Karl-Konrad Knooshood

Deutschsprachige Musikwunder 18 - Buchstabe D 180 bis D 198

 


 

 

  1. DIE TOTEN HOSEN – "10 kleine Jägermeister" (1996)

Deprimierenderweise ist das süffigste Sauflied der TOTEN HOSEN, ein harter Hardrock-Slowpunk-Stampfer mit Mitgröl-Garantie, auch ihr bekanntestes. Aus einer Zeit stammend, als sie wenigstens noch näher am Punk dran waren als seit "Tage wie diese". Die Philosophie ist reizend simpel, hier werden Binsen-Lebensweisheiten verarbeitet, in einer Art neuen Fassung des alten Kinderliedes "10 kleine Negerlein", das natürlich politisch unkorrekt ist. Heutzutage wird sich wahrscheinlich angeschickt, es ein für alle Male zu verbieten. Das Negerlein-Liedchen, eine harmlose Nummer, die dem Prinzip folgt, dass von einer gewissen Anzahl Leute jeweils immer einer einer Lebensunwägbarkeit zum Opfer fällt, wurde bereits in den frühen 90ern von einer anderen Punkband prominent als flottes Stück adaptiert. Die Version der HOSEN bezieht sich entweder auf den Beruf des Jägers (falls es da etwas wie einen "Meister" geben kann) – oder das auch in Übersee beliebte Kräuterschnäpschen (bestehend aus 56 Kräutern)  aus dem niedersächsischen Wolfenbüttel. Nun, in diesem Lied ergeht es den "Jägermeistern" ganz ähnlich wie den armen Mini-Negern: Einer nach dem anderen stirbt, wird getötet, verhaftet – oder erhält, besonders tragisch kurz vor Schluss – kein Asyl. Eifersuchtsdramen, Alkoholabusus, Erbschleicherei und Erbmord, Geschwindigkeitsübertretungen – eben all das, was das Leben ausmacht, alles kommt im Lied vor. Dabei sind die Strophen in einem lockeren Gitarrensound gehalten, in einem wippenden, fast reggaeartigen Rhythmus, wohingegen in den Refrains, mit diesem berühmten Musketiere-Zitat nach DUMAS "Die drei Musketiere", "Einer für alle – alle für einen", angefangen, der erst schwerfällige Stampfsound immer stärker, heftiger, schneller wird, bis zum Exzess zum Ende hin. Eh noch einmal die letzte Pointe kommt. Besonders witzig ist die Albumversion, wie sie auf dem legendären, dem wohl auf ewig besten DIE-TOTEN-HOSEN-Album (jede Band hat doch dieses eine legendäre und unübertreffbare Album im Laufe ihrer Karriere, bei DTH ist es dies) "Opium fürs Volk" (nach MARX), zu finden ist. Dort gibt es ein "Interview-Intro" mit ROCKO SCHAMONI, in dem nicht nur auf den Saufliedklassiker dieser Band, "Eisgekühlter Bommerlunder" angespielt wird, sondern auch die Vorliebe für Sauflieder als solche vonseiten der Band thematisiert wird, die Band "kontert" da genial:

SCHAMONI: "DIE TOTEN HOSEN – Euch gibt’s nun schon ziemlich lange – und ich wollte fragen: Macht's Euch eigentlich überhaupt nichts aus, jeden Abend immer diese Sauflieder zu singen?"

BREITI: "Wenn du dir mal die Mühe gemacht hättest, unsere letzten Alben zu hören, dann wär dir aufgefallen, dass wir solche Lieder schon lang nicht mehr machen!"

VÖLLI: "Also, wenn ich irgendwie die Bilder von hungernden Kindern im Fernsehen sehe, dann kann ich nicht mehr über Bommerlunder singen!"

Dann beginnt der Song… Am Schluss, nach der Coda, heißt es nochmal abschließend von Herrn SCHAMONI: "Ja, doch, also…Ich muss schon sagen: Ihr habt Euch wirklich weiterentwickelt!"

Nun, aus voller Kehle singt man doch gern: "Einmal muss jeder gehen – und wenn dein Herz zerbricht – davon wird die Welt nicht untergehen – Mensch, ärger dich nicht!" Also wird auch ein Spieleklassiker, dessen wesentliches Element ist, nicht nur als Erster seine vier Figuren in die "Garage" zu retten, sondern auch seine Gegner aus dem Feld zu schlagen…"Einmal muss jeder gehen" – doppeldeutig ist es nur ein wenig. So sind sie eben, die HOSEN, wer könnte ihnen böse sein? Sauflieder, die irgendwann dann überall stattfinden, auch auf den Partymeilen dieser Welt. Ob das so cool ist?

 

  1. DIE TOTEN HOSEN – "Alles aus Liebe" (1993)

Im Booklet zur ersten Greatest-Hits-Sammlung von DIE TOTEN HOSEN, "Reich und sexy" (1993) (das Album, auf dessen Cover viele nackte Frauen, unter ihnen die nackten Bandmitglieder abgebildet waren, ähnlich wie bei der unzensierten Version von JIMI HENDRIX' "Electric Ladyland", 1968) steht über das Lied: "Hier haben die HOSEN ihrem Hang zur Gefühlsduselei endgültig freien Lauf gelassen. Im Kasten war diese Aufnahme allerdings erst um 5.00 Uhr morgens, nach mehreren Flaschen "Chianti Classico"." (DAVID NASH, Toningenieur (DIERKS-Studios).

