Karl-Heinz Fricke

Smarty

Smarty

Als wir damals im Dezember 1956 englisch radebrechend  nach einer 12 tägigen Überfahrt auf dem stürmischen Atlantik und einer 2 tägigen Bahnreise endlich in Winnipeg, der Weizenmetropole Kanadas eintrafen schien zwar die Sonne aber es war sehr kalt. In der Winterzeit geht die Präriestadt vielfach, wie der Bär, in einen Winterschlaf und viele Arbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz für mehrere Monate bis die  winterliche Wirtschaftspause vorbei ist. Unser Kommen nach Kanada war zeitgemäß für mich sehr ungünstig einen Job zu bekommen und ohne die Hilfe meines Schwagers,der uns bekniet hatte nach Kanada auszuwandern, wären wir erfroren und verhungert. Bis auf fünf volle Holzkisten mit unserem Hausgut und 200 Dollar besaßen wir  nichts weiter. Der Bruder meiner Frau gab uns  ein Obdach in seinem Hause und sorgte auch für unser leibliches Wohl für die nächsten Monate. Als der Schnee geschmolzen war und mein englisch große Fortschritte gemacht hatte, begab ich mich auf Jobsuche. Bei einem Kennel bot ich mich als Hundetrainer auf Grund meiner Erfahrungen mit den Vierbeinern an. Der Züchter hatte einen Wurf von Springer Spaniels und einenWurf  Labradors, die ich für Unterordnung und die Jagd ausbilden sollte.  Der Züchter und seine Frau waren sehr nette Leute, die kein Vorurteil über meine Nationalität hatten, denn wir Deutsche in Kanada waren wegen den Nazis vielfach noch unbeliebt, obwohl wir in Deutschland erst die Auswanderungserlaubnis erhielten, nachdem unsere Tätigkeiten im Dritten Reich gründlich  überprüft worden waren.  Während unserer 64 Jahre in Kanada gaben wir in unserer neuen Heimat den Einheimischen niemals einen Anlass zur Klage. Unser Deutschtum jedoch verleugneten wir nie. Nach dieser kleinen Abhandlung zurück zu den Hunden . Die acht Springer Spaniels waren schon vorverkauft und mit meiner Ausbildung erzielte der Züchter noch einen Aufschlag. Er bot mir für jeden erfolgreich ausgebildeten Hund vierzig Dollar an.  Das war damals ein guter Betrag, wenn man bedenkt, dass unsere vierköpfige Familie  für 5 Dollar eine Woche essen konnte. In jeder Hundemeute gibt es ein Leittier, das die anderen als ihren Führer ansehen. Als erstes galt es zu erkennen, welcher von den acht Tieren es war.  Dieses war schnell erkennbar. Der Hund war mir gleich sehr zugetan und die anderen folgten ihm. Ich gab ihm den Namen Smarty. Dieses ist sehr wichtig, Es ist leichter den ganzen Wurf zusammen auszubilden als einzeln. Was das Leittier vormacht, das machen die anderen nach. Homer, der Züchter, schaute erstaunt, dass ich mit allen acht Spaniels auf einmal loszog. Das Gelände war für das Training perfekt. Es gab einen breiten Wassergraben und auch einen kleinen Teich. Das war wichtig für das Entenjagdtraining. Die Hunde mussten ins Wasser und die Enten zurückbringen. Ich fing jedoch zuerst mit dem Unterordnungstraining an und lehrte die Hunde auf Kommando neben Fuß zu gehen, zu kommen, wenn gerufen, zu sitzen und auf der Stelle zu bleiben, wenn ich mich entfernte.  Wichtig war es , dass die Hunde lernten weggeworfene Gegenstände zurückzubringen. Ein Spiel, dass viele Hundearten gern tun. Smarty erwies sich als große Hilfe für mich. Er war übereifrig mir zu Gefallen zu sein. Die anderen Hunde machten alles nach und sie schienen die Disziplin zu lieben. Nicht eins von den Tieren lief schnüffelnd herum. Trotzdem empfanden sie das Training nicht als Arbeit, sondern als Spiel. Man darf die Hunde jedoch nicht überfordern. Nach etwa 10 Tagen hatte ich geschafft, was ich mir vorgenommen hatte und ich konnte mit dem