Nicki Anton

König Gilbert und die Drei Besucher

Es war einmal ein glückliches Königreich. Wer darin lebte, konnte sich glücklich schätzen, da es an nichts fehlte. Das lag natürlich an dem König und seiner Königin, die dort regierten. Sie regierten mit Weisheit und Liebe für alle, die in ihrem Königreich lebten, groß und klein, ob arm oder reich. Sie hatten nie jemanden vernachlässigt, oder übervorteilt, sodass es für alle ausreichte. Das Königspaar hatte auch einen Sohn, den sie sehr verwöhnten, da er ihr einziges Kind war. Er bekam alles, was er sich nur wünschte. Doch eines Tages kam ein düsterer Schatten über das Land, und die Königin wurde sehr krank und niemand konnte ihr helfen. Der König durchreiste das ganze Land um etwas zu finden, dass seiner Frau, der Königin, wieder Heilung brächte. Doch für die Königin kam jede Hilfe zu spät. Noch bevor der König wieder heimkehrte, verschied sie. Der König aber voll Kummer um des Todes seiner geliebten Königin, verstarb ein Jahr später an dem Verlust. Das ganze Königreich war in tiefster Trauer über das Königspaar, doch es dauerte nicht lang bis das Volk einen neuen König hatte, da das Königspaar einen Sohn hinterließ, wurde er, Gilbert, mit acht Jahren zum König gekrönt.

Der junge König musste jedoch erst noch lernen was es bedeutet ein ganzes Reich als König in Weisheit zu regieren. Aber der kleine König machte es sich und den königlichen Beratern sehr schwer, da er meistens nur spielen wollte als zu lernen. Und als die Jahre ins Land gingen, wuchs der kleine König zu einem stattlichen jungen Mann heran. Einiges änderte sich jedoch nicht; seine Lieblingsbeschäftigungen waren immer noch Spielen, Schabernack treiben und er entdeckte immer mehr eine Vorliebe zu schmackhaften Speisen. Er ließ vom Orient bis Asien aus allen Landen die besten Leckereien holen. Er veranstaltete jedes Mal ein großes Festmahl, in dem er der Ehrengast war und manchmal sang er sogar ein Lied zu Ehren seiner leckeren Speisen. Und nach seinem üppigen Mahl, wie er pflegte, rief er etliche seiner Diener zusammen, um mit ihnen seine Lieblingsspiele zu spielen. Darunter waren Fangen, Verstecken, Blindekuh und Völkerball, aber sein Lieblingsspiel von allen Spielen war: Die Reise nach Jerusalem.

Den Bewohnern des Landes war es aber im Gegensatz zum König nun wirklich nicht zum Spielen zumute, denn als der König es immer weiter so hielt, alles selbstsüchtig für sich in Anspruch zu nehmen, was im gesamten Königreich wuchs und gedieh und dazu noch sämtliche Bedienstete für seine Belustigungen und Botengänge zu beschäftigen, konnte sich niemand mehr um das immer ärmer werdende Volk kümmern. Dem König interessierte das nicht sonderlich viel, wenn seine Berater ihn darauf hinwiesen, dass das Volk hungerte und er viel zu viel für sich beanspruchte, und zu wenig für das Land und dem Volk getan werde, denn sein Motto war es lieber nehmen als zu geben, denn er war der Meinung, dass das Volk sich mehr anstrengen und noch viel härter arbeiten müsse, um die Steuern zu bezahlen und dann noch etwas über zuhaben, für ihren täglichen Gebrauch, da sie ja in sein wunderschönes Königreich leben durften.

Die königlichen Berater rieten ihm dazu eine Gemahlin zu erwählen, doch so oft er auch immer eine schöne Frau sah und sich für sie interessierte, fand er doch keinen Weg, deren Herz für ihn zu öffnen, da die Gerüchte von seinem eigennützigen Regieren und seinem Geiz im ganzen Land bekannt waren. Das stimmte den König immer sehr traurig. Dann flüchtete er sich jedes Mal in seine Lieblingsbeschäftigung: Dem Essen.