Tja, man könnte das Lied fast nicht besser beschreiben, täte ihm jedoch vielleicht unrecht, wenn man es nur auf diese Aussage reduzierte. Klar, es ist natürlich sentimentaler Softeis-Ersatz, für eine Band mit politisch relevanten, auch mal kritischen Texten, was Gesellschaft & Soziales anbelangt, eine Musikgruppe mit punkigen und Saufthemen, ein reichlich konventionelles Lied. Ausgerechnet ein Liebeslied (übrigens ist das gleichnamige "Liebeslied" eher eine zackige Punknummer, die alles andere als das beschreibt, nämlich eher die Ausschreitungen auf linksautonomen Demos oder den Chaostagen, auch auf der Best-Of)! Doch die HOSEN wären nicht DIE TOTEN HOSEN, wenn sie nicht auch aus dem Thema Liebe und Verehrung etwas destillieren könnten, das unikal ist. Eifersucht und massive Verlustangst prägen die Lyrics aus der Sicht des Protagonisten – und das böse Ende kündigt sich an… Das für ihre Verhältnisse langsame Lied, fast eine Rockballade, geht drastisch mit Liebe um. "Komm, ich zeig dir, wie groß meine Liebe ist – und bringe mich für dich um!" ist vielleicht nicht ganz die Art Liebesromantik, die sich jeder Mensch erträumt. Das Gitarrensolo ist natürlich überragend, die Melodie ist sehr schön, man kann mitsingen und es auch nachempfinden, doch für den Schluss haben sich die Jungs um CAMPINO (alias ANDREAS FREGE) etwas besonders Groteskes einfallen lassen: Zum Höhepunkt des Liedes, dem Klimax des Dramas, heißt es nicht mehr "…und bringe mich für dich um", sondern konkret gefährlich: "…und bringe uns beide um!" – woraufhin in kurzem Abstand voneinander drei Gewehrschüsse erklingen, die entsetzlich echt wirken.

Nicht schlecht für gewisse Arten von Partys (nicht Ballermanneskes) – und nicht unbedingt für Hochzeiten…

 

  1. DIE TOTEN HOSEN – "Bayern" (1999)

"Es gibt nicht viel auf dieser Welt, woran man sich halten kann", konstatiert CAMPINO leicht heiser zu Anfang des gemächlich beginnenden aber später heftig abrockenden Songs. Man möchte ihm sogleich um den Hals fallen, ihm einen Dankeskuss auf die Wange schmatzen und zustimmen. Soweit so harmlos! Auch die "Lösungen", die lyrisch feilgeboten werden, wissen zwar inhaltlich zu überzeugen, weisen eine gewisse Logik auf, bieten aber keinen letztgültigen Trost: "Manche sagen, die Liebe - vielleicht ist da was dran!" Ja, die Liebe als das stärkste menschliche Gefühl und die "Himmelsmacht", der das größte Potenzial und die größte Potenz unterstellt wird (manchmal wird sie dabei jedoch überschätzt). Falls sie aber nicht weiterhilft, kommt das etwas billige, resignierte: "Und es gibt ja immer noch Gott – wenn man sonst niemand hat", doch auch Atheismus bietet hier (vermeintlich) keine Lösung: "Andere glauben an gar nichts - das Leben hat sie hart gemacht!"

Doch das Lied, das es in sich hat und die Frage, ob DIE TOTEN HOSEN "noch Punk(rock) sind", gleich in gewisser Weise beantwortet. Die Pointe ist knallhart: "Es kann so viel passieren – es kann so viel geschehen – aber eins weiß ich hundertprozentig: Nie im Leben würde ich zu BAYERN gehen!" - Deutlich? – Deutlich!

Ein Bekannter der Band gab zu verstehen, dass CAMPINO (ANDREAS FREGE) und seine Band allein schon noch Punkrocker seien, da er dieses Lied geschrieben habe. Das sich übrigens gegen den größten und schwerreichsten deutschen Fußballtraditionsverein richtet. Jenen Verein, den der spätere Steuerhinterzieher, der, wie ein Völkermörder und Erzbösewicht dafür in "Festungshaft" in eine gewisse Strafanstalt kam, ULI HOENEß, einst selbst, in den 70s, aktiver Spieler, u.a. der Nationalmannschaft, gewesen, leitet.

Im Musikvideo zum Song, das die Band bewusst an HOENEß persönlich geschickt hatte, sieht man den berühmten BAYERN-MÜNCHEN-Manager den denkwürdigen Satz sagen: "Das ist genau der Dreck, an dem unsere Gesellschaft einmal ersticken wird!"

