Christa Astl

Am Steilhang (Streif)

 
 
 
Maxi ist ein guter Schifahrer, und er fährt auch sehr gerne. Am liebsten wäre er den ganzen Winter auf den Schiern, wenn er nicht in die Schule müsste.
Aber nun sind Semesterferien, und er hat Zeit.
Heute ruft er seine Freunde an. Als erstes den Bruno. Doch der ist faul und meint: „Was, so früh, es sind doch Ferien und ich möchte ausschlafen.“
Dann läutet er bei Gustav, ob der mit will. Aber Gustav krächzt mit heiserer Stimme: „Ich bin krank und habe Fieber, ich liege fast den ganzen Tag im Bett. Ich wäre so gerne mit gekommen.“ – „Schade, dann wünsche ich dir gute Besserung“, meint Maxi.
Jetzt fragt er noch bei Laura an, obwohl er weiß, dass die nicht so gut fährt wie er und er immer auf sie warten muss. Aber auch Laura mag heute nicht.
Also muss er diesmal allein fahren, er kennt sich ja schon aus.
Maxi zieht seinen Schianzug an, holt Handschuhe und Mütze und auch die Schneebrille. Der Helm ist im Keller bei den Schischuhen. Er muss sich immer sehr plagen, die Schnallen zuzubringen. Dann nimmt er Schi und Stöcke und geht hinaus. Kalt ist es, aber die Sonne wird bald kommen. Zur Liftstation ist es nicht weit, aber mit den Schischuhen doch recht anstrengend.
Die Leute an der Kassa kennen ihn bereits und manchmal bekommt er sogar eine Freikarte. Dann geht er zum Eingang zu den Gondeln. Eine Familie mit Vater, Mutter und drei Kindern stehen bereits dort. „Komm, fahr mit uns“, sagt der Vater und Maxi darf mitfahren. Das Ein- und Aussteigen kann er schon recht gut allein, aber er ist froh, dass ihm der Mann hilft, seine Schi aus dem Ständer zu holen.
Schnell hinein in die Bindung, und schon geht es los! Hui, wie die Brettln heute sausen und der Schnee hinter ihm staubt! Vor lauter Freude fängt er laut zu singen an. Manche Schifahrer schauen ihm nach und lachen. Sie denken sich: Das wird wohl einmal ein Rennfahrer!
Schon hat er gut dein Drittel der Abfahrt geschafft, da sieht er eine Spur, wo er noch nie gefahren ist. Eine lange Gerade, wo er es wieder so richtig laufen lassen kann zu einer neuen Piste, dann aber, ein Schwung, und es wird plötzlich sehr steil. Mutig schwingt er hinab, bis er an einem etwas flacheren Stück abbremst. Die Knie tun weh, die Oberschenkel zittern ein wenig. Es war arg steil, als er jetzt zurück schaut. Ein wenig rasten, bis die Beine wieder ruhig sind. Er ist stolz, dass er da hinunter gekommen ist, glaubt selber schon, ein Weltmeister zu sein. Dann schaut er vorwärts, wo es weiter geht und erschrickt. Da wird es ja noch steiler! Ein langer Steilhang liegt vor ihm, unten, bevor es in den Wald geht, sind Netze und Strohballen. Müssen die einen, wenn man stürzt, auffangen? Ist es so gefährlich?
Je länger Maxl hinunter schaut, umso ängstlicher wird er. Er ist zwar ein guter Schifahrer und fällt auch nur selten, und er kam immer selber zum Stehen. Also muss es hier schon besonders gefährlich sein. Kein Mensch ist auf diesem Hang. Aber was hilft es, hinunter muss er. Also quert er mutig den Hang, lässt sich dabei ein wenig abrutschen, so kommt er auch tiefer. Am Ende der Piste, wo der Schnee etwas weicher ist, macht er einen Schwung, die nächste Schrägfahrt. Dann muss er rasten, die Knie und die Oberschenkel zittern schon wieder. Im Zurückblicken sieht er, dass er erst ein winzig kleines Stück tiefer gekommen ist, und noch so weit hinunter muss. Plötzlich schießt wie ein Pfeil ein anderer Schifahrer vorbei, in einer Höllengeschwindigkeit. Da sieht Maxl zu seinem Schrecken, wie der Andere plötzlich aus dem Gleichgewicht kommt, ist er auf eine Eisplatte gekommen oder hat er einen Fehler gemacht, es überschlägt ihn, er macht einen richtigen Salto und rutscht und kugelt den ganzen Steilhang hinunter, bis er im Netz hängen bleibt. Da liegt er nun und rührt sich nicht.
Maxl will helfen, aber wie? Seine Füße sind plötzlich ganz steif, der ganze Bub ist vor Schreck wie gelähmt. Jetzt ist die Angst da, wie soll er jetzt da hinunter kommen?
Plötzlich hört er Stimmen über sich und zwei Männer bremsen bei ihm. Es sind Schilehrer, erkennt er an ihrer Kleidung. „Was machst denn du hier, du kleiner Wicht?“, meint der Eine. „Wo hast du denn deine Eltern?“ Er kann es nicht glauben, dass Maxl allein unterwegs ist, aber der Zweite erkennt auch, wie es dem Buben zumute ist. Maxl zeigt hinunter, wo der gestürzte Schifahrer noch immer liegt. Da stößt einer der Schilehrer sich mit den Stöcken ab und rast zu dem Verunglückten, um ihm zu helfen. Der andere bleibt bei Maxl. Er erklärt ihm, dass er sich mitten am Steilhang der berühmten „Streif“, wo die Weltmeisterschaft in der Abfahrt stattfindet, befindet.
Er redet ihm gut zu und lobt ihn, wie gut er doch gefahren ist, und verspricht ihm, ihn gut hinunter zu begleiten. Da kann Maxl seine Beine wieder bewegen und bekommt neuen Mut. Die Rennstrecke selber zu fahren, das wird ihm in der Schule niemand glauben! Der Schilehrer fährt langsam voraus und Maxl mutig hinter ihm her. Allmählich werden sie auch etwas schneller, merkt Maxl, und seine Angst ist fast verflogen. Er muss sich natürlich sehr aufs Fahren konzentrieren, Zeit zum Nachdenken hat er nicht.
In kurzer Zeit sind sie am Fangnetz, wo der Gestürzte vom ersten Schilehrer inzwischen notversorgt worden ist. Sie bleiben auch bei ihm stehen, bis sie den Hubschrauber hören. Gerne würde Maxl auch mit dem Hubschrauber ins Tal fahren, aber sein Schilehrer lässt das nicht zu. „Das Steilste hast du überstanden, den Rest schaffst du spielend. Ich bleibe bei dir und unten spendiere ich dir eine Bratwurst mit Pommes!“.
Da spürt Maxl, wie der Magen zu knurren beginnt und das gibt ihm wieder neue Kraft. Nicht lange mehr, sie erreichen den Zielschuss. Der ist zwar auch recht steil, aber Maxls Angst ist verflogen.
Wie staunen die Kollegen, als der Schilehrer mit dem Buben daher kommt und sie klatschen begeistert, als sie von der mutigen Abfahrt erfahren. In ihrer Mitte darf er ins Restaurant gehen, bekommt gutes Essen und sogar eine Cola dazu. Ein Eis hätte er sich auch noch verdient, aber das hat in seinem Bauch keinen Platz mehr.


 
 
 
 
ChA 21.03.21

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.04.2021. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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