Der König wurde auch immer dicker und vernachlässigte sein äußeres Erscheinungsbild mehr und mehr. Eines Tages war er dann so dick, dass er seine Lieblingsspiele nicht mehr spielen konnte. Da rief er alle seine Diener zu sich, dass sie für ihn spielen sollten. Als die königlichen Berater sahen, dass der König sich weiter so verhielt und noch mehr aß und nicht zur Einsicht gekommen war, ja es noch schlimmer mit ihm wurde, als er anfing nur noch zu essen und zu schlafen, da verließen ihn alle königlichen Berater und Diener. Nur noch ein paar Bedienstete blieben um zu putzen und zu kochen. Somit verschlechterte sich nicht nur das Erscheinungsbild des Königs, sondern auch alles andere auf dem königlichen Anwesen, angefangen vom Hof und Garten, bis zu den umliegenden Feldern. Auch alle Steuern und Einnahmen wurden nicht mehr eingeholt, aber der König dachte bei sich selbst:

Ich habe ja genug angehäuft für eine lange Zeit.

Doch des Königs Essgewohnheiten vermehrten sich um das Dreifache. Er aß nun drei Wildbraten am Tag, dazu zwei Enten und ein Früchtebrot, zwei Pasteten und vier Maiskolben, ein Rosinenkuchen und drei Buttertoaste. Somit war die erdachte lange Zeit schon fast vorbei. Wie ist es nun schlimm um ihn geworden, des Königs Mantel passte nicht mehr. Lediglich ein Schlafgewand musste her, Schuhe und Thron verengten sich sehr, des Königs Bett trug ihn schon lange nicht mehr. Als dann die letzten Bediensteten unbezahlt gingen, nahm er sich eine Decke und die Essensreste aus der Küche und legte sich auf ein Sofa. Da dachte er, wie gut er es doch früher hatte, und jetzt so weit hinab fiel! Wie konnte das nur passieren? Da wurde der König sehr betrübt über seiner schlechten Lage.

Und so blieb er Tage lang liegen und dachte, mit was er das alles nur verdient habe.

Was würde er jetzt machen ohne seine Berater, die ihm immer so gut dienten. Dazu aß er noch Braten und Käse mit Zwiebeln. Da wurde der König sehr müde, und schlief bald ein, mit dem Gedanken:

Was kann es nur sein?

Doch der König wurde schon bald wieder wach, nämlich von einem Klirren. Er sah sich um und genau vor ihm stand ein Wesen, das nur knapp einen Meter groß war, mit einem Tablett in seiner Hand. Es hatte eine Metallrüstung an, die nicht mehr glänzte und eine Art Piratenhut, der auch schon ausgefranst zu sein schien, das seltsamste aber war, dass seine Haut eher grün oder blau war. Mit einem Mal schrak der König auf und wurde gewahr was er dort sah und schrie und hielt seine Hände vor seinen Augen, denn er konnte es gut sehen, durch das Fenster herein scheinende Mondlicht. Als er langsam begann durch seine Fingerritzen zu sehen, ob es noch da war, da lächelte es ihm breit grinsend zu, und des Königs Blick fiel auf das Tablett, das es trug und darauf sah er eine Pistole. Das Wesen reichte nun dem König mit seiner rechten Hand das Tablett näher zu und machte eine Bewegung mit seiner Linken und wies ihm somit auf die Pistole hin, dass er sie nehmen solle, aber der König verbarg krampfhaft sein Angesicht voller Angst und hoffte, dass dieses Wesen wieder verschwinden würde und schrie verzweifelt nach Hilfe.

Nach einer Weile meinte er ein schrilles Lachen zu hören, dass sich schadenfroh über die missliche Lage des Königs zu amüsieren schien. Als das Lachen nun immer mehr verhallte und schließlich nicht mehr zu hören war, nahm der König langsam die Arme von seinem Gesicht und sah, dass da nichts mehr war, nur noch das brennende Feuerholz im Kamin. Da war der König sehr erleichtert, und erstaunte zugleich ob dieses Wesen wirklich da war oder es nur Einbildung war. Er sann noch über diese unheimliche Begegnung eine Weile nach, was sie zu bedeuten habe. Als er aufstehen wollte, um wieder neues Holz in den Kamin zu legen, da es schon allmählich heruntergebrannt war, merkte er, dass er nicht alleine aufstehe konnte So fing er an in seiner Verzweiflung nach seinen Bediensteten zu rufen, aber niemand hörte ihn, denn keiner war mehr da. Er dachte:

Soll ich nun so verrotten? Auf diesen Sessel hockend, viel zu dick und unbeholfen?

