Helga Moosmang-Felkel

Maurice Kap 5

Maurice und die Villa am Sumpf

 

Während Pierre Missy seine Lieblingsplätze am Fluss zeigte, schlüpfte Maurice klammheimlich aus dem Schuppen und brach auf in Richtung Norden. Der Traum von Molly hatte ihm Mut gemacht, Fleur wieder zu finden. Sein Weg führte eine lange Birkenallee hinunter in ein kleines Dorf, in dem ihn Kühe anglotzten. Wie ein schwarzer Pfeil schoss er an ihnen vorbei.

Hinter dem Dorf konnte er zum ersten Mal das Moor riechen und sein Instinkt sagte ihm, dass er nicht mehr weit entfernt war von seinem Ziel. Der Weg verzweigte sich und ohne groß nachzudenken folgte er einem sich unter hohen Laubbäumen dahinschlängelnden Pfad. Der Weg wurde immer schmaler und die Erde unter seinen Füßen feucht. Er tauchte tiefer ins Gebüsch und erreichte bald einen Tümpel mit dunklem, modrigen Wasser, der im Schatten riesiger Eiben lag. Ein giftiger Hauch wehte von den Bäumen und Maurice beschlich ein mulmiges Gefühl. Es fiel ihm schwer, zu atmen. So geräuschlos wie möglich glitt er an dem Teich entlang, der wie ein großes schwarzes Auge vor ihm lag. Stellenweise wuchs hohes Schilf, das bei jeder Bewegung raschelte. Ganz plötzlich stand er vor einem hohen schmiedeisernen Zaun. Er drückte seine Schnauze dagegen und spähte hinein. Tief im Park entdeckte er eine weiße Villa mit einem viereckigen Turm. Sie strahlte eine düstere Pracht aus. Sein Herz klopfte schneller. Er machte sich ganz dünn und versuchte, sich durch die Stangen zu quetschen, doch der Zwischenraum war zu schmal. Aufgeregt rannte er weiter, um eine Lücke im Zaun zu finden, wo er hindurchschlüpfen konnte.

Er schlängelte sich am Zaun entlang durch hohes Gras und wurde immer unruhiger. Er fand keine Öffnung, nicht den kleinsten Durchschlupf.. Er versuchte, an einer Stange nach oben zu klettern, doch er rutschte immer wieder ab. Außerdem waren die Zaunstangen oben gefährlich spitz.. Es wühlte Maurice immer mehr auf, Fleur so nahe zu sein und doch nicht in diese Villa hineinzukommen.

Wie von Sinnen begann er mit den Pfoten die Erde aufzuscharren, um den Zaun zu untergraben, doch darunter waren Steinplatten und er kam nur wenig voran. Plötzlich hörte er Schritte hinter sich und fuhr erschrocken herum. Ein Mädchen mit langem rotem Haar und einer weißen Batistschürze rannte an ihm vorbei zum See hinunter, dann kam sie wieder zurück und umkreiste Maurice. Sie lachte und er sah, dass sie einen großen roten Mund hatte. Maurice beobachtete, dass sie in die Hocke ging und mit einem Stöckchen Zeichen in den Morast malte. Maurice traute ihr nicht recht und beobachtete sie zunächst aus sicherer Entfernung.

Das Mädchen war völlig versunken in ihre Malerei und summte ein kleines Lied vor sich hin.