In gewisser Weise, nicht unbedingt auf dieses Lied bezogen, behielt er ja Recht. Leider ist der "Dreck", an dem wir alle ersticken, eines nicht mehr fernen Tages, alles andere: Ignoranz gegenüber der Gefährlichkeit des Islam, naive, völlig hirnrissige "Willkommenskultur", Klimahysterie, Pandemiepanik, Denunziantentum und Blockwartmentalität (erst recht seit Corona)… Nun, sei's drum: Das Video findet auf einem extrem schlammigen Mehr-Schlacke-Schlamm-und-so-als-Wiese-Bolzplatz statt und ist nach wie vor ziemlich sehenswert. Die Bandmitglieder und einige andere spielen dort, Einige in BAYERN-MÜNCHEN-Trikots.

Gut, als Punker und extremistischer Antikapitalist steht man BAYERN MÜNCHEN nicht nur rein fußballfeindselig gegenüber, wenn man etwa aus Dortmund, Gelsenkirchen oder Hamburg kommt. Nein, der Verein der "Geldsäcke", der sich die besten Spieler einkaufen kann und deshalb auch ständig die meisten Spieler für die Nationalmannschaft stellt (seit mindestens 1990 steht fest: sowohl die WM '90 als auch die EM '96 noch die WM 2014 hätten wir ohne Beteiligung der exzellenten BAYERN-Spieler im Nationalteam gewonnen), muss einem als Nichtkommerziellem äußerst zuwider sein. Mir ist er egal. Ich bin Fußballfan, was die deutsche Fußballnationalmannschaft betrifft, Vereine sind mir egal. Fußballpatriotismus nur im großen Stil, kein Lokalpatriotismus diesbezüglich für mich bitte.

Die Reaktionen waren unterschiedlich. Die bayrische Band YETI GIRLS kreierte in Windeseile eine Schmähversion "Wir würden nie zu den TOTEN HOSEN gehen", den sie auf ihrer Internetseite zum Download-für-lau anbot. ULI HOENEß ärgerte sich puterrot, wie oben bereits angedeutet, die ALPEN-PRAWDA (SÜDDEUTSCHE ZEITUNG) erkannte den Humor und verlieh den Preis "Musenkuss der Woche".

2013 provozierte die Band übrigens, kurz nachdem ULI HOENEß wegen Steuerhinterziehung angeklagt worden war, auf einem Konzert noch ein wenig weiter: In ihrem Bandklassiker "Zehn kleine Jägermeister" veränderten sie die Zeile mit den "Steuersparern" wie folgt: "Sechs kleine Jägermeister – wollten Steuern sparen – ULI wurde eingelocht – fünf durften nachbezahlen". Ziemlich keck!

Ist ja auch hart: "Was für Eltern muss man haben – um so verdorben zu sein – einen Vertrag zu unterschreiben – bei diesem Scheißverein?" heißt es überdeutlich kurz vorm Lied-Ende.

 

Doch die Wogen haben sich geglättet – man vertrug sich wieder, CAMPINO äußerte sich sogar einmal positiv über HOENEß. Alles ganz harmlos. Friede, Freude, Eierkuchen.

 

Wie ein Hymnus konzeptioniert und musikalisch konstruiert, so, dass man, wie bei den schönsten TOTE-HOSEN-Songs, angenehm beschwingt mitbrüllen kann, ist es zwar nicht turbofix, auch nicht so aggressiv wie möglich, doch eine klare Kampfansage an den umstrittenen und womöglich korrupten Verein. 

Die Frage, ob das Lied "noch" PUNKROCK ist, ob die Band eine PUNK-Band ist (oder irgendwas anderes), steht sowieso nicht mehr zur Debatte. Ob DIE TOTEN HOSEN, ähnlich wie man es auch der Konkurrenz DIE ÄRZTE vorwirft, "zu kommerziell" sind, um Punk zu sein? Irrelevant! Die Band beweist seit jeher mit jedem ihrer Lieder, dass sie sich der klassischen Punkschublade nicht zuordnen lässt! DIE TOTEN HOSEN – für mich werden sie immer irgendetwas zwischen POP, SCHLAGER, ROCK'N'ROLL, HARDROCK, DEUTSCHROCK, PUNKROCK und AOR bleiben. Wer würde schließlich von DIE ÄRZTE noch etwas erwarten, das nach ehrlich-erdigem Punkrock klingt – und nicht wie poppig-deutschrockendes oder noch ganz andere Stile referenzierendes Zeug? Na also!

Mir ist das Lied immer noch wichtig, ich erachte es weiterhin als einen schönen Fußballfan-Hit, allerdings gerichtet gegen einen Traditionsverein – doch was ist Fußball ohne die Hits, die auch die "verfeindeten" Vereine verspotten? Von denen habe sogar ich schon was gehört. Historisch ist das Lied schon, allein, welche Kontroversen es zunächst auslöste. DIE TOTEN HOSEN sind allerdings längst selbst Teil des von ihnen früher eher kritisch bis skeptisch gesehenen Establishments. Das schmälert ihre genialen Leistungen keineswegs. Deshalb kommen hier auch mehrere vor…

 

