Klaus-Peter Behrens

Der Kater und sein Magier, Teil 33

Unter der Führung von Bärbeiß machten wir uns also auf den Weg in den Hexensumpf. Der Name löste in mir eine gewisse Beklemmung aus, zumal der Kater mir boshaft mit viel Liebe zum Detail von der Speisenvorliebe einer Hexe berichtete, die in einem Knusperhaus gelebt haben sollte.

„Aber Hexen haben wenigstens Geschmack; denn sie lieben schwarze Kater“, schloß Mikesch unbekümmert seine Geschichte. Breit grinsend sah er zu mir auf. „Keine Sorge, Kumpel. So klapperdürr, wie du bist, haste wenig zu befürchten. Dich fett zu bekommen, würde jede anständige Hexe in den Ruin treiben.“

Ich wollte gerade eine bissige Antwort geben, als mir ein höchst unerfreulicher Geruch in die Nase stieg. Schon seit einiger Zeit waren die inzwischen vertrauten Silhouetten der Buchen, Eichen und Erlen verschwunden und hatten einer morastigen Ebene Platz gemacht. Der Vorstufe des eigentlichen Sumpfes, und den hatten wir offenbar gerade erreicht.

„Wir sind da“, kommentierte Borogaad überflüssigerweise den impertinenten Gestank, der plötzlich in der Luft hing und geradewegs aus der Tiefe eines blubbernden Hexenkessels zu kommen schien. Mir wurde schlecht.

Das selbst für Vetter Grumbatz zu heftig“, stöhnte Gorgus. Er war ungewöhnlich blaß geworden und kämpfte genauso wie ich darum, seinen Mageninhalt nicht durch die Einfüllöffnung von sich zu geben.

„Kotz mir bloß nicht auf den Pelz, mein Großer“, warnte Mikesch, der neben dem Troll auf das düstere Moor hinaus spähte. Ich schluckte den Würgereiz hinunter. Hier würde die Geschichte also ihr Ende finden oder ich meines, falls ich aus Versehen zu tief Luft holen sollte. Mein Blick fiel auf Hilly, die zwar grün im Gesicht war, aber von ihrer gewohnten Entschlossenheit nichts verloren hatte.

„Vorwärts, man gewöhnt sich an alles“, befahl sie und begab sich als erste in die stinkende Hölle.

Mit zugehaltenen Nasen folgten wir. Der Weg wand sich nun wie eine Schlange endlos durch eine morastige Fläche die stank, wie ein riesengroßes Lager ungewaschener, in der Sonne dampfender Socken.

Und trotzdem war der Sumpf voller Leben.

Von allen Seiten quakte, piepte, grunzte, summte, zirpte, schwirrte oder blubberte es um die Wette, während wir Schwierigkeiten hatten, am Leben zu bleiben und nicht vom Pferd zu fallen. Nur Borogaad schien das Ganze nichts auszumachen. Gelegentlich schnappte er nach ein paar kleineren Flugechsen, die uns neugierig umkreisten oder wälzte sich vergnügt in einem besonders übel riechenden Schlammloch.

„Der schreckt vor nichts zurück“, brummte Mikesch mißlaunig. Sein Fell wies inzwischen eine stattliche Anzahl von Schlammspritzern auf, und der fröhlich planschende Drache verbesserte die Lage nicht unbedingt.

„Typisch Drache“, knurrte Bärbeiß als der Drache sich vor Schlamm triefend zurück auf den morastigen Pfad kämpfte.

„Das macht die Schuppen geschmeidig. Solltet ihr auch mal probieren“, empfahl er vergnügt. Wir schüttelten nur die Köpfe und bemühten uns, Abstand von dem mittlerweile übel müffelnden Drachen zu halten. Ich entdeckte allerdings neidisch, daß nicht nur wir, sondern auch die unzähligen Steckmücken einen Bogen um den Drachen machten und sich lieber über die anderen schmackhaften Mahlzeiten her machten. Der Sumpf war wirklich das Letzte. Das einzig Positive war eine Vielzahl von frischen Hufabdrücken in dem weichen Boden, die belegten, daß wir auf der richtigen Spur waren.

Wir waren etwa zwei weitere Meilen tiefer in den Sumpf eingedrungen, als Bärbeiß Stimme an der Spitze unseres Trupps eine unerfreuliche Botschaft verkündete.

„Wir bekommen Besuch.“

 

– 24 –

„Hmmrgrrgrhmpf!“, protestierte Nobeline energisch angesichts der stinkenden Dämpfe die links und rechts des Weges vom Moor aufstiegen. Der Sumpf war in der Tat eine Zumutung, auch ohne den schmeichelhaften Namen, unter dem man ihn kannte.

„Hrgmpfgrr“, stimmte der inzwischen ebenfalls geknebelte Van ihr zu. Allerdings nützte es ihnen nichts. Genauso gut hätten sie dem Bären und seinen Begleitern die Kunst der Fuge erklären können. Die Reaktion wäre die gleiche gewesen.

