Istvan Hidy

Klimatitis

Als ich von den Medien erfuhr, dass Mutter Erde im Sterben liege, eilte ich schnell zum Krankenhaus. Eine große Menge von Menschen von Klima- und Naturschützer waren schon da; sie demonstrierten alle traurig und verzweifelt um das Krankenhaus. Ich erkundigte mich nach den behandelnden Ärzten. Sie diskutierten hitzig, in einem Konferenzzimmer, wie sie unsere Allerheiligste Patientin retten könnten.

Mich überraschte es, dass jeder der Ärzte ein anderes Heilmittel vorschlug: «Wir müssen ihr unbedingt zu etwas CO2-freien Luft verhelfen», sagte einer von ihnen, sie kann kaum mehr richtig atmen. Wir werden die Kohle-Kraftwerke überall abstellen müssen, weil sie zu stark rauchen.

Sind Sie verrückt geworden, wandte ein anderer ein. Wenn wir keinen Strom mehr haben, wird sie sich tot frieren.

Vielleicht könnten wir den Verkehr lahmlegen, schlug ein dritter Arzt vor. Das würde ihr das Atmen wesentlich erleichtern.

Kommt überhaupt nicht in Frage, sagte ein Vierter wütend.

Wie sollten wir denn an unseren Arbeitsplatz gelangen, wenn Autos verboten würden?

Meine Herren meinte ein weiterer Arzt, das Wasser schadet ihr viel mehr als die Luft. Es müsse sofort strenge Maßnahmen gegen die Verschmutzung sämtlichen Wasserreservoire getroffen werden.

Der Direktor fragte: Und woher würden wir das Geld zur Unterstützung all diese Maßnahmen bekommen, wenn wir die die produzierende Wirtschaft einstellen, weil sie die Flüsse verseuchen?

Wir müssten auch auf die chemischen Produkte verzichten, fügte einer der Ärzte hinzu, jedoch wir können dann das Krankenhaus unmöglich ohne Reinigungsmittel sauber halten.

Aber irgendwas muss doch getan werden, rief ich verzweifelt aus. Sie gewahrten mich erst jetzt, und einer der Doktoren sagte ärgerlich: Tut mir leid, aber dies ist eine Fachkonferenz, an der nur Mediziner teilnehmen können. Würden Sie bitte den Raum verlassen.

Ich ging hinaus und den Korridor entlang. Plötzlich sah ich eine geschlossene Tür, auf der die Aufschrift MUTTER ERDE stand. Unter dem Namen war auch in großen aber roten Buchstaben zu lesen: BESUCHER HABEN KEINEN ZUTRITT!

Es war niemand im Korridor, sodass ich es wagte, die Tür zu öffnen. Mutter Erde saß, von Kissen gestützt im Bett. Sie sah alt und müde und mager aus. Es war nicht zu fassen, dass sich jemand in zehntausend kurzen Jahren derart hatte verändern können. Aber sie schien sich zu freuen, jemanden zu sehen, und lächelte matt. «Grüß Gott, Mutter Erde», sagte ich. «Du siehst prima aus.» «Es ist nicht nett von dir, dass du dich über eine sehr kranke alte Frau lustig machst», entgegnete sie, nach Luft ringend.

«Ich mach' mich nicht über dich lustig. Du siehst prächtig aus. Ich habe eben mit den Ärzten gesprochen, und sie meinen, sie würden dich im Handumdrehen wieder auf die Beine bringen. » «Diese Ärzte wissen überhaupt nichts», erwiderte sie. «Sie tun nichts anderes, als alle paar Stunden hereinzukommen, mir das Fieber zu messen und ein paar schmerzstillende und beruhigende Mittel zu verabreichen. Ich glaube, ich bin am Ende

«So darfst du nicht sprechen, Mutter. Du wirst bestimmt durchkommen. Du hast schon einige viel Schlimmeres überstanden.»

«So schlimm wie jetzt war's noch nie», sagte sie und bekam einen asthmaartigen Hustenanfall. Diesmal wird mich der Sensenmann sicher erwischen. Aber wenn du gehen musst, dann werden wir alle gehen müssen. Die Tränen rollten mir die Wangen hinab.

Du musst dich zusammenreißen. Bitte, bitte, Mutter!

Ich habe mich wieder und wieder über Schmerzen beklagt, hauchte sie, aber niemand beachtete es. Wenn ihr so auf meinen Rücken weitermacht, sagte sie, dann werde ich, dann muss ich sterben.

Aber alle die Ärzten sagten: Mutter, du wirst niemals sterben. Wie ich es spüre, Du hast kein Fieber, nur erhöhte Temperatur. Die Diagnostik lautet „Klimatitis“. Es ist zwar eine neue, bisher unbekannte Krankheit, aber sie scheint harmlos zu sein.

Weshalb hat keiner je auf mich gehört? Aber jetzt hören wir auf dich, Mutter. Wir haben die besten Ärzte der Welt. Sie konferieren im Moment hier im Haus und fassen einen Heilungsplan.

Was mir vermutlich am meisten weh tut, sagte sie, ist, dass mein Testament nun hinfällig ist. Ich habe jedem Menschen auf der Welt klares Wasser, reine Luft, grüne Wiesen, strahlende Sonnenuntergänge und blaue Himmel vermacht. Es war ja nicht viel, aber es war alles, was ich hatte. Aber Ihr wolltet immer mehr. Dadurch bin ich zu Grunde gekommen. Jetzt ist mein Bauch aufgebläht, stoße immer mehr Erdgas aus und dazu noch der ständigen Durchfall mit diesem Erdöl. Es ist nicht mehr auszuhalten.

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und eine Schwester trat wieder ein. Sie schwang einen Fiebermesser in der Hand. Komm, Mütterchen, es ist Zeit, deine Temperatur zu kontrollieren.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.05.2021. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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