Olaf Lüken

Kennen Sie Willi ?

Als ich klein war, ging ich ohne ihn nicht aus dem Haus und erst recht nicht ins Bett.
Mein Begleiter war mein Lebensgefährte, mein Spielkamerad und mein Kuschler.
Willi hieß er. Und Willi gab mir Sicherheit, spendete Trost und war stets
da, wenn ich ihn brauchte. Willi ließ meine Fantasie lebendig werden. Er machte
im wahrsten Sinne des Wortes, einen Jungen aus mir. Willi und ich ! Zusammen
waren wir ein Dreamteam. Unschlagbar für den Rest der Welt. Wir machten uns
gegenseitig Mut, dachten und sprachen aus einem Mund. Psychologen nennen
Freunde wie meinen Teddybär ein "Übergangsobjekt". Solche Übergangsob-
jekte helfen uns bei der Loslösung vom Elternhaus. Auf dem Weg zum Jugendlichen
wurde Willi oft lästig und peinlich. Kamen Freunde oder die Freundin zu Besuch,
flog Willi in den Schrank.

Neulich las ich, dass jeder siebte Erwachsene nach der Devise: "Nichts geht ohne
mein Stofftier !" einen Plüschpartner besitzt: "Sie finden das seltsam ? Quatsch !"
Fast jede fünfte Frau packt ein Plüschtier in ihre Tasche. Beim Mann ist es jeder
neunte. Denken Sie an die vielen Stofftiere in den Autos, an den Fahr- und Motor-
rädern." Auf Kameraden wie Willi ist Verlass ! Sie sind einfach da und kosten kein
Geld für den Unterhalt. Willi lässt seine Freunde nicht einsam werden. Ganz im
Gegenteil. Willi übt eine wertvolle "Ankerfunktion" aus, sagt die Wissenschaft von
der Seele. Kuscheltiere sind von magischer Faszination und Anziehungskraft. Wie
die Totems auf der Osterinsel sind sie Teil eines Rituals. In meiner Kindheit war
Willi ein treuer Schlafbegleiter durch die Welt meiner oft auch wirren Träume.
 
Das Stofftier ist ein Wesen, das zur psychischen Hygiene beiträgt. Der Kuschler
schützt uns vor den Widrigkeiten des Lebens, einem Talisman oder Kreuz nicht
unähnlich. Ein Teddy, der Sorgen lindert, weil er da  ist. Es gibt nicht wenige
Menschen, auf die Kuscheltiere befreiend wirken und ihr Denken und Reden
flüssig gestalten. Ähnlich wie bei Plüschtieren, Plastik- oder Holzpuppen, ließ ich
Willi sprechen und Wahrheiten sagen, die ich ertragen konnte.

Wozu erwähne ich Willi überhaupt ? Vielleicht haben wir als Erwachsene aufge-
hört über unser Innerstes offen zu sprechen. Vielleicht sind wir Teddys geworden, die
sprachlich oft ziemlich zerfranst und zerzaust daherkommen und seelisch
notdürftig geflickt werden müssen. Bei mir ist das so. Leider.

(c) Olaf Lüken (11.04.2021)

Inspiriert zum Text ? Sven Stillich.










 

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