Stefan Mahler

Terror und Tulpensud: Matschkopf und der Kult von Elmar

Kommissar Matschkopfs neuestes Abenteuer

Teil 1: Auferstanden aus Chaos

Matschkopf streckte sich gemächlich in seinem Drehstuhl aus Büffelleder aus und genoss sein neues Büro. Vor ihm stand ein gigantischer Schreibtisch aus Mahagoni, dem mit Sicherheit ein halber Regenwald zum Opfer gefallen war. Der Fußboden bestand aus echtem Marmor, der aus irgendeinem Ort stammen sollte, der entfernt an eine Spielzeugrennbahn erinnerte. Ihm gegenüber stand der fast genauso große, dafür aber mit Pizzakartons und Dönerpapier überladene Schreibtisch seines treuen Gehilfen Erwin P. Dumpfbacke. Dieser ließ gerade aus seinem Polymurks ein Drahtgeflecht erwachsen, auf das er sorgfältig eine Scheibe Quinoatoast platzierte. So einen Polymurks musste heutzutage einfach jeder haben. Man trug es am Handgelenk wie eine stinknormale Smartwatch, jedoch war die Auswahl an Apps einfach unendlich.

Sie hatten es geschafft! Nachdem sie erfolgreich den Aufstand der Verschwörungstheoretiker im Aluhut erstickt hatten und somit wieder Frieden im Land eingekehrt war, wurden sie befördert und mit den entsprechenden Statussymbolen ausgestattet. Außerdem sorgte die neue Regierung mit ihrer Politik des Wirtschaftswuppses dafür, dass Geld in Unmengen vorhanden war und Thüringen sich eine neue Hauptstadt leisten konnte. Mit Groß-Sömmeroda hatte Thüringen nun eine Kapitale, die dem 476sten Mitglied der Vereinten Nationen würdig war.

Teil 2: Der Auftrag

Hier aus dem 17. Stock des niegelnagelneuen Polizeipalastes hatten sie einen traumhaften Blick auf das goldene Bratwurstdenkmal, das gleichzeitig Heimatverbundenheit und Widerstandskraft gegen subversive Umtriebe symbolisieren sollte. Matschkopf schaute versonnen aus dem Fenster, eingelullt von dem systematischen Witsch-Watsch von Dragomira, die den Mischmopp elegant über die Marmorfliesen gleiten ließ. Dragomira, Direktimport aus einer der südosteuropäischen Kurzzeitrepubliken, war ihnen als Privatputzfrau zugeteilt worden, ein Statussymbol, das weit über die üblichen Büroausmaße, Parkplätze in Fahrstuhlnähe und Expressschalter in der Kantine hinausging. Doch plötzlich wurde Matschkopfs tiefsinniges Sinnieren gestört. Schon von Ferne hörte er das Summen des elektrischen Golfwagens, mit dem sich Polizeipräsident Bernd Höckmann duch das Gebäude zu bewegen pflegte. Direkt vor ihrer Bürotür verstummte das Summen und Höckmann trat mit seiner üblichen napoleonesken Pose ein.