Da fing der König an und schrie, in der Hoffnung, dass ihn irgendjemand hören könne, immer lauter: Hilfe, Hilfe!

Da füllten sich des Königs Augen mit Tränen, ja er weinte, bis er dann nach einer Weile erschöpft einschlief. Das Feuer im Kamin wurde jetzt immer kleiner und im Zimmer des Königs wurde es immer kälter. Nach einigen Stunden wurde der König langsam wach, weil er fror. Er zog seine Decke höher und sah im Kamin, dass das Feuer nur noch eine einzige kleine Flamme hatte. Plötzlich hörte er ein kleines Glöckchen klingen, das aus dem Flur des Vorzimmers drang. Da wurde der König ganz still und horchte und sah zum Flur hin, doch er konnte nichts erkennen, da das Vorzimmer und der Flur völlig im Dunkeln waren.

Da dachte er:

Das war sicherlich mein Ohr, das da klingelte.

Doch da war es schon wieder – ein Glöckchen – und diesmal hörte es sich lauter an und wieder erklang es und es war als komme es näher. Der König bekam es jetzt wirklich mit der Angst zu tun, und dachte nur,

Was ist das?

Jetzt hörte er sogar Schritte, die mit den Glöckchen zusammen erklungen und dann sah er ein Gesicht aus dem Dunkeln erscheinen, das sich ihm immer schneller näherte. Des Königs Herz klopfte in diesem Moment so stark, dass es ihm vorkam, als springe es aus seiner Brust. Als die grauenhafte Erscheinung schon fast vor ihm war, zog er schnell die Decke über seinem Kopf und schrie vor Angst laut auf. Er sagte bei sich, dass es nur eine Einbildung sei und nicht die Wirklichkeit. Als er schließlich kein Geräusch mehr hörte nahm er vorsichtig die Decke von seinen Kopf und sah, dass niemand mehr da war. Ja, da war es dem König, als fiel ihm ein Stein von seinem Herzen und er streckte seine Beine wieder aus, die er fest an seinen Körper gezogen hatte, Doch dann sah er es. Es stand jetzt genau vor dem Fenster im Mondlicht. Er sah nur dessen dunklen Umriss. Das einzige was er im Dunkeln wirklich sehen konnte, war das Gesicht; leuchtend weiß war es. Der König merkte, wie seine Haare sich plötzlich hochstellten. Der Schreck fuhr durch seinen ganzen Körper. Jetzt bewegte sich das Wesen vor dem Fenster langsam auf ihn zu. In der Dunkelheit sah es so aus, als schwebe nur das weiße Gesicht in der Luft. Dann aber sah er, dass das Wesen einen langen schwarzen Mantel mit Kapuze trug. Es kam nun immer näher bis es dann schließlich direkt vor ihm stehen blieb. Der König sah, dass auch dieses Wesen ein Tablett in seiner rechten Hand hatte und darauf ein kleines Glöckchen und ein Messer erkannte. Das Wesen mit dem weiß leuchteten Gesicht nahm nun das Glöckchen und läutete es.

Dann reichte es dem König das Tablett zu, aber der König schreckte zurück, worauf das Wesen das Tablett noch näher zu reichte. Der König sah nun direkt auf das Messer. Es hatte ein goldenen Schaft und eine Schlange aus Gold darauf, die sich bis zur langen Klinge schlängelte. Der König sah nun das Wesen fragend an, denn er wusste nicht recht was das eigentlich bedeuten sollte, da machte das Wesen eine ungeduldige Bewegung mit dem Tablett und zeigte mit der linken Hand die, auch genauso weiß war wie sein Gesicht, auf das Messer. Jetzt meinte er langsam zu begreifen, aber konnte es wirklich sein, dachte er.

Dass er das Messer nehmen solle, um sein Leben damit zu beenden und so von seinen Sorgen und der miesen Lage befreit zu sein, und das Wesen bekräftigte dies in dem es ihm zu nickte. Der König schüttelte nun vorsichtig und langsam seinen Kopf, um so an zu deuten, dass er damit auf keinen Fall einverstanden war und vergrub nun sein Gesicht in seinen Händen und sagte immer wieder leise zu sich und dem Wesen:

Nein!

Sein Nein wurde immer kräftiger und lauter bis er dann schließlich schrie. Da hörte er plötzlich wieder das Glöckchen klingen, aber diesmal wieder von Weiter her. Der König nahm langsam seine Hände von seinem Gesicht und sah sich um. Da wurde er wieder sehr erleichtert als er sah, dass da niemand mehr war. Aber schlafen konnte er jetzt sicherlich auch nicht mehr, nachdem es jetzt schon das zweite Mal geschah und ihm zwei seltsame Wesen begegnet sind, in nur einer Nacht. Er dachte sich immer und immer wieder, was soll das nur bedeuten, grade jetzt wo es ihm so schlecht geht und er nicht aufstehen konnte und ihm alle seine Diener verlassen hatten und er keine Hilfe mehr hatte. Hatte es vielleicht mit seiner Ungehörigkeit zu tun, dachte er nun. Dass er nie auf das hören wollte, was seine Diener ihm immer wieder rieten? Nun kam ihm all seine Ungehörigkeit wieder ein. Zum Beispiel, als er immer viel zu viel aß, obwohl ihm seine Berater immer davon abrieten; als er lieber spielte als zu lernen; als er immer nur an sich dachte, anstatt auch mal an andere; oder als er noch so viel Reichtum hatte und doch den Armen nichts gab. Es zählte immer nur was für ihn gut war. Nun hatte er gar nichts mehr, außer einem Schloss, sein sicheres Grab. Was war er nur für ein eigennütziger Herrscher gewesen, dachte er. Jetzt tat es dem König leid, was er alles falsch machte und wie schlecht er seine Diener und Mitmenschen behandelte. Da fing er wieder an zu weinen und zu schluchzen und dachte daran, was nur seine Eltern von ihm denken würden wenn sie ihm so jämmerlich sehen würden, da er nicht mehr aufstehen konnte, um sein Königreich zu regieren. Da weinte er noch viel mehr. So sehr wie an diesem Tag, weinte der König noch niemals.

In der Zwischenzeit aber war es im Zimmer des Königs sehr kalt und ungemütlich geworden, da im Kamin nun gar kein Feuer mehr brannte und der König immer mehr fror und sich wünschte, dass es endlich Tag würde und die Sonne bald scheine. Als der König nun alles verschwommen sah, wegen den vielen Tränen, wusch er seine Augen trocken und als er wieder klar sehen konnte, sah er direkt vor sich stehen einen Mann mit weißen Kittel und auch diesmal schrak der König fürchterlich zusammen und schlug seine Hände vor seinen Mund und glaubte es kaum. Doch diesmal war es völlig anders. Diese Erscheinung war nicht gruselig, so wie die anderen beiden Gestalten, die er zuvor sah. Ja, es war ein ganz normaler Mensch, der auch freundlich und wohlwollend aussah. Aber als der König von seinem Gesicht herab sah, wurde er doch wieder enttäuscht, auch dieser Mann hatte ein Tablett in seiner Hand! Darauf sah der König ein kleines Fläschchen und es war Rand voll mit Tabletten. Der Mann sah den König freundlich an, und näherte sich nun mit dem Tablett wobei er direkt vor des Königs Sofa stehen blieb und in einer Verbeugung erstarrte, jedoch das Tablett erhöht hielt. Der König sprach nun zu diesem unbekannten Mann und sagte:

Wer bist du? Und wer hat dich eingelassen?

