Wolfgang Scholmanns

Heilkraut für Rentiere

Schwer schnaufend zog ein alter Mann seinen großen Schlitten durch die kalte Winternacht. Ab und zu blieb er stehen, musste seiner Verzweiflung Luft schaffen.
„Oh Mann, oh Mann, was mache ich nur? Alle sechs Rentiere haben sich erkältet und liegen mit Fieber in ihrem Stall. Wie soll ich denn nun den Kindern die Geschenke bringen? Ich bin doch viel zu alt und schwach um diesen großen Schlitten allen durch die Lande zu ziehen.“
Er strich mit den Händen über seinen langen, weißen Bart und guckte ganz traurig zum Himmel. Nach einer Weile fiel ihm auf, dass genau über ihm ein großer Stern stand. Das Besondere an diesem Stern war, dass er ab und zu blinkte. Das machte er immer dann, wenn er ein Stückchen weiter zog.
„Hallo du guter Stern!“, rief der Alte ihm zu. „Willst du etwa, dass ich dir folge?“
Wieder blinkte der Stern und zog dann weiter. In seiner Not lief der alte Mann dem Stern hinterher, denn irgendwie hatte er das Gefühl, dass dieser ihm aus seiner verzweifelten Lage helfen würde. Er war schon einige Zeit gelaufen, da bemerkte er plötzlich, dass der Stern stehen geblieben war. Er beobachtete ihn eine Weile war sich dann aber sicher, dass der gute Stern fest an dieser Stelle verharrte.
„Das muss in der Nähe des Waldrandes sein. Da habe ich noch gut eine halbe Stunde zu laufen.“
Der Marsch war sehr anstrengend für den alten Mann, denn bei jedem Schritt versank er, bis an die Waden, im tiefen Schnee. Hasen, Eichhörnchen und Rehe, die ihm auf seinem Weg begegneten, schenkten ihm einen lieben Gruß, und auch die Vögel des Waldes ermutigten ihn, mit fröhlichen Liedern.
Als er endlich den Ort erreicht hatte, über dem der Stern Halt gemacht hatte, sah er zwischen grünem Tann` ein Lichtlein leuchten. Unter diesem Lichtlein wuchs ein rotblättriges Kraut, das angenehm duftete. Bei näherem hinsehen fiel ihm auf, dass zwischen dem Kraut ein kleiner Zettel lag. Er hob ihn auf und las – Heilkraut für Rentiere -. Voller Freude pflückte er sechs Sträußchen dieses Krautes und machte sich schnell auf den Weg, zu seinen kranken Tieren. Er vergaß auch nicht, sich bei dem guten Stern bedanken. Dieser war jedoch verschwunden und so schickte der alte Mann sein Dankgebet hoch, in die Weiten des klaren Nachthimmels.
Am Nikolausabend sah man ihn dann, in seinen dicken, roten Mantel gehüllt, auf seinem prächtig geschmückten Rentiergespann, von Haus zu Haus ziehen. Ein wunderbarer Glanz in seinen Augen spiegelte nun die Freude wieder, die so viele brave Kinderherzen an jedem Nikolausabend höher schlagen lassen.

 

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