„ACHTUNG!“

Matschkopf und Dumpfbacke nahmen Habachtstellung ein, während Dragomira ihren Wischmopp zackig präsentierte. „Rühren, setzen, weiterwischen“, befahl Höckmann mit militärischem Drill. „Reichshauptkommissar Matschkopf, Obersturminspektor Dumpfbacke, Ihr sofortiger Einsatz ist gefragt. Schauen Sie sich dies an!“ Höckmann machte eine Wischbewegung mit seinem Polymurks und es erschien ein Hologramm, das einen bierbäuchigen Honk mit Deppendeckel zeigte. Matschkopf erkannte sogleich, warum es ging: „Ah, ein Anhänger von TNT Sömmeroda. Ich würde sagen, aufgenommen auf der Westkurve beim Endspiel des Eurodeppen-Kick-Contests gegen Inflation Istanbul.“ Höckmann guckte genervt: „Ja, sicher. Aber darum geht es nicht. Schauen sie sich an, was der Fußballhonk auf der Brust hat, zwischen Schweißfleck und Senfrest.“ Matschkopf und Dumpfbacke betrachteten eingehend das Hologramm. „Ein großes E in Frakturschrift. Ist das nicht das Label dieser neuen Modekette, die Klamotten aus mindestlohnfreier Produktion garantiert?“ fragte Dumpfbacke aufgeregt. „Erwin, du meinst das H von Heuchel und Mief. Die sind aber schon seit Jahren pleite. Dieses E taucht allerdings seit geraumer Zeit immer wieder auf. Und zwar immer dort, wo viele Bratwürste verspeist werden, deren Herkunft nicht einwandfei geklärt ist.“ „Reichshauptkommissar Matschkopf, ich sehe, auf Sie ist Verlass. Gehen Sie dem auf den Grund und schützen sie unsere Kultur wie auch die thüringischen Reichsgrenzen!“

Matschkopf, Dumpfbacke und Dragomira stiegen unverzüglich in den Direktfahrstuhl, der sie unmittelbar zum Parkplatz ihres Dienstsplashes (Ahaa!) brachte. Sie bestiegen dieses ultimative Gesetzeshütergefährt, während Dragomira im Kofferraum Platz nahm. „RHK Matschkopf an Autopilot: Koordinaten 3-7-4 U-K-T. Energie.“ Der Splash (Ahaa!) setze sich mit nachhaltigem Druck in Bewegung, wobei der neuentwickelte Wirbelstrommotor eine nie gekannte Kraft entfaltete, so dass sie ihr Ziel in Sekundenbruchteilen erreichten.

Ehrfürchtig standen sie vor dem ultimativen Gourmettempel der Hauptstadt. Das „Avec de l’eau“ war das angesagteste Restaurant weit und breit. Auf einen Tisch wartete man in der Regel länger als auf ein Paket bei Amazon Tadschikistan. Matschkopf und Dumpfbacke jedoch erklommen die repräsentative Freitreppe eingerahmt von himmelhohen griechischen Säulen und wurden sogleich vom Besitzer in Empfang genommen. „Matschie, Erwin, wie schön euch zu sehen! Kommt, ich habe einen Tisch auf dem Ehrenpodium für euch. Eure Putzfrau könnt ihr hier an der Garderobe abgeben.“ „Ali, heute nur einen kleinen Snack. Wir sind im Dienst und wir brauchen deine Unterstützung.“ Ali, einst Inhaber einer nicht immer hygienisch einwandfeien Dönerbude, war als Hilfspolizist mitverantwortlich dafür gewesen, den Umtrieben der subversiven Aluhüte ein Ende zu bereiten. Der darauffolgende Ruhm und die nicht unbeträchtliche Belohnung hatten es ihm ermöglicht den Gourmettempel zu errichten, von dem er immer geträumt hatte.

Sie saßen zusammen auf einem von Weinranken umsäumten Podium bei zeitgemäßer Softmetalmusik und aßen vorzügliches Blauwalcarpaccio an Tulpenreduktion. Dazu kredenzte Ali ihnen Craft-Buchsbaumsud von 1987, Südhang. „Wir sind auf der Suche nach einem E in Frakturschrift. Es könnte einen Zusammenhang zu Hohlköpfen, Fußball und Bratwürsten geben.“ Matschkopf blieb bewusst vage, denn er wollte Alis Gedankengänge möglichst offen halten und Zeit gewinnen um noch ein Stück Carpaccio in Ruhe zu verspeisen. „In der Szene taucht ein solches E immer auf, wenn Elmar die Herkunftsbezeichnung ist. Allerdings nur bei Ware von minderer Qualität. Ihr solltet vielleicht mal an einem Kiosk nachfragen.“

