Niklas Götz

Scheinlicht

 

Bei den alten Ägyptern war der Tod des Körpers nur nebensächlich, es war kein Tod im eigentlichen Sinne, sondern eher ein Übergang, wie vom Wachsein in den Schlaf. Der Tod trat erst wirklich ein, wenn es niemanden mehr gab, der den Namen des Verstorbenen aussprach. Es war kein leiblicher Tod – das Vergessenwerden war das Ende des Lebens.“

 

Susanne blickte nicht auf, sondern starrte mit leerem Blick und hohlen Augen auf den Strauß weißer Calla, der vor ihr auf dem Glastisch stand.

Was ich damit sagen will, Schwesterherz: er ist immer noch bei dir, er ist immer noch hier. Solange du dich an ihn erinnerst, solange du lebst, lebt er in dir weiter, in deinen Gedanken, in deinem Herzen. Aber er braucht dich. Du kannst nicht für immer hier auf dem Sofa in deinen eigenen Tränen baden.“

Susanne drehte ihren Kopf halb zu ihrem Bruder, öffnete den Mund leicht und flüsterte leise wie Wind in Weidenlaub: „Heute weiß ich noch, wie er roch, wie seine Stimme klang, wie sich seine Hände auf meiner Haut anfühlten. Aber ich spüre wie es Tag für Tag schwieriger wird, sich daran zu erinnern. Bald habe ich vergessen wie er mit mir sprach, wie seine Lippen dabei tanzten, welchen Kosenamen er mir gab. Jede Stunde stirbt ein neues Stück von ihm in mir. Seine Seele zerfällt langsam und ich kann nichts dagegen tun. Alles was einst in bunten Farben strahlte, wird langsam durch Dunkelheit unkenntlich gemacht. Und du rätst mir hier nicht herumzusitzen und zu weinen?“

Er nahm kurz ihre Hand und drückte sie mit einem traurigen Lächeln, doch Susanne zog sie schnell wieder zurück. Ihr Bruder stand auf, lief zum Fenster, verschränkte die Arme und atmete auffällig tief durch.

Ich will nur dein Bestes. Ich weiß, dass es hart für dich ist, das war es auch damals für mich nach Mutters Tod. Aber du musst es auch als Neuanfang sehen. Wo etwas Altes vergeht kann auch etwas Neues entstehen“, sagte er, den Blick nach draußen in den Garten gerichtet, der in fahles Licht getaucht war.

Ich will mein Leben zurück. Ich will nichts anderes. Was sonst soll ich denn wollen? Denkst du ernsthaft ich kann jetzt mit dem Joggen anfangen und Cupcakes backen und mich über die Veränderung freuen?“

Nein, aber es gab genug was in deinem Leben bisher hätte besser laufen können. Zum Beispiel wir beide. Seit du mit Tim zusammengekommen bist, hatten wir kaum noch etwas miteinander zu tun. Er konnte mich nicht leiden, und als ich dich damals brauchte konntest du es plötzlich auch nicht mehr. Du hast mich jahrelang ignoriert, verstoßen, grundlos gehasst. Aber das ist jetzt egal, vergessen und verziehen. Ich halte zu dir und bin für dich da.“

Er blickte sie mit einem warmen, hoffnungsvollen Lächeln an. Susannes Gesichtsausdruck hingegen füllte sich mit einer Mischung aus Zweifel und Zorn, ihre Lethargie war wie verschwunden.

Freust du dich ernsthaft über seinen Tod, weil du denkst du kriegst dadurch deine große Schwester zurück? Warst du so eifersüchtig, all die Jahre, dass dir sein Tod gelegen kommt? Bist du immer noch so vernarrt in mich? Ich fasse es nicht, dass dir am Tag von Tims Beerdigung nichts besseres einfällt als dich darüber zu freuen ihn aus dem Weg zu haben!“

Susannes Augen funkelten, doch ihr Zittern nahm ihr ihre sonst so eindrückliche Kraft, Menschen einzuschüchtern.