  1. DIE TOTEN HOSEN – "Bonnie & Clyde" (1996)

Streitbar, wie geil das ist! Es handelt sich um eines der härtesten und schnellsten Stücke der HOSEN, die Melodie ist wiedermal brillant und eingängig, das Thema ist happig. Angelehnt an die Geschichte von BONNIE & CLYDE, das Gangster-Pärchen aus alter Zeit, das ein solch unschönes Ende nahm (vielleicht am nächsten dran: Die Verfilmung mit WARREN BEATTY und FAYE DUNAWAY in den Hauptrollen, "Bonnie & Clyde", 1967, aber auch das Musikvideo), phantasiert hier ein Protagonist in der Ich-Form, der dann wohl Clyde sein soll, vom Gangsterleben. Mit seiner Braut, einer Frau, die er rein "zufällig" trifft… Bemerkenswert auch, dass der Typ sogar die Begegnung antizipiert, was ein romantisches Element mit einspinnt. Dieser Kniff, eine (später heiß und innig geliebte) Person schon zu "kennen", ehe man sich überhaupt getroffen hat, vermittelt die entstehende emotionale Bindung: "Auch wenn ich dich zum ersten Mal hier treff – ich wusste immer, wie du aussiehst!" – Daraufhin wird gleich in die Vollen gegangen: "Mit dir will ich die Pferde stehl'n – die uns im Wege sind – Ich geh mit dir durch dick und dünn – bis an das Ende dieser Welt". Somit wird also bereits das bittere Ende vorweggenommen: Man ist bereit, füreinander durch sämtliche Schwierigkeiten zu gehen, bis in den Tod – oder eben "Das Ende der Welt".

Nachdem allerhand kriminelle Tätigkeiten beschrieben werden, etwa Autodiebstahl, Banküberfälle und Geldtransporter-Raubüberfälle, kommt es zum umstrittenen Teil, in dem es um Gewalt gegen Polizeibeamte geht. Zwar ist es durchaus logisch, dass echte Verbrecher, die nicht von der Polizei geschnappt und eingeknastet werden wollen, auch riskieren würden, auf ihrer permanenten Flucht Polizisten zu töten, die vielleicht auf sie schießen. Doch die explizite Gewaltszene wurde für eine Radioversion entschärft: "Wir schießen zwei, drei, vier, fünf Bullen um, wenn es nicht mehr anders geht – jeder weiß genau, was er da tut, wenn er uns aufhalten will!" heißt es knallhart. Nun, Gewalt gegen Polizisten sollte weiterhin verpönt sein. Es ist ja auch nur ein fiktives Lied! Nun, in der Radio-Version finde ich es auch nicht besser gelöst, dort heißt es: "Wir schießen zwei, drei, vier, fünf Kühe um, wenn…" – und das ist auch nicht gerade freundlich! Was können denn die lieben milchspendenden Tiere dafür, dass ein Gangster-Paar unterwegs ist.

Nun, es gab ein deutsches Verbrecherpärchen, das sich vielleicht ein Beispiel an dem BONNIE&CLYDE-Mythos genommen hat: Eine Zeitlang überfielen die Frau und der Mann gemeinschaftlich mehrere Banken und Tankstellen in Deutschland und den Niederlanden, waren viel im Grenzgebiet unterwegs. Die jüngere Schwester der schließlich geschnappten Gangster-Braut war auf meiner Schule…Gut, die beiden Gangster wurden in den Niederlanden gefasst, nach Deutschland ausgeliefert und dort einige Jahre im Knast frischgehalten. Man hatte sie zwischenzeitlich scherzhaft "Bonnie & Clyde" genannt.

 

Das fatalistische Lied hat ein offenes Ende, klar. Man kriegt die beiden Individuen, das verliebte verbrecherische Paar, (noch) nicht, doch angedeutet wird schon das nahende Ende in Form ihres "Credos": "Lebendig kriegen sie uns nie – egal, wie viel es sind! – 'Tod oder Freiheit' – soll auf unserm Grabstein steh'n!" Gangster-Romantik ist nur in der Fiktion schön und empfehlenswert. Nachmachen sollte man das nicht. Gut, dass wir dieses Lied haben, um in diese abseitige Phantasie einzutauchen!

 

