Klaus Günther Seidler

Die Wahrscheinlichkeit

Es war einmal vor langer Zeit im Bergischen Land, als es noch kein Fernsehen gab und die Kinder die Volksschule besuchten , die in manchen Dörfern wegen der Räumlichkeit auch Zwergschule genannt wurde.
Der Lehrer unterrichtete hier Schüler, vom A-B-C- Schützen bis zum Halbstarken, alles in einem Klassenzimmer zur gleichen Zeit.
An einem schönen Sommertag , die Kleinen waren mit Ihrer Milchfibel beschäftigt und die beiden Jungs aus der 4. Klasse sollten eine Rechenaufgabe lösen und brüteten eifrig über ihren Heften.
Der Lehrer konnte nun wieder seine großen Schüler aus der 8. Klasse mit seinem Lieblingsthema : "Die Wahrscheinlichkeit , die Realität und die Leichtigkeit des Seins " langweilen.

Nur Paul , der Sohn vom Bauern Huber lauschte dem Lehrer andächtig , da er das interessanter fand als seine Rechenaufgabe. Nach einiger Zeit, die ersten Schüler der 8. Klasse waren schon leicht eingenickt , nur Paul hatte andächtig zugehört und rief nun mit lauter Stimme in diese friedliche Stille:
"Wenn et getz noch wat wärmer wird , dann han wi wahrscheinlich Hitzefrei!!! "

Nun brach eine allgemeine Unruhe aus , die Schüler schrien alle laut durcheinander und der Lehrer , der es in dieser Situation sehr bedauerte , den Rohrstock nicht mehr so , wie noch sein Vorgänger einsetzen zu dürfen , besann sich seiner pädagogischen Ausbildung und ordnete Hitzefrei für alle an.

Außer Paul , der mußte sich nach vorne ans Lehrerpult setzen und drei Sätze mit " wahrscheinlich" schreiben.

Da ihm auch nach einer Stunde noch nichts eingefallen war , weil sein Blick immer wieder zum Fenster streifte, schickte ihn der Lehrer nach Hause , mit der Auflage , die drei Sätze noch bis 15 Uhr am Nachmittag , bei ihm abzuliefern.

Zuhause saß Paul in seinem Zimmer und überlegte und ihm wollte auch hier hier keine Idee kommen.

Er schaute gelangweilt aus dem Fenster und sah die Magt über den Hof zur Scheune gehen.

Nun hatte er endlich seinen ersten Satz :

Die Magt , die geht zur Scheune , wahrscheinlich holt sie Stroh .

Nach einigen Minuten sah er den Knecht ebenfalls den Hof überqueren und zurScheune gehen.

Schnell schrieb er in sein Heft :

Der Knecht geht auch in die Scheune, wahrscheinlich holt er auch Stroh.

Nun passierte nichts mehr. Paul blickte nur angespannt zum Fenster hinaus , aber er hatte keine neuen Ideen .Die Standuhr in der guten Stube schlug schon halb drei , als er sich mit seinem Heft zur Scheune aufmache. Er öffnete langsam das Scheunentor und schrieb in sein Heft :

Die Magt liegt tot am Boden und der Knecht liegt auf ihr drauf.
Er zuckt mit dem Hintern, wahrscheinlich stirbt er auch.


Epilog

Es wurde noch viel gelacht am jenem lauen Sommerabend im August , in der Dorfschenke zum Lindenwirt.Wahrscheinlich auch über den Bauer Huber , der es plötzlich ziemlich eilig hatte nach Hause zu kommen .

Am nächsten Morgen , der Hahn auf dem Misthaufen begrüßte den neuen Tag mit einem lauten Kikiriki , schaute die Bäuerin entspannt aus dem Fenster und sah den Knecht mit einem großen Koffer, mit schnellen Schritten den Hof verlassen .

Sie wunderte sich , schlaftrunken , allerdings mehr noch über Ihren Mann , wenn sie mit wohligem Schauer an die vergangene Nacht dachte , denn so feurig war er ja seit ihren Flitterwochen nicht mehr gewesen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.09.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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