Qayid Aljaysh Juyub

Story XXIV: Der ‚Kirchenfürscht‘

„…Darum öffnet eure Herzen und Brieftaschen, damit es euch wohlergehe im himmlischen Königreich! ...“
Wohlgefällig lauschte Bischof Cupiditas van Nursia an diesem Frühlingsmorgen im Jahre des Herrn 2016 den frommen Worten des Prälaten Tetzelsohn. Auch die theatralischen Gesten des predigenden Geldbörsenöffners gefielen dem Kirchenfürsten ungemein. Seitdem die Videoüberwachung in den Gotteshäusern seiner Diözese aus ‚Sicherheitsgründen‘ eingeführt wurde, ergötzte sich der prunkliebende Gottesdiener gerne live an den Predigten seiner Priesterschaft. Dabei saß er gewöhnlich ganz bescheiden auf seiner ‚Cathedra Petri‘ ähnlichen Thronnachbildung und schlürfte genüsslich dazu seine ‚Bloody Mary‘. Irgendwie erinnerte der Drink den episkopalen Voyeur an das Blut Christi und enthielt natürlich nur die edelsten Indigrenzien.
„Hochwürdigster Herr?“
Mit leicht unwilligem Erschrecken betrachtete der Oberhirte seinen getreuen Assistenten, der in gewohnter, leisetreterischer Manier sich beinahe lautlos in den prächtig ausgestatteten Saal begeben hatte.
„Monsignore Knechter, wie oft muss ich Dir noch sagen, dass Du Dich gefälligst bemerkbar machen sollst, wenn Du mein Büro betrittst. Ich hätte jetzt beinahe mein Getränk verschüttet!“
„Exzellenz mögen mir verzeihen, dass ich Eure asketische Meditation so unsanft unterbreche, aber Pater Braun wartet nun seit 2 Stunden im Carcer Mamertinus auf seine Audienz und ich sollte Euch doch benachrichtigen, wenn die Stunden der reumütigen Einkehr verstrichen seien.“
Ratlos blickte das leicht alkoholentrückte Meditationswunder seinen servil grinsenden Assistenten an.
„Braun? Ach, hat der schon wieder kriminalisiert? Aber Knechter dafür hätten wir den armen Kerl doch nicht in dem kalten, stinkenden Keller sperren brauchen. Da musst Du wohl etwas missverstanden haben!“
Der gerügte Gottesknecht lächelte noch eine Spur schleimiger.
„Der hochwürdigste Herr möge mir verzeihen. Aber das ist nicht der Braun, sondern der Andere mit den Flüchtlingen.“
„WAS, der Tempelschänder! Schade, dass man solche Ketzer heutzutage nicht mehr anketten und auspeitschen darf. Führe Er, mein wackerer Knechter, mir den verstockten Sünder vor!“
„Sehr wohl, hochwürdigster Herr. Ich werde geschwind der Security mitteilen, dass sie den Häretiker bringen möge!“
„Sage den Bütteln, mein getreuer Diener in Christo, sie sollen den Frevler in Bande geschlagen zur Inquisition vorführen und nicht allzu sanft mit ihm umgehen!“
„Also Handschellen und Maulschellen. Ihr Wunsch sei mir Befehl, Meister!“
Der ‘Maître d'église’ lächelte huldvoll und entließ den niederen Klerus mit einer wegwerfenden Geste.
Während der gestrenge Kirchenfürst seinen blutroten Drink zwecks Einstimmung mit einem Zug leerte und die Live-Show beendete, wieselte der Knechtling geschmeidig in sein bischöfliches Vorzimmerbüro, das ungefähr die Dimensionen des beschränkten Kinderzimmers des wohl berühmtesten, jugendlichen Hogwarts-Zögling aller Zeiten oder eines sauteuren Wohnklos in bajuwarischen Gefilden besaß.
Einige Zeit später erschienen denn auch der knechtische Monsignore nebst zwei stämmigen Trollen in einer Gewandung, die der eidgenössisch-päpstlichen Garde ähnelte, aber doch unendlich prachtvoller war. Inmitten der beiden grobschlächtigen und muskelbepackten Sicherheitsdienstmitarbeiter befand sich eine etwas lädierte Gestalt im priesterlichen Rock, deren geschwollene Augenlieder in allerlei lustige Veilchenfarben erstrahlten.
