächsten Tagen geschah weiter nichts Bemerkenswertes. Marks Arbeitskollegen bemerkten lediglich, dass er viel besser drauf war als früher und auch insgesamt etwas lockerer wirkte. Sie schrieben dies seiner Sklavin zu und machten sich einen Spaß daraus, ihn mit teils ziemlich anzüglichen Bemerkungen aufzuziehen, die ihn aber genauso kaltließen wie ihre dummen Sprüche als er noch allein lebte. Sie ahnten ja zum Glück nicht, dass er Schmetterlinge im Bauch hatte. Ganz unbeschwert war er aber nicht. Sein Gefühl, dass er beobachtet wurde, hatte sich verstärkt und außerdem machte er sich Sorgen um Katya. Er wusste, dass sie, wenn ihm etwas zustieß, unweigerlich im Arbeitslager landen würde.

Dieses Schicksal wollte er ihr auf jeden Fall ersparen. Also recherchierte er im Internet, ob es eine Möglichkeit gab, dies zu verhindern und wurde fündig. Es gab tatsächlich die Möglichkeit, dass eine Sklavin ihren Herrn sozusagen beerben und damit auch frei werden konnte. Ohne Zögern füllte er das entsprechende Formular gleich online aus und signierte es. Bereits wenige Minuten später bekam er die entsprechende Bestätigung, die er sicherheitshalber auch gleich ausdruckte. Damit war er zumindest eine Sorge schon mal los. Dass er damit einen Stein ins Rollen gebracht hatte, konnte er natürlich nicht ahnen. Auch nicht, dass Sabine zufrieden lächelte, nachdem sie die Meldung über seinen Antrag erhalten hatte. Der Plan der Organisation begann, konkrete Gestalt anzunehmen, man wartete nur noch auf eine günstige Gelegenheit.

Als Mark eines Abends, etwas früher als gewohnt, von der Arbeit kam, wunderte er sich, dass Katya ihn gar nicht begrüßte, wie sonst immer. Er ging ins Wohnzimmer und sah sie dort mit seinen Kopfhörern tanzen. Neugierig schaute er ihr eine ganze Weile zu und stellte anerkennend fest, dass sie, im Gegensatz zu ihm, richtig gut tanzen konnte. Sie erschrak, als sie ihn schließlich bemerkte, nahm die Kopfhörer ab und sagte: „Hast Du mich erschreckt! Ich habe Dich gar nicht kommen gehört. Du bist heute aber früh dran.“

Er lächelte versonnen und entgegnete: „Entschuldige, ich wollte Dich nicht erschrecken. Ich wusste ja gar nicht, dass Du so gut tanzen kannst. Könntest Du mir das vielleicht beibringen?“ Sie errötete leicht und antwortete: „Ich soll Dir das wirklich beibringen? Ich hab’s von meiner Mama gelernt, die hatte eine Tanzschule.“ „Ja“, erwiderte er, „ich würde gerne tanzen, vor allem natürlich mit Dir! Leider tanze ich aber noch miserabler, als ich koche.“ Sie strahlte übers ganze Gesicht und sagte: „Weißt Du eigentlich, wie glücklich Du mich gerade machst? Ich habe schon so lange nicht mehr getanzt! Ich hätte ja nie gedacht, dass Du tanzen möchtest.“

Er lächelte etwas verlegen und antwortete: „Ein paar kleine Geheimnisse muss ich ja auch noch haben und wenn ich Dich damit glücklich machen kann …“. Weiter kam er nicht, denn sie verschloss seinen Mund mit einem leidenschaftlichen Kuss, bevor sie fragte: „Wollen wir gleich anfangen?“ „Gemach, gemach, Frau Lehrerin“, antwortete er grinsend, „ich glaub‘, ich mach uns erst mal einen Kaffee bevor wir loslegen“, begeistert stimmte sie zu. In den nächsten Wochen brachte sie ihm dann Stück für Stück das Tanzen bei. Sie war eine geduldige, aber manchmal auch strenge Lehrerin und Mark erwies sich als begabter Schüler.

Einige Tage später stand Katyas Geburtstag an und Mark hatte eine kleine Überraschung für sie geplant. Er nahm sich ein paar Tage frei, ließ sich am Abend vorher aber nichts anmerken. Er stellte bei seiner Armbanduhr den Vibrationsalarm ein, damit er rechtzeitig und ohne sie zu wecken, wach wurde. Den Wecker schaltete er einfach ab. Am nächsten Morgen stand er ganz leise auf und bereitete das Frühstück vor. Dann weckte er sie sanft mit den Worten: „Guten Morgen Liebste, gut geschlafen?“ „Ja danke, Dir auch einen guten Morgen! Aber warum bist Du schon auf, ist heute etwas Besonderes?“, fragte sie, noch ein wenig verschlafen.

Er lächelte und erwiderte: „Ja, ich glaube schon. Meinen allerherzlichsten Glückwunsch zum Geburtstag und alles Gute!“ Sie sah ihn überrascht an. Sie hatte tatsächlich ihren eigenen Geburtstag vergessen! Kein Wunder, denn es war in den letzten Jahren nur ein Tag wie jeder andere gewesen. Es dauerte einen Moment, bevor sie es realisiert hatte, dann sprang sie aus dem Bett und fiel ihm um den Hals. „Danke, dass Du an meinen Geburtstag gedacht hast“, sagte sie freudestrahlend und küsste ihn. „Ich liebe Dich, wie könnte ich da Deinen Geburtstag vergessen?“, erwiderte er.

Sie lächelte und ihr Blick sprach Bände. „Schade, schon so spät“, sagte sie, ein bisschen traurig, nach einem Blick auf die Uhr, „Du musst gleich los zur Arbeit.“ Er grinste spitzbübisch: „Nein, muss ich nicht, ich habe frei heute. Schließlich wollen wir Deinen Geburtstag auch ein bisschen feiern! Nun aber ab ins Bad, das Frühstück ist fertig und Dein Geschenk wartet.“ Sie schüttelte leicht den Kopf und sagte lächelnd: „Du bist unmöglich, weißt Du das?“ „Du könntest mir auch mal was Neues sagen“, antwortete er feixend und verschwand in die Küche.

Als sie schließlich fertig war und zu ihm ging, kam die nächste Überraschung. Er hatte alles vorbereitet. Es gab frische Brötchen und duftenden Kaffee. Die Stereoanlage spielte leise ihre Lieblingsmusik und auf dem Tisch standen sogar ein paar Kerzen. Sie fragte sich, wie und wann er das wohl arrangiert hatte? „Setz Dich und greif zu“, sagte er fröhlich, „Das Geschenk gibt‘s aber erst nach dem Frühstück.“ Sie setzte sich zu ihm und sie frühstückten in aller Ruhe, wobei Katya nicht ganz so ruhig war. Sie war noch etwas überrascht, freute sich aber sehr, dass Mark ihren Geburtstag nicht vergessen hatte und nun sollte sie sogar noch ein Geschenk bekommen. Nach dem Essen holte er zwei Gläser und eine Flasche Sekt. Er füllte die Gläser und sagte: „Auf Deinen Geburtstag!“ Sie erwiderte: „Und auf die Liebe!“, dann stießen sie an.

Er wollte sie jetzt nicht länger auf die Folter spannen und sagte: „Ich möchte heute Abend gern mit Dir essen und anschließend zum Tanzen gehen. Außerdem möchte ich, dass Du Dir ein schickes Kleid aussuchst, wenn wir nachher einkaufen gehen.“ Jetzt war die Überraschung perfekt! Nie wäre sie auf den Gedanken gekommen, dass er so bald mit ihr tanzen gehen würde und dann auch noch an ihrem Geburtstag! Sie konnte sich kaum erinnern, wann sie das letzte Mal ausgegangen war. Nicht einmal ihr Ex-Mann war jemals mit ihr tanzen gewesen und das, obwohl er genau wusste, wie gern sie tanzte. Sie brauchte wieder einen kleinen Moment, bevor sie fragte: „Du willst wirklich mit mir ausgehen?“ „Ja“, antwortete er lächelnd, „genau das, oder dachtest Du, ich hab‘ das Tanzen nur aus Langeweile gelernt?“

Ihre Augen leuchteten, als sie ihn umarmte und er den zweiten Kuss an diesem Morgen bekam. „Das ist das schönste Geschenk, das Du mir machen konntest“, sagte sie und versuchte noch einen kleinen Einwand: „Aber ein neues Kleid brauch‘ ich ja gar nicht, ich hab‘ doch noch eins.“ Er antwortete: „Nix da, Du bekommst ein neues. Du hast heute Geburtstag!“ Statt einer Antwort küsste sie ihn einfach noch einmal. Er bemerkte, dass ihr noch etwas auf dem Herzen lag und ahnte auch, was es war. Deshalb sagte er: „Und mach Dir bitte keine unnötigen Sorgen, falls wir jemanden treffen, der mich kennt, werde ich Dich einfach als meine Freundin vorstellen.“ Sie sah ihn dankbar an und fragte etwas verlegen: „Das würdest Du wirklich für mich tun?“ „Na klar!“, antwortete er sofort, „immerhin ist es doch die Wahrheit …“, der Satz blieb unvollendet, da Katya seinen Mund mit einem weiteren heißen Kuss verschloss.

Am späten Vormittag fuhr er dann mit ihr einkaufen. Bei der Gelegenheit schickte er sie auch gleich zum Frisör. Er wartete geduldig, bis sie endlich fertig war und das Ergebnis übertraf seine Erwartungen noch bei weitem. Sie sah einfach umwerfend aus mit der neuen Frisur. Ihre Haare waren kunstvoll hochgesteckt und unterstrichen perfekt ihre natürliche Schönheit. Mark brachte nur ein bewunderndes: „Wow“, heraus und weiter ging es zum Einkaufen. Entgegen seinen Erwartungen fand sie ziemlich schnell ein passendes Kleid und das, obwohl sie bestimmt schon lange keins mehr gekauft hatte. Sie entschied sich für ein dunkelgrünes One-Shoulder-Kleid, das ihr hervorragend stand.

Er hatte mit ihr ausgemacht, dass sie ihm das Kleid nicht vorher zeigen durfte, sozusagen als kleine Überraschung für ihn, also musste er sich bis zum Abend gedulden. Vorher brauchte sie allerdings auch noch ein paar neue Schuhe und wieder gelang es Katya, ihn zu überraschen. Entgegen dem gängigen Klischee ‚Frauen und Schuhe‘ wusste sie ganz genau, was sie wollte und wählte ein paar elegante, aber trotzdem bequeme Schuhe aus, in denen sie gut laufen konnte. Denn schließlich wollten sie ja tanzen! Endlich hatten sie alles zusammen und verlegten das Mittagessen, der Einfachheit halber, gleich in das nächste Restaurant.

Etwa zur gleichen Zeit fand im Hauptquartier der Organisation eine folgenreiche Besprechung statt. Nur ganz wenige Eingeweihte wussten, dass ein ehemaliges Gefängnis, das offiziell von einem Verein zur Denkmalpflege als Museum betrieben wurde, in Wahrheit das Hauptquartier der Organisation war. Die Tarnung war perfekt, hier hatte man alles, was man brauchte, von der Infrastruktur mit Strom und Wasser, bis hin zu Büros und den Zellen, sowie der Videoüberwachungsanlage. Außerdem ermöglichte der Publikumsverkehr unauffällige Treffen und erklärte auch einige nächtliche Aktivitäten, die man als Renovierungsarbeiten oder Vorbereitungen für Ausstellungen ausgeben konnte.

Die Männer und Frauen, die sich zur Besprechung versammelt hatten, waren von Andre, der die geplante Aktion leiten sollte, ausgewählt worden. Sabine konnte nicht persönlich teilnehmen, war aber per gesichertem Videostream zugeschaltet. Andre, eröffnete die Besprechung, nachdem er die Anwesenden begrüßt hatte: „Ich will nicht lange herumreden, Ihr kennt alle unsere Probleme. Die Regierung weigert sich hartnäckig, mit uns zu verhandeln. Wir brauchen etwas, das die Volksmassen anspricht und uns eine bessere Verhandlungsposition gibt. Der Plan, beziehungsweise das ‚Spiel‘, das unsere Psychospezialisten sich ausgedacht haben, war bis jetzt leider ein Fehlschlag. Alle bisher getesteten Kandidaten haben versagt und wir mussten das ‚Spiel‘ jedes Mal abbrechen. Sabine glaubt aber, dass wir jetzt die Richtigen gefunden haben.“

An dieser Stelle übernahm Sabine: „So ist es! Andre, würdest Du bitte die Mail öffnen, die ich Euch geschickt habe?“ Andre nickte und öffnete die Mail. Auf der Leinwand erschienen die Bilder von Mark und Katya, sowie einige Daten über die Beiden. Sabine fuhr fort: „Das sind unsere Zielpersonen, Mark und Katya. Wir haben sie schon eine ganze Weile beobachtet und sind inzwischen sicher, dass sie die Richtigen sind für unser ‚Spiel‘. Die Beiden werden heute Abend ins ‚Blue Moon‘ gehen, das ist unsere Gelegenheit!“

Hier unterbrach Andre sie und sagte: „Laut den Daten hier hat Katya heute Geburtstag. Sollen wir die Aktion wirklich heute Abend durchführen und ihr den Geburtstag ruinieren? Das gefällt mir nicht, wenn das stimmt, was ich hier sehe, dann hat sie doch schon genug durchgemacht? Und ausgerechnet jetzt, wo sie mal Glück hatte, sollen wir wieder alles kaputt machen?“ Seine Leute waren ebenfalls wenig begeistert und machten keinen Hehl aus ihrer Meinung. Bevor es zu einer heftigen Diskussion darüber kommen konnte, antwortete Sabine: „Ich verstehe Deine Bedenken und mir gefällt das genauso wenig wie Dir! Ich habe das bereits mit Yvonne besprochen und auch sie meint, wir müssen die Chance heute Abend nutzen und Yvonne mag die Beiden wirklich sehr. Wir haben schlicht und ergreifend keine Zeit mehr, wir kommen sonst einfach nicht weiter! Ich werde mich im Anschluss persönlich um die Beiden kümmern und mir etwas überlegen, um es wiedergutzumachen.“

Andre erwiderte: „Mir gefällt das trotzdem nicht, was ist, wenn wir sie völlig traumatisieren?“ Wieder gab es breite Zustimmung und alle warteten gespannt auf die Antwort von Sabine. „Das kann ich leider nicht völlig ausschließen, das Risiko besteht natürlich. Aber ich werde die Aktion persönlich überwachen und notfalls, eher zu früh als zu spät, abbrechen. Du hast diesbezüglich ebenfalls freie Hand!“, erwiderte sie. „Gut“, sagte Andre, „meine Bedenken sind zwar nicht alle ausgeräumt, aber ich vertraue Dir. Wir werden die Aktion dann heute Abend starten.“ „Danke“, antwortete Sabine und verabschiedete sich.

Die weitere Detailplanung lag in Andres Händen und da wollte sie ihm auf keinen Fall hineinreden. Sie vertraute ihm und wusste, dass er sich keinen Fehler erlauben würde, denn hier ging es immerhin um das Leben von zwei Menschen und da gab es für ihn keine Kompromisse. Andre teilte seine Leute ein und instruierte sie. Er bildete mehrere Teams, jeweils eins für das Restaurant und die Bar des ‚Blue Moon‘, eins für die Wohnung und das letzte für den Weg vom Restaurant. Seine Leute waren zuverlässig und wussten, was sie zu tun hatten. Er brauchte ihnen auch nicht extra einzuschärfen, dass die Beiden anständig zu behandeln waren. Sie würden die Aktion eher abbrechen, als Verletzungen der Beiden in Kauf zu nehmen. Schließlich war alles besprochen und vorbereitet, jetzt konnten sie nur noch warten und hoffen, dass alles glatt lief.

Mark und Katya waren inzwischen wieder zu Hause angekommen und Katya sprühte förmlich vor Lebensfreude, sie konnte den Abend kaum erwarten. Mark freute sich sehr, als er sie so glücklich sah, nichts anderes hatte er gewollt. Auch sein Herz schlug viel höher als sonst, denn die Schmetterlinge in seinem Bauch flatterten völlig ungeniert. Dass er mit ihr eine ungeplante Tanzstunde absolvieren musste, nahm er dafür sehr gern in Kauf.

Endlich schaffte er es aber doch, sie etwas zu bremsen, sodass sie noch einen Kaffee trinken konnten, bevor es dann losgehen sollte. Beim Kaffee kamen in Katya dann doch einige schmerzhafte Erinnerungen wieder hoch. Sie dachte daran, wie es früher mit ihren Eltern beim Kaffee war und das sich ihr Ex nie wirklich die Zeit für so etwas genommen hatte. Ein Schatten huschte über ihr Gesicht und sie hatte Mühe, die Tränen zurückzuhalten. Er bemerkte es und fragte mitfühlend: „Schmerzhafte Erinnerungen?“ Sie nickte nur und er nahm sie zärtlich in den Arm, ohne etwas zu sagen. Manchmal braucht es eben keine Worte.

Nach einer Weile sagte sie: „Ich glaube, es wird langsam Zeit, dass wir uns fertig machen, Du weißt doch, ich brauche immer so lange im Bad“, dabei brauchte er sogar meist länger als sie. Mark hatte die Anspielung durchaus verstanden und war erleichtert, dass sie ihren Humor wiedergefunden hatte. Er sagte grinsend: „Ja, ja, ist schon gut, ich geh‘ ja schon“, und verschwand im Bad. Er beeilte sich mehr als sonst und war schon nach einer halben Stunde fertig. Dann wartete er gespannt, bis sie fertig war und ihm ihr neues Kleid präsentierte. Als es schließlich so weit war, hatte Katya das Vergnügen, ihn sprachlos zu erleben.

Sie sah einfach fantastisch in dem Kleid aus und Mark brauchte einen kleinen Moment, bevor er sagen konnte: „Du bist wunderschön“, mehr brachte er nicht heraus. Katya errötete ein wenig und fragte zweifelnd: „Wirklich?“ „Ja wirklich, Du bist einfach wunderschön“, wiederholte Mark mit ehrlicher Bewunderung. „Danke, aber Du siehst auch nicht übel aus. Du solltest öfter mal ein schickes Hemd anziehen, das steht Dir echt gut“, erwiderte sie, worauf ihm jetzt auch die Röte ins Gesicht stieg. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr sagte er dann, um die Verlegenheit zu überspielen: „Wir müssen los, sonst ist unser Tisch weg.“ Katya nickte und sie machten sich auf den Weg.

Im Restaurant überließ er ihr dann die Auswahl des Essens und der Getränke. Ihre Wahl erwies sich als erstklassig. Er lächelte anerkennend, als er bemerkte, mit welcher Sicherheit sie den zum Fischgericht passenden Wein auswählte. Nach dem Essen gingen sie dann in die Bar, die sich im Keller des Restaurants befand. Mark registrierte, ein wenig stolz, die anerkennenden Blicke, die aber natürlich vor allem Katya galten. Er suchte und fand einen freien Tisch und bestellte, nachdem sie Platz genommen hatten, eine Flasche Champagner, „Zur Feier des Tages“, wie er lächelnd sagte. Sie stießen zum zweiten Mal an diesem Tage auf ihren Geburtstag an.

Er ging zum DJ hinüber, dieser reagierte prompt, als er hörte was gewünscht wurde und spielte Katyas Lieblingslied. Mark kehrte zurück zu ihr, deutete eine Verbeugung an und gab ihr einen formvollendeten Handkuss. „Darf ich um diesen Tanz bitten?“, fragte er. Sie war etwas überrascht, so kannte sie ihn ja noch gar nicht und sie fragte sich im Stillen, wo er das gelernt hatte? Dann nahm sie die Aufforderung mit leuchtenden Augen und einem: „Aber sehr gern“, an. Er führte sie auf die Tanzfläche, die bis dahin noch komplett leer war und tanzte mit ihr. Er war zwar etwas nervöser, als er sich den Anschein gab, aber er hatte diesen Tanz ja unzählige Male mit ihr geübt und außerdem gab sie ihm die nötige Sicherheit, die er brauchte. So bekam er auch gar nicht mit, dass die Gespräche ringsum langsam verstummten und die Leute gebannt auf die Tanzfläche zu ihnen schauten.

Nach dem Tanz bekamen sie sogar einigen Applaus, worauf sie beide rot wurden, um dann lächelnd „Dankeschön“, zu sagen. Der DJ war voll in seinem Element und machte gleich mit dem nächsten Lied weiter. Mark sah Katya nur kurz fragend an, sie nickte und weiter ging es. Dieses Mal blieben sie nicht die Einzigen auf der Tanzfläche, immer mehr Paare fanden sich, angespornt durch die Beiden, zusammen. So wurde es ein schöner langer Abend. Die Stimmung war so gut und ausgelassen, dass es Mark auch nichts ausmachte, seine Tanzpartnerin einige Male wechseln zu müssen, da auch andere unbedingt mal mit Katya tanzen wollten. Auch er bekam von den Damen einige Komplimente für seine Tanzkünste.

