Monika Jarju

Streifzug durch Lagos 6

Etwas ist heute anders, ich weiß es nicht gleich genau, gehe langsamer. Da sehe ich ein zweites Denkmal vor dem Dom Sebastião stehen. Ein Mann in natürlicher Größe, von Kopf bis Fuß ist er weiß, auch seine Schuhe sind weiß. Wo kommt dieses zweite Denkmal auf einmal her? Heute Morgen war es noch nicht da. Ich erinnere mich genau. Und was hat es zu bedeuten? Ich bleibe stehen und sehe es an. Eine weiße Figur am Rand des Denkmals. Sie steht ganz starr, bewegt sich nicht, sie ahmt das Denkmal nach. Ein falscher Sebastião? Drei falsche Sebastiane gab es, lese ich im Reiseführer, die das Land aus der nachfolgenden spanischen Besetzung retten wollten. Langsam nähere ich mich, ohne die weiße Statue aus den Augen zu lassen.

Ein Denkmal wie ein Doppelpunkt, ein Verweis auf etwas geheimnisvoll Verborgenes, das darüber hinausführt. Es beseelt das große Denkmal, erzählt stumm seine Geschichte. Wenn ich genau hinschaue, fühle ich die Emotionen, sie werden sichtbar in meiner Fantasie und der des Publikums. Das muss dieses Gefühl von portugiesischem Weltschmerz sein, ich spüre es ein wenig. Saudade genannt, etwas Unübersetzbares – eine Mischung aus wehmütiger Sehnsucht, Melancholie und einem Hauch Nostalgie. Ein alter Schmerz aus der Zeit der großen Entdeckungsreisen, als Seefahrer und Daheimgebliebene getrennt und einsam waren, und doch durch ein bewegendes verzehrendes Gefühl miteinander verbunden waren über unermesslich weite Entfernungen hinweg. Eine Leidenschaft, die den Fado hervorbrachte. Aus seinen wehmütigen Melodien klingt das portugiesische Selbstverständnis, die Widersprüche von Lust und Leid, von Dauer und Vergänglichkeit. Im Fado schwingen arabische Elemente mit, in verschiedenen Tonlagen, die den Schmerz ausdrücken, der die Portugiesen miteinander verbindet, die Erfahrung ihrer eigenen wunderbaren Unvollkommenheit.


 

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