Doch der Mann antwortete ihm mit keinem Wort. Dann fuhr der Blick des Königs auf das Fläschchen mit den Tabletten und er sah, dass es sehr viele waren, mindesten hundert Stück. So schätzte der König und fragte dem Mann: Soll ich diese Tabletten etwa einnehmen? Doch der Mann antwortete wiederum nichts, nickte aber mit seinem Kopf zwei Mal. Da sprach der König zu dem Fremden:

Wenn ich diese ganzen Tabletten einnehme, so werde ich sicherlich sterben!

Und zu des Königs Verwunderung nickte der Mann nun wieder um auch diese Frage mit Ja zu beantworten. Der König schlug nun seine Hand über seine Augen und dachte:

Soll das mein Ende sein, nur bis hierhin bin ich gekommen?

Alle habe ich enttäuscht, mein Reich, mein Volk, meine Eltern. Wie kann ich mich jemals wieder vor jemanden sehen lassen? Des Königs Augen füllten sich nun mit Tränen und liefen seine Wangen entlang. Auch dachte er ob es noch Hoffnung gebe für ihn, irgendeinen Ausweg.

Und Plötzlich sah er auf und sah den Mann immer noch vor sich beugend mit dem Tablett in seiner Hand. Der König bemerkte, dass der Man ihm jetzt noch freundlicher zu lächelte. Da packte dem König der Zorn und mit einem Hieb seiner letzten Kraft schlug er das Tablett des Mannes aus dessen Hand, sodass es zu Boden schmetterte und das Fläschchen mit dem Tabletten zu Bruch ging.

Der Mann zuckte zusammen und machte ein paar Schritte, um sich von dem König zu entfernen. Dabei gelang er immer mehr in den Schatten des Zimmers und schon bald war er nicht mehr zu sehen, bis er dann völlig verschwunden war.

Den König verwunderte das nun gar nicht mehr bei allem, was er schon an diesem Abend gesehen hatte. Er fasste nun alle Kraft um endlich wieder aufzustehen, doch nur bis auf seinen Knien wollte es ihm gelingen.

Er konnte es einfach nicht auf die Beine bringen.

Da kniete der König nun zitternd und schwach, er sah auf zum Himmel und fing zu beten an. Mit all seinem Leid in seiner schlimmsten Not und die Backen vom Weinen knallrot und er sprach:

Oh Gott, wenn es dich wirklich gibt, so wie meine Eltern es mir immer sagten, dann hilf mir bitte jetzt. Ich knie hier vor dir. Ich weiß jetzt, dass ich alles falsch gemacht habe, ich war selbstsüchtig, ungehörig, geizig und wollüstig, ja, ich habe mich ganz allein in diese Lage gebracht. Ich habe nie nach dir gefragt und was dein Wille für mein Leben ist. Bitte hilf mir jetzt vor diesem bösen Wesen und dass ich wieder auf meinen Beinen stehen kann.

Der König wusch sich nun die Tränen ab und sprach weiter:

Eins weiß ich jetzt genau, oh Gott, ich will dir nie wieder den Rücken zu kehren und nun mein ganzes Leben auf dich hören.

Der König merkte nun, dass die Angst gegangen war und spürte, neuer Mut war da. Sein Blick ging nun zum Fenster hinaus und er sah, der Morgen brach an! Und plötzlich, mit einem Mal, vernahm der König eine Stimme, aber nicht mit seinen Ohren, sondern mit seinem Herzen, die sanft zu ihm sprach:

Steh auf und zieh deinen Mantel an!

Der König blickte sich im Zimmer ungläubig umher, ob jemand gekommen war, aber niemand war da. Da hörte der König nun wieder die gleichen Worte zu seinem Herzen reden:

Steh auf und zieh deinen Mantel an!

Der König schaute nun runter zu seinen Knien, auf die er noch immer kniete und fragte sich,

Kann das sein? Hat Gott jetzt gerade zu mir gesprochen?

Als er nach einer Weile keine Stimme mehr hörte und noch darüber nachsann, kam ihm der Gedanke,

Wenn es wirklich Gott war, der zu mir geredet hat, dann kann ich auch aufstehen!

Und völlig befreit von seiner Angst, nahm der König seinen neu gewonnen Mut zusammen und seine ganze Kraft und stand auf unter wankenden Knien. Doch dem König war es noch etwas schwindlig und er schwank noch ein wenig hin und her. Er musste sein Gewicht von einem Bein auf das andere verlagern, doch schon bald stand er wieder ganz gut. Da fing er an im Zimmer umher zu schauen, um seinen Mantel zu suchen, den er dann auch über den Thron liegend vorfand.

Als er nun zum ersten Mal seit Tagen seine Beine benutzte um zu gehen, überfiel ihn Freude und Tatendrang wieder endlich raus an die frische Luft zu kommen. Doch um nicht gleich übermütig zu werden lief er noch ganz vorsichtig zum Thron, doch als er angekommen war musste er bald feststellen, dass sein Mantel, nachdem er ihn angezogen hatte, immer noch nicht passte, obwohl er schon seit Tagen nichts mehr gegessen hatte. Plötzlich hörte der König wieder diese Stimme und diesmal sagte sie:

Geh auf deine Felder und pflüge und säe, dass wieder Ernte eingeholt werde und die Menschen nicht mehr Hunger leiden müssen.

Der König stand nun da mit offenem Mund und viel zu engem Mantel. Er glaubte es kaum und dachte, vielleicht hätte er falsch verstanden, doch dann dachte er daran, wie er zuvor betete und Gott sein Gebet erhört hatte, da er jetzt wieder stehen und gehen konnte. Da wurde ihm klar, dass es Gott war, der jetzt schon zum zweiten Mal zu ihm sprach und er seinen Worten gehorchen müsse, damit alles wieder gut werde.

Da neigte der König seinen Kopf und sagte:

Ich will alles tun was du sagst, oh Gott, aber bitte gib mir die Kraft dazu. Ich brauche deine Hilfe.

Als der König nach diesen Worten zum Fenster sah und den Sonnenaufgang beobachtete hörte er wieder die Stimme und diesmal sagte sie:

Fürchte dich nicht, ich bin mit dir!

Als der König das hörte neigte er wieder behutsam seinen Kopf und lächelte. Dabei traten Tränen aus seinen zugekniffenen Augen, aber diesmal waren es Freudentränen und er sagte:

Danke mein Herr und Gott

und wusch sich die Tränen von seinem Gesicht. Plötzlich verspürte der König eine Freude, die er noch nie so hatte und machte sich auf. Auf dem Weg zu seinen Feldern, die schon viel zu lang auf Arbeiter gewartet hatten, ging er Schnurstraks durch den Flur zum Vorzimmer und folgte den Doppeltreppen nach unten. Dann musste er nur noch durch die große Halle und den langen Flur, der besät mit Säulen, Statuen und Gemälden war, bis er dann schließlich zur großen Tür kam. Als der König die Tür nun öffnete und über die Türschwelle tritt und zum ersten Mal seit Wochen endlich wieder frische Luft atmete, hatte er nun wirklich das Gefühl, als wären schwere Ketten von ihm gefallen und jetzt war er endlich frei!

Der König stand noch eine Weile so, atmete ein und atmete aus. Dann ging er zum Gerätehaus und nahm alles zum Pflügen heraus, er zog es auf einen Wagen, den ganzen Weg zum Feld und das ohne Klagen. Dem König war es schwer, doch es tat ihm gut, obwohl er alle Geräte zum ersten Mal trug. Schwitzend kam er nun endlich bei seinen Feldern an und es sah noch schlimmer aus, als der König es sich vorgestellt hatte.

Fast hätte er sie gar nicht erkannt, da sie schon überall übersät waren mit Wildwuchs. Hier und dort wucherte es nur so von Unkraut.

