Kerstin Rachow

gib mir fünf

Gib mir fünf“ ….für Meike

 

Der Seitenstich, den sie mir verpasste, war nicht von dieser Welt und ließ um mich herum für Sekunden alles still stehen. Keine Achterbahn würde mich je so mitreißen können. Es war Glücksgefühl und Angst zugleich, so als ob man sich frei aus dem Korb eines Ballons, hoch über den Wolken, fallen ließe. Durch meinen Magen raste ein riesiger Orkan.

Sie wusste, dass ich jeden Morgen um die gleiche Zeit, ans gleiche Ziel fahre, allein. Als sie unerwartet neben mir Platz nahm, füllte sie das Innere meines Wagens mit soviel Sanftheit. Watteweich. Sie schüttete die vielen Erinnerungen, aus den Zeiten in denen wir unbeschwert zusammen lachten, über mir aus. Wir hatten unsere eigene Sprache, reformierten das Rentensystem, spielten großes Tennis, bezwangen übereifrige Verehrer über Ländergrenzen hinweg, stellten manchen Fettnapf auf und richteten große Hunde ab. Ich liebte ihren intelligenten Humor. Der grün sein konnte wie Sommerweiden und so herrlich oft auch schwärzer als jede Nacht. Sie konnte Dialekte nachahmen und Stimmen imitieren. Besonders die unserer Chefin. Manchmal erinnerte sie mich an einen Terrier und dann war sie wieder fromm wie ein Pudel. Trotz ihrer Jugend stand sie einmal fest im Leben.

Ich lauschte ihren lautlosen Worten. Gelegentlich sah ich zu ihr herüber, wie eine Löwin wirkte sie mit ihrer roten Mähne. Sie lächelte und ein riesiger Schalk saß in ihrem Nacken. Doch da war auch etwas Schatten und der Glanz in ihren Augen war verwässert. Tränen, wie wir sie öfter teilten. Wir waren Vertraute.

Sie war gekommen um Lebewohl zu sagen. Lebewohl für immer. Ich hätte nie gedacht, dass ich ihr noch einmal begegne. An diesem Morgen zum letzten mal. Es gab kein Licht, keinen Tunnel, nur ihren unverhofften Willen mich noch einmal zu sehen. Wahrscheinlich weil wir Abschied nahmen ohne zu wissen, dass es für immer war, als ich in den Urlaub ging. Diesen Augenblick teilten wir nun für immer.

Als in der Firma ankam, wischte ich mir die vielen Tränen von den Wangen.

Zu ihrer Beisetzung vor ein paar Wochen konnte ich nicht gehen, ich fand, dass es mir nicht zustand dort zu weinen. Dafür fuhr ich später allein und zittrig gegen den einzigen Baum auf dem Parkplatz des Friedhofes.

Was sie mir an diesem Morgen mitgab, war das pure Wissen um Lebensfreude.

In Zukunft sind unsere Gespräche nur noch meine Selbstgespräche.

 

 

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