Horst Lux

MAREIKES WELT --- 9 Schattenspiele ...

 

      Ich habe mich endlich aufgerafft, einen Reparaturtag einzulegen. Das Töchterchen hat mich lange genug genervt. Naja, sie hat ja auch recht, ich hatte es sooo lange versprochen. Und nun also wird es Ernst. Ich bin da ganz ehrlich - Fahrradreparaturen sind nicht unbedingt mein Hobby. Aber wie sagt man bei uns im Norden: Watt mutt, dat mutt! 
Der Sonnenschein lockt zu einer Spazierfahrt ins Grüne. Das jedoch würde zu einer Revolution führen, denn die kleine Mareike steht an der Ecke der Garage und bewacht mit Argusaugen den Fortgang der Arbeit ihres Vaters. 
Nach einer halben Stunde darf ich ihr das Ergebnis meines handwerklichen Könnens verkünden. Sie umkreist das Fahrrädchen mit kritischem Blick, betastet die Bereifung, putzt hier und dort noch ein Stäubchen weg und meint dann relativ zufrieden:
 »Naja, das hat ja ganz schön lange gedauert, hoffentlich hast Du die Schrauben auch fest angezogen?«

      Ich ziehe die Augenbrauen empört hoch, da sagt sie auch schon:  »Ich denk schon dass Du das richtig gemacht hast, Pappi!« 
»Halt lieber den Mund«, sag ich lautlos zu mir selbst, als ich etwas entgegnen will. Streit mit Mareike kann ich jetzt gar nicht brauchen.
»Na, dann bin ich ja zufrieden, wenn Du es auch bist, meine Kleine.« 
Und das meine ich nun wirklich ernst.
»Ja,« sagt darauf Mareike, »jetzt kann ich wieder mit Heinzi um die Wette fahren!«
»Aber bitte nicht ohne Helm.«
Hätte ich ja nicht erwähnen müssen, denn der neue rote Helm wurde schon allen, die es sehen wollten, mit Stolz vorgeführt. Sogar die Bäckersfrau musste sich anhören, wie wichtig dieses Utensil ist. Und ein heftiges Kopfnicken sagt mir, dass Mareike wenigstens hierin folgsam ist.  
»Tschüß,Pappi.« 

        Sie setzt sich auf ihr Rad und fährt davon. Ich bin erleichtert, wenigstens habe ich jetzt meine mir aufgetragene Arbeit erledigt.      
»Pappi!« Mareike ist schon wieder da. Ist abgestiegen und steht nun neben mir. Ihre Fingerchen spielen mit dem Verschluss ihres Helmes.
»Nanu? Eure Wettfahrt schon wieder beendet?«
»Nee! Ich muss da noch was fragn.«

Sie schüttelt ungeduldig das Köpfchen.
»Na denn schieß mal los. Was gibt es noch?«
»Du Pappi, wenn die Sonne scheint, gibt es doch auch ein' Schatten, nich?«

          Ich bin etwas verwirrt. Was soll denn das nun? »Natürlich, mein Schatz, wo Licht ist, ist auch Schatten!«
Diese philosophische Weisheit steht wahrscheinlich auch in irgendeinem Kalenderspruch, denke ich. Ist ja auch ein Naturgesetz.
»Also, Pappi, wenn ich nu den Weg lang fah, und die Sonne kommt von vorn, da hab’ ich doch auch ein Schatten, nich? Hat denn mein Muli auch ein Schatten?«
>Muli< heisst nämlich ihr Drahtesel, damit ihr Bescheid wisst.

        »Ganz klar Mareike, alle Dinge werfen im Sonnenlicht einen Schatten. Doch warum fragst du?«
»Alle Dinger, sagst du? Alles hat ein Schatten, aha.« 

Nachdenklich und wie bestätigend nickt sie, gleichzeitig unser beider Schatten auf dem Boden betrachtend.

»Aba - das is aba komisch, das versteh ich nich!«
»Was ist daran so missverständlich? Ist doch ganz klar, das siehst du doch hier selbst, nicht wahr?«

Ich zeige dabei auf einige Schattenspiele an der Hauswand.
»Ach Pappi, du hast gesagt, alle Dinger haben ein Schatten in’ne Sonne.«
Ich schaue das Mädchen etwas verständnislos an. »Ja, natürlich!«
Mareike schüttelt immer noch den Kopf. Dann stampft sie energisch mit dem Fuß auf den Boden.
»Aba Pappi, ist der Wind denn auch ein Ding?«

      Der Wind ein Ding? Da bin ich nun gespannt, was da wieder auf mich zukommt. Noch bin ich völlig durcheinander, doch ich ahne schon, dass da nun wieder eine tiefgründige Sache behandelt wird.
»Nein, meine Kleine, der Wind ist kein Ding in dem Sinne, das ist mehr ein Zustand so wie Regen und Nebel und so etwas. Und du weißt doch, was der Wind ist, du spürst ihn doch immer, auch beim Fahren, nicht wahr?«

     Mareike schaut mich lange, sehr lange an. Ihre blauen Äuglein blitzen durchdringend in der Sonne.
»So! Aha! Also kein Ding! Aba vaflixt noch mal, dann war der Mann gestern im Fernseh´n aba richtig doof.«

»Mareike! So etwas sagt man nun aber wirklich nicht!«
Die Kleine ist richtig sauer. Dann platzt sie heraus:
»Is doch wah! Der hat gesagt, die Fahrer beim Renn’ fahrn immer im Windschatten, um Kraft zu sparen!«

Oh, ich glaube, ich muss der Kleinen doch beibringen, dass Deutsch keine so leichte Sprache ist ...

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.11.2020. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Es wurde sehr viel geschrieben über jene Jahre der unseligen Diktatur eines wahnwitzigen Politikers, der glaubte, den Menschen das Heil zu bringen. Das meiste davon beschreibt diese Zeit aus zweiter Hand! Ich war dabei, ungeschminkt und nicht vorher »gecasted«. Es ist ein Lebensabschnitt eines grünen Jahzehnts aus zeitlicher Entfernung gesehen, ein kritischer Rückblick, naturgemäß nicht immer objektiv. Dabei gab es Begegnungen mit Menschen, die mein Leben beeinflussten, positiv wie auch negativ. All das zusammen ist ein Konglomerat von Gefühlen, die mein frühes Jugendleben ausmachten. Ich will versuchen, diese Erlebnisse in verschiedenen Episoden wiederzugeben.

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