Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
Ihre Ansprache in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem habe ich mit großem Interesse verfolgt. Ich glaube, Sie haben den richtigen Ton getroffen und eine schwierige Aufgabe gut gelöst. Daß Sie jedoch Ihre Rede in Englisch vortrugen und nicht in Ihrer Muttersprache und vor allem in der Sprache des Landes, dessen Repräsentant Sie sind, ist skandalös und für mich nicht nachvollziehbar. Es ist nicht die Sprache, die für die schlimmen Verbrechen der Nazizeit verantwortlich ist, sondern es waren die Menschen, die diese mißbraucht haben! Deutsch ist nicht nur die Sprache der damaligen Verbrecher, sondern auch die Sprache unserer großen Dichter, Musiker, Künstler und großer Humanisten. Indem Sie meinten, die meistgesprochene Sprache Europas und die Sprache eines großartigen Landes und einer großartigen Bevölkerung in Yad Vashem nicht benutzen zu dürfen, haben Sie Ihrem Land einen sehr schlechten Dienst erwiesen. Daß Sie damit auch - indirekt - alle nach dem Krieg Geborenen diskriminieren und mit einer angeblich nie endenden Schuld belasten, hätten Sie auch bedenken müssen. Mir ist sehr bewußt, wie sensibel das Land und vor allem der Ort sind, in dem Sie sprachen und welche Rücksichten dabei zu nehmen sind. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie sehr wohl zu unserer unseligen Geschichte stehen, aber dennoch mehr Rückgrat zeigen und Ihre Rede - auch vor sicherlich kritischem Publikum - in der Sprach Goethes, Schillers oder Heines halten.
Wer, Herr Bundespräsident, soll noch Deutsch lernen, wenn selbst das Staatsoberhaupt bei kritischen Anlässen auf eine Sprache ausweicht, die in der Gesamtschau auch nicht unbelasteter ist? Sie haben ein Kulturgut und ein Identitätsmerkmal unseres Volkes geringgeschätzt und damit Ihrem Land einen sehr schlechten Dienst erwiesen. Glauben Sie denn, Deutschland würde in Israel - oder irgendwo in der Welt - besser angesehen werden, nur weil Sie in Yad Vashem Ihre Ansprache in Englisch hielten? Respekt und Anteilnahme gegenüber dem israelischen Volk kann und sollte anders ausgedrückt werden. Ich schäme mich - nicht für Ihre Rede - aber dafür, dass Sie diese in Englisch hielten.
Mit freundlichen Grüßen
Heinz Werner
Aktuelle Anmerkung:
Zum Gedenken an das Ende des 2. Weltkriegs am 8. Mai sagte der Bundespräsident gestern unter anderem "Man kann dieses Land nur mit gebrochenem Herzen lieben..." Eine Aussage, der ich nicht zustimme und die ich für ungeheuerlich halte. Ich liebe dieses Land, aber nicht mit gebrochenem Herzen, sondern aus ganzem Herzen. Ich kenne viele Dinge, die irgendwo anders besser organisiert sind und besser funktionieren. Nach einigem Nachdenken jedoch erkenne ich, dass unser Land sehr viele Defizite hat und vieles besser machen könnte. Von allen Ländern aber mit vielen Defiziten, ist es noch immer eines der besten!
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.11.2020. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
Stream of thoughts: Stories and Memories – for contemplating and for pensive moments (english)
von Heinz Werner
Do we know what home is, what does this term mean for modern nomads and cosmopolitans? Where and what exactly is home?
Haven't we all overlooked or misinterpreted signs before? Are we able to let ourselves go during hectic times, do we interpret faces correctly? Presumably, even today we still smile about certain encounters during our travels,
somewhere in the world, or we are still dealing with them. Not only is travveling educating, but each travel also shapes our character, opens up our view for other people, cultures and their very unique challenges.
Streams of thoughts describes those very moments - sometimes longer, sometimes only for a short time - that are forcing us to think and letting us backpedal. It is about contemplative moments and situations
that we all know.
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