Eine Sache trübte seine Laune aber doch etwas, er fühlte sich schon seit dem Essen irgendwie beobachtet, konnte trotz aller Bemühungen jedoch nichts Verdächtiges entdecken. „Ich glaub‘, ich seh‘ schon Gespenster“, dachte er bei sich und konzentrierte er sich wieder auf das Naheliegendste, nämlich den angekündigten letzten Tanz des Abends. Da ließ er den Anderen auch nicht den Hauch einer Chance, mit Katya zu tanzen. Eng umschlungen stand er mit ihr auf der Tanzfläche, auch dann noch, als die Musik bereits verklungen war. Sie sah ihn an und sagte so leise, dass nur er es verstehen konnte: „Das war der schönste Geburtstag meines Lebens.“

Er lächelte und erwiderte genauso leise: „Das hab‘ ich sehr gern für Dich gemacht. Du bist das Beste, was mir in meinem Leben passieren konnte.“ Als Antwort bekam er einen leidenschaftlichen Kuss von ihr. Inzwischen hatten fast alle Gäste die Bar bereits verlassen, sie gehörten schon mit zu den Letzten. Deshalb sagte er grinsend: „Lass uns gehen, bevor sie uns hier noch den Stuhl vor die Tür stellen.“ „Ja, Du hast recht, es wird Zeit, Schade …“, erwiderte sie. Bevor sie die Bar verließen, versprach er ihr noch, dass es ganz sicher nicht das letzte Mal war, dass sie beide tanzen waren und bekam prompt noch einen Kuss. Draußen wollte Mark dann gleich ein Taxi rufen, aber sie meinte: „Die Nacht ist so herrlich, können wir nicht noch ein Stückchen laufen?“. Er stimmte gern zu und so gingen sie Arm in Arm die Straße entlang.

Auf einmal hatte er das Gefühl einer drohenden Gefahr und blieb stehen, Katya schien auch etwas bemerkt zu haben, sie sah ihn unsicher an und fragte: „Was hast Du, ist irgendwas?“ Mark antwortete: „Ich weiß nicht, ich habe so ein komisches Gefühl, irgendwas stimmt hier nicht.“ Er sah sich um, konnte aber außer ein paar abgestellten Fahrzeugen am Straßenrand und der Tatsache, dass sie anscheinend allein waren, nichts Auffälliges sehen. Dass einige Fahrzeuge nicht so verlassen waren, wie es den Anschein hatte, konnte er natürlich nicht wissen. Genau in diesem Moment erlosch die Straßenbeleuchtung, es wurde schlagartig finster. Dann spürte er einen kurzen Schmerz im Nacken, ähnlich wie bei einem Insektenstich, an Katyas Zusammenzucken erkannte er, dass es ihr genauso ging. Bevor er irgendwie reagieren konnte, schwanden ihm auch schon die Sinne, „Katya …“, war sein letzter Gedanke, dann wurde es schwarz um ihn. Die kräftigen Gestalten, die plötzlich wie hingezaubert zur Stelle waren, um sie aufzufangen, sah er schon nicht mehr.

Kapitel 8

Mark und Katya wurden behutsam in die wartenden Fahrzeuge gesetzt und ins Hauptquartier der Organisation gebracht. Dort angekommen, rief Andre als Erstes die bereits wartende Ärztin, um sicherzugehen, dass die Beiden keine Schäden davongetragen hatten. Die Ärztin bestätigte, dass alles in Ordnung war und man brachte sie in eine Zelle, wo sie aufwachen sollten. Andre hatte sich im letzten Moment entschieden, die Beiden nicht getrennt, sondern zusammen in einer Zelle unterzubringen. So wollte er vermeiden, dass sie zu sehr traumatisiert wurden. Er wusste, dass die Wirkung der Betäubung noch eine Weile anhalten würde und für den Notfall war die Zelle per Video überwacht. Also ging er beruhigt in sein Büro, um Sabine über die geglückte Entführung zu benachrichtigen. Unterwegs begegnete ihm seine Freundin Bianca, sie hatte ihn schon ungeduldig erwartet.

Die Beiden waren jetzt schon etliche Jahre zusammen und ihre Geschichte ähnelte ein wenig der von Mark und Katya. Andre hatte Bianca bei ihrer Entführung aus dem Krankenhaus der Regierung kennengelernt und sich, genau wie Mark in Katya, auf den ersten Blick in sie verliebt. Er hatte die Aktion seinerzeit geleitet, da er Schauspieler war und damit die besten Voraussetzungen besaß, die Rolle als überführender Arzt zu spielen. Die Organisation hatte seitdem immer öfter auf seine Fähigkeiten zurückgegriffen, so auch bei dem bevorstehenden Spiel. Genau wie Katya, hatte auch Bianca sehr viel länger gebraucht, um Andres Gefühle zu erwidern. Sie hatte anfänglich die Befürchtung gehabt, dass er ihr nur etwas vormachte, bis sie erkannte, dass er es ernst mit ihr meinte und sie wirklich liebte. Beiden Paaren war außerdem gemeinsam, dass sie durch die bestehenden Umstände gezwungen waren, ihre Beziehung und ihre Liebe geheimzuhalten.

„Bitte, ich muss mit Dir reden, es ist wichtig!“, begrüßte Bianca ihn aufgeregt. „Okay, komm mit in mein Büro, ich habe aber leider nicht viel Zeit“, antwortete er. Sie nickte und im Büro angekommen sagte sie: „Ich glaube, ich kenne die Frau, die Ihr heute entführt habt. Der Name kommt mir bekannt vor, wenn sie es wirklich ist, dann waren wir zusammen im Lager.“ Andre sah sie überrascht an und fragte: „Bist Du sicher?“ „Ganz sicher bin ich mir nicht, aber der Name Katya ist ja nun nicht so häufig, oder?“, erwiderte sie. „Ja, da hast Du wohl recht, leider habe ich die Mail nicht mehr, die Sabine geschickt hat, sonst könnte ich Dir ein Bild zeigen“, antwortete er.

„Verstehe, Du hast sie bereits gelöscht. Kannst Du mich nicht von hier aus per Video in die Zelle schauen lassen, um sicherzugehen?“, fragte sie. „Leider nicht, die Beiden sind nicht in einer normalen Zelle. Ich habe sie in eine der Spezialzellen bringen lassen, damit sie zusammen aufwachen und der Schock nicht ganz so groß ist, die können nur von der Zentrale aus eingesehen werden, wie Du weißt“, gab er ihr zur Antwort, „Ich mache Dir einen Vorschlag, Du kannst hier auf dem Monitor bei unserem ‚Spiel‘ zuschauen. Mit der Technik kennst Du Dich ja bestens aus. Du musst mir aber versprechen, dass Du auf keinen Fall eingreifst, egal was passiert.“

„Danke Dir, Du bist ein Schatz! Versprochen, ich werde mich nicht einmischen. Bitte treib’ es aber nicht zu doll, ja? Wenn sie es wirklich ist, habe ich ihr sehr viel zu verdanken“, erwiderte sie. „Keine Sorge, Du weißt doch, dass wir sie auf keinen Fall verletzen werden. Vielleicht ist sie es ja auch gar nicht. Bis nachher dann, ich muss jetzt langsam los, die Beiden werden bald aufwachen“, sagte er zum Abschied und küsste sie. „Ja vielleicht“, dachte Bianca und wartete nervös und unruhig darauf, dass es losging. Er informierte noch schnell Sabine und bereitete sich auf seinen ‚Auftritt‘ vor, dann wurde es unwiderruflich ernst. Das ‚Spiel‘ begann.

Katya erwachte als Erste, sie sah sich um und war zutiefst erschrocken. Die Zelle ähnelte doch stark derjenigen, in der sie zuletzt gesessen hatte. Dann begann ihr Verstand zu arbeiten und ihr fielen einige Unterschiede auf, es war hier nicht so kalt, außerdem war die Pritsche gepolstert und man hatte ihr eine warme Decke gegeben. Als sich ihre Augen an das schwache Dämmerlicht gewöhnt hatten, sah sie, dass sie nicht allein in der Zelle war. Auf der Pritsche gegenüber lag Mark und kam gerade zu sich. Sie stand auf und ging, noch etwas wackelig auf den Beinen, zu ihm. „Gott sei Dank, Du lebst“, sagte er, mit noch etwas schwerer Zunge, als er sie erkannte, „wie geht es Dir, bist Du okay?“ Sie antwortete: „Ja, ich bin okay, aber wo sind wir und wer hat uns hergebracht? Und was wollen die von uns?“, und setzte sich zu ihm auf die Pritsche. „Ich weiß es genauso wenig wie Du“, antwortete er, „aber die Behörde scheidet aus, denke ich, die hätten uns nicht entführen brauchen. Es bleibt als nur …“ „Die Organisation“, vervollständigte sie den Satz, „aber warum, was können die von uns wollen?“

Genau in diesem Moment wurde die Tür der Zelle geöffnet und Andre kam mit zwei Begleitern herein. Mark und Katya sahen sich erschrocken an. Die Tatsache, dass keiner der Männer maskiert war, verhieß nichts Gutes. Es sah nicht so aus, als wollte man sie wieder gehen lassen. Der Eindruck verstärkte sich noch durch die Taser in den Händen der Männer. „Los mitkommen und keine Tricks“, fuhr Andre sie schroff an. Widerstandslos ließen sie sich von den Männern aus der Zelle führen. Der Raum, in den sie gebracht wurden, ähnelte stark einer Folterkammer, was ebenfalls nicht gerade zu ihrer Beruhigung beitrug.

Mark hatte plötzlich grässliche Angst, nicht um sich, sondern um Katya. Sollten sie etwa tatsächlich gefoltert werden? Er wandte sich an Andre, den er als Anführer erkannt hatte: „Ihr könnt mit mir machen was Ihr wollt, aber bitte, lasst sie gehen! Sie hat Euch doch nichts getan!“ Andre sah ihn nur kalt an und antwortete: „Du hast hier gar nichts zu melden – Sklaventreiber! Hier bestimmen wir! Eigentlich wollten wir Dich gar nicht haben, sondern nur sie aus Deiner Fuchtel befreien. Aber wenn Du schon mal da bist, können wir gleich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden …“.

Zu Andres Überraschung sagte Katya sarkastisch: „Wer hat Euch denn gesagt, dass ich unter seiner Fuchtel stehe und befreit werden muss? Ich will gar nicht befreit werden! Jetzt, wo wir das geklärt haben, können wir dann ja wieder gehen!“ Er war kurz sprachlos, seinen Männern ging es nicht anders, diese Sklavin hatte ja richtig Haare auf den Zähnen! „Ha, ha, selten so gelacht“, antwortete er, nachdem er sich wieder gefangen hatte, „so einfach kommt Ihr uns nicht davon! Da fällt mir gerade ein, wir haben uns ja noch gar nicht vorgestellt, aber egal. Ich denke Ihr wisst, mit wem Ihr es zu tun habt, oder?“ „Ja, ich glaube schon, anscheinend mit ein paar ganz gemeinen Ganoven!“, erwiderte Katya trotzig.

