Peter Vyskovsky

Schön ist so ein Ringelspiel ....

 

 

 

 

"„.. des is a Hetz und kost‘ net viel, damit auch der kleine Mann, sich eine Reise leisten kann ...“ hat der Wiener Volkssänger Hermann Leopoldi einst gesungen und man denkt sofort an den Wiener Prater mit seinen vielen Fahrgeschäften und dem Riesenrad als Wahrzeichen. Karusselle gab es allerdings auch anderswo in Wien. So ist etwa heute noch der böhmische Prater im Süden Wiens ein von Familien gern besuchter Vergnügungspark.

 

Weniger bekannt ist das Etablissement am Schafberg im Nordwesten Wiens, das nach 1970 in einen einfachen, unscheinbaren Park an der Czartoryskigasse verwandelt wurde, nachdem der Eigentümer das Karussell, das Prunkstück des Ensembles, angeblich ins Ausland verkauft hatte. Eine Tafel erinnert Vorbeigehende noch heute an die Existenz des Karussells und die Familie Rudolf als einstige Gründerin des kleinen Famiientreffs.

 

Zwei stolze Schiffsschaukeln gab es, kleine Tiere zum Sitzen und Hutschen für die Allerkleinsten, eine Getränkebude, ein paar Sitzgelegenheiten zum Plaudern und zeitweise auch ein Kasperltheater, das allerdings nach Beginn der TV-Ära sanft entschlafen ist. Majestätisch in der Anzugskraft und von weithin hörbar, das Prunkstück, das prächtig ausgestattete Gersthofer Ringelspiel. Deswegen wanderten Kinder von fern und nah, aber auch ihre Eltern, gerne auf den Schafberg, um auf halber Höhe zum Gipfel, beim Hin- oder Rückweg, das vielfältige Fahrerlebnis zu genießen.

 

Es präsentierte sich nicht feenhaft, wie die heutigen Nachfahren bei Disney, oder klassisch nach dem Vorbild des 19.Jahrhundert. Man kann sagen, eher rustikal und durch eine grüne Holzwand halb verdeckt, wirkte es auf den ankommenden Besucher, vor allem durch die Musik, die in die mechanische Orgel einprogrammiert war. Die Annen-Polka und andere Tänze, flotte Märsche, Wiener Lieder von Nußdorf bis Grinzing und all die Gesänge über Wildschütze und Jäger, die in diesen Jahren so häufig zu hören waren. Wir Sechs- bis Elfjährigen stellten diese Musikrichtung nicht in Frage, der Lärm war schon richtig, machte munter und Jazz und Rock waren noch nicht in Wien angekommen.

 

 

Erst hutschen, dann im Kreis fahren

 

Die ersten Begegnungen mit dem Ringelspiel fanden natürlich in Begleitung der Eltern statt. Wir bekamen ein Budget für ein paar Hutschendurchgänge und schließlich für 2 Karussellfahrten. Das hieß, man musste genau überlegen, welche Objekte auf der drehenden Plattform man heute besteigen wollte und was man auf nächstes Mal verschieben mußte. Die großen, freundlich dreinblickenden Pferde, auf denen man so schön schaukeln konnten, waren natürlich immer eine Attraktion. Die Schimmeln oder die Rappen heute ? Das knallrote Feuerwehrauto musste man meist mit einem anderen Kind teilen. Mein Freund Gustav war gerne Chef der Straßenbahn nach Gersthof. Der Führerstand hatte eine Kurbel, verlieh Autorität und man konne auf die sportlichen Cabrios runter schauen, die nun doch etwas niedlich und vom Design wenig schnittig ausgefallen waren. Für Mädchen gab es zauberhafte Kutschen mit Zwergen als Butler sowie Hirschen als Begleiter und für die Bodenständigen einen Landwagen, der von einem Schwein gezogen wurde.

 

Die Fahrkarten buchten wir bei der allmächtigen Kassierin. Dann hieß es warten bis die Fahrgäste der letzten Runde ausgestiegen waren und schließlich rasch reagieren, um auch das Lieblingsobjekt zu ergattern. Genußvoll nahmen wir Platz, probierten alle Hebel und Tasten aus und warteten auf das Glockensignal der Kassierin, das Zeichen, dass sich das Traumgefährt in Kürze in Bewegung setzen würde. Drei Minuten sollte die Reise dauern, manchmal ließ die Kassierin zu unserer Freude das Wunderwerk auch etwas länger laufen. Eine Ewigkeit in der Imagination und doch so schnell wieder vorbei. Wie der Wind raste das Feuerwehrauto um die Kurve, galoppierten die Reiter auf ihren Pferden dahin. Träumen oder voraus denken ? Während der letzten Minute empfahl es sich schon, Blickkontakt mit den Nachbarn oder Nachbarinnen zu halten, um noch vor dem Stillstand einen klugen Tauschhandel abzuschließen.

 

Und dann war es vorbei. Entspannt, aber etwas traurig verließ man den Schauplatz, an dem die Schützenliesl im Lied schon wieder zur nächsten Fahrt einlud. Manchmal gabs von den Eltern einen Nachschlag zum Budget. Aber später, als wir allein zum Ringelspiel wandern durften, blieb nur das, was man aus Elternhand bekommen oder selbst erspart hatte. Grausam, wenn die Freunde noch ritten oder kurbelten oder die Polizei-Sirene heulen ließen und einem selbst nur die Zuschauerrolle blieb.

 

Wirtschaftlich würde man sagen, die Schaustellung war zu klein, um überleben zu können. Aber in den Augen eines Achtjährigen war sie großartig und verströmte irgendwie den Duft der fernen Welt und der Berufe und Aufgaben in der Gesellschaft, die uns Heranwachsenden später offen stehen würden. Schön war sie, die Zeit des Schafberger Ringelspiels …..

 

>tw<

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.05.2020. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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