  1. DIE TOTEN HOSEN/JOHANN ESSER (UND ANDERE) – "Die Moorsoldaten" (1933/2012)

Dieses Lied hat eine längere Geschichte. Während der Nazi-Zeit, der des Dritten Reiches im Konzentrationslager "Börgermoor" entstanden, von JOHANN ESSER unter der Mitwirkung weiterer Komponisten und Texter geschaffen, handelt es sich um ein Lied, das den Alltag in diesem Arbeitslager wiedergibt. Wie der Name "Moorsoldaten" schon sagt, mussten die dortigen Häftlinge jeden Tag ins Moor "marschieren", um dort die äußerst zermürbende, körperlich kaputtmachende Maloche des Torfstechens auszuführen. Das sind also die besagten "Moorsoldaten". Warum sie sich so nennen in dem Song? Weil sie als Kolonne dorthin ziehen, wie Soldaten, alle dasselbe Schicksal, hart und unerbittlich. Das Börgermoor war übrigens ein Speziallager für politische Gefangene, also Sozialisten, Kommunisten und "Bolschewisten" und solche, die man dafür hielt. Auch anderen politischen Richtungen Angehörige (wie etwa Demokraten) landeten dort, wenn sie sich gegen die nationalsozialistische Ordnung aufgelehnt oder diese kritisiert hatten. Also "Systemfeinde" – wie bei den Sowjetsozialisten auch jeder Abweichler schwer bestraft oder in ein Arbeitslager verschleppt wurde. Beide Ideologien, ob brauner oder roter Sozialismus, waren seit jeher falsch und bösartig. Das Lied, das hier in einer Coverversion vorliegt, die es perfekt in einen moderneren Kontext überführt (CAMPINO und seine Mannen hauen voll in die Saiten, machen daraus ein würdiges Rockgewitter, modernisieren moderat und behutsam). Der Text entspricht weitestgehend dem Original. Als großer TOTE-HOSEN-Fan erwarb ich auch deren 2012 erschienenes Doppel-Album "Ballast der Republik" (sic!), auf dessen zweiter CD mit dem Eigentitel "Die Geister, die wir riefen" (entlehnt GOETHEs "Zauberlehrling") die Band eine sehr gute Idee in die Tat umsetzte: Besondere Lieder aus der deutschen Musikgeschichte zusammenzutragen, überhaupt besondere Werke, also auch Poesie. Werke, die ihnen etwas bedeuten, die sie auch geprägt haben. Dabei sind solch unterschiedliche Lieder enthalten wie eines aus dem 17. Jahrhundert (ein fröhlich-vergnügtes Trinklied), ein paar Deutschpunk- und NDW-Klassiker und einige Gedichtvertonungen (siehe weiter unten "Im Nebel") sowie Liedermacherlieder und modernere elektronische Musik mit deutschen Texten. Sie nahmen diese meine Topliste also schon fast vorweg. Dieses Lied ist eins der eindrucksvollsten (neben "Stimmen aus dem Massengrab", einer ERICH-KÄSTNER-Gedichtvertonung wohl das Beste) auf der Musikdatenscheibe.

Ich hörte mir dieses Lied stets gern an, mich in die Lage der Komponisten und ihr tristes Leben im Arbeitslager mit der steten Torfstecherei versetzend. Es ist sehr bewegend. Wenn man bedenkt, was Menschen unter Extrembedingungen alles erleiden können, ohne aufzugeben. Immer noch in der Hoffnung auf bessere Tage. Nach der Beschreibung des trostlosen, abgeschlossenen Lagers, aus dem keine Flucht möglich ist, folgt zum Ende hin: "Doch für uns gibt es kein Klagen – ewig kann's nicht Winter sein – Einmal werden froh wir sagen: 'Heimat, du bist wieder mein!'" – Diese Passage rührt mich immer zu Tränen, auch wenn ich sonst nicht der sentimentale Typ bin. Ein hoffnungsfrohes Lied auch für andere unschöne Zeiten voller Bedrohungen, Umwälzungen und der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, wie es zurzeit durch Lockdowns und Co geschieht. Es wurde freilich auch schon zu unpassenden Gelegenheiten gespielt: Laut in der MS-Fußgängerzone, unweit des Servatii-Platzes, als eine Demonstration gegen den Auftritt irgendwelcher Nazis (wohl welche von der NPD, also echte Nazis) angesetzt war, die aber relativ schnell wieder aufgelöst wurde. Eine ältere Dame schwang zum Klang der TOTEN HOSEN, die dieses Lied aus einer mitgebrachten, laut und weithin tönenden Musikanlage, schmetterten, eine sozialistische Fahne. Wie passte das zu diesem Anlass? Niemand wollte schließlich irgendwelche Linken irgendwohin stecken! Erst recht nicht in Arbeitslager. Im Gegenteil: Gulags und Co. finden in den regen Phantasien linksradikaler Demagogen der LINKSPARTEI (SED), der GRÜNEN und sogar der Jusos längst wieder statt!

Ein weiterer Anlass, bei dem ich das Lied, unter anderem, hören musste, war eine der ersten Anti-TTIP-Veranstaltungen (die Älteren erinnern sich, was TTIP überhaupt war): Was zum Henker hatte das Lied damit zu tun?

Nichtsdestoweniger ist es einfach ein tolles Lied. Und historisch sehr, sehr, sehr wichtig.

 

  1. DIE TOTEN HOSEN – "Friss oder stirb" (2004)

Zeitgeist, Lage, Trend: 2004 war die Republik namens Bundes noch eine andere. Das Land hatte mit Problemen zu kämpfen, doch diese waren allesamt im lösbaren Rahmen. Es gab keine allzu große Einwanderung aus radikalislamischen Ländern, Parallelgesellschaften blieben weitestgehend unauffällig und unter sich (oder man bekam von wenigen Problemen etwas mit), Grenzen wurden noch vage geschützt, es gab strenge und notwendige Asylgesetze und Integrationsbringschuld, der Klimawandel war ein Thema, jedoch kein allzu relevantes, der islamische Terror beschränkte sich großenteils auf andere Teile Europas (was ja auch schlimm genug war), erst 2007 titelte der STERN: "Der Terror ist da!" – denn da gab es einen ersten Versuch eines Terroristen! Im selben Jahr auch die SAUERLANDGRUPPE, eine völlig irre Islamistenbande!

2004 war also noch alles relativ paletti, allerdings war SCHRÖDERs Stern im Sinken begriffen. Sonst: Für Freunde kontinuierlichen Meckerns, Moserns und Maulens gab es sicherlich manches dicke Schnurrhaar in der Suppe.

DIE TOTEN HOSEN fassten die Gesamtsituation im Land gekonnt in allerhand Metaphern aber auch unverblümt direkten Worten zusammen, in einer ultrahart zur Sache krachenden Punkrock-Mitgröl-Schocke, die satte Rockbombenteppiche auf die Ohren schlägt! Eiderdaus, Zbauzilauzi, ein Hammersong. "Uns geht es richtig gut, selbst in Delirium – ein Paradies vor unsern Augen!" fängt es hoffnungsfroh aber mit absolut ironischem Unterton an. "Wir machen unsere Träume wahr – wir sind alle Superstars" – das war eine lupenreine Anspielung und Attacke zugleich – auf die hohe Dichte an Casting-Sendungen (für Musiker aber auch andere Dinge) damals: DSDS, STAR SEARCH und POPSTARS hießen etwa die miteinander auf RTL, SAT1 und PROSIEBEN konkurrierenden Formate.

Wenn es denn heißt: "Oh, ich [später: wir] liebe/n dieses Leben – das bisschen Sehnsucht – bringt mich/uns nicht um!", wird bereits das ein Jahr später auf "Zurück zum Glück" erschienene "Ich bin die Sehnsucht in dir" vorweggenommen.

Auch "Scheiß' auf die Neue Mitte – Propaganda kann uns mal!" ist so eine Sentenz, in der man sich immer noch wiederfinden kann, nun, da das Overton-Fenster immer weiter nach links verschoben wird, sodass die "Neue Mitte", die bürgerliche, immer linker statt konservativer wird, wodurch eine politisch einseitige Schieflage entsteht. Aus vollem Herzen möchte ich mitträllern: "Propaganda kann mich mal!" Scheißdreckspropaganda des links-"progressiven" Mainstreams! Fuck off!

Auch "Einigkeit und Recht und Freiheit – und Solidarität – Wir sind so müde von diesem Gute-Nacht-Gebet!" könnte kaum passender sein, wird doch die Dreifaltigkeit der deutschen Demokratie, angelehnt an und abgeleitet von Einigkeit, Freiheit, Brüderlichkeit der Franzosen, mit Füßen getreten seit MERKELs Kabinett, wobei immer noch der Camouflage aufrechterhalten wird, wir befänden uns noch immer innerhalb dieses Konstrukts, das immer mehr aufgeweicht wird. Dessen Regeln immer mehr aufgeweicht werden. Und Solidarität? Selbstredend, die hat man nicht mehr, seitdem die Gräben immer tiefer werden und die Spaltung durch die Bundespolitik noch befeuert.

Doch "unser Herz braucht keine Reformen", fürwahr, das gilt umso mehr für Freunde der Demokratie, wahre Streiter für Rechtsstaat und Freiheit. Nein, das Herz ist immer noch bei diesem Land – und es lässt sich nicht durch Abschaffung aller etablierten, bewährten Werte überwinden, täuschen oder beenden!

"Wir möchten endlich wieder atmen – wir brauchen nur etwas Luft!" könnte auch nicht passender sein! Fickt die Masken! Fickt den Lockdown! Fickt das ganze verschissene System MERKEL!

 

  1. DIE TOTEN HOSEN – "Helden und Diebe" (1999)

Wer hätte gedacht, dass die HOSEN mal derartig prophetisch sein könnten? Vor fast 22 Jahren haben sie es schon geahnt: Sie waren schon 1999, aber wurden es noch mehr in den 2000ern und erst recht in den späten 10er Jahren des 21. Jahrhunderts zu ihrem eigenen Klischee, zum Ausverkauf ihrer selbst und ihrer Musik. Überholt und doch längst Teil des Mainstreams, mittlerweile Teil des progressivistischen Problems, erst recht post coronam, erst recht nach dem unsäglichen Konzert von 2017 (die geistig Wachen, nicht Woken, wissen genau, welches ich meine!), an dem die Band um den schillernden Frontmann CAMPINO, einen Menschen mit eigentlich scharfem Verstand und hohem Intellekt, teilgenommen hat. Die unsägliche Feigheit dieser Leute, die Verweigerung der Erkenntnis, was hierzulande wirklich abgeht und die richtigen Schlüsse (niemand verlangt von linken Leutchen, zu hemmungslosen Neonazis zu werden, denn auch wir Nichtlinken, Konservativen sind es nicht) daraus zu ziehen, sind einfach nur noch verstörend. In diesem Lied nehmen sie das alles vorweg, weshalb man es eigentlich fast schon gegen sie verwenden könnte.

Das ist aber nicht mein Stil, darum geht es nicht. Denn es ist ein historisches Lied, insbesondere auf diese Musikgruppe aus dem Punkrock-Bereich und ähnlich Musizierende bezogen: Das technisch versierte, toll gemachte Lied, das mit einem sehr langsamen Gitarrenspiel beginnt, in das sich immer mehr E-Gitarren- und Schlagzeugkaskaden mischen, ehe dann der zunächst schwerfällige Hauptteil anfängt, fällt im HOSEN-Kanon schon sehr positiv auf, sticht aus der Masse deutlich hervor. Schon hier positioniert sich die Band gegen all ihre Kritiker und diejenigen, die ihnen (teils berechtigt) den Ausverkauf des Punks und Verrat an dieser Musikrichtung vorwerfen.