„So kehrt der verdorbene Sohn zum strafenden Vater zurück! Verdammt Knechter, was ist denn das?“
Entsetzt fiel des Oberhirten Blick auf die mit rosa Plüsch bedeckten Handfesseln, innerlich seinen schlampigen Umgang mit Sexspielzeugen verfluchend, die er offensichtlich beim letzten Event im Mamertinischen Kerker vergessen hatte.
„Hochwürdigster Herr, leider besitzen unsere Gardisten nur Kabelbinder und diese schicken Handschellen haben wir neben zahlreichen, phallusartigen Folterinstrumenten gefunden.“
Dem frommen Bischof ging allmählich auf, wo seine extragroße und sehnsüchtig vermisste Dildo-Sammlung abgeblieben war.
„Monsignore Knechter, ich habe mehr von Dir erwartet. Du hättest mich hinsichtlich dieser gotteslästerlichen Instrumente informieren müssen! Egal, lasse das Ganze sogleich in meine privaten Gemächer zur näheren Inspektion bringen und rufe mir die Wiener Sängerknaben! Aber nun zu unserem kleinen Ketzer!“
Tadelnd schüttelte der phallokratische Gottesmann sein episkopales Haupt, lächelte dann aber dennoch angesichts einer päderastischen Phantasie, die seinen heiligen Geist erleuchtete und südlichere Teile seines Prachtornats gewaltig ausbeulten.
„Knechter, trage nun die Anklage vor, damit das Autodafé beginnen möge!“
Der Knechtling vollbrachte eine tiefe Verbeugung vor seinem Herrn, die fast in einer Art seltsamen Kotau endete. Das Gleichgewicht mühevoll haltend, richtete sich der Monsignore mit einem Lächeln schleimiger Servilität auf.
„Pater Braun, Ihnen wird zur Last gelegt, mehrere Monate einer sogenannten ‚Flüchtlingsfamilie‘ Obdach im Pfarrhaus gewährt und sogar unsere schöne ‚St. Judas-Kirche‘ für deren Rituale zur Verfügung gestellt zu haben. Aus diesem Grunde …“
„Übergeben wir Dich dem reinigenden Feuer!“
Gedankenverloren in einer anderen, eher historischen Phantasie, in der selbstbewusste Frauen und die sadistischen Triebe des frommen Oberhirten eine diverse Rolle spielten, sprach van Nursia jene Worte vieler seiner unwürdigen Vorgänger unbewusst aus.
Der knechtische Ankläger wiederum schwieg ob der Unterbrechung gewohnt ehrfürchtig, blickte aber seinen Herrn ein wenig ratlos an, nachdem sich der Sinn jener urchristlichen Worte erschloss.
„Sanctissimum dominum mögen mir verzeihen, aber wir haben leider schon im 18. Jahrhundert die letzten Renegaten verbrannt. Wenn der hochwürdigste Herr es wünscht, so kann ich geschwind die ‚Mutti‘ anrufen, ob man nicht eine klitzekleine Ausnahme machen kann, denn leicht wird aus ‚illegal‘ ‚legal‘ und aus ‚legal‘ ‚scheißegal‘, wenn es die Obrigkeit so will!“
Der aus seinen kirchenphilosophischen Gedankengängen gerissene Bischof schüttelte bedauernd sein massiges Haupt.
„Sie würde uns schon mit Sicherheit diesen Gefallen tun, aber bei diesem kleinen Licht, lohnt sich der Aufwand nicht.“
Ob des gelungenen Verses blickte der klerikale Dichterfürst triumphierend in die illustre Runde.
„Bravo, bravo! Exzellenz sind doch ein wahrer Poet!“
Mit allerlei verborgenen Gesten bemühte sich der Knechtling den bischöflichen Leibgardisten zu bedeuten, dass sie die lyrischen Talente ihres Gebieters ebenfalls zu huldigen hätten. Dummerweise jedoch waren die kognitiven Fähigkeiten der beiden Schweizer-Garde-Billigkopien nicht so ausgeprägt wie ihre recht beeindruckende Muskulatur und so verharrten die Humanoiden in stumpfsinnigem Schweigen.
„Ist ja gut Knechter! Saget ihr Schergen, habet ihr denn dem Frevler peinlich den Weg gewiesen?“
„Wat?“
Der größere der beiden Sicherheitsleute -offensichtlich der Obertroll- kratzte sich recht ratlos das Gesäß.
