Mit spitzen Fingern greift Tariq nach einem imaginären Haar, zieht es vom Teller und streckt es Karin mit vorwurfsvollem Blick entgegen. „Weißt du, was Männer machen, wenn sie ein Haar im Essen finden?“ Karin legt den Löffel ab und schaut erstaunt auf, sie bemerkt ein seltsames Leuchten in seinen Augen. „Ich habe Haare von dir in meiner Wohnung gefunden“, sagt er leise. Karin fühlt einen leichten Schauder auf der Haut. „Die Frau wird rot, lässt ihr Essen stehen und läuft weg. Aber was soll das?“, sagt er kopfschüttelnd und lächelt. In der eingetretenen Stille schwingt etwas Unausgesprochenes mit. „Man kann das Haar wegnehmen, die Frau hat es nicht mit Absicht getan“, sagt er ohne Karin aus den Augen zu lassen. Sie rührt sich nicht, sie starrt ihn an. „Es war der Wind“, sagt er mit gesenkter Stimme und verstummt. Sein linkes Auge ist weit geöffnet, das andere halb geschlossen. Ein sonderbarer Ausdruck von Süße und Melancholie steht in seinem Gesicht. „Weißt du, was ich mit deinem Haar gemacht habe?“ Er hält noch immer ihren Blick fest. Karin ist wie elektrisiert, ihr Rücken versteift sich, ihr Mund wird trocken, sie schluckt. Wie in Zeitlupe greift Tariq mit Daumen und Zeigefinger nach einem unsichtbaren Haar. Seine Augen liegen halb verschattet unter den dichten Wimpern, er wendet nicht den Blick von ihr. Karin durchfährt ein Kribbeln, das ihr den Atem nimmt. Tariq führt mit seinen schlanken Fingern anmutig das imaginäre Haar zu seinem leicht geöffneten Mund. Unendlich langsam, so scheint es ihr, zieht er das Haar zwischen seinen feuchten weichen Lippen entlang. Seine Augen sind weit geöffnet. Karin wird schwerelos hineingezogen in das Dunkel seiner Iris, ergriffen von einem Schwindel, der ihren Körper durchströmt wie ein wohliger Schmerz, betäubend und erregend zugleich. Überall auf der Haut spürt sie den Druck seiner sanften Lippen. Sein Blick umfasst sie und hält sie in der Schwebe. Nur das Pulsieren ihres Blutes ist zu hören. Allmählich lässt Tariq das Haar zu Boden gleiten.
Vorheriger TitelNächster Titel
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Monika Jarju).
Der Beitrag wurde von Monika Jarju auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.08.2020.
- Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
Monika Jarju als Lieblingsautorin markieren
Inmitten der Gesellschaft: Gedichte und Texte
von Max Vödisch
Bei meinen Gedichten handelt es sich größtenteils um gesellschaftskritische und zeitlose Lyrik.
Bürgerliche Vorurteile und Verhaltensmuster, eigene Erfahrungen, Wünsche, Träume Zweifel, Niederlagen, Sehsüchte und Ängste, sowie die Suche nach Frieden, Glück, Gerechtigkeit und Zufriedenheit charakterisieren die Texte dieses Buches.
Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!
Vorheriger Titel Nächster Titel
Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:
Diesen Beitrag empfehlen: