Istvan Hidy

Eine heimisch aussehende fremde Seele

Anekdote zur Senkung des Arbeitsdranges gegen die Umweltkrise

Zeus, der Höchste der griechischen Götter, der Herrscher des Olymp und nebenbei ein begnadeter Verwandlungskünstler, genießt als Lebemann sein wohlverdientes Frührentner Dasein, mit einer sehr hoch ausfallenden griechischen Pension, im Himmel. Es ist ihm unlängst zu Ohren gekommen, dass es seinen Griechen bedauernd schlecht auf der Erde erging. Weil die Griechen ihn erfunden hatten, war er verpflichtet ihnen in irgendeiner Art zu helfen. Er hat sich als Zorba der Grieche verkleidet und machte sich auf den Weg, das immer noch wunderbare Griechenland zu besuchen und die Landsleute zum Schaffen zu motivieren. Sein Vorgehen spielte sich folgendermaßen ab:

 

In einem herrlichen Hafen an der griechischen Mittelmehr-Küste, lag ein matrosenartig gekleideter Mann in seinem Fischerboot und döste. Touristen fotografierten ihn, um das idyllische Bild mit blauem Himmel, türkisfarbenem Wasser, friedlich schneeweißen Wellenkämmen, buntes Fischerboot, braungebranntes, bärtig markantes Matrosengesicht und rote Fischermütze festzuhalten.

Der Lärm des Touristengeschwaders weckte den dösenden Fischer der sich schläfrig aufrichtete und halbwach nach seiner Zigarettenschachtel tastete. Bevor er jedoch das Gesuchte gefunden, hat ihm der gut motivierte, eifrige Zeus schon eine Schachtel vor die Nase gehalten, ihm die Zigarette in die Hand gelegt und mit einem Klick des Feuerzeuges, die eilfertige Höflichkeit abgeschlossen.

Durch Jenes kaum messbare, nie nachweisbare Zuviel an flink göttlicher Höflichkeit, ist eine gereizte Verlegenheit entstanden. Der Altgriechisch mächtige Zeus als Zorba, versuchte ein Gespräch mit Neugriechisch zu überbrücken.

"Sie werden heute einen guten Fang machen."

Kopfschütteln des Fischers.

"Aber man hat mir gesagt, dass das Wetter günstig ist."

Kopfnicken des Fischers.

"Sie werden also nicht ausfahren?"

Kopfschütteln des Fischers, steigende Unverständnis des Zeus als Zorba gekleideten Gottheit, dem Gewiss das Wohl der ärmlich gekleideten Menschen am Herzen liegt.

"Oh, Sie fühlen sich nicht wohl?"

Endlich geht der Fischer von der Zeichensprache zum gesprochenen Wort über.

"Ich fühle mich großartig", sagte er. "Ich habe mich nie besser gefühlt."

Er steht auf, reckt sich als wollte er demonstrieren wie stramm und kräftig er gebaut ist.

"Ich fühle mich phantastisch."

Der Gesichtsausdruck des Zeus als Zorba wird immer unglücklicher. Er kann die Frage nicht mehr unterdrücken, die ihm sozusagen das Herz zu sprengen droht.

"Aber warum fahren Sie dann nicht aus?"

Die Antwort kommt prompt und knapp.

"Weil ich heute Morgen schon ausgefahren war."

"War der Fang gut?"

"Er war so gut, dass ich nicht noch einmal ausfahren brauche. Ich hatte sechs Hummer in meinen Körben und knapp zwei Dutzend Makrelen..."

Der Fischer, endlich erwacht, taut jetzt auf und klopft der verkleideten Gottheit beruhigend auf die Schulter. Dessen besorgter Gesichtsausdruck erscheint ihm als ein Ausdruck unangebrachter, doch rührender Kümmernis.

"Ich habe sogar für morgen und übermorgen genug" sagte er, um die heimisch aussehenden fremde Seele zu erleichtern.

"Rauchen Sie eine von meinen?"

"Ja, danke."

Zigaretten werden in Münder gesteckt. Zeus als Zorba setzte sich kopfschüttelnd auf den Bootsrand und versucht jetzt mit beiden Händen seiner Rede Nachdruck zu verleihen.

"Ich will mich ja nicht in Ihre persönlichen Angelegenheiten mischen", sagte er, "aber stellen sie sich mal vor, sie fahren heute ein Zweites, ein Drittes, vielleicht sogar ein viertes Mal aus und sie würden drei, vier, fünf, vielleicht gar zehn Dutzend Makrelen fangen,... stellen sie sich das mal vor."

Der Fischer nickt.

"Sie würden", fährt Zeus als Zorba fort, "nicht nur heute, sondern morgen, übermorgen, ja, an jedem günstigen Tag zwei-, dreimal, vielleicht viermal ausfahren. Wissen sie, was geschehen würde?"

Der Fischer schüttelte den Kopf.

"Sie würden sich spätestens in einem Jahr einen Motor kaufen können, in zwei Jahren ein zweites Boot, in drei oder vier Jahren könnten sie vielleicht einen kleinen Kutter haben. Mit zwei Booten oder dem Kutter würden sie natürlich viel mehr fangen. Eines Tages würden sie zwei Kutter haben, sie würden ...". Die Begeisterung verschlägt ihm für ein paar Augenblicke die Stimme. "Sie würden ein kleines Kühlhaus bauen, vielleicht eine Räucherei, später eine Fabrik besitzen. Sie könnten mit einem eigenen Hubschrauber Fischschwärme ausmachen und ihren Kuttern per Funk Anweisungen geben. Sie könnten die Lachsrechte erwerben, ein Fischrestaurant eröffnen, den Hummer ohne Zwischenhändler direkt nach Paris exportieren - und dann ...", wieder verschlägt die Begeisterung dem Zeus als Zorba die Sprache.

Kopfschüttelnd, im tiefsten Herzen betrübt, sein Erdbesuch schon fast verlustig blickt er auf die friedlich hereinrollende Flut, in der die ungefangenen Fischschwärme sich sichtbar präsentieren um gefangen zu werden.

"Und dann", sagte er, aber wieder verschlägt ihm die Erregung die Sprache. Der Fischer klopft ihm auf den Rücken wie einem Kind das sich verschluckt hat.

"Was dann?" fragte der Fischer leise.

"Dann", sagte Zeus als Zorba mit stiller Begeisterung, "dann könnten sie beruhigt hier im Hafen sitzen, in der Sonne dösen und auf das herrliche Meer blicken."

"Aber das tue ich ja schon jetzt", sagte der Fischer. "Ich sitze beruhigt am Hafen und döse, nur noch die Touristen und dein Geschwätz hat mich dabei gestört."

Die pensionierte Gottheit zog nachdenklich von dannen. Sein heutiger Vorgesetzter glaubte einmal mehr, dass wie früher nur sechs Tage arbeiten ausreichen würden und fertig ist die Erde. Als er mit diesem zermürbenden Gedanken die Erde verließ, blieb keine Spur von Mitleid bei dem ärmlich gekleideten Fischer in ihm zurück, nur ein wenig Neid und großer Respekt.

 

Neuerzählt von Istvan Hidy (2010)

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.06.2020. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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