«Du Pappi!«
Die kleine Mareike schmiegt sich an mich, schaut mich mit ihren blauen Äuglein an und drückt mir ein Küsschen auf die Wange.
»Uiihh, das kratzt aba!«
Na gut, so ein Drei-Tage-Bart ist nicht unbedingt das Non-Plus-Ultra.
Ich sehe von meinem Manuskript auf, noch ganz in Gedanken versunken.
»Du, Pappi, wo kommen eintlich alle Menschen her?«
Ich sehe meine Kleine an und suche nach Worten, die diese Frage erschöpfend beantworten könnten. Also, die Warum-Fragen in achter Potenz kenne ich inzwischen, bin auch innerlich immer darauf vorbereitet. Aber »wo-her«? Das ist eine neue Dimension, die war bisher noch nicht angesagt.
Wo kommen die Menschen her? Also der Kelch mit den »kleinen Kindern« ist ja noch mal an mir vorübergegangen. Da ist ja wohl dann auch eher die Mutti zuständig, oder?
Nun gut, zur Zeit sind es noch die Menschen an sich, welch ein Glück! Wobei ich genau weiß, dass der gewisse Kelch dann doch irgendwann kredenzt werden wird.
»Ja, meine Kleine, weißt Du -, ja also- das ist so - also das war damals so - vor vielen tausend Jahren - ach, frag mich doch ein anderes Mal, ja? Ich hab noch so viel zu tun!«
Sie blickt mich ganz enttäuscht und ernsthaft an. »Weißt du das nicht, Pappi? Der Papa von Heinzi weiß aber alles!«
Oh, darauf bin ich nicht vorbereitet. Der Herr Nachbar weiß also alles? Das kann ich so nicht durchgehen lassen.
»Aber sicher weiß ich das, das ist nur ein bisschen kompliziert.«
»Was ist komiziert, Pappi?«
»Kompliziert ist, wenn man Fragen stellt, die im Moment nicht...«
»Das ist kommiziert? Darf ich denn keine Fragen stellen, Pappi?«
»Natürlich, mein Schätzchen, frag nur!«
»Ja, Pappi, ich möchte was fragen.«
Mir schwant schon so einiges, ein Fernduell mit dem Vater des kleinen Heinzi über Wissensfragen. Ich glaube, ich sollte mich viel mehr mit Quiz-Sendungen im Fernsehen beschäftigen.
»Na gut, dann frag mich doch.«
»Ja, Pappi! Wo komm die Menschen her?«
Ich sehe verzweifelt aus dem Fenster, wo die Wolken im Wettstreit miteinander über den Himmel ziehen.
»Möchtest du nicht in den Garten gehen? Du könntest Mutti helfen, die Wäsche aufhängen!«
»Ja gleich, aber erst musst du mir nich komiziert das von die Menschen sagen!«
»Von den Menschen, mein Liebes, von den Menschen!«
Ungeduldig steht sie vor mir. Tritt von einem Beinchen auf das andere.
»Ja, sag ich doch. Woher?«
Ich versuche jetzt häppchenweise und kindgerecht ihr Thema anzugehen. »Also. Mein Mäuschen, das ist so, vor vielen, vielen tausend Jahren hat der Liebe Gott die Menschen geschaffen.«
»Warum?«
Ja, warum, das wüsste ich auch ganz gern, man müsste ihn das mal selber fragen. Das weiß Gott wahrscheinlich auch nicht mehr.
»Warum? Ja, ich denke, damit die Erde nicht so leer ist?
Die Tiere allein waren ihm wohl zu wenig, und da dachte er, dass da noch Menschen hingehörten.«
Sie hört aufmerksam zu, nickt mit dem Köpfchen.
»Ja, siehst du, Mareike - und die ersten Menschen, die hießen Adam und Eva, und die kriegten Kinder und die Kinder kriegten wieder Kinder und davon stammen alle Menschen ab. Das ist sozusagen der Stammbaum!«
»Pappi, habn wir auch so ein Baumstamm?
»Aber sicher, alle Menschen, schwarze und braune und gelbe, und auch wir selber stammen davon ab. Und, das heißt nicht Baumstamm, sondern Stammbaum.«
Verwirrt sieht sie mich an, das ist jetzt doch wohl zu unverständlich.
»Weißt du nun Bescheid?«
Sie ist lange still, in ihrem Kopf arbeitet es, ich sehe förmlich, wie der kleine Geist alles auf die Reihe bringen will. Dann aber kommt noch eine ernstgemeinte Frage:
»Du Pappi, der Papa von Heinzi hat aba gesagt, das hat was mit die Evution zu tun. Die Menschen waan früher alle Affen und nu sind sie zu Menschen gewordn!«
Oh Mann, jetzt kommt die Evolution ins Spiel und wahrscheinlich Darwin und Mendel und noch einige aus dieser Gattung, Und darauf will ich mich jetzt nicht einlassen, no Sir, auf keinen Fall.
»Ach weißt du, mein Schätzchen, vielleicht hat Heinzis Vater ja seinen eigenen Stammbaum und den darf er auch behalten! Wir haben unseren, und der soll auch bleiben, nicht?«
Sie nickt ernsthaft. Dann sagt sie: »Ich geh jetzt zu Mutti in’nen Garten!« Und im Hinausgehen, noch so ganz nebenbei: »Unsa Baumstamm gefällt mir aba besser...
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.10.2020.
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Jahre wie Nebel: Ein grünes Jahrzehnt in dunkler Zeit
von Horst Lux
Es wurde sehr viel geschrieben über jene Jahre der unseligen Diktatur eines wahnwitzigen Politikers, der glaubte, den Menschen das Heil zu bringen. Das meiste davon beschreibt diese Zeit aus zweiter Hand! Ich war dabei, ungeschminkt und nicht vorher »gecasted«. Es ist ein Lebensabschnitt eines grünen Jahzehnts aus zeitlicher Entfernung gesehen, ein kritischer Rückblick, naturgemäß nicht immer objektiv. Dabei gab es Begegnungen mit Menschen, die mein Leben beeinflussten, positiv wie auch negativ. All das zusammen ist ein Konglomerat von Gefühlen, die mein frühes Jugendleben ausmachten. Ich will versuchen, diese Erlebnisse in verschiedenen Episoden wiederzugeben.
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