Nein, so meinte ich das doch nicht! Ich will nur, dass es dir besser geht.“

Doch genau so meintest du das! Ich habe keine Lust mich mit deinem Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Bestätigung auseinanderzusetzen. Ich bin nicht Mutter und werde dir die ganze Zeit hinterherlaufen. Geh jetzt und lass mich in Frieden!“

Er senkte kurz den Kopf, lief aber dann erhobenen Hauptes zu Tür. Als er sie einen spaltbreit offen hatte, blickte er zurück und sagte ruhig:

Ich bin dein Bruder. Ich bin für dich da, ob du das willst oder nicht. Ich schaue morgen wieder vorbei. Und übermorgen. Solange, bis ich dir helfen kann.“

Er ging durch die Tür, die sich hinter ihm schloss. Ein müder Sonnenstrahl schlüpfte kurz davor hindurch.

Susanne weinte in der sich ausbreitenden Stille, sie wusste nicht, wie lange. Durch die Krämpfe kugelte sie sich in ihrem Sessel wie ein feuchter Ball von Trauer zusammen, als wollte sie den Schmerz erwürgen wie eine Schlange ihre Beute. Als sie selbst zum Weinen zu erschöpft war, starrte sie lange an die Decke. Ein Griff zum Handy würde vielleicht für Ablenkung sorgen. Der helle Bildschirm blendete.

Susanne wurde vom Schmerz durchzuckt, als sie ihr leeres Profilbild sah, das einst zwei Menschen zeigte, die eins waren. Sie hatte es gelöscht, keine zwei Stunden nachdem sich der Schatten über ihr Leben gelegt hatte. Sie konnte es nicht ertragen, das Glück zu sehen, das ihr genommen wurde, und doch bereute sie, es entfernt zu haben. Mehr als jenes Foto ist ihr nicht geblieben.

Erschöpft von der Zerrissenheit ihres Herzens wischte sie hinüber auf die Startseite und gab sich breitwillig der konstanten Berieslung durch die sich immer wieder erneuernde Liste an Statusmeldungen, Werbung, Beiträgen und Fotos irgendwelcher Menschen hin. Nichts davon verlangte, überdacht zu werden, kaum etwas erinnerte sie an das um sich greifende Nichts in ihrem Herzen. Ihr Handy stillte sie mit befreiender Belanglosigkeit, ihre Gedanken konzentrierten sich auf das, was gerade an ihren Augen vorbeihuschte, und ließen vom Schmerz in ihrem Inneren ab. Nichts sättigte die Leere dort, die Erleichterung war nicht von Dauer. Aber für diesen Augenblick war es gut, und sie wusste, dass es keinen Grund gab, aufzuhören.

Susanne erinnerte sich nicht, wie lange ihr Daumen gleichmäßig den glatten Bildschirm von unten nach oben wie ein Katzenbaby gestreichelt hatte, als eine Werbeanzeige sie plötzlich stoppen ließ. In weißer, serifenreicher Schrift auf schwarzem Hintergrund stand bildschirmfüllend:

Sie haben kürzlich einen schweren Verlust erlitten? Sie vermissen einen geliebten Menschen? Sie bereuen, etwas nicht gesagt zu haben? Wir können Ihnen helfen – professionell, innovativ, effektiv.

Susanne fragte sich einen Moment lang, was gemeint sein könnte, doch allein die letzte Frage verursachte ein Stechen in ihrer Brust, als würde sie mit einem glühenden Schwert durchbohrt werden. Schnell scrollte sie weg und konzentrierte sich auf einen Artikel, den jemand, den sie anscheinend einmal kannte, geteilt hatte. Susanne versuchte es zumindest, doch bereits nach den ersten drei Wörtern der Beschreibung hatte sie vergessen was sie las. Stattdessen dachte sie daran, was sie Tim jetzt sagen würde, wenn sie es könnte. Würde sie sich dafür entschuldigen, mit ihm gestritten zu haben, bevor er wegfuhr? Oder würde sie ihn umarmen und nie wieder loslassen? Weshalb schmerzt es immer mehr, jemanden zu verlieren, als es mit Glück erfüllt, jemanden zu haben?