Jagdtraining beginnen. Als erstes mussten die Tiere durch den breiten Wassergraben schwimmen. Sie liebten es. Es war ihre erste Erfahrung mit dem nassen Element. Es folgte die letzte Erfahrung des Trainings das an dem Teich stattfand. Es galt das Apportieren von Kunstenten aus dem Wasser. Ich warf die Kunstenten im hohen Boden in den Teich, während Homer mit seiner Jadgflinte in die Luft schoß. Auf mein Kommando “bring” war Smarty mit ein paar Sätzen im Wasser und brachte die Ente zurück. Die anderen machten es nach bis auf einen. Dieser schwamm zwar auf die Ente zu, machte aber gleich kehrt. Dann warf ich einenStock ins Wasser. Diesen brachte er zurück und forderte mich mit Blicken auf es zu wiederholen. Es zeigt, dass es unter Tieren Verschiedenheiten gibt. Ich machte Homer darauf aufmerksam. Er lächelte und meinte, dass er mir absichtlich nicht gesagt hatte, dass der Hund anders als die anderen war Wir nahmen ihn aus der Meute heraus. Keiner der  Spaniels war schußscheu. Das Training mit den Spaniels war beendet und ich hatte 280 Dollar verdient. Als nächstes kamen die Labradore dran. Sie waren größer und etwas schwerfälliger im Lernen. Die Unterordnungsübungen nahmen zwei Wochen in Anspruch. Gleich beim durchschwimmen machte ich eine merkwürdige Entdeckung. Eine Bestätigung dessen, dass es allgemein unter Hunden nicht selten ist, dass einer nicht wie der andere ist, was auch auf Menschen zutrifft. Dieser Labrador wollte durchaus nicht ins Wasser. Er schien wasserscheu zu sein. Ich leinte den Hund an einer längeren Leine an und schritt auf einer Planke über den Graben. Auf meinen Befehl “komm” wühlte er das Ufer mit seinen Krallen auf. Als ich ihn mit Gewalt ins Wasser zog, heulte er. Das Unglaubliche geschah, er konnte nicht schwimmen. In der Mitte des fast meterhohen Grabens ging das Tier unter wie ein Stein. Nur sein Schwanz ragte aus dem Wasser heraus.Ich zog wie besessen an der Leine, um sein Ertrinken zu verhindern. Als ich ihn am Ufer hatte sprang er mehrmals an mir hoch als wollte er sagen: “Mach das bitte nicht nochmal mit mir !” Die anderen Hunde bestanden ihr Examen im Wasser. So ging vorerst meine Tätigkeit mit den Hunden vorbei. Homer verschaffte mir dann einen Job in einer Firma, die täglich Güterwaggons mit Gütern für Winnipegger Geschäfte ausladen und ausliefern musste. Das war schwerere Arbeit.  79 cents per Stunde war der Arbeitslohn und nicht so interessant als wie mit den Hunden. Von dem Zeitpunkt an, war es allerdings möglich uns in Kanada im ersten Jahr  über Wasser zu halten.  
23.11.2020

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Karl-Heinz Fricke).
Der Beitrag wurde von Karl-Heinz Fricke auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.11.2020. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

Bild von Karl-Heinz Fricke

  Karl-Heinz Fricke als Lieblingsautor markieren

Buch von Karl-Heinz Fricke:

cover

Isidor was machst du da? von Karl-Heinz Fricke



Eine poetische Reise durch den Humor.
Ein Mutterwitz, der beabsichtigt nicht nur ein Lächeln auf das Gesicht des Lesers zu zaubern, sondern der die Bauch- und Gesichtsmuskeln nicht verkümmern lässt.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (10)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Sonstige" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Karl-Heinz Fricke

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Die Doukhobors von Karl-Heinz Fricke (Wahre Geschichten)
autobiographisch...mein Freund Peter von Rüdiger Nazar (Sonstige)
Plagiat von Christiane Mielck-Retzdorff (Humor)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen