Karl-Konrad Knooshood

Deutschsprachige Musikwunder 08 - Buchstabe C 61 bis C 72

 

  1. CAPPUCCINO – "Du fehlst mir" (1997)

 

Der seltsamste Refrain, der mir spontan einfällt, wenn ich einen eigenartigen Wiederholreim nennen soll. "Ei misch juuu!" singt die Dame, die dem Herrn, der wie der leckerste Milchkaffee heißt, den wir aus dem schönen Italien und seiner formidablen Esskultur kennen, da unter die Arme greift. Warum? Warum singt sie das so? Es heißt doch: "I miss you", also "Ei miß juu". Ein Sprachfehler? Das wörtlich übersetzt "Ich vermisse dich" heißende, aber freier und besser übertragen "Du fehlst mir" heißt, was Herr C. ja auch immer dazuspricht, macht einen emotionalen Teil des Liedes aus. Der Rapper, der eigentlich aus Braunschweig stammende KARSTEN LÖWE (Jahrgang 1974), der ab 1993 bei JAZZKANTINE jobbte, einer Rap-Combo, die Elemente des JAZZ, FUNK und RAP miteinander kombinierte, bringt hier einen behutsam gerappten Hit.

Seine Emotionen wirken echt, wenn er, unterkühlt und, wie es scheint, entseelt und innerlich leer rappt. Daher geht sein Lied auch so nahe, man fühlt es mit, wie er von seiner (ersten) Trennung von einer geliebten Partnerin berichtet.

Wie er in Interviews immer wieder betonte, rühre die Authentizität seiner Raps, die immer wieder gelobt wurde, daher, dass er eine solch schmerzhafte Trennung wirklich erlebt hatte. Man könne es nicht so echt, wenn man es nicht selbst erlebt habe, meinte er. 

Und das scheint zu stimmen, wenn man das Lied hört, jedenfalls geht es mir, in aller Bescheidenheit, so: "Zum ersten Mal fühl ich das, was es heißt, wenn der Schmerz so beißt, dass dein Herz zerreißt" etwa. Oder auch: "Sehe Schatten an der Wand – doch der Schatten ist allein – mein Herz ist kalt, ich glaub, ich erfrier! – Komm doch zurück, du fehlst mir!"

Auch die eindringlich im Refrain singende Dame und ihre Schlussfolgerung am Ende eines jeden sind bewegend: "I'm addicted to your love", also "Ich bin süchtig nach deiner Liebe!"

"Da sind die Schatten, von denen einer jetzt fehlt – Ich seh, wie die beiden sich lieben – es quält – mich so sehr, dass ich aufstehen muss – mach die Kerze nochmal an, geb dem Schatten einen Kuss – Er ist so kalt – und riecht nicht nach dir… - Komm doch zurück, du fehlst mir!", resümiert der Rapper zum Ende hin – und man merkt, wie ernst es ist: Sie ist weg. Er ist allein – und es gibt keinen Ausweg aus dem unheimlichen Schmerz!

 

  1. CAPPUCCINO – "Eisbär" (1998)

Kalt und erbarmungslos kann er auch, der liebe Herr LÖWE, der sich hier nach dem Getränk benennt, dessen Inkarnationen in Aludosen-Pulverform ganz passabel schmecken, doch nichts gegen einen echten Italiener-Milchkaffee sind. Liebe Freunde, nicht verwechseln mit dem gleichnamigen Song der Schweizer Band GRAUZONE! Nein: Im Lied zum Soundtrack zum deutschen Thriller-Comedy-Film, der von einem einsamen Auftragskiller in der Krise handelt, "Der Eisbär", leider mit TIL SCHWEIGER (und in einer Nebenrolle Deutschrock-Star PETER MAFFAY), versetzt sich der ambitionierte Rapper aus Braunschweig in einen eiskalten Killer. In einen, der vor nichts Angst und keine (Selbst-)Zweifel hat, der vom harten Aufwachsen in ein hartes Leben eine eisenharte, eiskalte Einstellung hat. Der sich niemals hinterfragt und keine Introspektive zulässt. Es fröstelt, schaudert und schüttelt einen, wenn man die Person hört, diesen Liedantagonisten in diesem Fall, wie sie sich selbst beschreibt. "Bitte – geh mir ausm Weg, mindestens drei Schritte – Abstand!" lautet der Anfang, der über einen frosthart grimmigen Slo-Mo-Grundbeat läuft – und einen gleich wieder an die fiesen "Abstand!"-Anbluffereien erinnert, die einem heutzutage von den "lieben Mitmenschen" (haha) entgegenschlagen, sobald man ihnen einen halben Millimeter zu nahekommt.

Als Vorabsingle aus dem Album "Nur die Besten überleben" (1999), einem wahrhaft programmatischen Titel, der das Lied hier exemplarisch hervorragen lässt, ist "Eisbär" bestens geeignet, höhere Chartweihen zu erreichen. Leider hatte das Lied nur Platz 86 der Top 100 erreicht. Na immerhin. Denn es ist gut gemacht.

Genießen wir eine der wundervollsten Balladen über skrupellose Auftragskiller, die vor gar nichts haltmachen. Gibt ja nicht allzu viele, jedenfalls nicht auf Deutsch. Und ignorieren wir, dass der dazugehörige Film, der sich am frühen TARANTINO und dem genialen FINCHER orientiert, ohne diese beiden Vorbilder in Stil und Mitteln jemals zu erreichen, ziemlich durchschnittlich geraten ist. Trotz Gastauftritt von PETER MAFFAY – und, nur von hinten zu sehen: Auftritt von BRUCE-WILLIS- und andere Synchronsprecher MANFRED LEHMANN.

 

  1. CASHMO – "Alman" (2020)

Deutscher Hip-Hop/Rap ist tot? Es geht nur noch um "Ficki-Ficki" und "Ich ficke deine Mutter!" als ultimative Maximal-Standardbeleidigung, aus dem Munde asozialster Arschlochgestalten, meist mit muslimischem Araber-Migrationshintergrund aus dem Mund gekackt (anders kann man die Verbaldiarrhoe oder Koprolalie dieser Art nicht mehr bezeichnen)? Es geht nur noch gegen die "doofen deutschen Kartoffeln" oder gleich "Almans"? Ja, in der Tat gibt es diese nicht ungefährlichen und deutschenfeindlichen Tendenzen: In einem Sprachmischmasch aus Deutsch, Arabisch und anderen Dialekten der Herkunftsländer dissen, verunglimpfen, beschimpfen die Herren Migranten-Rapper gern mal Deutsche. Die deutsche Hip-Hop-Szene, eine ehemals recht harmlose Angelegenheit, bestehend aus bürgerlichen Leutchen, ist, wie einige weitere Bereiche längst, von diesen Migranten dominiert. Die geben den Ton an, Leutchen wie BUSHIDO, HAFTBEFEHL oder MASSIV machen Millionen mit ihren Platten, das sind die Fakten. Es gibt zwar noch eine etwas intellektuellere Hip-Hop-Elite auf der anderen Seite, in der Regel deutsche Bands, die selbst von Anfang an im Game dabei waren, etwa FETTES BROT und DIE FANTASTISCHEN VIER. Und heute die weiterhin aktiven Bands und Einzelkünstler mit ironischem Einschlag: DEICHKIND, ALLIGATOAH, ANTILOPENGANG und Co.

CASHMO ist da eher ein Außenseiter: In Unterschichten-Milieus mit Migranten und neben ihnen aufgewachsen, sogar mit einigen befreundet, hatte er es als "Alman", der auf die Art rappen will wie seine migrantischen Kollegen, es schwer. Wer nimmt in der Szene einen Deutschen mit deutschen Wurzeln (und nicht mit Zuwanderungsgeschichte) für voll?

Dass längst (auch schon vor der großen Zuwanderungskrise von 2015) Deutsche in gewissen Vierteln stark in der Unterzahl sind und dort ein nicht sehr leichtes Leben haben, ist ein Thema, das gern tabuisiert wird. Es kommt in Talkshows praktisch nicht vor, dass ein Großteil der Zuwanderer aus dem Nahen Osten, etwa von der arabischen Halbinsel und aus dem muslimisch geprägten Nordafrika, nicht nur an Schulen in sozialen Brennpunkten unserer Großstädte längst die absolute Mehrheit der Schüler stellen. Nein, es wird auch nicht deren Deutschenfeindlichkeit thematisiert. Jedenfalls nicht in jüngerer Zeit. Der Ex-Islamist und Ex-IS-Anhänger IRFAN PECI, der seiner Radikalität komplett abgeschworen hat und jetzt als Islamexperte und vor allem Beobachter der extremen Umtriebe unter Muslimen in Deutschland aktiv ist, kommentierte mal in einem seiner YOUTUBE-Videos einen alten Beitrag eines dritten Programms (womöglich war es WDR) von vor 10 (!) Jahren! Damals war man bezüglich dieser Deutschenfeindlichkeit erfrischend ehrlich: Eine Reporterin, selbst mit arabischem Migrationshintergrund (!), widmete sich zwei kleinen deutschen Jungen, die von der Mehrzahl der Migranten in ihrer Klasse aufs Übelste gemobbt wurden – und sich nicht besonders gut dagegen wehrten. Während jede angebliche "Mikroaggression", jede neugierige, menschlich interessierte Nachfrage nach der Herkunft eines stärker Pigmentierten, jeder (vermeintlich) schiefe Blick und jede nicht-arschkriecherisch genug seiende Freundlichkeit gegenüber den Zugewanderten einem gleich einen massiven Rassismus- und Fremdenfeindlichkeitsvorwurf einbringt, wird völlig ignoriert, dass sich eine Großzahl der muslimischen Migranten nicht gerade freundlich und höflich gegenüber Deutschen verhält. Während es schon Ärger geben kann, wenn man einen fremd aussehenden Menschen sicherheitshalber auf Englisch anspricht (da man heutzutage nicht mehr wissen kann, ob er überhaupt Deutsch kann), wird nicht berücksichtigt, dass die wahren Hassverbrechen (insbesondere die konkret physischen Gewalttaten) von Migranten gegenüber Deutschen nicht erst in den vergangenen sechs Jahren Überhand nehmen (u.a. U-Bahn-"Schubser" und andere, von Vergewaltigungen, auch in Gruppen, ganz abgesehen). Stattdessen bekämpft man den verbal oder in einem schwachen Moment auf TWITTER, FB & Co geäußerten Unmut, der als "Hassrede" hart geahndet wird. Die Hassrede der Migranten? Erst recht jetzt die Ausschreitungen bei anti-israelischen Demos, auf denen die gesamten Palästinenser und Palästinenser-Unterstützer deutsche Juden beleidigen und aggressiv gegen die Polizei vorgehen – scheißegal.

 

In seinem Song "Alman" spricht CASHMO ein längst überfälliges Thema an, eines, das im Hip-Hop/Rap, insbesondere dem migrantischen, sträflich vernachlässigt wird: Dort sind immer nur die "Almans", also Deutschen schuld: Die sind angeblich immer rassistisch, wollen einen nicht akzeptieren etc. Dass man sich selbst nicht integrieren will und sich hier seine Parallelgesellschaften aufbaut = ein Aspekt, der auch von der Gut- und Bessermenschen-Schickeria linkester Verkorksung ignoriert wird.

Das hauptsächlich auf YOUTUBE veröffentlichte Lied (auf CASHMOs eigenem Kanal CASHMOMUSIC)  wartet mit allem auf, das ein opulenter, fetter Track der migrantischen Hip-Hop-Szene auch hat: Derber, starker Grundbeat, krasse Punchline, geile Hooks – und ein Text, der sich in den entscheidenden Momenten sogar noch zurückhält. Die Kritik an den asozialen Asylanten und Migranten, den Leuten, die CASHMO bedrängen und fertigmachen, dissen und mobben, hält sich noch im Rahmen. Es könnte wesentlich schlimmer sein – und auch so geschildert werden. Obwohl sich der Rapper CASHMO also zurückhielt, schlug dieses Lied sogar größere Wellen: In einigen Mainstreammedien wurde, was auch sonst, wiedermal die Nazi-Keule geschwungen, das Ganze zumindest in die Nähe des Rechtsradikalismus gerückt, obwohl es maximal konservativ ist. CASHMO ruderte dann teilweise zurück, blieb aber im Großen und Ganzen bei seinen Ansichten – und erntete auch Zustimmung, zum Teil aus Migrations-Rapper-Kreisen, wo er ja auch durchaus einige Freunde und Kollegen hat.

In einem Land, in dem es (zum Glück) kaum noch richtige Neonazis gibt, in welchem jedoch immer so getan wird, als patrouillierten ständig Skinhead-Horden durch die Fußgängerzonen und würden Menschen mit ausländischen Wurzeln anpöbeln, einschüchtern oder sogar zusammenschlagen, wird gern mal vergessen, dass der dämliche Hass der muslimischen Migranten gegen Deutsche, Juden, "Ungläubige"/Kuffar durchaus keine Ursache im Verhalten Deutscher hat. Meistens jedenfalls nicht! Derweil wir das fremdenfreundlichste (und selbstfeindlichste) Land der ganzen verfickten Erde sind, wird immer noch so getan, als stecke die böse "Nazi-DNA" weiterhin in uns.

Frieden wird es zwischen diesen unversöhnlichen Lagern wohl niemals geben.

 

  1. CHRISTIAN – "Es ist geil, ein Arschloch zu sein" (2001)

Die frühen 2000er waren nicht unbedingt lückenlos erfreulich. Hundertprozentig waren sie sogar relativ niveaulos oder wenigstens niveauarm! Allein der Titel dieses Songs macht frösteln: Kann jemand sowas ernst meinen? Die gewieften Produzenten des Reality-Formats von RTL, der umstrittenen Show, die ganz normale Menschen, Asis und Leutchen aus mittleren bis (seltener) gehobenen Schichten in einer Art "Reservat" oder Habitat zeigte, meinten wohl: Jepp. Könnte was werden. Die teilweise heftige Kritik aufgrund der Situation (ein Dutzend Leutchen oder so ließ sich, freiwillig, einsperren in eine Art Großcontainer aus mehreren Teilen, eine Art Großbungalow oder, negativer, Bunker, zwar nicht unterirdisch, aber in der Art): Leutchen wurden permanent von Kameras verfolgt, bei allem, das sie tun. Nannte sich BIG BROTHER, das Ganze, in Anlehnung, wie so vieles, an "1984" von G. ORWELL.

Schon die 2000 ausgestrahlte erste Staffel hatte einige peinliche musikalische Ausreißer ausgespuckt, an die man sich nirgendwo mehr erinnern wollen sollte. Diesen Teil der deutschsprachigen Musikgeschichte kann man getrost verdrängen…Eher semigebildete Intelligenzallergiker wie ZLATKO TRPKOWSKI, ein Kfz-Mechatroniker mit dem gewissen Proll-Charme, hatte etwa das seiner Freundin gewidmete "Ich vermiss dich (wie die Hölle)" hervorgebracht, "An der Nordseeküste" wurde von DIE BEWOHNER (des BIG-BROTHER-Containers) zu "Big Brother ist okay" (immerhin noch unpeinlicher als "Ich bin ein Star – holt mich hier raus!". Auch ein gewisser JÜRGEN MILSKI (der heute irgendwelche Karnevalsschlager und Mallorca-Stimmungshits produziert und eine Zeitlang bei NEUNLIVE anschaffen ging, um dämliche Quiz zu verticken) hatte einen Hit, gemeinsam mit erwähntem ZLATKO: "Großer Bruder" heißt die Nummer, ein peinlich trashiger Dancetrack.

In Staffel 2 musste man auch einige Lieder über sich ergehen lassen, die nicht allzu cool waren: Während wenigstens der Titeltrack der ersten Staffel ganz passabel war ("Leb!" von DIE 3. GENERATION), auch der der zweiten ("Zeig mir dein Gesicht" von BERGER), gab es weitere Peinlich-Ausrutscher: Ein gewisser WALTER widmete einer BB-Mitbewohnerin, in die er sich verliebt hatte, sein "Ich geh nicht ohne dich" (womit: aus dem BB-Container gemeint war), auch ein gewisser ALEX (ALEX JORIG)(der eine männlich-tiefe Stimme, ideal für Werbespots hatte) brachte einen annehmbaren Dancepop-Track "Ich will nur dich".

Allesamt jedoch vergessenswerte Lieder – vergesst sie, liebe Leser, wir schreiben auch gewiss keinen Test darüber! Versprochen!

Dieser Typ hier hieß CHRISTIAN, bürgerlich: CHRISTIAN MÖLLMANN, Jahrgang 1972. Ein Ex-Polizist mit riesengroßer Schnauze, ein Beau zwar, ein Sexgott, der sich den zweifelhaften Ruf des "Nominators" erworben hatte. Jede Woche mussten die einzelnen Bewohner in jeweils Einzelgesprächen jemanden für den Ausstieg nominieren, der es aus ihrer Sicht verdient hätte, nicht mehr länger mit dabei zu sein. Er war der Berüchtigte. Ob er wirklich ein "Arschloch" war oder nicht, ist mir im Nachhinein nicht mehr klar. Ich nahm es jedenfalls so wahr, als ich die Sendung damals noch schaute, als Guilty Pleasure gewissermaßen.

Der Typ hatte im WARNER BROS. MOVIE WORLD-Freizeitpark gearbeitet, als Schauspieler und Showleiter. Dann hatte er sich für die zweite Staffel von BIG BROTHER gemeldet. Die Einschaltquoten waren hoch, auch ihm war dies zu verdanken. Seine markigen Sprüche machten die Show zu einer Sache, die gern von Millionen konsumiert wurde. Es waren eben die goldenen Zeiten des Privatfernsehens.

 

Dieses Lied hier? Ein kräftiger Beat, ein bisschen was Rockiges, aber im Großen und Ganzen einfach Pop, der leicht angehärteten Sorte. Warum Topliste? Da es interessant ist, aber auch heftig. Die Mentalität einer ganzen Gesellschaft, so scheint es, wird in Liedform verarbeitet. Nein, so ist es nicht! Jedoch: Die Einstellung eines gewissen Menschenschlags: Es zu Wohlstand gebracht habend, jedes Problem mit Geld bekämpfend ("Und gibt es ein Problem, dann wird es weggekauft – denn die Platinum American Express hab ich auch!"), arschig und arrogant gegenüber den meisten Mitmenschen, insbesondere denen, die "nicht in derselben Liga spielen". Die Ellenbogenmentalität, sich überall durchzusetzen, durchzuboxen und keine Rücksicht auf Verluste auf dem knallhart verfolgten Lebensweg zu nehmen. Ironisch ist der Text natürlich, es ist eine krasse Hyperbel, ein hyperbolischer Witz, nicht mehr. Dafür umso wahrer an einigen Stellen. "Wenn du ein Schwein bist, gehört dir alles allein!" lautet ein Teil des Refrains, was an DIE PRINZEN und ihr "Du musst ein Schwein sein" erinnern könnte (siehe etwas weiter unten). Nun: Die Nachfolgesingle "Was kost' die Welt?" konnte zwar nicht überzeugen, hat aber hier ihren exzellenten Vorgänger!

 

  1. CHRISTINA STÜRMER – "Ich lebe" (2003)

Die quirlige Österreicherin mit der selbstbewusst, fast jungenhaften Stimme, markant und einmalig, wurde in der österreichischen Casting-Show "Starmania" im Jahre 2003 entdeckt – und seitdem gefördert. Der Rest ist Geschichte, wie es der Volksmund gern sagt: Sie hatte einen Erfolgssong nach dem anderen, Hit an Hit, stiftete mit ihrer (ausdrucks-)starken Stimme u.a. den Soundtrack zu einer Serie ("Ich kriege nie genug" für "Alles, was zählt" auf RTL) – und bleibt am meisten haften mit ebendiesem Hit hier: Eine epische, patente Rocknummer mit einer nicht gerade banal-alltäglichen Liebeserklärung, vorgetragen von der Dame mit dem missverständlichen Nachnamen: Eine Liebschaft, die hier verehrt wird, die auch ihre entkräftenden, verzweifelnden, ja geradezu toxischen Elemente aufweist! "Du bist die Qual – ich war schon immer Masochist – bringst - mir kein Glück – ich bin und bleibe Pessimist!" Klingt nicht nach der leichtherzigen, oberflächlichen Spaßromanze, sondern harter Arbeit, einer Sucht, wie nach einer Droge, bei der man doch um ihre destruktiven Eigenschaften weiß.

"Schmeckst bittersüß – saugst mich aus wie ein Vampir – ich bin verhext – komm einfach nicht mehr los von dir" verstärkt diesen drogenartigen Eindruck noch.

"Du bist für mich mein zweites Ich" – das jedoch konstrastiert die vorherigen Aussagen. Es ist eben ein schönes Liebeslied, das Leben und Liebe zu einer harmonischen aber nicht gänzlich störungsfreien Einheit vereint. Erfrischend lebensbejahend. Streckenweise überzeugender als JULIs "Dieses Leben" (siehe unten).

 

  1. CINDY & BERT – "Immer wieder sonntags" (1973)

"Mein altbacken' Herz durchfährt ein bittersüßer Schmerz", um es mal sehr frei zu zitieren, was MIA mal sangen ("Hungriges Herz", 2004). Dieser deutsche Schlagerklassiker darf eben auf keiner einsamen Insel fehlen, denn er ist allein schon titeltechnisch der Soundtrack zum wohl schönsten Tag der Woche, dem der Entspannung und des Runterkommens, in den man gern lang und ausgiebig im Rahmen der LANGEN-KULMBACHER-FILMNACHT hineinfeiert, von wegen "Saturday Night" und so. CINDY & BERT liefern ein gefälliges, niemand wehtuendes und somit wohltuendes Lied, sanfte Gitarren untermalen ein tanzbares und doch ruhiges, harmonisches Lied mit exzellenter Melodie, fast zu perfekt... "Immer wieder sonntags – kommt die Erinnerung". Genug gesagt. Wunderschön.

 

  1. CINEMATIC FEATURING HEINZ RÜHMANN – "Unser Lied (LaLeLu)" (1994)

Als die 90er laufen lernten…Wir waren alle noch unschuldige Kinder, als dieser uralte Gassenhauer in neuem Gewand zu vollster Blüte erstrahlen konnte: "Lalelu", dieses Lied wurde bereits 1950 von einem gewissen HEINO GAZE komponiert. Im Film "Wenn der Vater mit dem Sohne" (1955) singt HEINZ RÜHMANN als Vater seinem Sohne (gespielt von OLIVER GRIMM) das Lied vor. Der Sohn wünscht sich etwas, einige Dinge, die sich kleine Kinder so wünschen. Der genaue Wortlaut aus dem Film inklusive der Lied-Performanz durch RÜHMANN, wurde mit einem peppigen Pop-Beat sanfterer Slo-Mo-Art unterlegt und mit einigen klug gewählten Nebengeräuschen arrangiert. Fertig ist das perfekte Remix, eines der besten aller Zeiten, ein Kinderlied, das auch Erwachsene noch rühren kann. Eine Stärke der 1990er bestand eben genau darin: Alte Ideen, Samples, Harmonien aufzugreifen und sie in neuen Liedern und frischen Kompositionen zu verarbeiten, neben dem vielen sehr Eigenständigen dieser bewegten Zeit. Sehr begeisterungsfähig. Urig und unkonventionell für ein Stück bis in heutige Tage. Eine Weihnachts-Sonderversion ist noch mit Weihnachtsglöckchen- und –Schellengeräuschen veredelt, sodass auch da Stimmung aufkommen kann. Für die Kinderzimmer und Erwachsenenherzen der kommenden 200 Generationen minimum bestens geeignet.

 

  1. CITY – "Am Fenster" (1974/1977)

Lobt und betrachtet man deutschsprachige Musik darf auch die aus der ehemaligen DDR, dem zweiten deutschen Staat also, nicht unbeachtet bleiben. Es gibt viele Ostrock-Klassiker, die richtig gut, wenn nicht gar brillant sind. Was nicht nur für den etwas über ein Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung entstandenen späten Ostrock-Hit "Im Osten" eines gewissen NIEMANN gilt. Eines der wohl besten und intellektuell anspruchsvollsten Lieder ist das der wohl bekanntesten Rockband der Ex-DDR, CITY. "Am Fenster" ist ein vertontes Gedicht, das ursprünglich von der Lyrikerin HILDEGARD MARIA RAUCHFUß verfasst wurde. In extrem melancholische Mollakkorde gekleidet, gewinnt dieses Gedicht eine besondere Bedeutung und entfaltet eine ungeahnte Magie. Der von der damaligen Plattenfirma AMIGA zunächst kritisch beäugte Einsatz extrem traurig gestimmter Geigen in einem Rocksong, dem man keinen Erfolg beschied, war zur damaligen Zeit ein Novum. Der Reiz dieses außergewöhnlichen Liedes, extraordinär traurig und herausstechend aus jeder Masse von Rockmusikliedern, liegt in der offenkundig und hörbar von jener magischen, wunderschön handgemachten osteuropäischen Zigeunermusik inspirierten Geigenmelodie, kombiniert mit sonorem, melancholisch-monotonem Gesang des Sängers TONI KRAHL (der ursprüngliche Sänger der Band, EMIL BOGDANOW floh nach Schweden, da er sonst zum Militärdienst in der NVA einberufen worden wäre) – ergeben ein einzigartiges Stück deutsch-deutscher Musikgeschichte. Das Lied gilt zu Recht als Klassiker der DDR-Musik, insbesondere Rockmusik. Auf meiner einsamen Insel erinnert es mich daran, wie alles begann, dass es zwei deutsche Staaten gab, dass aber auch alles so aussichtslos schien, wie in diesem eher tristen Song, der jedoch unwiderstehlich ist. Er hat was. Das andere Songs in der Regel nicht haben.

 

  1. COMBO COLOSSALE – "Puppen weinen nicht" (1983)

Dass es nicht um leblose Spielzeuge/Objekte zum Spielen geht, ist offensichtlich, das ist schon am Textverlauf erkennbar. Die putzige NDW-Combo "Combo Colossale", die sich ein wenig wie der Name eines Zirkus' anhört, ist eine Gruppe mit exaltiertem Gesang und exzentrischem Gehabe, die hier etwas über "Puppen" singt und damit entweder Kinder (eher weibliche) oder gleich junge Frauen (salopper Slang-Ausdruck: "Puppe", auch in der Ansprache, der despektierlichen eines Anmachers), vielleicht auch ältere Frauen, Frauen im Allgemeinen… Die Kritik wird in einen etwas doofen, abseitigen Text gepackt: Man(n) soll mit Frauen vernünftig umgehen, dass hier im Text nur konstatiert wird, dass sie nicht weinen (was natürlich nicht wahr ist) und keine Gefühle haben, ist das größte, breitschneidigste Schwert der Ironie, das jemals aus dem harten Arkenstein gezogen wurde! Nimm dies, Arthus! Allerdings "geben sie niemals zu", dass sie "genauso fühlen wie du". Aha. Keine Schwäche eingestehen? Ist das nicht eher Männersache? Nehmt dies, Chauvinisten und Machos dieser und erst recht der islamischen Welt, wo Frauen häufiger als hier wie der letzte Dreck behandelt werden!

Der Text wurde von HENRY VALENTINO, besser bekannt als Schlagerkomponist und –Texter HANS BLUM, geschrieben…

 

  1. COMEDIAN HARMONISTS – "Ein Freund, ein guter Freund" (1930) 

Die Band mit dem heiteren Namen war ein Phänomen der späten Weimarer Republik und leider des beginnenden Dritten Reiches – und dennoch nicht wegzudenken aus dem Kanon guter bis brillanter deutscher Musik. Ihre lebens-weisen, klugen Texte voll verschmitzten Witzes und Hintersinn wie Albernheit gleichermaßen waren eine perfekte Beobachtung des Alltags und Lebens und Eigenarten der Menschen allgemein. Ohne dabei politisch zu sein, schon gar nicht in irgendeine Richtung voreingenommen. Das wurde der Acapella-Kapelle auch bald zum Verhängnis: Drei der sechs Mitglieder waren Deutsche jüdischen Glaubens, was leider ein Problem war, da die Nazis, wie wir alle wissen, mit der Judenverfolgung bereits in den mittleren 1930ern begannen. Infolge dieser Tatsache musste sich die Band gezwungenermaßen auflösen, die drei jüdischen Mitglieder emigrierten zunächst nach Österreich, später weiter weg.

Die Band hinterließ einige der feinsten, schönsten und inhaltlich treffendsten Lieder deutscher Liedkultur. Unter ihnen das pathetische aber launig schöne Gute-Laune-Lied, eine Ode an die Freundschaft, die universell für alle Zeiten gültig ist und mich immer wieder im Herzen berührt. Freundschaft, in diesem Falle zwischen Männern (sicherlich auch auf Frauen ummünzbar, stört man sich nicht an der nicht "gendergerechten" Sprache), die auch die Liebschaft zu Damen übersteht und sämtliche noch so stürmischen Lebensepisoden. Man hätte ein Lied nicht schöner machen können, das Big-Band-Orchester im Hintergrund tut sein Übriges, Bestes, jedoch steht und fällt alles mit dem perfekten Harmoniegesang der sechs talentierten Meistersinger.