Und schon wieder war ihnen Ali eine unersetzbare Hilfe. Matschkopf und Dumpfbacke wickelten sich in Fan-Schals von TNT Sömmeroda ein und banden an Dragomiras Wischmopp ein Transparent in TNT Farben mit der geistreichen Aufschrift „Hohoho TNT gewinnt sowieso“. Am Kiosk neben dem Eingang zur TNT-Arena bestellten sie Bier und Bratwürste sowie ein Fläschchen Meister Proper für Dragomira. Am abgelegensten Stehtisch untersuchten sie ihre Käufe. Und siehe da, sowohl in den Bratwürsten wie auch auf dem Pappbecher mit dem Bier fanden sie das besagte E. Matschkopf schaute sich die Bratwurst genauer an und rieb über die Stelle mit dem eingestanzten E. Und plötzlich tauchte ein Schriftzug von einem Ende der Bratwurst bis zum anderen auf: „Elmar weiß Bescheit“. Daraufhin rieb Dumpfbacke über das E auf seinem Pappbecher. Und auch hier erschien ein Schriftzug: „Nächstes Treffen Donnerstag Sonnenuntergang“.

Teil 3: Die Jagd

Matschkopf war sofort klar, was hier gespielt wurde: „Hier ist eine veritable Verschwörung im Gange. Doch wo soll dieses Treffen stattfinden?“ Ein weiteres Problem war, dass es schon Donnerstag war und die Sonne sich den Gipfeln der lieblichen thüringer Berge näherte. Und wer oder was war Elmar? Und wieso weiß er Bescheid? Sie zerbrachen sich die Köpfe, bis Dragomira nach einem Schluck Meister Proper verlautbarte: „Da sein Mann mit Scheit.“ Matschkopf wollte schon zu einem Vortrag über die Bedeutung der Grammatik für die kulturelle Identität und die Wichtigkeit der Orthografie für die interhumane Kommunikation ansetzen, als auch er den Mann mit einem Holzscheit unter dem Arm vorbei gehen sah. „Los, wir folgen ihm unauffällig.“ Auf leisen Sohlen und jede Straßenlaterne als Deckung nehmend folgten sie dem Mann mit dem Scheit. Die Gegend wurde immer unheimlicher. Schon längst hatten sie die Prachtboulevards von Neu-Sömmeroda verlassen und waren inzwischen in einem spärlich beleuchteten Kleingartenverein angekommen. Matschkopf schnupperte an der verwilderten Hecke. „Buchsbaum. Ohne jeden Zweifel!“ Nach einer Biegung öffnete sich der halb zugewucherte Weg zu einem schlaglochübersäten Parkplatz. Dahinter sahen sie das obligatorische Vereinsheim mit hell erleuchteten Fenstern. Voller Schrecken sahen sie, dass hier nicht nur ein Mann mit einem Scheit auf das Vereinsheim zuging, sondern aus allen Richtungen Personen kamen, junge wie alte, dicke wie dünne, andersartige und diverse usw. Alle hatten sie einen Holzscheit unter dem Arm und strömten in das Vereinsheim, das inzwischen aus allen Nähten platzen musste.

Sie schlichen den Parkplatzrand entlang und versteckten sich hinter dem Vereinsheim. Der intelligente Mensch denkt nach, das Genie handelt! Matschkopf sah das Schild mit der Aufschrift „Offenes Feuer ohne Erlaubnis des Vorstandes verboten!“ und daneben ein Stapel mit Holzscheiten. „Jeder einen Scheit und dann gehen wir rein.“ Wie üblich übernahm Matschkopf die Führung und wagte sich als erster in das Vereinsheim des Schreckens. Wider Erwarten war das Vereinshaus absolut leer, kein Mensch zu sehen. Doch Matschkopfs Adleraugen sahen einen Spalt neben dem Schnappsregal, aus dem ein schwacher Lichtschein drang. Auf leisen Sohlen und den Scheit im Anschlag öffneten sie die Geheimtür und fanden sich auf einem Treppenabsatz. Sie nahmen die Treppe und drangen immer tiefer in den Untergrund des Kleingartenvereins ein, Treppe für Treppe, Absatz für Absatz. Als sie gefühlt bereits am Erdmittelpunkt angekommen sein mussten, erreichten sie einen spärlich erleuchteten Gang. Je weiter sie den Gang gingen, desto lauter wurde ein seltsamen Summen, das ihre Ohren benebelte.

Teil 4: Se Schohdaun

Plötzlich öffnete sich der Gang zu einer riesigen unterirdischen Höhle, gefüllt mit tausenden Menschen, die alle einen Scheit in der Hand hielten, ein unverständlichen Wort summten und sich hin und her wiegten. Es klang wie ein gedehntes „elll-maaaar-elll-maaaar“. Auf einmal verstummte die Menschenmenge und eine Gestalt erklomm das Podest, das sich in der Mitte des Raumes befand. Die Gestalt war in eine mit goldenen Stickereien verzierte blütenweiße Toga gehüllt und trug auf dem Kopf einen Kranz aus geflochtenen Buchsbaumzweigen. Das arrogante Gesicht wurde eingerahmt von einem fusseligen Bart, der an einen Erdkundelehrer im pädagogischen Endstadium erinnerte. Hinter ihm prasselte ein Feuer und über dem Feuer hing ein gigantischer Kupferkessel, aus dem grünlicher Dampf quoll. „Freunde des Scheits! Ich, Elmar der Einzigartige, werde euch erlösen von eurem täglichen Trübsinn. Ich werde euch vergessen machen das sinnlose Denken. Ihr werdet lernen zu glauben an die Kraft des Scheits. Nehmet euren Polymurks und öffnet die Becher-App. Werfet euren Scheit in das Feuer. Dann werdet ihr unendliche Glückseeligkeit erlangen durch den heiligen Trank des Elmar!“

„Erwin, Dragomira, wir müssen handeln, bevor es zu spät ist. Wir müssen das Ganze verzögern, zumindest solange, bis ich mein Vermögen in Netflix-Aktien investiert habe.“ „Du, Matschie“, Dumpfbacke blickte verwundert zu dem Podium, „ist das nicht der Frickler, den wir schon mal hopps genommen haben?“ Und tatsächlich! Der Typ im weißen Gewand war kein anderer als Heinz-Günther Frickler alias Superterrorist El Malo, die Geißel der Menschheit. Zum Entsetzen der zweieinhalb Gesetzeshüter ergriff El Malo eine goldene Schöpfkelle und tauchte sie in das Gebräu im Kupferkessel. Doch bevor El Malo den ersten Becher füllen konnte, rief Matschkopf: „Frickler, im Namen der thüringischen Reichsregierung: Sie sind verhaftet.“ „Matschkopf, Sie schon wieder! Aber diesmal können Sie mich nicht aufhalten.“ Dann richtete er sich an seine Jünger: „Im Namen des Scheits! Lyncht die drei Frevler!“ Die Menschenmenge drehte sich zu Matschkopf, Dumpfbacke und Dragomira und hob wie eine Roboterarmee drohend ihre Scheite. 

„Nix Problem. Ich mache.“ Dragomira fischte aus ihrem Kittel ein Fläschchen Domestos Ultra, befestigte es an der Spitze ihres Wischmopps und schleuderte ihn olympiamäßig in den Kupferkessel.

Als er erwachte, lag Matschkopf auf dem Parkplatz des Vereinsheims, umgeben von stöhnenden und sich auf dem Boden wälzenden Personen. Das Vereinsheim bestand nur noch aus den Grundmauern und dahinter war ein tiefen Krater zu sehen, dessen Boden man nur erahnen konnte. Ein leichter Wind wehte und ein Stück Papier flatterte über den Boden. Matschkopf hob seinen schmerzenden Kopf und las:

Der Plan

El Malo Reloaded: Erreichen der Weltherrschaft in 3 Schritten

  1. Bratwürste manipulieren
  2. Honks mit Buchsbaumtrank vergiften
  3. Weltherrschaft ergreifen

Koppirait bei H.-G. Frickler

The End

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.01.2021. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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