Das Lied klang fast wie das Schnurren einer Katze. Angelockt von der Melodie schlich sich Maurice in den Kreis, den sie um sich herum gemalt hatte. Sie sah sich nicht nach ihm um, sondern ritzte immer noch ein Bild in die Erde. Neugierig lugte Maurice hinter ihrem Rücken hervor auf die Zeichnung. Der Geruch, den sie ausströmte, kam ihm irgendwie vertraut vor. Fast erheitert erkannte er einen großen Katzenkopf. Sie war gerade dabei, die Schnurrhaare zu malen. Es fehlten nur noch die Augen. „Willst du mit mir spielen?“ fragte sie und Maurice fragte sich kurz, seit wann er die Sprache der Menschen verstand. „Du böser schwarzer Kater,...“ sagte sie plötzlich und ritzte zwei Augen in den Katzenkopf, die ihn drohend ansahen. Maurice erschrak. Das Mädchen war ihm nicht geheuer. Er holte Schwung, um aus dem Kreis zu springen. Entsetzt bemerkte er, dass er sich nicht vom Fleck rühren konnte. Er wagte sich einen kleinen Schritt vorwärts und prallte fast gegen das Mädchen, das ihm immer noch den Rücken zuwandte. Schnell fand er heraus, dass er sich nur innerhalb des Kreises bewegen konnte. Das Mädchen hatte ihn in einen Zauberkreis gebannt. Missys Warnung fiel ihm wieder ein, dass die Katzen aus dem Gebiet der weißen Villa nie zurückkehrten. Außer sich vor Wut sprang er dem Mädchen in den Rücken und verkrallte sich in ihrem Kleid. Das Mädchen fuhr herum. Entsetzt sah er, dass sich sein Gesicht verwandelt hatte. Es hatte Augen und Schnurrhaare wie eine Katze und ihre langen Haare erinnerten an ein seidiges Fell. Nur ihr Körper war menschlich. Sie packte ihn und schüttelte ihn. „Du bist mir aber schnell in die Falle gelaufen,...wie erbärmlich für einen pechschwarzen Kater...“ sagte sie höhnisch und zog an seinem Schwanz. Maurice stieß einen Schrei aus und verkrallte sich in er weißen Schürze. Er riss sie auf, zerfetzte sie. Das Mädchen packte ihn im Genick und schüttelte ihn. „Ich bin Madeleine..., die Tochter des Eidechsenmannes,...ich werde dich töten...“, flüsterte sie nah an seinem Ohr und riss wieder an seinem Schwanz. „Möchtest du langsam erwürgt werden oder soll ich dich lieber ersäufen?“ Maurice ließ den Kopf hängen. Eine grenzenlose Mutlosigkeit überschwemmte ihn. Ganz leise fragte er: „Wo ist Fleur? Kann sich sie noch einmal sehen...?“

„Du wirst Fleur nie wieder sehen...“, sagte das Mädchen kalt. Sein Gesicht hatte sich nun völlig in ein Katzengesicht verwandelt. „Fleur ist an den glühenden roten Schmetterlingen kleben geblieben...und meinem Vater direkt ins Netz gelaufen...fast so wie du,...“, spottete sie. „Ihr Katzen bildet euch soviel ein, aber eure Magie habt ihr schon vor Jahrhunderten in Ägypten verloren,...nun seid ihr nur noch dumme, nutzlose Tiere...“

Alles in Maurice bäumte sich gegen das für ihn vorgesehene Schicksal auf. Er zappelte wild, glitt durch ihre Finger, an denen lange, gebogene Fingernägel gewachsen waren und versuchte wieder den Kreis zu überschreiten. Doch er rannte gegen eine unsichtbare Mauer. Er sammelte all seine Kraft und stemmte sich dagegen, aber die Wand gab nicht nach.

„Ich sehe, es drängt dich zum Wasser,...du möchtest im Moor versinken..., dabei sagt man doch, Katzen seien wasserscheu...“, säuselte das Mädchen. Wieder packte sie Maurice, der sich ganz schwer machte und insgeheim darauf wartete, dass sie mit ihm diesen höllischen Kreis verließ.

Siegessicher lief sie mit ihm zum Wasser hinunter. Maurice rührte sich nicht. Er wiegte sie in völliger Sicherheit und hing lahm in ihren Armen. Als sie sich vorbeugte, um seinen Kopf ins Wasser zu drücken, drehte er sich mit einer tollkühnen Bewegung aus ihrem Griff. Sie wollte wieder zupacken, aber er rutschte durch ihre Hände, glitt ins Schilf und verbarg sich in einer kleinen Uferhöhle. Sein schwarzes Fell verschmolz mit der dunklen Erde. Er hörte das Mädchen kreischen und schreien. Sie stampfte am Ufer entlang und zeterte laut. Während Maurice sich bebend klein machte, rannte sie auf und ab und suchte herum. Endlich als die Dunkelheit einbrach, gab sie auf. Ihre Schritte entfernten sich. Maurice wartete. Er wollte sich gerade aus dem Staub machen, als er über dem Moorweiher mehrere glühend rote Schmetterlinge sah. Sie schwebten dort und waren von einer betörenden Schönheit. Sie zogen ihn magisch an. Das Rot ihrer Flügel veränderte sich dauernd von Scharlachrot über Orange in ein helles Pink. Sie schienen ihm zuzuwinken. Doch Maurice erinnerte sich daran, dass sie Fleur zum Verhängnis geworden waren und er wandte sich traurig von ihnen ab und machte sich auf den Heimweg.

 

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