Regina Sedelke

Gib die Hoffnung niemals auf

Sein großer, glatter Körper schwebte wie schwerelos durch den unendlichen Ocean, der sein zu Hause war seit er sich erinnern konnte. Schon seit einigen Tagen war der junge Wal allein Unterwegs. Allein, ohne seine Familie. 

Natürlich traf er immer mal wieder auf andere Meeresbewohner. Die Haie von gestern, die an ihm vorbeigezogen waren ohne ihn weiter zu beachten.Oder die Gruppe der Delfine die er gleich am  Tag nach dieser unglaublichen Apokalypse die seine ganze Familie ausgelöscht hatte, gesehen hat. 
Sie zogen glücklich und ausgelassen spielend an ihm vorbei. 

Noch nie in seinem Leben war er so allein gewesen. Er war darauf nicht vorbereitet. Er brauchte den Kontakt zu seinesgleichen. Er brauchte Antworten auf seine Fragen. Aber es gab niemanden, der ihm hätte sagen können was mit seiner Familie passiert war, während er auf der Suche nach Nahrung war. Als er, den Bauch voller Krill, zurückkam, war dort, wo er vorher mit seiner Familie lebte, nur ein Wirbel aus Blut und toten Körpern. Er glaubte in einem von ihnen seine Mutter zu erkennen. Er wollte zu ihr hinschwimmen, wollte ihr helfen. Aber sie wurde vor seinen Augen durch eine geheimnisvolle Kraft herausgezogen aus seinem Universum.
Für Augenblicke war er unfähig sich zu bewegen, doch dann schwamm er von unbeschreibliche Angst getrieben, um sein Leben. 

Auch jetzt, Tage nach diesem unbeschreibliche Grauen begleiteten ihn Angst und Ungewissheit. Jeden Moment auf das Schrecklichste gefasst, gab er doch die Hoffnung nicht auf, einen Begleiter zu finden mit dem er seine Ängste teilen konnte. 

Sein nasses Universum war nicht perfekt, aber es alles was er kannte. Er kam als Nachkomme einer privilegierten Spezies zur Welt. Während alle anderen untergeordneten Lebewesen natürliche Feinde hatten, die sich oft auch gegenseitig auffraßen, hatte seine Gruppe, seine Familie niemanden den sie fürchten mussten. So hatte er gedacht. Nun musste auch er sich fürchten und im Gegensatz zu allen anderen wusste er nichteinmal vor wem. 

Doch dann, an einem neuen Morgen, durchdrangen verheißungsvolle  Strahlen seine Welt. Er kannte sie. Er wußte, es waren die Strahlen der himmlischen Sonne aus dem oberen Universum. Ein Ruck ging durch seinen mächtigen Körper und die Angst verwandelte sich in Mut und Zuversicht. Ein Sonnenstrahl traf ihn direkt zwischen die Augen und er wusste mit absoluter Gewissheit, dass seine Mutter ihn damit grüßte. Dass sie ihn aufforderte weiterzumachen, sein Leben leben, ohne Angst weiterschwimmen, für sich und für seine Familie.

Und der junge Wal schwamm mutig weiter in den neuen Morgen. Weit weg von dem Ort des Grauens. Er durchquerte solange den Ocean, bis er eines Tages eine Gefährtin fand und mit ihr eine Familie gründete.

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