Mark sah sie erstaunt an und versuchte, ihr Zeichen zu geben, sich etwas zurückzuhalten. Er hielt es für keine gute Idee, diese Leute unnötig zu reizen. „Hüte Deine Zunge Sklavin, sonst muss ich Dir Manieren beibringen“, sagte Andre, gefährlich leise. Katya hatte Marks Zeichen zwar bemerkt, dachte aber gar nicht daran, sich zurückzuhalten. Sie war wütend und sah Andre furchtlos in die Augen, als sie antwortete: „Na los, nur zu! Oder willst Du mich erst noch fesseln?“ Er musste sein ganzes Können aufbieten, um ihrem Blick standzuhalten. Angst hatte sie jedenfalls nicht, stellte er anerkennend fest. Mark ballte die Fäuste und zischte: „Wag es ja nicht, sie anzufassen!“

Andre wollte die Situation nicht noch weiter verschärfen und ging deshalb nicht darauf ein. Er war erstaunt, mit so viel Widerstand hatte er nicht gerechnet und eigentlich erwartet, dass die Beiden wesentlich ängstlicher sein würden. „So, es reicht jetzt, bereitet den Sklaventreiber vor!“, befahl er seinen Männern. Sie führten Mark zu zwei Pfosten, die etwa einen Abstand von anderthalb Meter zueinander hatten und fesselten ihn so dazwischen, dass er mit erhobenen Armen und leicht gespreizten Beinen, wie ein X vor ihnen stand. Andre wandte sich wieder an Katya: „Hör mir jetzt genau zu! Ich vergesse mal Deine Frechheiten und gebe Dir die einmalige Chance, Dich uns anzuschließen. Dazu musst Du nur die Peitsche nehmen, die ich Dir gleich geben werde und dem Sklaventreiber ordentlich welche überziehen. Dann kannst Du bei uns bleiben und bist frei!“

Sie zögerte keine Sekunde und erwiderte: „Nein! Und wenn Ihr mich umbringt, niemals werde ich den Menschen schlagen, der mir gezeigt hat, wie es ist, wirklich geliebt zu werden! Lieber sitze ich mit ihm im finstersten Loch, als mich mit Euch einzulassen!“ Mark rief verzweifelt: „Bitte Katya, tu was er sagt! Kümmer’ Dich nicht um mich, rette Dich!“ Andre setzte ein diabolisches Grinsen auf und sagte zu ihr: „Letzte Chance, hör auf Deinen Herrn und tu, was er Dir befiehlt!“ „Nein!“, wiederholte Katya mit Tränen in den Augen, „das kann ich nicht! Ich liebe Ihn!“ Andre bemerkte, dass einige seiner Leute sich unauffällig zur Seite drehten und auch er selbst hatte Mühe, seine Rolle weiterzuspielen.

Er riss sich zusammen und erwiderte eiskalt: „Sieh mal einer an, die kleine Sklavin hat sich in ihren Herrn verliebt. Wie süß! Nun gut, Du hattest Deine Chance! Jetzt wirst Du gleich selbst erleben, was Dein Sklaventreiber mit Dir anstellt, um sein erbärmliches Leben zu retten. Dann weißt Du, was Deine Liebe wert ist, nämlich nichts!“ Katyas Wut schlug in Hass um. „Wie kannst Du es wagen, meine Gefühle so in den Dreck zu ziehen? Weißt Du überhaupt, was Liebe ist?“, fragte sie zornig. Andre musste kurz schlucken und blieb ihr die Antwort schuldig. Er winkte seinen Leuten, Mark wurde losgebunden und Katya musste seinen Platz einnehmen. Ohne Gegenwehr ließ sie sich zwischen den Pfosten festbinden.

Andre baute sich vor Mark auf und sagte: „Du bekommst nur diese eine Chance, also nutze sie. Nimm die Peitsche und prügel Deiner Sklavin das Kleid vom Leib, dann kannst Du gehen. Deine freche Sklavin behalten wir aber auf jeden Fall hier.“ Bevor er antworten konnte, rief Katya: „Tu es einfach, ich bin doch nur eine Sklavin …“ Mark nahm die Peitsche und erwiderte: „Nein! Du bist die Frau, die ich liebe! Ich will Dich nicht verlieren, schon gar nicht an diese Verbrecher! Lieber sterbe ich hier mit Dir zusammen, als Dich hier zurückzulassen!“, dann warf er Andre die Peitsche achtlos vor die Füße. Der musste sich zusammenreißen, um seinen Triumph zu verbergen. Endlich hatte es geklappt, endlich hatten sie die Richtigen gefunden! Sabine hatte recht! Er konzentrierte sich wieder auf seine Rolle und sagte zynisch: „Wer hätte das gedacht, ein richtiges Liebespaar, wie romantisch! Wir brauchen Euch nicht mehr, Ihr seid nutzlos für uns geworden! Was glaubt Ihr, sollen wir jetzt mit Euch machen?“ „Na was wohl, Ihr werdet uns umbringen! Das hattet Ihr doch von Anfang an vor! Ihr hättet uns doch so oder so nicht gehen lassen!“, antwortete Katya unerschrocken. Mark hatte dem nichts hinzuzufügen, auch ihm war längst klar, dass sie hier nicht mehr lebend rauskommen würden.

Andre winkte seinen Männern und Katya wurde losgebunden. Mark stürmte zu ihr und nahm sie in die Arme. Er wunderte sich, dass niemand versuchte, ihn daran zu hindern. Andre wandte sich wieder an sie: „Wir bringen Euch jetzt zurück in Eure Zelle, bis wir entschieden haben, was wir mit Euch machen. Schließlich sind wir keine Barbaren!“ Mark machte einen letzten Versuch, Andre umzustimmen, er fiel vor ihm auf die Knie: „Bitte, ich flehe Dich an, hast Du denn gar kein Herz? Bitte, hab’ doch Erbarmen und lass sie gehen!“

Andre war völlig überrascht, damit hatte er nicht gerechnet, er brauchte einige Zeit, bis er sich wieder im Griff hatte. Bevor er etwas sagen konnte, rief Katya: „Nein! Ich bleibe bei Dir! Ich lass’ Dich nicht allein!“ Andre hatte sich wieder in der Gewalt und antwortete: „Nein! Selbst wenn ich wollte, kann ich sie nicht gehen lassen. Du weißt doch ganz genau, dass sie nirgendwo hin kann, ohne im Arbeitslager zu landen!“ „Du irrst Dich, sie kann, wenn mir etwas zustößt ist sie frei. Sie ist meine Erbin!“, antwortete Mark, mühsam beherrscht. Katya fragte verblüfft: „Ist das wahr?“ „Ja, aber ich hatte noch keine Gelegenheit, es Dir zu sagen. Bitte verzeih’ mir“, erwiderte er. Andre fuhr dazwischen: „Er lügt, glaub’ ihm kein Wort! Er will nur seine Haut retten.“

Katya sah ihn hasserfüllt an, beherrschte sich aber gerade noch rechtzeitig. Sie wusste, dass Mark sie niemals anlügen würde, schon gar nicht bei so wichtigen Dingen, aber das würde der Kerl sowieso nicht verstehen, also schwieg sie. Außerdem war ihm anscheinend entgangen, dass Mark damit ihre Haut retten wollte und nicht seine. Andre winkte wieder seinen Leuten und befahl: „Bringt sie weg!“ Katya sagte traurig aber trotzdem stolz: „Ihr irrt Euch, wenn Ihr glaubt, dass Ihr gewonnen habt! Unsere Liebe ist stärker als Ihr! Und vielleicht fällt das, was Ihr uns antut, irgendwann auf Euch zurück! Ihr tut mir leid!“

Mark fügte hinzu: „Ihr irrt Euch sogar gleich doppelt, Ihr seid Barbaren! Menschen, die nicht das kleinste bisschen Mitgefühl im Herzen haben, verdienen keine andere Bezeichnung!“ Andre ging hierauf nicht ein und winkte nur ab. Seine Leute brachten Mark und Katya zurück in ihre Zelle, wobei sie es aber vermieden, die Beiden anzusehen. Andre hatte alle Hände voll zu tun, seine Leute wieder zu beruhigen. Die Aktion war zwar ein voller Erfolg, aber wirklich alle waren tief betroffen und viele hatten Tränen in den Augen. Denn sie besaßen sehr wohl ein Herz! Andre dankte allen und versicherte, dass man sich bei den Beiden in aller Form entschuldigen und sie um ihr Einverständnis zur Nutzung des entstandenen Videos bitten würde. Immer noch sehr aufgewühlt und nachdenklich gingen sie wieder ihren gewohnten Aufgaben nach.

Andre machte sich auf den Weg zu Sabines Büro, vorher schaute er noch einmal bei Bianca vorbei. Er öffnete die Tür und erschrak. Bianca saß, in Tränen aufgelöst, an seinem Schreibtisch und schaute auf, den jetzt leeren, Monitor. Er begriff sofort, dass Katya tatsächlich die Frau war, die Bianca aus dem Lager kannte. Er brauchte nicht mehr danach zu fragen. Allerdings musste da noch erheblich mehr sein, denn so hatte er Bianca noch nie erlebt. Sie sah ihn an und sagte tonlos: „Sie ist es, sie ist es wirklich!“ Andre nahm sie zärtlich in die Arme und erwiderte verständnisvoll: „Sie muss Dir wirklich viel bedeuten, so kenne ich Dich ja gar nicht. Beruhige Dich erst mal ein bisschen.“

Sie sah ihn an und antwortete mit zitternder Stimme: „Wir waren zusammen in einer Zelle. Ich erinnere mich noch genau, wie sie damals dazwischen gegangen ist, als die Wärterinnen mich fast tot geschlagen haben. Sie wurde grausam dafür bestraft und mehr tot als lebendig zurückgebracht und das Erste, was sie mich gefragt hat, war, wie es mir geht. Das war nicht das einzige Mal, dass sie mir das Leben gerettet hat. Ohne sie hätte ich das Lager nicht überlebt. Sie war immer für mich da, auch wenn es ihr selbst nicht gut ging. Und weißt Du, was das Schlimmste ist? Sie ist unschuldig! Ihr eigener Ehemann hat sie verraten und ans Messer geliefert! Als wir getrennt wurden, konnte ich mich nicht einmal von ihr verabschieden oder mich bei ihr bedanken. Bitte, ich muss zu ihr!“

Sein Triumphgefühl war wie weggeblasen. Er kam sich in diesem Moment so hilflos vor, er wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Bianca hatte bisher nie etwas über ihre Zeit im Lager erzählt. Er wusste natürlich, dass sie dort war, das war aber auch schon alles. Er ahnte, wie schwer es ihr gefallen war, ihre Lebensretterin zu sehen und nicht tun zu dürfen. Schließlich sagte er: „Ich versteh’ Dich nur zu gut, mir würde es nicht anders gehen. Ich weiß auch nicht, ob ich an Deiner Stelle mein Versprechen hätte halten können. Bitte hab’ noch ein bisschen Geduld. Ich verspreche Dir, dass Du sie nachher auf jeden Fall noch treffen wirst. Aber bitte, lass Sabine erst mit ihnen reden, ja?“

„Danke, dass Du mich verstehst! Es fällt mir trotzdem sehr schwer, ich möchte am liebsten sofort zu ihr! Ich bin aber froh, dass sie jetzt nicht allein ist. Dieser Mark liebt sie wirklich sehr und die Beiden passen perfekt zusammen“, erwiderte sie. „Ja, da hast Du wohl recht, obwohl, als er die Peitsche genommen hat, war ich einen Moment unsicher und dachte wirklich, er tut es und schlägt sie. Das hätte ich natürlich nicht zugelassen“, antwortete er. Sie nickte und sagte: „Das weiß ich doch! Ich konnte direkt in seine Augen sehen und wusste, dass er das niemals tun würde. Er würde sich wahrscheinlich eher vierteilen lassen.“ „Ja, das ist mir dann auch klar geworden“, erwiderte er, „ich muss jetzt los zu Sabine. Ich werde sie bitten, Dich zu rufen, wenn sie alles besprochen hat. Bis nachher dann!“ „Danke, das ist lieb von Dir! Bis später!“, sagte sie und küsste ihn.

Immer noch sehr nachdenklich und tief aufgewühlt kam er schließlich bei Sabine an. Sie erwartete ihn bereits und hatte, genau wie Bianca, alles auf ihrem Monitor mitangesehen, beziehungsweise mitangehört. Sie bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte und fragte: „Sag mal, was ist denn mit Dir los? Die Aktion war doch ein voller Erfolg?“ „Ja das schon …“, erwiderte er. „Aber?“, unterbrach ihn Sabine. „Es ist wegen Bianca“, antwortete er, „sie sitzt völlig aufgelöst in meinem Büro. Ihr kam der Name bekannt vor, darum habe ich sie von dort aus zusehen lassen. Sie hat Katya sofort wiedererkannt. Die Beiden waren zusammen im Lager und Katya hat ihr mehrmals das Leben gerettet. Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich das Spiel nicht durchziehen können.“

Sabine machte ihm keinen Vorwurf, sie wusste, dass er Bianca liebte und die Beiden sich blind vertrauten. Sie hätte an seiner Stelle kaum anders gehandelt. „Okay, verstehe, ich werde Bianca nachher rufen, dann kann sie ihre Freundin in die Arme nehmen“, sagte sie entgegenkommend und fuhr fort: „Ich danke Dir trotzdem für Deine beeindruckende Leistung! Meinen Respekt!“ „Danke für Dein Verständnis, Bianca kann es kaum erwarten“, sagte Andre darauf, „und vielen Dank für die Blumen, aber ich glaube, die Beiden verdienen mehr Respekt, die haben mich voll an die Wand gespielt. Als Mark vor mir auf die Knie gegangen ist, war ich kurz davor, abzubrechen. Viele meiner Leute hatten sogar schon Tränen in den Augen. Das wäre keine fünf Minuten länger gutgegangen. Wie bist Du überhaupt auf die Beiden gekommen?“

Sie antwortete: „Ja die Beiden waren wirklich großartig, wenn das nicht funktioniert, dann weiß ich auch nicht. Na ja, ich bekam Marks Akte, als er anfing auffällig zu werden – Du weißt schon wie ich das meine. Von da an habe ich ihn unauffällig überwachen lassen. Nicky hat mir Zugang zu all seinen Dokumenten und Anträgen verschafft. Mark ist einer von den wenigen Hochsensiblen, die es bei uns gibt, das heißt, er fühlt stärker und nimmt mehr und bewusster wahr als andere. Dass er damit in unserer Gesellschaft ziemliche Probleme hat, brauche ich wohl nicht weiter erwähnen. Für uns war er deshalb so interessant, weil er ein sehr starkes Gerechtigkeitsempfinden hat und Gewalt und Unterdrückung ablehnt. Fehlte nur noch eine passende Frau und da kam dann Katya ins Spiel. Die Beiden sind wie füreinander gemacht, es ist wirklich schade, dass sie sich ausgerechnet auf diese Weise begegnen mussten und noch dazu, wo sie unschuldig zu lebenslanger Sklaverei verurteilt wurde.

Du hättest mal den Bericht von Yvonne hören sollen, ich habe sie vorher noch nie so aufgeregt erlebt. Sie hat mich mehrmals gebeten, gut auf die Beiden aufzupassen. Mark hat Katya von Anfang an wie seine Geliebte behandelt und nicht wie eine Sklavin. Ich denke, bei ihm war es Liebe auf den ersten Blick. Sie hat allerdings deutlich länger gebraucht, seine Gefühle zu erwidern. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass sie von ihrem Ehemann verraten wurde.“ „Ja, Bianca hat vorhin schon erwähnt, dass Katya unschuldig verurteilt wurde, aber woher weißt Du davon?“, fragte Andre. „Wir haben das Testament ihres Ex-Mannes gefunden, er hat sich zwei Jahre nach ihrer Verurteilung das Leben genommen. Darin gibt er sogar unter Eid zu, seiner Frau die angeblichen Beweise untergeschoben zu haben. Wir haben die Papiere ja bereits zusammen mit den anderen veröffentlicht. Katya wird also bald wieder frei sein“, antwortete Sabine.

„Das kann ich kaum glauben“, erwiderte er fassungslos, „die Behörde hat sie nicht informiert und das Urteil nicht aufgehoben?“ „Nein, hat sie nicht, Du weißt doch, ‚Götter‘ machen keine Fehler. Sie haben das Testament einfach in der Schublade verschwinden lassen. Bis wir es dann gefunden haben“, antwortete Sabine. Er schüttelte den Kopf: „Was für eine schreiende Ungerechtigkeit! Wie kalt und abgebrüht muss man eigentlich sein, einem Menschen das Leben so kaputtzumachen?“ Es war eine rhetorische Frage. Sabine wusste, dass er keine Antwort erwartete, sie sagte stattdessen: „Wir müssen Schluss machen, alles Weitere nachher. Ich will die Beiden nicht noch länger quälen. Bin gespannt, wie sie es aufnehmen und ob sie mich wiedererkennen werden?“

Andre fragte: „Soll ich nicht besser mitkommen?“, Sabine lächelte und antwortete: „Danke, aber ich glaube es ist besser, wenn ich zuerst allein mit ihnen rede. Ich hoffe, ich kann sie überzeugen, unserem Plan zuzustimmen. Du kannst ja dann später noch mal kurz reinschauen?“ „Ich drück’ Dir die Daumen! Ich werd’ Bianca dann mal die gute Nachricht überbringen. Sie freut sich bestimmt, wenn sie hört, dass Katya bald wieder frei ist. Bis nachher dann“, antwortete er. Sabine nickte und machte sich auf den Weg. Sie war allerdings deutlich nervöser, als sie zugab. Unterwegs überlegte sie, was sie den Beiden sagen sollte, aber irgendwie wollten ihr die richtigen Worte nicht einfallen. Inzwischen hatte sie die Zelle erreicht, sie sammelte sich kurz und öffnete die Tür, die im Übrigen nicht einmal abgeschlossen war.

Kapitel 9

Mark und Katya waren allein in der Zelle. Kaum hatte sich die Tür hinter ihnen geschlossen, nahmen sie sich fest in die Arme. Keiner von beiden sagte etwas, was sollten sie auch sagen? Jedes Wort hätte die ohnehin unerträgliche Situation nur noch schlimmer gemacht. Beiden liefen die Tränen übers Gesicht. Sie wussten nicht, wie viel Zeit sie noch hatten, als Katya flüsterte: „Küss mich bitte.“ 

Er küsste sie ganz zärtlich und schmeckte dabei das Salz ihrer Tränen auf seinen Lippen. So standen sie noch, als sich die Tür hinter ihnen öffnete. Ohne sich umzusehen, riefen sie, wie aus einem Munde: „Wir sind bereit!“ Sabine fragte: „Bereit, wozu? Vielleicht uns zu helfen?“ Mark fuhr erschrocken herum, diese Stimme hätte er unter Tausenden erkannt! 

Die Frage war, wie kam Frau Doktor Schwarz plötzlich hierher und was hatte sie mit der Sache zu tun? Sollte etwa doch die Behörde dahinter stecken? Katya erschrak ebenfalls, auch sie hatte die Frau sofort wiedererkannt. Bevor die Beiden irgendwas sagen konnten, sprach Sabine gleich weiter: „Ich will nicht lange herumreden – Ihr seid frei! Wir werden Euch, wenn Ihr wünscht, gleich nach Hause bringen. Wir sind eine Befreiungsorganisation, keine Mörder. Ich bitte Euch aber, mir vorher wenigstens die Chance zu geben alles zu erklären?“ 

Mark und Katya sahen sich vollkommen verwirrt an, eben noch hatten sie mit dem Schlimmsten gerechnet und nun plötzlich frei und wieder nach Hause? Und was wollte Frau Doktor Schwarz ihnen erklären? Sie brauchten verständlicherweise einige Augenblicke, bis sie sich wieder einigermaßen gefangen hatten. Dann nickten sie und Katya antwortete etwas sarkastisch: „Wir sind gespannt auf Ihre Erklärung.“ 

Sabine lächelte erleichtert und sagte: „Bitte nennt mich einfach Sabine, ja? Ich schlage vor, dass wir in mein Büro gehen, da redet es sich angenehmer. Ihr zwei seht außerdem so aus, als könntet Ihr einen Kaffee oder einen Schnaps vertragen? Folgt mir bitte.“ Beide nickten wieder nur und folgten Sabine in ihr Büro. Hier bot sie ihnen erst mal einen Schnaps an, den sie dankbar annahmen, um die angespannte Situation etwas zu lösen. 

Dann aber kam sie zur Sache und sagte: „Ich möchte mich zuerst in aller Form bei Euch entschuldigen! Ich mag mir kaum vorstellen, was Ihr in den letzten Stunden durchgemacht habt. Ich kann Euch nur bitten, mir zu vertrauen. Wir brauchen Eure Hilfe.“ „Hilfe, wobei?“, fragte Katya, die sich als erste wieder einigermaßen im Griff hatte. Und Sabine entwickelte ihnen den Plan der Organisation. Danach sollte, um die Regierung verhandlungsbereiter zu machen und die Öffentlichkeit zu mobilisieren, eine Videokampagne gestartet werden. 

Man brauchte etwas, mit dem sich die Menschen identifizieren konnten. Einen Beweis, dass Liebe stärker war, als Hass und Sklaverei. So war man auf die Idee gekommen, Liebespaare aus Sklavin und Herr oder auch aus Sklave und Herrin auszuspähen. Einige waren dann ebenfalls entführt worden und man hatte den gleichen ‚Test‘ mit ihnen gemacht, den Mark und Katya noch in unguter Erinnerung hatten. 

An dieser Stelle sprang Katya auf und rief aufgebracht: „Hab‘ ich das richtig verstanden, Ihr habt mit uns und unseren Gefühlen gespielt? Wisst Ihr überhaupt, was Ihr uns angetan habt? Welche Ängste wir ausgestanden haben? Was wäre denn gewesen, wenn einer von uns das ‚Spiel‘ mitgemacht hätte, ich meine mit der Peitsche …“ 

Sabine antworte schuldbewusst: „Ja, wir haben mit Euch gespielt und es tut mir leid. Mir ist klar, dass es falsch war und was wir Euch damit angetan haben, aber wir brauchen etwas, das den Menschen Hoffnung gibt. So etwas wie ein starkes Symbol und wir glauben, dass Ihr und Eure Liebe genau dieses Symbol sein könntet. Aber Ihr müsst mir glauben, wir hätten niemals zugelassen, das jemand geschlagen wird. So etwas gibt es bei uns nicht. Wir wären sofort eingeschritten und hätten die Aktion abgebrochen.“ 

Bei den letzten Worten schimmerte es in ihren Augen sogar ein bisschen feucht. Katya bemerkte es und fühlte, dass Sabine es ehrlich meinte. Sie beruhigte sich daraufhin etwas und setzte sich wieder. Der Plan der Organisation bestand also darin, ein geeignetes Paar zu finden, dessen Liebe so stark war, dass Einer für den Anderen einstand, ohne Wenn und Aber. Davon sollte dann ein Video aufgenommen werden und dieses dann entsprechend verbreitet werden. 

Der Plan ähnelte ein wenig dem Konzept eines billigen Groschenheftliebesromans, trotzdem oder vielleicht auch gerade deswegen, hatten die Psychologen und Planer ihm eine hohe Erfolgsaussicht bescheinigt. Leider erwies sich als sehr viel schwieriger, als angenommen, ein passendes Paar zu finden. Bis jetzt! 

Sabine fragte dann auch direkt: „Ihr kennt jetzt den Plan. Das Video haben wir auch. Wir werden das Video aber nur mit Eurem Einverständnis veröffentlichen und natürlich werden wir Euch so verfremden, dass Ihr nicht erkannt werden könnt. Wir werden Eure Identität niemals preisgeben. Bitte überlegt Euch, ob Ihr uns helfen wollt?“ „Was passiert, wenn wir ablehnen?“, fragte Mark, der bis jetzt geschwiegen hatte. 

Sabine antwortete: „Dann müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen. Für Euch wird das aber keine unangenehmen Folgen haben, falls Du das befürchtest, kann ich Dich beruhigen. Im Gegenteil, zumindest für Dich Katya, habe ich noch eine kleine Entschädigung.“ Sie griff in die Schublade und zeigte Katya das Testament mit dem Schuldeingeständnis ihres Ex-Mannes und erklärte dazu: „Wir haben Kopien dieses Dokuments zusammen mit anderen Fehlurteilen überall im Netz veröffentlicht, sodass die Behörde gar nicht anders kann, als das Urteil gegen Dich aufzuheben. Du wirst also bald wieder frei sein, wahrscheinlich bekommst Du auch noch eine Entschädigung. Leider kann ich Dir die verlorenen Jahre damit nicht zurückgeben.“ 

Katya konnte es nicht fassen und brauchte einige Augenblicke, bis sie begriff, was Sabine gerade gesagt hatte. Dann hielt sie nichts mehr auf ihrem Stuhl, sie fiel ihr um den Hals und stammelte: „Danke.“ Sabine erwiderte, nachdem Katya sie wieder losgelassen hatte: „Gern geschehen. Das war doch das mindeste, was wir für Dich tun konnten. Wir hätten die Dokumente übrigens so oder so veröffentlicht, auch ohne Eure Entführung. Entschuldigt, aber ich muss noch einmal fragen, helft Ihr uns bitte?“ 

Mark und Katya sahen sich kurz an, dann nickten sie. Katya antwortete für beide: „Gut wir helfen Euch, aber nur unter einer Bedingung. Ihr dürft nie wieder jemanden zu diesem grausigen Spiel zwingen. Ich will nicht, dass noch einmal Menschen mit Todesangst bei Euch in einer Zelle sitzen und das durchmachen müssen.“ Mark nickte zustimmend und sagte: „Ja genau, nur unter der Bedingung! Mir graut immer noch, wenn ich zurückdenke …“. 

Sabine antwortete ohne Zögern: „Ich danke Euch! Ich schwöre Euch, dass wir so etwas nie wieder machen werden, egal ob die Aktion letztlich Erfolg hat oder nicht.“ Sie drückte auf den Knopf ihrer Rufanlage und sagte zu Katya: „Ich habe noch eine kleine Überraschung für Dich! Das ist noch jemand, der Dich unbedingt sehen will.“  

Katya sah sie verwundert an und dachte: „Wer kann das sein? Mein Bedarf an Überraschungen ist für heute eigentlich schon gedeckt“, sagte aber nichts. Da klopfte es auch schon. Sabine rief ein freundliches: „Herein!“ Bianca öffnete die Tür und rief: „Katya!“ „Bianca, Du?!“, konnte Katya gerade noch erwidern, dann lagen sich die beiden Frauen auch schon in den Armen. „Ich bin so froh, dass Du lebst! Ich hab’ schon gedacht, dass ich Dich nie wieder sehe! Ich hab’ so oft an Dich gedacht und mir so sehr gewünscht, dass es Dir gut geht!“, brach es unter Tränen aus Bianca heraus. 

Katya versuchte ihre tiefe Rührung etwas zu überspielen, in dem sie erwiderte: „Du weißt doch, Unkraut vergeht nicht! Ich bin auch mehr als froh, Dich nach all den Jahren wiederzusehen!“ „Du bist aber kein Unkraut! Wenn Du nicht gewesen wärst …  Ich kann Dir gar nicht genug danken, für das, was Du für mich getan hast!“, antwortete Bianca. „Ach, nu übertreib nicht, das war doch selbstverständlich! Du hast außerdem auch genug für mich getan“, erwiderte Katya verlegen und hatte Mühe, die Tränen zurückzuhalten. 

Mark kam sich ein bisschen überflüssig vor, es war aber keineswegs so, dass er Katya die Freude nicht gönnte. Ganz im Gegenteil, er freute sich mit ihr, nur wusste er nicht recht, was er sagen oder wie er sich verhalten sollte. Sabine bemerkte es und sagte zu ihm: „Ich glaube, wir lassen die Beiden jetzt kurz allein. Sie haben sich bestimmt viel zu erzählen, da würden wir nur stören.“ „Nein, bitte bleibt doch!“, antwortete Bianca und Katya fügte hinzu: „Ihr stört uns doch nicht! Wir möchten Euch gern dabeihaben!“ 

Bianca nickte zustimmend und weder Sabine noch Mark konnten und wollten dieser Bitte widersprechen. Sie hatten sich wirklich sehr viel zu erzählen und es wurde ein entspanntes und angeregtes Gespräch. Sabine erklärte ihnen einiges über die Organisation und Bianca erfuhr, wie Mark und Katya sich kennengelernt hatten. Im Gegenzug erzählte sie den Beiden, dass sie und Andre ebenfalls ein Paar waren. 

Wie aufs Stichwort klopfte es in diesem Moment an der Tür und Andre kam herein. Er entschuldigte sich ebenfalls bei Mark und Katya und eröffnete ihnen, dass er eigentlich Schauspieler war und nur deshalb seine Rolle bis zu Ende hatte spielen können. Er wandte sich an Katya: „Ich möchte Dir auch noch einmal danken für das, was Du für Bianca getan hast! Bitte glaub’ mir, ich wusste nicht, dass Du Bianca das Leben gerettet hast, sonst hätte ich das nicht machen können …“, ihm versagte die Stimme. 

Katya lächelte verlegen und erwiderte: „Ist ja schon gut, ich hab’ doch nur getan, was jeder andere an meiner Stelle auch getan hätte.“ Bianca schüttelte leicht den Kopf und sagte: „Typisch Katya, immer noch genauso bescheiden wie früher. Du hast Dich kein bisschen verändert“, und an Mark gewandt: „Pass gut auf sie auf, sie ist ein echter Schatz!“. 

Mark bekam prompt Farbe im Gesicht und erwiderte: „Ja, ich weiß, deswegen liebe ich sie!“. Katya fragte, gespielt vorwurfsvoll: „Ihr beide wollt mich wohl unbedingt rot werden sehen, was?“. „Ach wo, wie kommst Du denn da drauf?“, antwortete Bianca grinsend. „Ihr seid unmöglich, wisst Ihr das?“, antwortete Katya und versuchte dabei ein möglichst ernstes Gesicht zu machen, was aber kläglich scheiterte. Mark musste sich mühsam das Lachen verbeißen, als er schlagfertig konterte: „Irgendwie hab’ ich das vorhin schon mal gehört, ist also nicht wirklich was Neues!“. 

Jetzt konnte sich Katya das Lachen nicht länger verkneifen und alle lachten herzhaft mit. Es dauerte eine Weile, bis sie sich wieder beruhigt und ihre Lachtränen getrocknet hatten. Dann sagte Sabine zu Mark und Katya, jetzt wieder in vollem Ernst: „Ich möchte Euch noch einmal für Eure Mithilfe danken! Ich, oder besser wir, werden immer für Euch da sein, egal was passiert! Denkt immer daran, dass Ihr gute Freunde habt, wenn Ihr mal in Schwierigkeiten seid!“. Sowohl Mark, als auch Katya standen die Tränen in den Augen. „Danke, wir werden es bestimmt nie vergessen!“, antworteten sie, wieder wie aus einem Munde. 

Sabine sagte, nach einem Blick auf die Uhr: „Es wird langsam Zeit, wir müssen Euch zurückbringen, sonst fällt Eure Abwesenheit noch auf. Wir haben zwar einige Vorkehrungen getroffen, aber ich möchte trotzdem kein unnötiges Risiko eingehen. Andre, würdest Du das bitte übernehmen?“ „Selbstverständlich gern“, erwiderte er und fügte noch hinzu: „Ich hoffe und wünsche mir, dass diese unselige Sklaverei bald ein Ende hat und wir uns das nächste Mal alle zusammen wieder treffen können, ohne Angst haben zu müssen.“ 

Dem war nichts hinzuzufügen, sie hofften alle das Gleiche. Dann war es Zeit, sich zu verabschieden, allen fiel es sehr schwer, besonders natürlich Bianca und Katya, kaum wiedergefunden, mussten sie sich auch schon wieder trennen. Sie wollten sich kein zweites Mal aus den Augen verlieren und versprachen sich, in Verbindung zu bleiben. Sabine sicherte ihnen hierbei ihre volle Unterstützung zu, sie umarmten sich noch einmal, dann ging es für Mark und Katya zurück nach Hause.

Wieder in Marks Wohnung angekommen, spürten sie erst, wie erledigt sie nach dieser Nacht waren. Es war immerhin auch schon früher Vormittag geworden, als sie endlich wieder zu Hause waren. Sie wollten nur noch duschen und schlafen. Erst am späten Nachmittag waren sie wieder halbwegs fit und konnten sich über das Erlebte unterhalten. Es kam ihnen vor, wie ein seltsamer Traum, der zunächst wie ein Albtraum begonnen, sich dann aber zum Guten gewendet hatte. 

Katyas Zukunft sah, dank dem Dokument, jetzt sogar noch viel besser aus, dazu kam das unverhoffte Wiedersehen mit Bianca. Sie hatten, trotz der etwas merkwürdigen Umstände, ein paar gute Freunde gewonnen. In den nächsten Tagen fanden sie dann auch wieder in ihr gewohntes Leben zurück. Alles lief fast wie vorher, Mark ging wie gewohnt zur Arbeit und Katya kümmerte sich um den Haushalt. Das Ereignis hatte sie noch fester zusammengeschweißt. Sie begingen hierbei nur einen Fehler, und zwar vermieden es beide, gemeinsam über ihre Zukunft zu sprechen. Diese Nachlässigkeit sollte später noch Folgen haben! 