Seit sie den Sumpf erreicht hatten, war ihren Begleitern einfach nicht mehr, als ein unwilliges Knurren zu entlocken. Die Schwermütigkeit der Landschaft hatte sich offenbar wie ein Schatten auf die Gemüter gelegt. Vielleicht waren sie aber einfach auch nur maulfaul oder erinnerten sich an die Geschichten, die sich um den Sumpf rankten, wie die Schlingen einer Würgepflanze um ihr Opfer. Was auch immer der Grund sein mochte, war Nobeline letztlich egal, solange sie nur endlich erfahren würde, was man mit ihr vorhatte. Doch ihre Wächter schwiegen beharrlich, und allmählich begann Nobeline sich ernsthaft Sorgen zu machen. Fragen, auf die es keine Antworten gab, wirbelten in ihrem Kopf wie Wolkenfetzen hin und her. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so hilflos gefühlt. Die Tatsache, daß die Sonne schon tief im Westen unterwegs war und es bald dunkel werden würde, machte die Sache auch nicht besser. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich in Geduld zu üben.

Van hätte ihr zumindest ein Teil der Fragen beantworten können. Er war zwar noch nie im Hexenmoor gewesen, was nicht bedeutete, daß er noch nichts von ihm gehört hatte. Die Bande wollte also zur alten Hedwig. Fragte sich nur, warum?

Wenn es der Bande nur um Lösegeld gegangen wäre, hätten sie jemand los geschickt, um die Forderung geltend zu machen. Hedwig hingegen paßte nicht ins Bild. Das Ganze war ein Rätsel. Leider sprach eine hinreichend große Wahrscheinlichkeit dafür, daß ihm des Rätsels Lösung nicht gefallen würde. Nun, zumindest wußte er jetzt um die Identität seiner Begleiterin, auch wenn er sich nicht so recht entscheiden konnte, wie er damit umgehen sollte. Doch wie hieß es so schön: Kommt Zeit, kommt Wild. Er mußte nur abwarten, was ihm angesichts seiner derzeitigen Lage ohnehin nur übrig blieb.

Eine gute Stunde später erreichte die Gruppe eine Insel im Sumpf, auf der eine unbeschreibliche Hütte thronte. Ein äußerst nervös wirkender, wieselartiger Mann hielt davor Wache und begrüßte die Ankömmlinge ungehalten. Das wütende Gebaren Nobelines, die ihn gleich wieder erkannte, ignorierte er geflissentlich. Geschäft ist Geschäft. Mit in den Hüften gestützten Händen baute er sich vor dem Bären auf, der den Trupp anführte und stellte frustriert fest, daß er sich gerade einmal auf Augenhöhe mit dessen Brustbehaarung befand.

„Wurde Zeit“, knurrte er verärgert, wobei er den Kopf in den Nacken legen mußte. Was er sah, verärgerte ihn noch mehr, denn der Bär musterte ihn eindeutig spöttisch, als habe er ein bockiges Kind vor sich.

„Woll“, brummte er vergnügt.

„Fang nicht schon wieder damit an. Wenn Er das hört, landest du, wenn du Glück hast, nur im Sumpf und...“

Eine große, behaarte Pranke umschloß plötzlich Wiesel Wams, hob ihn ohne Mühe hoch und schleuderte ihn in die brackige Brühe.

„Du redest zu viel“, beschied der Bär. Während Wiesel auf Tauchstation ging und dort von den Bewohnern freudig begrüßt wurde, öffnete sich die Hüttentür und spuckte den Unheimlichen aus. Giftgrüne Wolken begleiteten seinen Auftritt und ließen den Eindruck entstehen, als habe sich gerade die Tür zum Dämonenreich geöffnet. Wider Willen war der Bär beeindruckt. Wer solche Qualmwolken produzierte, mußte entweder mit den Mächten der Finsternis im Bunde stehen oder ein miserabler Koch sein.

Indes kam der Unheimliche gemessenen Schrittes auf die Gruppe zu, um die Lieferung zu inspizieren.

„Gut, sie ist noch ganz“, stellte er nach einem Blick auf Nobeline fest, die zappelte wie ein Fisch auf dem Trockenen und ihn wütend anfunkelte. „Weniger gut“, ergänzte er, als er Van entdeckte. „Was soll ich denn mit dem anfangen?“

„Der ist gratis.“

Der Unheimliche stöhnte. Da hatte er diesen degenerierten Halbaffen einen eindeutigen Auftrag gegeben und nun schleppten sie irgendeinen Fremden an. Allerdings kam ihm der Fremde irgendwie bekannt vor. Neugierig geworden trat er näher heran und betrachtete den kopfüber vom Pferd hängenden Van.

„Das ist ja ein unglaublicher Zufall“, staunte er, als er erkannte, wen man ihm da angeschleppt hatte. Allerdings hatte er nicht die Absicht, den Bären über den willkommenen Zufall zu informieren. Die Möglichkeiten, die sich nun boten mußten sorgfältig bedacht werden. Zufrieden wandte er sich dem Bären zu.

