Katja Baumgärtner

Der Maulwurf

 

 

Es war einmal ein Maulwurf. Ein Maulwurf, der sehr böse, ungezogen, aggressiv und traurig war. Niemand konnte ihn leiden. Er arbeitete nicht und hatte nur Ferien. Warum man ihn nicht leiden konnte, wusste aber niemand genau.

Der Maulwurf wurde immer trauriger und ungezogener, immer aggressiver und böser. Sein Haus - eine verwüstete Wohnung, nicht gerade aufgeräumt. Sie stach von den anderen Maulwurfswohnungen ab.

Er wohnte in der Nähe eines Baches, der leise floss und plätscherte, wenn die Frösche darin badeten und die Molche darin schwammen. Die Grillen zirpten hier die schönsten Lieder. Lieder von fremden Ländern.

Am Bach verbrachte der Maulwurf viel Zeit. Die Tiere hier in der Umgebung waren ihm Freund. Komisch war, dass ein Maulwurf Frösche Molche und Grillen zu Freunden hatte, die vor ihm keine Angst hatten. Immerhin solle der Maulwurf böse sein – er könne sie ja tot beißen und ihren Lebensraum mit seinen hässlichen Händen zerstören. Aber nichts dergleichen geschah.

Die Tiere fühlten mit dem Maulwurf. Sie weinten mit ihm, wenn er auf dem Marmorstein am Bach saß.

Auch der Stein fühlte wie die Tiere mit dem Maulwurf und bebte leicht, wenn der Maulwurf auf ihm saß.

Der Maulwurf verstand nicht warum, aber die Tieren krabbelten ihm ganz nah ans Ohr und sangen ihm sehr geheimnisvolle Lieder und flüsterten ihm seltsame Geschichten zu.

Aber immer wenn der Maulwurf von dem Bach zurückkehrte, bekam er die Abneigung seiner Lebensgenossen, zu spüren. War es Hass, Wut, Neid oder Angst? Wer weiß!
Dann starb der Maulwurf. Tränen kullerten ihm von seine abgemagerten Wangen hinunter.

Er lächelte. Seine Lebensgenossen standen an seinem Totenbett und schauten, als der Maulwurf starb. Er war nicht böse, nicht aggressiv, nicht ungezogen noch traurig.

Wahrscheinlich hörte er noch die Grillen, die ganz nah an sein Ohr krabbelten und ihm die schönsten Lieder sangen.

 

Gott hat ihn aufgenommen, glaube ich.

Der Maulwurf hatte zum ersten Mal bekommen, gegeben und genommen, denn die Tränen waren noch feucht und des Maulwurfs Freunde standen da und weinten. Sie hatten die Frösche, Molche und die Grillen geholt.

Man sah wie schön und besonders des Maulwurfs Haus war. Aus seinen Briefen entnahm man, dass er Maler werden wollte.

Er räumte seine Wohnung aber nie auf, und seine Hände waren verkrüppelt und hässlich.

 

Warum nicht früher?

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