Dann kam der Tag, an dem das Video veröffentlicht wurde, zuerst in den sozialen Medien, dann auch auf den gehackten Videowänden. Den Behörden gelang es dieses Mal nicht, die Ausstrahlungen zu unterbinden. Fieberhaft wurde versucht, die Verbreitung zu stoppen, erfolglos. Das Video schlug ein wie eine Bombe und verbreitete sich viral. Selbst etliche Hardliner hatten Tränen in den Augen, nachdem sie das Video gesehen hatten. 

Es kam im Zuge dessen, genau wie erhofft und vorhergesagt, zu einer lebhaften öffentlichen Diskussion über die Abschaffung der Sklaverei. Mark und Katya waren von dem Erfolg des Videos überrascht, nie hätten sie an solch eine starke Wirkung geglaubt. Das Video war wirklich erstklassig gemacht, die Spezialisten der Organisation verstanden ihr Handwerk. Sämtliche Personen und Stimmen waren so verfremdet worden, dass niemand Rückschlüsse auf die realen Menschen dahinter ziehen konnte und trotzdem die volle Wirkung entfaltet wurde. 

Die Einleitung stellte nur die Frage: „Kann Liebe wirklich so stark sein, dass sie sogar die Sklaverei überwindet?“. Es folgte kein weiterer Kommentar, keine weitere Erklärung. Das war auch gar nicht notwendig, das Video sprach für sich. Erst am Schluss kam der kurze Hinweis, dass selbstverständlich niemand zu Schaden gekommen und das betreffende Paar wieder frei war. Es war alles in allem, ein eindrucksvoller Beweis für die Macht der Liebe und genau diese Wirkung war beabsichtigt worden. 

Obwohl es nicht direkt mit dem eigentlichen Ziel der Organisation, der Abschaffung der Sklaverei, zu tun hatte, war es doch das erhoffte starke Symbol, das letztlich einen entscheidenden Beitrag leistete. Es gab auch kaum jemand, der die Echtheit des Videos ernsthaft anzweifelte. Denn jeder, der auch nur über etwas Menschenkenntnis verfügte, erkannte sofort, dass die Reaktionen und Gefühle der Beiden niemals gestellt sein konnten. 

Selbst in der Behörde, in der Mark arbeitete, wurde offen über das Video gesprochen. Sein Vorgesetzter fragte ihn eines Tages, ob er glaube, dass das Video echt sei. Mark antwortete ausweichend: „Ich bin nicht sicher, glaube aber kaum, dass man so etwas so überzeugend spielen kann.“ 

Sein Vorgesetzter gab sich mit dieser Antwort zufrieden, meinte aber: „Ich glaube kaum, dass es Menschen gibt, die ihre Freiheit so aufs Spiel setzen würden. Bei der Sklavin mag ich das ja noch glauben, die hat ja sowieso nicht viel zu verlieren. Aber dass ein ‚Herr‘ so etwas für eine Sklavin tun würde, halte ich für zu weit hergeholt. Das ist mit Sicherheit übertrieben!“. 

Mark unterdrückte eine scharfe Erwiderung, die er schon auf der Zunge hatte und dachte sich im Stillen: „Das magst Du vielleicht glauben, ich weiß es besser. Ich war schließlich dabei! Und was Du abwertend als Sklavin bezeichnest, ist die wunderbarste Frau der Welt und tausendmal mehr wert, als Du Dir überhaupt vorstellen kannst.“ Und etliche Zigmillionen von Likes und positiven Kommentaren bewiesen, dass Marks Vorgesetzter mit seiner Meinung ziemlich allein stand.

Dann kam der Brief, der alles verändern sollte. Die Behörde meldete sich und teilte Katya kurz und knapp mit, dass das Urteil gegen sie aufgehoben wäre, sie somit frei sei. Sogar eine Entschädigung gestand man ihr zu, genau wie Sabine vorausgesagt hatte. Allerdings gab es keine Begründung und keine Entschuldigung, typisch Behörde eben. 

In dem Schreiben stand außerdem noch, dass sich Katya bei der Behörde zwecks Eignungstest und eventuell notwendige Schulungen melden sollte, damit sie wieder in ihren alten Beruf zurückkehren konnte. Und zu guter Letzt bot man ihr auch noch eine kleine Wohnung an, damit sie sich aus dem Abhängigkeitsverhältnis, wie man es nannte, lösen konnte. 

Katya war, verständlicherweise überglücklich, endlich frei, endlich wieder in ihrem geliebten Beruf arbeiten! Mark freute sich mit ihr und half ihr bei den Vorbereitungen zu dem Test in dem er einige CAD Programme für sie besorgte und ihr seinen Computer überließ, damit sie sich bestmöglich präsentieren konnte. Er war regelrecht verblüfft, nicht über den Elan, mit dem sie sich in die Arbeit stürzte, damit hatte er gerechnet. Sondern darüber, wie schnell sie lernte und sich in die doch ziemlich komplizierten Programme hineinfand. 

Er begriff, dass er sie immer noch etwas unterschätzt hatte und war gleichzeitig mächtig stolz auf sie. Der von der Behörde angekündigte Test sollte eine Woche dauern und bereits in 14 Tagen beginnen. Die Zeit bis dahin verging rasend schnell und leider verpassten beide hierdurch die letzte Chance für ein klärendes Gespräch über ihre Zukunft. 

Zu den Regeln des Tests gehörte nämlich, dass  Katya währenddessen keinen Kontakt nach außen haben durfte, um eventuelle Beeinflussung oder unerlaubte Hilfestellung auszuschließen, wie es offiziell hieß. Das bedeutete aber auch, dass Mark und Katya für diese Zeit vollkommen getrennt sein würden.

Schließlich war es so weit, der Termin für den Beginn des Tests war da. Nach dem gemeinsamen Frühstück brachte Mark Katya zum Bahnhof. Er verabschiedete sich und wünschte ihr viel Erfolg. Er versprach ihr, dass er ganz fest die Daumen drücken und sie am Ende der Woche wieder vom Bahnhof abholen würde. Sie lächelte ihm noch einmal zu, eine letzte Umarmung, dann stieg sie in den Zug. 

Mark fuhr anschließend, wie gewohnt zur Arbeit. Die Woche verging für ihn quälend langsam, er war auf Arbeit sehr unkonzentriert und mit den Gedanken ganz woanders. Ein Gedanke quälte ihn besonders, was wenn Katya dort jemand anders kennenlernte? Würde sie nach dieser Woche überhaupt zu ihm zurückkommen? 

Er schämte sich für diese Gedanken, konnte sie aber nicht gänzlich unterdrücken. Es war aber nicht so, dass er etwa eifersüchtig war, es war vielmehr sein mangelndes Selbstwertgefühl, das diese Gedanken auslöste und ihm ständig einflüsterte, nicht genug für Katya zu sein und sie gar nicht verdient zu haben. Erschwerend kam noch hinzu, dass seine Kollegen ebenfalls merkten, dass etwas mit ihm nicht stimmte. 

Seine Maske begann Risse zu zeigen, die dummen Sprüche, die er sich anhören musste, taten ihm jetzt auf einmal weh und verletzten ihn. Er musste all seine Willenskraft aufbieten, damit niemand merkte, was wirklich mit ihm los war. Dadurch schlief er auch sehr schlecht und war mehr als froh, dass er sich am letzten Tag freinehmen konnte. Sehnsüchtig aber sehr nervös und angespannt wartete er auf Katyas Rückkehr, die für den frühen Abend geplant war.

Bei Katya sahen die Dinge dagegen völlig anders aus, sie gewöhnte sich schnell an die neue Umgebung. Sie brannte förmlich darauf zu beweisen, dass sie nichts verlernt hatte und den Anforderungen ihres Traumberufs gewachsen war. An ihren Gefühlen Mark gegenüber hatte sich nichts geändert, ganz im Gegenteil, sie vermisste ihn ebenfalls sehr und sehnte, das Ende der Woche herbei. Natürlich bekam sie einige Avancen, die sie alle höflich, aber bestimmt mit der Begründung abwies, dass sie bereits in festen Händen sei. 

Allzu viel Zeit zum Nachdenken blieb ihr ohnehin nicht, da die Tests und Prüfungen ihr doch einiges abverlangten, immerhin hatte sie etliche Jahre nicht mehr in ihrem Beruf gearbeitet. Durch ihren Fleiß und ihre enorme Willenskraft bestand sie schließlich alle Prüfungen mit guten bis sehr guten Noten. Sie war verständlicherweise überglücklich, als sie am letzten Tag ihr Zeugnis erhielt. 

Sie bekam auch gleich etliche Arbeitsangebote, sie entschied sich für eine Stelle, ganz in der Nähe von Marks Wohnung, obwohl sie auch einige, zum Teil sogar besser bezahlte, Angebote hatte, die dafür aber sehr weit entfernt waren. Eine Wochenendbeziehung kam für sie absolut nicht infrage, da verzichtete sie lieber auf etwas Gehalt, wenn sie dafür mit Mark zusammen sein konnte. Sie freute sich endlich nach Hause zu kommen und ihn wieder in die Arme zu nehmen. 

Vorher sollte es noch ein Abschiedsessen mit allen Kursteilnehmern geben und sie brachte es nicht übers Herz dieses abzusagen. Die Zeit würde locker ausreichen, um trotzdem noch pünktlich den Zug zu erreichen, so dachte sie wenigstens. Aber Unglück schläft ja bekanntlich nicht und so hielt das Schicksal noch eine weitere Prüfung für beide bereit. Es kam wie es kommen musste, das bestellte Taxi, das Katya vom Restaurant zum Bahnhof bringen sollte, verspätete sich und sie verpasste den Zug, wenn auch nur ganz knapp. 

Der nächste fuhr erst in ein paar Stunden und so blieb ihr nichts weiter übrig, als am Bahnhof zu warten. Das war an sich noch kein Drama, schlimmer war, dass sie Mark nicht über die Verspätung informieren konnte, sie hatte ihr Handy zu Hause vergessen. Katya wusste, dass Mark sie abholen wollte und jetzt vergeblich auf sie warten würde. Sie machte sich Vorwürfe, wäre sie doch bloß etwas eher gegangen!

Mark fuhr immer noch etwas nervös, sonst aber in guter Stimmung zum Bahnhof, unterwegs besorgte er noch schnell einen schönen Strauß Blumen. Er war, wie meist bei solchen Anlässen, deutlich zu früh da und konnte die Ankunft des Zuges kaum erwarten. Endlich war es so weit, der Zug kam an, die Leute stiegen aus und – Katya war nicht dabei! 

Er fühlte sich plötzlich wie mit Eiswasser übergossen, es war als würde eine eiskalte Hand sein Herz zusammenpressen. Seine Augen füllten sich mit Tränen, er stand noch eine Weile auf dem leeren Bahnsteig, dann machte er sich tief enttäuscht auf den Heimweg. Den ganzen Weg zurück zu seiner Wohnung legte er wie in Trance zurück, von seiner Umgebung bekam er absolut nichts mit. Dort angekommen, schaffte er es irgendwie noch, die Blumen in eine Vase zu stellen, er setzte sich ins Wohnzimmer und brütete dumpf vor sich hin. 

Er wusste nicht, wie lange er schon so gesessen hatte, als er die Stille in seiner Wohnung plötzlich unangenehm, ja fast schon bedrohlich empfand. Er vermisste Katyas Stimme, vor allem ihr Lachen und bei dem Gedanken, dass er sie vielleicht nie wieder sehen würde, krampfte sich sein Herz zusammen. Seine innere Stimme flüsterte ihm zu: „Was hast Du erwartet, sie ist eine schöne Frau? Hast Du ernsthaft geglaubt, sie würde sich mit Dir abgeben?“. 

Schließlich ertrug er die Stille nicht länger, er schaltete die Stereoanlage ein und traurige, schwermütige, elektronische Beats erfüllten den Raum. Laut sang er den Text mit, bis ihm die Stimme versagte, weil er die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. Bevor er endgültig in Selbstmitleid und Liebeskummer versank, jagte plötzlich ein Gedanke durch seinen Kopf. Konnte es sein, dass er sich irrte? Was, wenn ihr etwas dazwischen gekommen war, sie einfach nur den Zug verpasst hatte? Tat er ihr Unrecht? Aber warum hatte sie sich dann nicht gemeldet? 

Er machte die Musik aus und rannte ins Arbeitszimmer an seinen PC, unterwegs sah er dann ihr Handy im Flur auf dem Regal liegen. Jetzt wusste er, warum sie sich nicht gemeldet hatte! Er schöpfte wieder Hoffnung und die Zeit die sein PC brauchte, um zu starten, kam ihm endlos vor. So schnell es ging, suchte er die Zugverbindungen raus und sah, nach einem Blick auf die Uhr, dass er nur noch wenig Zeit hatte, bis der nächste Zug kam. 

Schnell wusch er sich das Gesicht, schnappte die Blumen aus der Vase und machte sich auf den Weg. Das Schicksal hatte ein Einsehen und er bekam sofort ein Taxi, so kam er gerade noch rechtzeitig am Bahnhof an, als der Zug einlief. Da es inzwischen schon recht spät war, stiegen nur wenige Leute aus und  sein Herz sprang vor Freude fast aus seiner Brust – Katya war da! 

Sie sah sich etwas unsicher um, da stürmte er zu ihr und nahm sie ganz fest in die Arme. Wieder liefen ihm die Tränen übers Gesicht, dieses Mal waren es aber Freudentränen. Sie war etwas überrascht, mit so einer stürmischen Begrüßung hatte sie nicht gerechnet. „Ich bin so froh, dass Du da bist! Ich hatte schon gedacht, Du kommst nicht!“, sagte er mit Tränen erstickter Stimme. Sie sah ihn an und bemerkte seine rotgeweinten Augen, da wurde ihr klar, was los war. 

Er hatte Angst sie zu verlieren! Sie antwortete mit mildem Vorwurf: „Du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass ich Dich einfach so verlasse, oder? Ich liebe Dich! “. Er antwortete schuldbewusst: „Es tut mir leid, bitte verzeih’ mir, aber als Du vorhin nicht da warst, dachte ich wirklich kurz …“. Seine Offenheit ließ ihren leichten Ärger darüber, dass er an ihr gezweifelt hatte, verfliegen, sie konnte ihm einfach nicht böse sein. 

Lieben heißt eben manchmal auch verzeihen und kleine Schwächen zu akzeptieren! „Ach Mark, an Deinen Selbstzweifeln müssen wir wohl noch etwas arbeiten! Aber ich glaube, wir kriegen das zusammen hin und jetzt küss mich endlich!“, sagte sie verführerisch lächelnd. Er war erleichtert und kam  ihrer Bitte nur allzu gern nach. Mark schwebte auf Wolke sieben, da fiel ihm ein, dass jetzt vielleicht der richtige Zeitpunkt war, sie endlich zu fragen. Er zögerte einen kurzen Moment, holte noch einmal tief Luft, dann fragte er feierlich: „Willst Du bei mir bleiben, ich meine …, willst Du meine Frau werden?“. 

Sie war einen kurzen Moment sprachlos, sie hatte sein kurzes Zögern zwar bemerkt, aber nicht damit gerechnet, dass er ihr, jetzt und hier, einen Antrag machen würde. Ein heißes Glücksgefühl durchströmte sie. Endlich hatte er den Mut gefunden, sie zu fragen! Sie sah ihm tief in die Augen und antwortete: „Ja!“. Sein Herz legte noch ein paar Takte zu, überglücklich nahm er sie in die Arme und küsste sie leidenschaftlich. 

Jetzt erst fiel ihm der Blumenstrauß wieder ein, den er schon die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte. „Für die wunderbarste Frau der Welt“, sagte er dazu und überreichte ihr den Strauß. „Jetzt übertreibst Du aber“, antwortete sie lächelnd. „Ich glaube, an Deiner Bescheidenheit müssen wir wohl auch noch ein bisschen arbeiten …“, weiter kam er nicht, da sie ihn mit einem nicht weniger leidenschaftlichen Kuss unterbrach. Erst auf dem Weg nach Hause erfuhr er, dass sie die Prüfung bestanden und sogar schon einen Job hatte. Er gratulierte ihr herzlich dazu und beide freuten sich auf ihre gemeinsame Zukunft.

Ende

Epilog

Getragen von der Welle der Sympathie und der Diskussion um das Video, nahm auch das eigentliche Anliegen der Organisation Fahrt auf. Die Regierung konnte schließlich die ‚Stimme des Volkes‘ nicht mehr länger ignorieren. Sie erließ als Erstes eine Amnestie für die Mitglieder der Organisation und begann mit ihnen zu verhandeln. 

Dabei zeigte sich, dass die Organisation sehr handfeste und konkrete Pläne hatte, wie eine Abschaffung der Sklaverei zu bewerkstelligen war und wie es danach weitergehen sollte. Die Verhandlungen waren letztlich erfolgreich und die Sklaverei wurde endlich abgeschafft. Die damit verbundenen Problem konnten ebenfalls alle gelöst werden, wo ein Wille ist, ist eben meist auch ein Weg. 

Ein geheimes Nebenprotokoll befasste sich mit dem ‚Programm zur Sicherstellung des Sklavennachwuchses‘, wie es in typischer Beamtensprache genannt wurde. Es wurde vereinbart, die Details nicht zu veröffentlichen, im Gegenzug verpflichte sich die Regierung dazu, für die betroffenen Frauen eine angemessene Lösung zu finden und der Organisation die Kontrolle zu übertragen. 

Die Arbeitslager wurden geschlossen, da sie nicht mehr gebraucht wurden. Ebenso wurde die totale Überwachung Schritt für Schritt abgebaut. Einige der Umerziehungslager blieben bestehen, allerdings mit dem jetzt viel humaneren Zweck, das hier die ehemaligen Sklaven auf ein selbstbestimmtes Leben vorbereitet wurden. 

Es kam auch nur ganz vereinzelt zu Racheaktionen und Übergriffen ehemaliger Sklaven auf ihre einstigen Herren. Diese wurden konsequent mit fairen Prozessen geahndet. Im Großen und Ganzen lief aber alles friedlich und geordnet ab. Entgegen den Unkenrufen einiger Kritiker, passierte genau das Gegenteil, die Gesellschaft zerbrach nicht, sondern blühte im Gegenteil jetzt erst richtig auf.

Für Katya und Mark läuteten kurze Zeit später die Hochzeitsglocken. Es wurde sogar eine Doppelhochzeit, da auch Andre und Bianca, nach dem Ende der Sklaverei und der damit einher gehenden Amnestie, ihre Beziehung jetzt endlich frei leben konnten und ebenfalls beschlossen hatten, den Bund fürs Leben einzugehen. 

Die Organisation ließ es sich nicht nehmen, die Hochzeit der beiden Paare auszurichten und es wurde ein unvergessliches Fest. Eine kleine Überraschung gab es noch, als Kerstin auf der Feier auftauchte, sie war von Bianca eingeladen worden. Sie wollte sich bei Katya entschuldigen, aber diese winkte nur lächelnd ab und sagte: „Schwamm drüber, lass uns die Vergangenheit, Vergangenheit sein lassen und in die Zukunft schauen!“. 

Eine Umarmung besiegelte dann auch diese Versöhnung. Im engsten Kreis gestand Kerstin, dass sie sicher war, wer das Paar aus dem Video war. Sie schaute dabei in Richtung von Mark und Katya. Die Beiden lächelten nur, sagten aber nichts und Kerstin schwor, dass sie das Geheimnis bewahren würde. Damit gehörte sie jetzt auch zum Kreis der ‚Verschwörer‘, wie Sabine augenzwinkernd sagte. 

Auch ein weiterer Herzenswunsch von Mark und Katya ging in Erfüllung, sie bekamen zwei Kinder. Bianca ja sowieso aber auch Andre, Sabine, später auch Yvonne, und sogar Kerstin wurden zu ihren guten Freunden. Die Organisation hielt ihr Versprechen und so erfuhr niemand, von den Nichteingeweihten, jemals die wahre Identität des Paares aus dem Video.

Liebe, Menschlichkeit, Toleranz und Vertrauen, hatten am Ende gegen ein unmenschliches, kaltes System gesiegt und es zu Fall gebracht!

Aber leider nur in meiner Fantasie und nicht hier bei uns, in der realen Welt – Schade!

 

Hallo werte Leserschaft,

ich habe mich entschlossen, meine schon vor einiger Zeit eingestellte Geschichte, noch einmal gründlich
zu überarbeiten und zu ergänzen, da ich mit der ursprünglichen Fassung nicht wirklich zufrieden war. Die
ersten vier Kapitel sind auch bereits fertig, der Rest wird nach und nach folgen.

Sachliche Kritik und Hinweise sind natürlich gern gesehen!
Viel Spaß beim Lesen!

Liebe Grüße
Estartu
Estartu, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.03.2020. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Nicht ohne Leoni von Heiger Ostertag



Ein Tag im Februar des Jahres 2006. Der EDV- Fachmann Klaus Gruschki kann kaum ausdrücken, was er empfindet, als er seine neugeborene Tochter Leoni im Arm hält. Seine Frau Michaela und er sind die glücklichsten Menschen der kleinen, süddeutschen Provinzstadt und voller Vertrauen in die gemeinsame Zukunft. Doch die Beziehung und das Glück zerbrechen. Auf einmal ist Klaus allein und Michaela mit Leoni verschwunden. Erst nach langer Suche und mit großen Mühen gelingt es dem Vater, Mutter und Kind wieder zu finden und den Kontakt zu Leoni neu herzustellen. Dann entzieht ein bürokratischer Akt dem Vater die gemeinsame Sorge fürs Kind. Gruschki weiß sich nicht anders zu helfen, als seinerseits mit der Tochter heimlich unterzutauchen. Nach einer dramatischen Flucht wird er in Österreich verhaftet und Leoni ihm gewaltsam entrissen. Er kommt in Haft und wird als Kindesentführer stigmatisiert. Doch Klaus Gruschki gibt den Kampf um sein Kind und um Michaela nicht auf …

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