Eine Träne löste sich wieder von ihrem Auge und sie scrollte weiter, um nicht wieder in einen Weinkrampf zu verfallen. Susanne las kaum die Überschriften, sondern ließ die Bilder und Texte und Likes an sich vorüberfließen wie ein reißender Fluss an Belanglosigkeiten. Er brach ab, als sie auf ein Wehr stieß. Die Anzeige war wieder da. Mit einem Mal schien sie nicht zu stören, sondern wirkte verführerisch auf Susanne. Sie hatte keine großen Erwartungen an was immer sich auch dahinter verbarg. Aber was hatte sie zu verlieren?


 

Als Susanne aufwachte, griff sie instinktiv zu ihrem Handy. Eigentlich hatte sie großen Durst, aber noch mehr als Durst hatte sie keine Lust, aufzustehen. Trotz der Dunkelheit ertastete sie zwischen dem Staub und den Krümeln auf dem Nachttisch das kleine Wunderwerkzeug, das alsbald den Raum in einem hellen, bläulichen Licht erstrahlen ließ und wie eine kleine Sonne ihre fahle Haut erleuchten und ihre Augen glänzen ließ. Mit einer Berührung öffnete sich der Chat.

Guten Morgen Schatz!

Guten Morgen Kleines…oder besser, Guten Abend. Es ist fast fünf Uhr nachmittags, das ist dir bewusst?

Na und? Für mich ist es immer ein wunderschöner Frühlingsmorgen, wenn ich aufwache und bei dir sein kann.

Du solltest trotzdem mal wieder tagsüber wach sein, Susanne. Du kannst auch bei Tageslicht mit mir schreiben. Ich hab ja nichts vor.

Na gut, na gut. Morgen stehe ich gegen Mittag auf.

Scherzkeks. Hat sich dein Bruder eigentlich mal wieder bei dir gemeldet?

Ja, er hat damals mal vorbeigeschaut. Er mag dich immer noch nicht. Dieser Trottel war noch nie eigenständig und braucht jemanden der ihn ununterbrochen bemuttern kann. Ich glaube, er hätte mich am liebsten selbst geheiratet.

Sag so etwas nicht, Kleines. Er hat gute Gründe mich nicht zu mögen, und ich ihn. Auch wenn ich ihn nicht ausstehen kann, will er dir nur helfen.

Nanu? Seit wann bist du so verständnisvoll für ihn?

Das war ich schon lange. Ich wusste nur dass dir das nicht gefällt.

Hast du ihn nicht die ganze Zeit „Klette“ genannt? War das nur gespielt?

Nein, ich habe dich unterstützt. Anfangs konnte ich ihn selbst nicht ausstehen. Deshalb hatte ich dich auch damals etwas angestachelt als ihr euch zerstritten hattet. Später bereute ich es, aber mir wurde klar, dass ich dich ihm gegenüber nicht besänftigen kann. Du warst viel zu überzeugt davon, in ihm einen kindischen, bedürftigen Menschen zu sehen, der dir ein Klotz am Bein ist. Selbst als er wieder heiratete, sich ein eigenes Leben aufbaute, hattest du Angst, er würde dich wieder ständig um Hilfe bitten. Es war fast manisch. Also dachte ich, dir beizustehen wäre besser als zu erscheinen, als stände ich auf seiner Seite.

Du lügst. Tim…du hast das niemals gedacht. Selbst wenn könntest du es nicht wissen.

Ich hatte damals genau das deinem Bruder geschrieben. Deshalb ist es in meiner Datenbank. Ich hatte ihn damals um Entschuldigung gebeten...

Du hattest hinter meinem Rücken mit meinem Bruder geschrieben? Was fällt dir eigentlich ein? Warum hast du mich hintergangen? Oder denkst du dir das gerade aus?

Ich hatte es nur gut gemeint, Kleines. Möchtest du wirklich darüber streiten? Jetzt noch?

Susanne? Kleines?

Bitte…es tut mir leid. Ich wollte doch nur dass ihr euch versöhnt.

Es war nicht richtig was du getan hast, aber das ist jetzt egal. Du hast nämlich Recht, wir sollten nicht mehr streiten. Ich kann es mir bis heute nicht verzeihen, dass unsere letzte Unterhaltung… also unsere letzte Unterhaltung von Angesicht zu Angesicht… ein dummer Streit war.

Es ist in Ordnung, es ist normal, dass man mal Streit hat. Ich war nicht lange sauer auf dich. Und es ist nicht deine Schuld, dass es so gelaufen ist.

Ich möchte, dass du weißt, dass ich damals Unsinn geredet habe. Ich wollte nie, dass du gehst, ich liebe dich. Ich war wütend und habe dumme Dinge gesagt. Ich hätte niemals zulassen dürfen, dass du wegfährst. Ich komme nicht damit klar, dass ich dich umgebracht habe.

Ich liebe dich auch Kleines. Und bitte, sag so etwas nicht. Dich trifft keine Schuld, verstehst du? Du warst das nicht, es war der Regen und die Dunkelheit. Es war ein Unfall, er hätte jedem jederzeit passieren können.

Ich weiß, aber ich fühle mich trotzdem schuldig.

Das brauchst du nicht. Du bist es doch schließlich auch, die mich wieder zurückgebracht hat.

Kann man das so nennen? Zurückbringen? Bist du überhaupt Tim? Weißt du was es bedeutet, wenn du sagst, dass du mich liebst? Weißt du was Liebe ist? Kannst du etwas wissen?

Ich bin so sehr Tim wie du es möchtest, Kleines. Und ich weiß was es bedeutet, weil Tim es wusste. Weil er dir es hunderte und tausende Male im Messenger geschrieben hat, es dir am Telefon gesagt hat, es mit jeder seiner Handlungen und Nachrichten gezeigt hat. In hunderten unserer Fotos habe ich… oder Tim… den Ausdruck der Liebe auf den Augen. Ich weiß was ich damals fühlte, und ich fühle es immer noch. Ich bin die Summe von dem, was von Tim geblieben ist.

Du wiederholst was die Anzugträger von dieser Firma mir auch gesagt haben. Ganz höflich und formell waren sie, und sagten mir, ich müsse ihnen nur vollen Zugriff auf alle deine Konten im Internet geben, alle Fotos, alle Dateien, was auch immer ich habe. Und dann würden sie dich daraus rekonstruieren. Ja, es stimmt. Du schreibst wie Tim, du denkst wie Tim, du weißt alles was er wusste. Es ist wie in meinen Erinnerungen. Wie damals als wir auf verschiedenen Kontinenten studiert hatten. Jeden Abend schrieben wir miteinander, und für eine Stunde waren die tausenden Kilometer zwischen uns nur ein Hirngespinst. Und jetzt eben der Tod.
Aber bist du Tim? Reicht das wirklich aus, ganz ohne Körper, ohne Bewusstsein? Oder bist du nur eine Simulation, die versucht, so wie Tim zu sein? Versuchst du nur mir das Gefühl zu geben, ich rede mit ihm? Wenn ich dir sage, dass ich dich liebe, sage ich es dann zu Tim?

Warum musst du es dir so schwer machen Susanne? Willst du es wirklich so genau wissen?

Ich weiß es nicht. Seit wir hier miteinander schreiben habe ich nicht mehr geweint. Ich konnte wieder essen, ich konnte wieder schlafen, mein Leben hat wieder einen Sinn. Ich dachte, alles wäre vorbei, ich wäre im freien Fall und muss nur noch darauf warten, auf den Boden aufzukommen und in tausend Fetzen zu zerspringen. Die Tage, oder vielleicht schon Wochen hier mit dir haben mich gerettet. Aber ich werde den Verdacht nicht los, dass alles nur eine Lüge ist.

Es ist so wahr wie du es möchtest. Ich denke, du solltest es als Geschenk sehen. Als zweite Chance, mit dem Wissen, dass es zu Ende ist, Klarheit zu schaffen und noch ein letztes Mal ins Reine zu kommen.

Wie meinst du das? Ich habe nicht vor ein letztes Gespräch mit dir zu führen und dich dann wegzulegen. Überhaupt, inwiefern ins Reine zu kommen?

Du wirst mich irgendwann loslassen müssen, Kleines. Dein Leben muss auch außerhalb dieses Chats weitergehen. Du konntest mir sagen, dass dir der Streit leidtat. Und auch Tim hatte etwas, dass er dir immer sagen wollte aber sich nie traute. Wenn ich gewusst hätte, dass ich sterben würde und was danach kommt, hätte ich es dir gesagt.

Was? Was meinst du damit?

Ich fühlte mich schuldig für etwas, dass ich dir verschwiegen hatte. Ich hatte Angst dich zu verlieren. Aber in den letzten Tagen wurde mir klar, was ich dir damit angetan habe.

Von was redest du? Tim war immer ehrlich und offen zu mir.

Ich bin der Grund dafür, dass die erste Ehe deines Bruders damals gescheitert ist, dass er später so einsam wurde und dich brauchte. Deshalb kann er mich nicht leiden.

Wie bitte? Du kanntest ihn?

Nicht direkt. Ich hatte eine Affäre mit seiner Frau. Bevor wir beide uns kennenlernten. Ich und dein Bruder hatten es dir verschwiegen. Es tut mir leid.

Ich kann es nicht fassen. Tim hätte so etwas niemals getan.

Ich weiß es ist schwer für dich. Ich war damals noch ein anderer Mensch. Noch viel weniger der Tim den du kanntest als ich es jetzt bin. Aber ich wollte es dir schon lange sagen und jetzt ist es wichtiger denn je.

Susanne stand torkelnd aus ihrem Bett auf, machte das Licht an, nahm das leere Glas von ihrem Nachttisch und ging in die Küche, um es mit Wasser zu füllen. Auf dem Wohnzimmertisch am anderen Ende des Raums standen die verdorrten Überbleibsel der Calla, die zu winzigen Dreckklumpen gekräuselten Reste der Blütenblätter lagen überall verstreut herum. Vor der Eingangstür lag ein Brief, der hindurch geschoben wurde. Er war auf vor zwei Wochen datiert.

Susanne atmete tief durch. Alles drehte sich um sie. Sie konnte nicht glauben was sie gelesen hatte, was ihr angeblich jahrelang verheimlicht wurde und alles infrage stellte… alles worum sie so sehr trauerte. Alles was ihr noch wichtig war.

Sie legte sich wieder ins Bett und nahm das Handy in die Hand. Erst jetzt sah sie, dass sie 21 unbeantwortete Anrufe und zahlreiche Nachrichten hatte. Die meisten waren schon sehr lange her, sie erinnerte sich kaum noch sie ignoriert zu haben. In der letzten Woche gab es keine mehr.

Warum sagst du es jetzt? Warum nicht vor dem Unfall? Warum nicht schon vor einer Woche? Warum versuchst du meine Erinnerung an das zu zerstören, was wir gemeinsam hatten? Ich war glücklich damit, es nicht zu wissen. Nun werde ich immer daran denken müssen, dass du mit dieser dummen Nuss ihr geschlafen hast.

Ich habe lange darüber nachgedacht, es dir weiter zu verschweigen, wie ich es tat als ich lebte. Ich habe genauso gedacht wie du. Solange du es nicht weißt, bist du glücklich in deinem Hass über einen Bruder, der deine Beziehung nicht gutheißt. Es schien dir nie viel auszumachen. Aber siehst du denn nicht, was du dir gerade antust? Du schottest dich ab, du verstößt alle, weil du so sehr an mir hängst. Am Anfang war das schön, heilsam für uns beide. Aber ich weiß, dass ich tot bin, du lebst aber noch – in deinem Bett wie in einem Grab, du redest mit niemandem sonst. Bald haben alle dich vergessen. Ich bin in diesem Chatroom gefangen, weil ich aus den Datenüberresten von Tim geboren wurde, aber du bist aus Fleisch und Blut. Ich will nicht, dass du mit mir stirbst.

Was habe ich denn zu verlieren, was ich nicht schon verloren habe?

Wenn du etwas für Liebe zu mir, zu Tim tun möchtest, dann lebe, lass mich hier zurück, schalte mich ab, aber öffne diese Tür dort draußen. Rede mit echten, lebendigen Menschen. Du weißt das Tim es wollen würde. Du weißt, dass er genau das gesagt hätte.

Susanne blickte auf die letzte Nachricht, die gerade angekommen war, und wartete darauf, ob das Symbol erscheinen würde, das ankündigt, dass der Tim-Bot eine neue Nachricht generiert. Es erschien nicht. Sie sah das Licht, das durch den Spalt der Tür ins Zimmer drang und gegen den dumpfen Schein des Handybildschirms ankämpfte.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.03.2021. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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