„Bringt beide in die Hütte“, knurrte er.

Zehn Minuten später hatten Nobeline und Van das zweifelhafte Vergnügen, Hedwigs Hütte von Innen kennenzulernen, während sich die Flüsterbande auf den Rückweg machte. In der Tasche des Bären klimperte eine stattliche Anzahl Münzen, die ihn so fröhlich stimmte, daß er sich sogar dazu herab ließ, Wiesel zuzuwinken, der sich noch immer im Moor vergnügte. Der Bär hatte von den entspannenden Moorbädern gehört, die überall in Mode gekommen waren. Allerdings wirkte Wiesel nicht wirklich relaxt, fand der Bär. Sein Gesichtsausdruck wirkte eher gehetzt und mit den Händen bearbeitete er die brackige Brühe, als sei darunter etwas verborgen, was ihm ans Leder wollte. Erholung sah anders aus. Kopfschüttelnd ließ der Bär sein Pferd antraben. Es war an der Zeit, diese unerfreuliche Gegend hinter sich zu lassen.

 

– 25 –

Mit dem Rücken an der Hüttenwand und an Armen und Beinen gefesselt, beobachteten Nobeline und Van mit wachsendem Entsetzen wie die Hexe emsig in einem gußeisernen, riesigen Kochtopf rührte. Das brodelnde Gemisch im Inneren des Kessels blubberte bedrohlich und roch abscheulich. Bei genauerem Hinsehen glaubte Nobeline, gelegentlich einen kleinen Kopf mit schwarzen, funkelnden Augen aus der Brühe auftauchen zu sehen, der ihr die Zunge herausstreckte. Aber vermutlich war dies nur ihrer galoppierenden Phantasie zuzuschreiben. Wütend fixierte sie den Unheimlichen, der dem Treiben der Hexe interessiert zusah. Die Tatsache, daß ausgerechnet derjenige, der ihr dazu geraten hatte, eine Künstlerkarierre zu beginnen, offenbar der Initiator dieser Geschichte war, lag Nobeline wie Blei im Magen. Wenn Blicke töten könnten, hätte der Unheimliche umgehend eine passable Mumie abgegeben. So aber erfreute er sich bester Gesundheit und wandte sich sichtlich zufrieden seinen Gefangenen zu. Mit einem Ruck löste er Nobelines Knebel und sah düster lächelnd auf sie hinab.

„Verräter“, fauchte diese erbost und spuckte den Unheimlichen an.

„Aber, aber“, tadelte der mit erhobenen Zeigefinger. „Ich will euch doch nur vor der Hochzeit mit Eurer Begleitung bewahren.“ Mit der Hand wies er auf den grimmig drein blickenden Van, worauf Nobeline stutzte.

„Wie kommt Euer wirrer Verstand dazu anzunehmen, daß ich den zu heiraten beabsichtige?“

„Nun, soweit ich mich erinnere, wollte Euer Vater Euch doch mit Prinz Vanadium verheiraten.“ Er machte eine Kunstpause, indes Nobelines ungläubig Van betrachtete. Konnte es sein, daß dieser Waldläufer namens Van der Mann war, vor dem sie geflohen war? Konnte das Schicksal so zynisch sein?

Es konnte, denn Van nickte und zuckte hilflos mit den Achseln.

„Du hast mir die ganze Zeit etwas vorgespielt! Du wußtest wer ich war und hast dich über mich amüsiert?“
Van schüttelte wild den Kopf und gab protestierende Geräusche von sich.

„Keine Sorge Kindchen, wenn du erst mal meinen Trank in dir hast, wirst du ganz andere Gelüste verspüren und den schnell vergessen“, schaltete sich Hedwig in das Gespräch ein, gefolgt von einem schaurigen Lachen, das Nobeline schaudern ließ.

„Was soll das heißen?“, fragte sie erschrocken.

„Nun, ich favorisiere eine Heirat mit Berthold dem Wehrhaften, der nebenbei mein Neffe ist. Die Heirat würde meine Position deutlich stärken.“

„Berthold, der wie eine Herde Schafe riecht? Niemals!“

„Leider muß ich Euch diesbezüglich korrigieren. Der leckere Trunk, den die gute Hedwig kocht, hat die fatale Konsequenz, daß man sich nach dem Genuß desselben unsterblich in den ersten Menschen verliebt, den man ansieht und alles Andere vergisst. Ich werde Euch daher die Augen verbinden, den Trank verabreichen und dann schnurstracks zu Berthold bringen, damit Ihr ihm ins Auge sehen könnt und Eure Liebe entflammt.“

„Das ist widerlich!“

„Nein, notwendige Politik. Im Übrigen werdet Ihr glücklich sein, da Ihr den Mann heiraten werdet, den ihr liebt.“

„Ihr werdet glücklich sein, wenn noch alle Körperteile an Euch dran sind, wenn mein Vater Euch hängt“, drohte Nobeline, wobei ihre Stimme hörbar zitterte.

„Mit dem Risiko kann ich leben.“

wird fortgesetzt

 

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