„Seine Exzellenz meint, ob der Angeklagte Widerstand geleistet hat und die Herren Gardisten deshalb Gewalt anwenden mussten?“
Noch immer leicht verwirrt betrachtete das Sicherheitsmonster den episkopalen Fußabtreter.
„Wat für Herren? Nö, dat Kerl hat sich nich wehren tun, aber wie ham ihm wat auf die Fresse gehauen fürn Jesus und weil er tat reden, wie Exlenz wollen. Exlenz können jetze zufrieden sein!“
„Der Gefangene hat Sie doch offensichtlich angegriffen!“
„Nö…“
„Silentium! Untergefreiter Rottenknecht schweigen Sie jetzt und beantworten Sie bitte alle weiteren Fragen mit ‚Ja‘!“
Leicht gereizt betrachtete der sonst stets höfliche Monsignore seinen einseitig muskelbegabten Oger.
„Knechter, können wir uns jetzt bitte wieder auf den Häretiker und seine Bestrafung konzentrieren! Also, lass jetzt gefälligst Deinen Talar wackeln!“
Trotz seines schlägebedingten Schweigegelübdes fühlte sich Delinquent doch bemüßigt, dasselbige zu brechen.
„Mir wird hier bitter Unrecht getan! Ich …“
Entsetzt betrachtete Knechter den aufmüpfigen Pater Braun und bekreuzigte sich schaudernd. Der schlagfertige Untergefreite wiederum erhob langsam seine Pranken -Troll Nr. 2 blieb eher unbeteiligt, da er seinem Vorgesetzten eindeutig an Intelligenz unterlegen war- zu einem gewaltigen Hieb, der aber nicht zur Ausführung kam, weil Nursia mit einer selbst für Oger wohlbekannten Geste der Züchtigung Einhalt gebot.
„Halt! Wollen wir uns doch einmal anhören, wie sich der Ketzer gedenkt herauszuwinden! Also, Du Schelm, erfreue uns mit Deinem Gewinsel!“
„Was hier vorgeht, verstößt gegen kanonisches Recht. Außerdem, seit wann ist es ein Verbrechen, Glaubensgenossen Asyl vor Verfolgung zu gewähren?“
„Sakrileg! Untergefreiter, bringe diesen blasphemischen Ketzer zum Schweigen!“
Der heilige Zorn hatte den Knechtling Gottes förmlich überfallen, sodass dieser seine ansonsten seine duckmäuserische Contenance vergaß und mit überschlagender Stimme in heilige Hysterie verfiel. Wiederum erhob die Zierde der Schweizer Pseudo-Garde seine unförmige Klaue und nur die angeborene Trägheit des Obertrolls verhinderte die angeordnete Züchtigung, bevor die klerikale Exzellenz eingreifen konnte.
„Halte ein, mein getreuer Scherge! Wer wann gegeißelt wird, das bestimme immer noch ich. Ich möchte wissen, was der Unhold noch zu berichten hat! Danach mag er seine harte, aber ungerechte Strafe erhalten mit der flammenden Faust des Erzengels Gabriel. Also Du blutiger Amalekiter, sage weiter Dein Sprüchlein auf!“
„Bei der sogenannten Flüchtlingsfamilie handelt es sich um nestorianische Christen, die in ihrer Heimat, dem Irak, grausam verfolgt werden. Die hat man Dank unendlicher, bürokratischer Weisheit in einem Flüchtlingsheim mit einigen überzeugten Islamisten zusammengesperrt, die die ‚Ungläubigen‘ mit Enthauptungsvideos via ‚You Tube‘ beglückten, um sie zum wahren Glauben zu bekehren. Weil die Situation allmählich lebensbedrohlich wurde, flohen sie in mein Gotteshaus, um Schutz und Obdach zu finden. Aus christlicher Nächstenliebe, wie es geboten ist, habe ich sie aufgenommen. Bei den ‚Ritualen‘ handelt es sich übrigens um christliche Gottesdienste!“
„Elender, Du machst es nur noch schlimmer! Ein Priester in meiner Diözese sollte eigentlich wissen, dass ein Ketzer schlimmer ist als tausend Heiden und ein häretischer Gottesdienst ist weitaus übler als blasphemische, heidnische Rituale oder finstere, schwarze Messen. Bevor wir Dich jetzt richten werden, darfst Du nun vergeblich um Gnade flehen.“
Der heilige Geist in Form einer fast kreuzzüglerischen Rage überkam nun auch den inquisitorischen Bischof, bei dem sich nun ein gewaltiger, episkopaler Ständer emporhob in Erwartung der fälligen Bestrafung.
„Vielleicht interessiert es den Herrn Bischof, dass in der heutigen bebilderten Zeitung ein ausführlicher Bericht über die gute Tat steht?“
Die Säule des Nursia fiel in ihren kläglichen Ausgangszustand zurück ob der spielverderberisch unerwarteten Nachricht. Nach einigen Minuten des entsetzten Schweigens überkam den großmächtigen Gottesmann ein heiliger Zorn auf den geringgeschätzten Knechtling.
„KNECHTER, stimmt das? Wenn ja, dann gnade Dir Gott!“
Wie der Teufel bekanntlich das Weihwasser nicht liebte, so wenig hielt auch der fromme Bischof von schlechter Publicity.
„Sanctissimum dominum, das ist mir unbekannt! Exzellenz haben mir doch aufgetragen, nicht auf die Schmierblätter des Pöbels… ähm, ich meine natürlich die Zeitungen der einfachen Gläubigen zu achten.“
„Jetzt versuch Dich nicht herauszureden, Knechter! Was interessiert mich der Quatsch, den ich gestern hinsichtlich meiner Schäfchenköpfe verkündete. Ich erwarte von Dir, dass Du auf dem Laufenden bist. Jetzt ab mit Dir und wenn du in fünf Minuten nicht zurück bist, kannst Du die nächsten drei Tage im Mamertinischen Kerker zubringen.“
Während der von bischöflicher Ungnade bedrohte Monsignore seiner Natur gemäß mit der Flinkheit eines Wiesels aus dem Prunksaal entwich, wandte sich der noch leicht um seine Fassung ringende Kirchenfürst dem ungewöhnlichen Dreigestirn zu.
„Vielleicht sollte ich doch Gnade vor Recht ergehen lassen? Schließlich ließ sich unser Herr auch dazu herab, den elendesten Sündern zu vergeben. Du lügst mich doch nicht an, Braun? Denn sonst wird Dich das himmlische Gericht in Form der eisernen Faust meiner Orks heimsuchen!“
„Mein Glaube verbietet es mir zu lügen, Herr Bischof.“
Prüfend sah das episkopale Fanal der Nächstenliebe den renitenten Priester an.
‚Höret meine Häscher, befreit den reuigen Sünder von seinen Banden, aber verwahret ihn wohl!“
„Wat, Ihro Exlenz?“
Ratlos schüttelte der Untergefreite sein klobiges Haupt, das trotz seiner Größe offensichtlich die Hirnmasse eines nicht zu intelligenten Dinosauriers enthielt.
„Handschellen abnehmen und aufpassen, dass der nicht abhaut!“
„Jetze versteh ich!"
Entschlossen ergriff der trollartige Rottenknecht die Handfesseln und bemühte sich vergeblich, diese mit seinen immensen Körperkräften aufzubrechen, wobei er dem Gefesselten allerdings einige Prellungen verpasste, die diesen unterdrückt aufstöhnen ließen.
„Exlenz, dat geht nicht! Tat ja auch kein Schlüssel da sein. Aristoteles, mach Du mal.“
Oger Nr. 2 machte sich nun noch ungeschickter ans Werk, um orchestriert von den unterdrückten Schmerzensschreien Pater Brauns ebenfalls kläglich zu scheitern.
Derweil beobachtete van Nursia entnervt die Bemühungen der Entfesselungskünstler und rang sich zu einer gewagten Entscheidung durch, die aber angesichts der besonderen intellektuellen Fähigkeiten seiner Gardisten kein allzu großes Risiko barg.
„Genug! Dank der Gnade Gottes habe ich hier einen gesegneten Generalschüssel, der alle Bande lösen wird.“
Zielgenau warf der episkopale Oberhirte dem kommandierenden Troll die wohlbekannten Handfesselschlüssel zu, die jedoch mangels mentaler Einsicht des Rottenknechts klirrend zu Boden fielen.
„Wat?“
„Mein Gott, lass es Hirn regnen! Öffne die Handschellen mit dem Schlüssel!“
„Euer Exlenz sollte besser für Bier beten. Aber jetze schließ ich auf.“
Angesichts seiner Körpermasse ungeschickt mit dem Gleichgewicht ringend, hob der Untergefreite den phallusartigen Schlüssel auf und versuchte wiederum sein Glück.
„Das darf doch nicht wahr sein, der Kerl ist zu blöd, um ein einfaches Schloss zu öffnen. Stopp, gib den Schlüssel Pater Braun! Braun, befreien Sie sich selber!“
Mit einem ebenso verständigen wie angeekelten Gesichtsausdruck entledigte der Priester sich schnell seiner Fesseln.
„Braun, ich darf Sie daran erinnern, dass Sie der Schweigepflicht unterliegen.“
„Ja Bischof. Es macht zwar nicht viel Sinn, Ihre Vorgesetzten zu informieren, aber wenn man mich meine Arbeit machen lässt, konzentriere ich mich nur darauf!“
„Ich sehe Braun, Sie bemühen sich, in christlicher Demut den Pfad der Sünde zu verlassen.“
Der reuige Sünder schwieg verkniffen, während förmlich aus dem Nichts der Knechtling auftauchte, die bebilderte Zeitung wie ein Banner haltend. Mit Ausnahme der funktional leseunkundigen Gardisten konnten die Anwesenden auf der Titelseite eine fettgedruckte Schlagzeile erkennen:
‚Kirche gewährt Flüchtlingen Asyl‘
„Kruzifix, da wird doch der Heiland am Kreuz verrückt. Verflucht Knechter, was haben denn diese Schmierfinken so abgesondert?“
Eine fast heilige Panik ergriff den pressefürchtigen Bischof.
„Hochwürdigster Herr, im Ganzen gesehen, wird die heilige Mutter Kirche sehr positiv beurteilt. Natürlich entspricht der Artikel nicht ganz den Ausführungen des Ketzers, da man wohl aus politischen Gründen die Sache mit den Salafisten verschweigt und die in Neonazis umwandelt, aber wir werden sehr für unsere politisch korrekte Haltung und Nächstenliebe gelobt. Ich fürchte, Exzellenz, unser Häretiker ist momentan für den Mob ein Held.“
Hasserfüllt, wie wohl einst Kaiphas den christlichen Messias, betrachtete Nursia den Überbringer der unangenehmen Nachricht, wohl bedauernd, dass man in modernen Zeiten den Boten nicht einfach enthaupten lassen durfte.
„Ich habe Dich gewarnt, Du falscher Prophet! Schergen, greift mir den Unheilsverkünder und kasteit ihn mit 1000 Geißelhieben, dann werfet ihn in den Kerker!“
„Wat? Sollen wir dat Braun wieder eins in die Fresse hauen fürn Jesus?“
Wiederum sah der obertrollige Untergefreite den rasenden Kirchenfürsten ratlos an.
Bevor jedoch der Oberhirte in seinem göttlichen Zorn zu reagieren vermochte, schaltete sich der seltsam lächelnde Monsignore ein.
„Eure Exzellenz, bevor ich mich freudig kasteien lassen werde, möchte ich noch an die dringenden Aufgaben erinnern, die im Anschluss an das misslungene Autodafé zu besprechen sind. Besonders hinsichtlich unser Vermittlungsrolle beim Verkauf von Friedenswaffen an die ‚Islamische Republik‘ benötige ich schon einen klaren Kopf. Nicht auszudenken, oh hochwürdigster Herr, wenn mir bei der nächsten Pressekonferenz das eine oder andere Detail entschlüpfen möge. Exzellenz sollten bedenken, dass ich nach einer körperlichen Züchtigung immer so unkonzentriert bin.“
Während der episkopale Gottesmann auf seinem Prachtthron seinen vermeintlichen Lakaien völlig konsterniert ansah, verlor Pater Braun doch leicht die Selbstbeherrschung und lachte bitter auf.
„Die Nächstenliebe gebietet mir, über leichte Verfehlungen hinwegzusehen. Also gut, Knechter, für dieses Mal sollst Du verschont werden, aber weiteres Versagen werde ich nicht dulden. Bedenke die Verbindungen der heiligen Mutter Kirche und die strafende Hand Gottes bezüglich seltsamer Todesfälle.“
Während das Fanal der Nächstenliebe maliziös lächelte, verbeugte sich der Knechtling tief mit merkwürdig zufriedener Miene.
„Nun zu Dir, mein lieber Pater Braun, Du solltest mir die kleinen Unannehmlichkeiten verzeihen, die man Dir ohne mein Wissen zufügte. Bedenke, dass unser Heiland viel mehr litt, als er zum Wohle der Kirche am Kreuze starb. Schlechte Berater legten falsch Zeugnis ab, deshalb sollst Du voll rehabilitiert werden und wieder so segensreich in der Öffentlichkeit wirken. Wie ich schon sagte, solltest auch Du bedenken, dass der Zorn Gottes jene trifft, die das heilige Schweigen brechen. Ich denke, mein teurer Braun, das hast Du begriffen?“
Mit verächtlicher Miene betrachtete der ‚Ex-Ketzer‘ seinen Vorgesetzten.
„Ich verstehe vollkommen.“
„So soll es gut sein. Büttel, salbet den Braun, gebet ihm eine neue Soutane und geleitet ihn zu seiner Gemeinde!“
„Wat?“
„Ihr Kretins sollt Braun waschen, neue Kleidung geben und ihn in seine Kirche bringen!“
„Jau, Exlenz. Sollen wir ihn noch wat vonner Faust Gottes inne Schnauze hauen?“
„Mein Gott, Krethi und Plethi. Nein, ihr behandelt den lieben Pater Braun höflich und wenn der auf die Idee kommt, dass ihr ihm den Hintern putzt, dann macht ihr das! Abtreten!“
„Jawoll, Exlenz!“
Nachdem die verständigen Trolle in preußischer Tradition lautstark die Haxen zusammenschlugen, verließ das Dreigestirn den Schauplatz des Geschehens, sodass van Nursia und Knechter in trauter Zweisamkeit zurückblieben.
„Mein Gott! Knechter, wo hast Du nur diese Idioten her? Aber Du bist doch gerissener, als ich in all den Jahren vermutete. Aber sei vorsichtig: Wer zu hoch fliegen will, den verbrennt die bischöfliche Sonne!“
Wiederum lächelte der Monsignore eigentümlich.
„Knechter, sorge dafür, dass Braun, wenn Gras über die Sache gewachsen ist, zum Missionieren in den Sudan geschickt wird. Der dürfte da kein halbes Jahr überleben und wir sind diesen lästigen Menschen los. Sicherheitshalber kannst Du den dortigen Autoritäten mitteilen, dass sie ihn mit unserem Segen wie einen einheimischen Christen behandeln dürfen! Weißt Du Knechter, eigentlich beneide ich solche Leute wie diesen Braun. Die mit ihrer verdammten Integrität und Anständigkeit; meinetwegen sollen die alle verrecken!“
„Invidia, ausgezeichnet!“
Freudestrahlend betrachtete der Monsignore seinen vermeintlichen Herrn.
„Wie bitte? Knechter, hast Du schon wieder zu viel Messwein getrunken?“
„Neid, damit hast Du die sieben Todsünden voll. Dein Pakt ist damit abgelaufen!“
„Verflucht Knechter, Du sollst doch nicht mehr Heroin spritzen!“
Der aus den falschen Gründen besorgte Oberhirte betrachtete seinen Gegenüber fast mitleidig.
„Ich fürchte, den Knechtling habe ich vor kurzer Zeit geholt und seine Gestalt angenommen. Wenn ich mich vorstellen darf: Mein Name ist Lucicale, Scharfrichter und Seelensammler Satans. Um weiteres Gejammere, das ich ansonsten sehr liebe, abzukürzen, will ich Dir eine Frage beantworten, bevor Du zur Hölle fährst - verdammter Termindruck, ich muss noch einige Volksvertreter holen!“
Da Knechter wohl offensichtlich völlig den Verstand verloren hatte, beschloss der wenig mutige van Nursia gute Miene zum irren Spiel zu machen.
„Dummerweise habe ich keinen Pakt geschlossen, wie willst Du mich dann holen?“
Lucicale schüttelte enttäuscht den knechtischen Kopf.
„Von Dir hätte ich mehr erwartet! Sobald Du die erste Todsünde begingst, hast Du einen Pakt mit uns geschlossen. Ob Du das nun weißt oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Aber genug getrödelt, Du kommst jetzt mit! Schließlich gibt es noch genug zu tun!“
Als Lucicale seine Dämonengestalt annahm, begriff Nursia endlich, bevor er in den ewigen Abgründen verschwand, wohin seinesgleichen auch schließlich gehört.

© 2020 H.K.H. Jeub

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