 

  1. COMEDIAN HARMONISTS – "Ich wollt', ich wär ein Huhn" (1930)

Es gibt halt auch relativ "sinnlose", simple Lieder ohne tieferen Gehalt, etwa diese Nonsens-Hymne auf das Leben eines Huhns, das neidisch von einem Menschen betrachtet wird. Zu Zeiten, als es vermutlich noch keine Legebatterien gab und das "Berufsleben" eines Huhns extrem stressig war, dürfte dies zugetroffen haben: Hühner hatten "wenig zu tun", indem sie einfach einmal am Tag, morgens, ein Ei legen – und "nachmittags frei" haben. Nun, mein lieber Freund HEIKO (einer, der dem Freundschaftsideal im obigen "Ein Freund, ein guter Freund" entspricht) erwähnte dieses Lied des Öfteren, er mochte es, wusste aber nicht, wie es heißt und wer der Urheber ist. Ich fand es erst heraus, als ich bei WOOLWORTH zufällig eine günstige Doppel-CD mit "Comedy Schlagern" darauf fand, auf der allerhand zotige Lieder alter Zeiten befindlich sind. Nun, seitdem höre ich das Lied ganz gern immer mal wieder. Eine eierlegende Wollmilchsau in Songform ist es nicht, aber es erfüllt seinen Zweck als vergnügliche kleine Ode an Hühner, Hühnereier und den "Neid" des Menschen, dies nicht tun zu können.

 

  1. COMEDIAN HARMONISTS – "Mein kleiner grüner Kaktus" (1934)

"Der Weg zum Herzen der Tochter führt über das Gehör der Mutter", scherzte OTTO WAALKES aus dem Off, während er in seiner Filmfigur in seinem ersten albernen, zotigen Komödienspielfilm "Otto – Der Film" (1985) auf der Fahrt zu einer Hasenjagd (gejagt werden sollte der sog. "RUDOLF, DER RAMMLER", der "tot oder unlebendig" gegen eine stattliche Prämie zu erlegen war) in seiner klapprigen Kleinlasterkiste das Autoradio aufdrehte, aus dem die COMEDIAN HARMONISTS gerade ihr berühmtestes Lied zum Besten gaben: "Mein kleiner grüner Kaktus". Der "Blödelbarde" OTTO W. bewegt dann im Film seine Lippen synchron in einer Art "Playback" zu den Klängen dieser lustigen Scherzbold-Band. Und das Lied ist, unabhängig von seinem Inhalt, ökonomisch effektiv: Ein paar nette "Pamparams" zu Anfang, ein bisschen "Jodeln" im Song ("hollari, hallari, hollaro") – fertig ist das schwungvolle Acapella-Schelmenstück mit dezenter Klavierbegleitung.

Für Botanik-Freunde ist das Lied zwar insofern wenig reizvoll, da sie keine weiterführenden, tieferen Lexikon-Informationen zum stachligen Wüstengewächs erhalten, doch die Haupteigenschaft des schmerzhafte Stiche auslösen könnenden, genügsamen "Gemüses", aus dem sich Meskalin gewinnen ließe, wird aufs Vortrefflichste parodistisch höchst niveauvoll auf den Arm genommen. Bis in die letzte Faser und den letzten Stachel ulkig, dieses Lied. Kein Wunder also, dass OTTO WAALKES dem Ganzen ein würdiges Mienenspiel-Denkmal setze! Chapeau! Stimmungsaufhellend auf jeder Party!

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Karl-Konrad Knooshood).
Der Beitrag wurde von Karl-Konrad Knooshood auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.06.2021. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Karl-Konrad Knooshood als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Kleiner Vogel Hoffnung von Eveline Dächer



Stimmungen
am Meer,
im Wald,
auf der Heide, Hoffnung

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Sonstige" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Karl-Konrad Knooshood

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Greatest Hits - Teil 19 von Karl-Konrad Knooshood (Sonstige)
Pilgerweg...letzte Episode von Rüdiger Nazar (Sonstige)
Pilgerweg III. von Rüdiger Nazar (Reiseberichte)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen