Horst Lux

MAREIKES WELT 3 …Kurzgeschichtliches

 

      Und da ist der Sonnenschein, der sich ausgerechnet durchs Fenster meinen Schreibtisch als Ruheplatz ausgesucht hat. Hell, warm und so richtig verlockend scheint er mir zuzureden, einen Ausflug ins Freibad zu unternehmen.

Seit Stunden sitze ich nun schon hier und brüte über meinem Manuskript, das morgen fertig werden soll. Es ist ohne zu übertreiben, wie verhext. Ich denke, dass jeder Schreiber diese Augenblicke kennt, wenn so rein gar nichts mehr gelingen will. Ich sehe durch das große Dachfenster, wie die weißen Wolken über das Himmelblau wandern, sich dabei immer wieder verändern und die absonderlichsten Formen annehmen.

      Plötzlich schrecke ich aus meinen Wolkenträumen auf. Es klopft an meine Tür. Nein, das stimmt nicht, es klopft nicht - es donnert so richtig, dass ich vor Schreck fast von meinem Stuhl falle. Bevor ich auch nur ein Sterbenswörtchen wie etwa »Ja« oder »Herein« sagen kann, wird die Tür kraftvoll aufgestoßen und stößt mit Macht gegen das Bücherregal. Krach-Bumm!

      Ich drehe mich in meinem Bürostuhl herum und schaue in ein erhitztes hochrotes Gesichtchen mit zwei aquamarinfarbenen Augen. Meine Leser werden es schnell erraten: Es ist die kleine Mareike, die beide Treppen zu meinem Arbeitszimmer in Rekordzeit hochgelaufen ist und nun laut prustend vor mir steht.
»Pappi!« keucht sie erschöpft, indem sie sich nicht gerade leise auf den Teppich plumpsen lässt. »Pappi!«

      Gerade will ich sie an unsere Abmachung erinnern, dass ich in dieser Zeit am Vormittag nicht gestört sein möchte, da lächelt sie mich mit schräg gelegtem Köpfchen ganz lieb an, dass mir das ernste Wörtchen in der Kehle stecken bleibt. Ich kann mich gerade aufraffen, ein leises »Ja?« zu äußern, da fragt Mareike mich mit einem unschuldsvollen Blick:
»Was schreibst Du da, Pappi?«
Nanu, seit wann interessiert sich mein Töchterchen für mein Geschreibsel? Das ist neu, das überrascht mich doch etwas.
»Eine Kurzgeschichte, du weißt doch, für die Zeitung!« 
Mareike überlegt einen Augenblick und legt die kleine Stirn in Falten.
»Eine kurze Geschichte? Zum Lesen? Oder auch zum Erzählen?«
          Nun ja, Kurzgeschichten haben es nun mal an sich, dass man sie liest, nicht wahr! Wozu sollten sie sonst wohl auch gut sein? Ob man dann hinterher seine Butterbrote darin verpackt oder sonst wie benutzt, ist der Geschichte völlig egal. Aber soll ich nun meiner Tochter etwas über Literatur erzählen? Ist doch ein langweiliger Stoff, der sie noch früh genug in der Schule plagen wird.
»Ja mein Schätzchen«, sage ich, »Eine Kurzgeschichte!«

      Sie schaut mich mit ihren blauen Augen an und nickt bejahend mit dem Köpfchen.
»Hmm«, mache ich und versuche nun, die Kleine so langsam aus dem Zimmer zu bugsieren.
»Ich muss jetzt aber weiterschreiben, ja?«
»Na guuut«, Mareike sieht wohl ein, dass sie mich nun in Ruhe lassen sollte. Dann fuchtelt sie mit ihren kleinen Händen vor meiner Nase herum: »Aba ich will doch auch eine Geschichte erzählen, Pappi, eine ganz kleine kurze.« 
Na gut, denke ich, auf die paar Minuten kommt es nun auch nicht an.
»Ist in Ordnung, Mareike, aber wirklich nur ganz kurz. Worum geht es denn dabei?«

Mareike hat den Türgriff schon in der Hand, schaut zur Decke hinauf, scharrt mit ihren Füßchen über den Teppich und sagt dann:
»Das is was über Blumn, über Gladolen.«
Ich verstehe, sie meint Gladiolen.
»Ja, dann erzähl mal, aber bitte kurz, was ist mit den Gladiolen?«
»Ja Pappi, ganz kurz, das is von die Gladolen, die da unten in´ne Diele liegen.«
Ich stutze, was soll das denn nun? Gladiolen liegen in der Diele? Was soll denn das bitte, träumt die Kleine? 
»Was meinst du mit: da unten liegen? Warum liegen sie da?«
Mareike macht nun ein paar fahrige Bewegungen mit den Händchen: »Die sind da aus die grosse Vase gefalln, weißt du?« 
     Ich ahne etwas. Sehe ich da ein Tränchen in den blauen Äuglein? »Aber Schätzchen, Blumen fallen doch nicht einfach aus der Vase. Was ist denn da passiert?«
Mareike hat die Tür schon wieder in der Hand und ist auf dem Weg nach unten, als sie mir noch zuruft:
»Ich bin da annestossn. Un nu is sie kaputt. Hoffentlich gefällt Mami meine Geschichte, was meinst du?«

Tja, ich denke schon, dass die Mama nichts dagegen hat, wir mochten Tante Helenes riesige Monstervase noch nie leiden ...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.11.2020. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Es wurde sehr viel geschrieben über jene Jahre der unseligen Diktatur eines wahnwitzigen Politikers, der glaubte, den Menschen das Heil zu bringen. Das meiste davon beschreibt diese Zeit aus zweiter Hand! Ich war dabei, ungeschminkt und nicht vorher »gecasted«. Es ist ein Lebensabschnitt eines grünen Jahzehnts aus zeitlicher Entfernung gesehen, ein kritischer Rückblick, naturgemäß nicht immer objektiv. Dabei gab es Begegnungen mit Menschen, die mein Leben beeinflussten, positiv wie auch negativ. All das zusammen ist ein Konglomerat von Gefühlen, die mein frühes Jugendleben ausmachten. Ich will versuchen, diese Erlebnisse in verschiedenen Episoden wiederzugeben.

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