Gisela Welzenbach

Die Tanzschule in den 70ger Jahren

Im Jahr 1973 mit 16 Jahren besuchte ich im Künstlerhaus am Lenbachplatz meinen ersten Tanzkurs und dieser wurde von einer Gräfin, der Gräfin Luxburg, geleitet. Es umgab einen eine besondere Atmosphäre in diesem wunderschönen Raum, wo wir unsere ersten Tanzschritte wagten. Dazu lernte man auch noch gutes Benehmen. Vor allem brachte man den jungen Herren bei, wie man eine Dame zum Tanzen aufforderte und nicht wie z.B.: „Hey, Baby, willst Du mal mit mir tanzen“. Oder noch „besser“, mit einem Blick und einer Kopfbewegung zur Tanzfläche hin, quasi „willste mal tanzen“.

Damals in der Tanzschule saßen die Mädchen auf der einen und die Jungs auf der anderen Seite. Es wurden jeweils die Tanzschritte beigebracht und danach forderte man die Mädchen mit einem ordentlichen „darf ich bitten“ zum tanzen auf.

Manchmal war es auch recht lustig, denn natürlich hatten die Jungs sich in der Regel schon ein Mädchen (oder auch mal Opfer, je nach Ansichtssache des Mädchens) ausgesucht, mit dem er tanzen wollte. Wenn dann mehr als einer mit demselben Mädchen tanzen wollte, gab es ein Stolpern über die eigenen Füße, weil jeder als Schnellster am Ziel sein wollte. Einmal fiel ein eifriger junger Tänzer beinahe über mich drüber, so eilig hatte er es, als erster bei mir zu sein, um mit mir zu tanzen. Tja, sehr schmeichelhaft für mich. Zum Glück war ich nie ein Mauerblümchen. Das war für mich als junges Mädchen keine schöne Vorstellung.

Der Abschlussball im Künstlerhaus war natürlich auch sehr stilvoll. Alle Mädchen hatten lange Kleider an und die Jungs trugen einen Anzug oder gar Smoking. Mein Abendkleid war pinkfarben und die obere Hälfte gesmokt. Dann fiel es schlank und glatt runter bis zu den Füßen. Hinten war es noch mit einer Schleife zu binden. Die Eltern oder sonstige Begleitpersonen waren alle elegant gekleidet.

Der junge Mann hat seiner Partnerin einen Blumenstrauß überreicht und dann wurde die „Polonaise“ eröffnet. Mein Tanzpartner, er hieß Christian, saß mit seiner Mutter am Tisch bei meinen Eltern und mir. Wir hatten auch die „Münchner Francaise“ einstudiert, die wir vorführten.

Kurz vorher waren Christian und ich mit einem anderen jungen Tanzpaar beim Eisessen im „Mövenpick“, welches ja gleich in der Nähe war. Wir schauten auf die Uhr und stellten entsetzt fest, dass es allerhöchste Zeit war für die Aufstellung zur „Münchner Fancaise“. Wir ließen alles stehen und liegen – haben gerade noch bezahlt – und liefen in einem Affentempo los. Wir Mädchen mussten aufpassen, dass wir nicht über unsere langen Kleider stolperten. Wir schlitterten fast die ganze Tanzfläche entlang auf unseren Standort/Aufstellung zu.

In der Nähe saßen meine Eltern und die Mutter von Christian. Da wir etwas spät für den Beginn des Tanzes dran waren, verhaspelten wir uns immer etwas mit den Figuren und unsere Leute haben Tränen gelacht, weil es wohl so lustig ausgesehen hat, was wir da veranstaltet haben. Irgendwie sind wir aber trotzdem so einigermaßen in die Figuren reingekommen und es lief glücklicherweise noch ganz gut ab. Jedenfalls hat das alles einen riesigen Spaß gemacht.

Wenn ich zurück denke waren Diskotheken, obwohl es in München in den 70ger Jahren jede Menge davon gab, für unsere für Clique kaum ein Thema. Mein Vater, der bei der Polizei war, hätte dies auch gar nicht gerne gesehen, wenn sich seine Tochter in Discos „rumtrieb“. So drückte er sich aus.

Wir waren ohnehin eher selten in einer Disco. Erinnern kann ich mich noch an das „Big Apple“ in Schwabing (gibt es schon lange nicht mehr), wo wir ein paarmal getanzt haben und das „Captain Cook“.

In Schwabing gab es das „Schwabylon“ und auch das „Chitta 2000“, wo man Platten kaufen und hören konnte und auch Kaffee oder sonstiges trinken konnte. War damals auch immer mal ein beliebter Treffpunkt für die Jugend. Übrigens suchte man damals statt der „Schönen Münchnerin“ nach dem Münchner „Schwabinchen“.

Unsere „Passion“ war die Tanzschule und zwar die Tanzschule Richter, die älteste Tanzschule in München bestehend seit dem Jahr 1873. Drei Freunde aus unserer Clique, der Helmut, Werner und Dietmar, gingen dorthin und Katrin und ich. Leider war sie nicht lange dabei, weil sie dann als Au pair Girl für ein Jahr nach England ging. Da waren wir 18 Jahre alt. Nach einem Jahr kam sie aber wieder und schloss sich uns für ein Jahr in der Tanzschule an, bevor sie für ein weiteres Jahr als Au pair Girl nach Frankreich ging.

Mit 18 Jahren hatte ich in der Tanzschule meinen ersten richtigen Freund kennengelernt, der ein paar Jahre älter als ich war. Dieser führte mich einmal zu einem Schwarz-Weiß-Ball in das Deutsche Theater aus und einmal fand dort auch ein Tanzwettbewerb statt mit Standard- und Lateintänzen. Hugo Strasser spielte dazu mit seiner Kapelle. Es war einfach toll.

Letztendlich war ich zwei Jahre in der Tanzschule Richter, habe die Kurse bis zum Goldkurs besucht und war praktisch jeden Samstag und Sonntag dort, wenn es irgendwie möglich war. Dort habe ich auch meinen Mann kennen gelernt. Die Tanzschule war auch so ein bisschen wie ein Eheinstitut. Nicht wenige lernten da ihren Partner fürs Leben kennen. Leider wurde auch viel gestritten!

Es war eine wunderbare Zeit, an die ich gerne zurück denke.

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