Ja, von Ernte konnte man hier noch lange nichts sagen,

dachte er und fing an zu pflügen, früh am Tage. Dabei riss er sich die Knöpfe von seinem Kragen. Er pflügte den ganzen Tag und den darauffolgenden Tag, bis man allmählich wieder sehen konnte, dass es Felder waren. Ein kleines Mädchen, das Wasser trug, konnte ihren Augen kaum trauen, als sie den König sah mit dem Pflug. Nach einer Weile des Staunens, fasste sie ihren ganzen Mut und lief langsam auf den König zu. In seiner Arbeitswut bemerkte der König nicht, dass ein Kind auf ihn zu kam. Als er aber spürte, dass ihn jemand von hinten am Mantel zog, drehte er sich verwundet um und sah ein kleines Mädchen mit einem Wasserkrug. Das Mädchen fragte den König nun,

Hast du gar keine Arbeiter, die die Feldarbeit für dich tun?

Der König sah das Mädchen traurig an, und antwortete:

Leider keinen mehr und wusch sich den Schweiß von der Stirn.

Da hatte das Mädchen Mitleid mit ihm und sprach:

Dann brauchst du sicherlich diesen Wasserkrug, denn ohne etwas zum Trinken kann niemand so viel tun.

Der König bedankte sich und nahm einen großen Schluck. Erst jetzt bemerkte er, wie durstig er eigentlich war und lehrte Schluck für Schluck den ganzen Wasserkrug. Als der König dem Mädchen den leeren Krug wieder gab, beugte er sich zu ihr herunter, nahm ihre Hand und sprach:

Das was ich hier tue, tue ich nicht nur für mich allein.

Dabei lächelte er sie herzlich zu. Daraufhin lächelte das Mädchen verstohlen zurück, nahm ihren Krug und winkte dem König zum Abschied zu, bevor sie wieder Nachhause lief, so schnell sie ihre Beine trugen. Der König nun nahm seine gewohnte Arbeit wieder auf, denn er hatte ja noch viel zu tun, doch gleichzeitig freute er sich auch, denn er wusste schon, wenn er endlich fertig sein würde, dass das kleine Mädchen und natürlich auch sein Volk nie mehr der Hunger plagen würde. Als der Tag nun langsam zum Ende kam und die Sonne unterging, da war der König sehr geschafft von der ganzen Arbeit die er bereits vollbracht hatte. Plötzlich hörte er lauten Lärm von der anderen Seite des Feldes her.

Da wandte sich der König erschrocken um und sah eine große Menschenmenge, die ihm jubelnd entgegen kam und ganz vorne an ihrer Spitze lief voller Freude das kleine Mädchen, das ihm zuvor das Wasser brachte. Der König wusste gar nicht wie ihm geschah.

Was hat das nur zu bedeuten?

dachte er sich. Doch als die vielen Leute nun endlich vor ihm standen sah er, dass sie alle Geräte für die Felder bei sich hatten und halfen voller Tatendrang mit ganzer Kraft. Der König nun war zu Tränen gerührt aus Freude, dass Gott ihm half und sein Volk wieder zu ihm sandte. Nach ein paar Monaten des schweren Arbeitens hatte der König und sein Volk nun wieder frische Ernte eingeholt, wobei die meiste Arbeit nun des Königs Volk machte und er ihnen, so gut wie er nur konnte, dabei half, denn das meiste hatte er mit dem Regieren seines Königreiches zu tun. Auch des Königs Schloss und Hof sahen wieder aus wie gewohnt, denn alle Diener und Berater des Königs kamen wieder zurück, voller Lob für des Königs Schaffen und Einsicht. Dazu hatte der König auch sein ganzes Übergewicht verloren und sah nun wieder wie ein stattlicher junger Mann aus. Seine Chancen in der Frauenwelt stiegen auch um das Hundertfache und er hatte in kürzester Zeit schon eine sehr hübsche junge Dame, mit der er sich gut verstand und die er auch nach ein paar Jahren heiratete und sie somit zu seiner Königin machte. Der König hatte jetzt auch ein neues Lebensmotto: Geben ist Seeliger denn nehmen. Und das wirkte sich auch auf sein gesamtes Königreich aus. Niemanden fehlte es an irgendetwas. Alle waren wieder glücklich und lebten in Frieden und in Liebe miteinander.

Gott sei Dank.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.02.2021. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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