Patrick Rabe

Eine Reflexion über "Use your Illusion 2" von Guns'n Roses

Eine Reflexion über die Wirkungsgeschichte des Guns `N Roses-Albums „Use your Illusion 2“,
private und globale Veränderungen, und die Notwendigkeit des künstlerischen Klartextes

 

Immer wieder wird behauptet, irgendein Jahr, in dem so und so viele wichtige Alben im Rock oder Pop erschienen sind, hätte „die ganze Musikgeschichte verändert“. Jeder hat da so sein eigenes Datum, denke ich manchmal. 1991 war so ein Jahr. Da kamen unter anderem "Achtung Baby" von U2 und die "Schwarze" von Metallica heraus. Beides Alben, die den Sound der damaligen Bands, und die Themen, über die sie sangen, neu definierten. Ich hingegen habe mich erst 1992 grundlegend verändert. Und alle diese Mega-Alben erst ein paar Jahre später zur Kenntnis genommen. Habe ich damit etwa das "magische Datum" verpasst? Nee, ich seh's so. Ich kam einfach erst mit 16 so richtig ordnungsgemäß in die Pubertät und hatte erst die Muße und die Ruhe, MICH zu verändern, nachdem die unerträglich lauten Geräusche und donnenrnden Bühnenshows dieser beiden Alben verklungen waren. Ich entdeckte sie (im Sinne von unverzichtbar finden) erst relativ spät, so mit 21.

Auf ein anderes, sehr erfolgreiches Album von 1991 stieß ich indes sofort dieses eine Jahr später: "Use your Illusion 2" von Guns 'n Roses. Wie ich ja des Öfteren schon geschrieben habe, komme ich aus einem pietistischen Umfeld (bzw. pietistisch geprägte, evangelische Landeskirche) und für mich war klar: Das ist Heavy Metal, klingt wie AC/DC, das hör ich nicht. Fand die Platte aber sehr schnell dann doch gut. Nur der Wahnsinns-Hype, den alle darum machten, verstand ich nicht. Mir war es irgendwann völlig ersichtlich. Die anderen hatten sich die Platte gekauft und hörten dann trotzdem immer nur die Hitsingle "Knockin' on heaven's door", und redeten die ganze Zeit davon, dass sie es toll fanden, dass Axl Rose Konzerte nach dem ersten Lied abbrach und Journalisten verkloppte.

Wie auch immer: Schneller als Schmidts Katze und Müllers Esel hatte ich mir eine Liveplatte von Gun's n Roses UND eine von Bob Dylan besorgt (damals wurde ich sein und ihr Fan, wegen "Knockin' on heaven's door", ich muss es ja zugeben...) Nur, meine Begeisterung für Guns 'N Roses hat nie aufgehört, im Gegensatz zu vielen, die sie sehr bald abschrieben, und dann Westbam und Blümchen hörten. Und ich fand sie immer noch gut (wegen ihrer substanzhaltigen Musik und Texte), als alle, die auf der "Welle" mitgeschwommen waren, schon längst wieder sagten, wie peinlich es ihnen sei, JEMALS Guns 'N Roses gehört zu haben.

Wenn ich die zweite "Use your Illusion" die mit der "Use your Illusion1" eine Art Konzeptdoppelalbum bildet, heute höre, finde ich sie geradezu prophetisch. Alleine nur dieser Einstieg mit einem Sample aus einem Filmzitat („What we've got here, is failiure to communicate. Some men you just can't reach!"). Dieses Zitat leitet "Civil war" ein. Ein Lied, das zwar "Bürgerkrieg" heißt, aber nicht vom amerikanischen Bürgerkrieg der Südstaaten gegen die Nordstaaten (Sezessionskrieg) handelt, sondern wirklich von den "bürgerlichen Kriegen", den alltäglichen Kleinkriegen und Zerwürfnissen, die aber dann in die großen Kriege münden. Das Lied ist als Antikriegslied ebenso relevant wie "Masters of war" von Bob Dylan. Nur, dass der eine Generation jüngere Axl erschreckt zur Kenntnis nahm, dass die "Täter" nicht nur die Kriegstreiber hinter den Schreibtischen waren und sind, vor denen Bob Dylan in seinem Lied noch in wütender Ohnmacht steht und ihnen entgegenschleudert "Wie Judas aus der Bibel lügt und betrügt ihr. Einen Weltkrieg könnte man gewinnen...Ihr schaut euch das ja gar nicht vor Ort an!" , sondern, er erkennt, dass der Krieg in uns allen wohnt, und dass es vor allem die Banalität der kleinen Gemeinheiten ist, die in die großen Auseinandersetzungen führt. Vielleicht jedoch noch nicht mal das. "Was wir hier vorliegen haben, ist ein Versagen der Kommunikation. An manche Menschen kommt man einfach nicht ran!" Die "Use your Illusion"-Alben würde ich heute als musikalische Bibel und prophetisches Buch der Prä-9/11-Generation begreifen. Sie sind fundamental, epochal und wegweisend.

Axl und die Band wurden danach sehr für diese "große Geste" geschmäht und mussten sich anhören: "Warum macht ihr nicht einfach wieder hedonistischen Rock wie auf "Appetite for destruction". Wir wollen zu eurer Musik tanzen und nicht Depressionen davon kriegen."

Einen echten Künstler zeichnet aus, dass er es sich nicht einfach macht. Es vergingen 20 Jahre, bis Axl - dann mit einer komplett neuen Bandbesetzung, "Chinese Democracy" auf den Markt brachte, obwohl er es von den Songs her und konzeptuell schon kurz nach "Use your Illusion" fertig hatte. Und noch mal fast 10 Jahre, bis die Band in Originalbesetzung in Coachella ein strahlendes Comeback feierte. Zwischendrin sah es um die Karriere von Guns'n Roses düster aus. Als diese Konzertserie in Coachella begann, waren Gun's n Roses politisch rehabilitiert, in dem Sinne, dass ihre Thesen zu der Zeit alle "normalen" Menschen teilten. Sie spielten dort in einem Line-Up mit ganz Altvorderen wie Bob Dylan, Neil Young, Roger Waters, Paul McCartney und anderen. Mittlerweile hat sich der Wind dort ja schon wieder gedreht. Schweres Brot für Künstler, die es sagen, wie es wirklich ist. Umso wichtiger sind und bleiben sie. Und U2 und Metallica? Ja, zu denen hab ich ja auch schon mal was geschrieben. Aber heute ging es mir um "Use your Illusion". Ist nicht mein Wahlspruch. Ich will das Album ja aber auch nicht wählen, sondern hören. *smile*



Patrick Rabe, 9. August 2020, Hamburg

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.08.2020. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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