"Mal sind wir Helden und mal Diebe – angeklagt wegen Hochverrat – an uns selbst und der Vergangenheit – und dem, was wir mal war'n!" besagt das Lied denn auch im ersten Refrain, der sich auf die Vergangenheit bezieht (gemeint ist die der Band, ausnahmsweise keine 12-jährige Hölle), die 80er Jahre, als sie noch jung, wild und ungestüm waren und wenig professionell mit ihren Instrumenten.

Gleich zu Beginn der ersten Strophe, die auch nicht ohne augenzwinkernden Lässigkeitshumor auskommt heißt es: "Irgendwann in der frühen Steinzeit – haben wir 'Wir sind bereit' geschrien!" – Ja, die frühen 80er, 1982 Bandgründung aus der vorherigen Band "ZK", waren sozusagen die "Steinzeit" des Punk, eigentlich aber eher die "Bronzezeit", denn die "Steinzeit" war ja ab Mitte der 70er – je nachdem, wen man fragt und wie man zählt, wurde der Punkrock in Wahrheit auch von der deutschen RIO-REISER-Stammband TON STEINE SCHERBEN schon 1972 (!) erfunden, "Keine Macht für niemand" ist das erste richtige Punkrock-Album aus meiner Sicht. Und "Wir sind bereit" ist einer der ersten Songs der TOTEN HOSEN, auf dem Debütalbum "Opel-Gang": Wie es hier weiter heißt: "Wir waren die Jungs von der Opel-Gang – und unser Weg war noch das Ziel!"

Dann die ersten Parolen an die Fans, der Aufruf zum großen Aufbruch: "'Verschwendet eure Zeit – und kommt mit uns!' – Auf diesen Schlachtruf waren wir stolz – Und keiner von uns hätte je geglaubt, dass uns wirklich mal jemand folgt!" – Die große Ehrlichmachung folgt direkt im Anschluss: "In all den Jahren hat sich viel verändert – wir bescheißen uns da nicht selbst!"

 

Und schon beinahe 14 Jahre, bevor sich DIE ÄRZTE in "Ist das noch Punkrock?" (siehe weiter oben) endlich fragten, ob das/sie noch Punk ist/sind, bescheinigen DIE TOTEN HOSEN ihren Kritikern: "Und sie fragen sich, ob das noch Punkrock ist – oder wie man sowas eigentlich nennt!", nachdem sie ihnen nachgesagt haben, dass das häufige Auftreten der Band in Interviews und Talkshows "verdächtig" erscheint: "Zu viel Fernsehshows, zu viel Interviews, viel zu oft verdächtig nett…".

Gerade heute, wo CAMPINO als ultimatives Gesinnungsorgan mit menschlicher Stimme und als starker (Mainstream-)Meinungsinhaber in viele Talkshows eingeladen wird, könnte dieser Satz nicht wahrhaftiger sein!

Ich höre das Lied dennoch gern, immer noch. Es hat einfach viele Stärken. Die Selbstironie und Selbstkritik sind hochgradig glaubwürdig, insbesondere Strophe 3 gefällt mir sehr: "Wir haben uns um den Verstand gesoffen – und sind irgendwie asozial" – ja, die alkoholischen Exzesse der Band in den 80ern und 90ern waren berüchtigt, mittlerweile sind sie auch dort zahm geworden.

Dass sie zugleich "höflich und bescheiden" sind, auch "Propheten" oder mal "Lügner", macht sie nur umso charmanter, ja, menschlicher, wie es einmal in der SÜDDEUTSCHEN stand.

"Vergesst einfach den ganzen Mist, den man sich über uns erzählt", empfehlen sie den Fans am Ende dieser entscheidenden Strophe 3 – und ich wäre sehr geneigt, ihnen nichts mehr übel zu nehmen. Warum auch nicht?

So bleibt nur noch der vorletzte Refrain zu erwähnen, in dem der erste eine weitere Variation erfährt: "Mal sind wir Helden und mal Diebe – angeklagt wegen Hochverrat – an einer Idee, die seit Jahren tot ist – und die man längst beerdigt hat!" – Ende der 90er war es definitiv so: Punkrock war im Grunde abgedroschen, abgefrühstückt, abgelutscht und obsolet: Der kindische Funpunk fand woanders statt, trotz WIZO und einiger anderer guter deutscher Punkbands wie TERRORGRUPPE (beide siehe weiter unten), die GRUNGE-Welle war wieder abgeebbt, NU METAL (Schreibung so) schickte sich ab Mitte der 90er an, der nächste heiße "Scheiß" zu werden, lockere Popmusik beherrschte alles, teilweise gab es deutschsprachige Musik, doch bis zur dritten NDW ab etwa Mitte der 2000er war es noch weit. Also ja, die "Idee" des Punk war sowieso längst Geschichte – und diese Band war es noch lange nicht. Die "Fetten Jahre" (so auch der Untertitel des 2002 zum 20-jährigen Bandjubiläum damals erschienenen Best-Ofs namens "Reich & Sexy II") kamen noch erst. Nach mittlerweile fast 40 Jahren (!) Bandbestehen muss man sagen: Langsam wäre es Zeit für den "Gnadenschuss". Geht endlich in Rente! Ich liebe Eure alte Musik doch immer noch!

 

  1. DIE TOTEN HOSEN – "Hier kommt Alex" (1988)

"Hier kommt Alex", Kölsch: "He kutt Alex" gilt immer als das Vorzeige-Antifaschismus-Antinationalsozialismus, Anti-Neonazi-Lied in Deutschland, das die meiste Bekanntheit und Relevanz hat. Auf gutsortierten Anti-Nazi-Kompilationen wird man es todsicher finden, dabei ist es zum einen, wie auch schon Musikvideo und Begriffsverwendungen im Song selbst angedeutet, eher eine Hommage an STANLEY KUBRICKs "Uhrwerk Orange"/"Clockwork Orange", einen Film über eine gewalttätige Gang und ihren Anführer, die aus Gewaltausübung künstlerische Ästhetik ziehen oder zumindest tiefe Befriedigung durch das Herauslassen der animalisch-destruktiven Triebe (im Lied heißt es: "Erst wenn sie ihre Opfer leiden sehen, spüren sie Befriedigung"). Einer von ihnen wird dann einer Spezialbehandlung/Spezialfolter unterzogen…

Außerdem kann es sich um jede Art Horde handeln, die in der Absicht, Menschen zu verdreschen oder auch totzuschlagen, losziehen: Selbstverständlich Neonazis (ich meine jetzt echte fiese Glatzen, nicht das große Hirngespinst, das heute in regressiven Linkenköpfen herumspukt und das sie in jedem sehen, der ihrer linksextremen Weltsicht zu widersprechen wagt), aber auch, in letzter Zeit zu besichtigen, Antifa-Aktivisten, die gern mal Leute zusammenschlagen oder auf Demos sog. "Querdenkern" Schreckschussknarren an die Schläfe halten und abdrücken. Dazu gesellt sich noch die muntere, heitere Partyszene aus muslimischen Migranten, die in Frankfurt, Stuttgart und anderswo mächtig einen über den Durst feiert und sich Straßenschlachten mit der Polizei liefert. Ach ja – und dann gibt’s noch die "lustigen" Gesellen der Palästinenser und Palästinenser-Fans, die auf deutschen Straßen ihrem Judenhass freien Lauf lassen und stellvertretend die stiekum dabeistehende Polizei (welche übrigens bei Querdenker-Demos umso aggressiver reagiert = ist auch einfacher, gegen die verhassten kartoffeldeutschen Landsleute zu vertrümmen als die migrantischen "Goldstücke", die sich wehren könnten!) angreifen. Man könnte also auch, modernisiert, sagen: "Hier kommt Ali/Mustafa/Mohammed/Erkan" oder wie die klischeehaften Raufbolde aus aller Islamisch-Herren Länder sonst heißen.

 

Doch genug davon: Gleichgültig, welche Gruppierung, Gang, welcher (REMMO-)Clan hier gemeint ist, Fakt bleibt: Dieses Lied ist eines der wichtigsten gegen Gewalt, auch wenn es eher diskriptiv zur Sache geht und auch drastischer wird: "20 gegen einen – bis das Blut zum Vorschein kommt – ob mit Stöcken oder Steinen – irgendwann platzt jeder Kopf!" Nein, hier wird nicht zeigefingernd nach polizeilicher oder staatlicher Verstärkung gebrüllt, keine Erziehungsprogramme, Resozialisierungsmaßnahmen oder pädagogische Aussteigerkurse werden angeboten, auch nicht gemahnt: "Gewalt erzeugt Gegengewalt" (wie im "Schundersong" von DIE ÄRZTE, siehe etwas weiter oben). Nein, hier wird nicht belehrt und beschwiegen, hier wird nur geschildert, lediglich die Fassungslosigkeit des Unbeteiligten, der in Theodizee-Manier an Gott gerichtet fragt: "Warum hast du nichts getan, nichts geta-ha-ha-haaan?".

Dem Lied vorangestellt ist ein etwa 30 Sekunden kurzes Stück aus einem klassischen BEETHOVEN-Stück, das auch in "Clockwork Orange" vorkommt, es wird von einem markerschütternden Verzweiflungsschrei abgewürgt und geht dann in die ersten Akkorde des Stückes über: Ein Midtempo-Punkrock-Hardrock-Hybride mit ordentlich Wums! So muss das! Und ja: Gewalt ist doof. Egal von wem und gegen wen! Sie kann nur probates Mittel sein, wenn es um Fragen der puren Selbstverteidigung oder Nothilfe im Extremfall geht.

 

  1. DIE TOTEN HOSEN – "Hot-Clip-Video-Club" (1993)

Nicht jedes Lied ist dazu ausersehen, von vornherein ein breites, zahlreiches Publikum zu erreichen. Manche Lieder sind so bizarr, dass sie eigentlich schon zu Zeiten, als noch nicht die SJW- und Gesinnungs-GRÜNEN-LINKE-Überempfindlichkeit gewisser "progressiver", "woker" Zeitgespensterchen in Menschengestalt überall "Trigger" (also "Auslöser") für Beleidigtsein oder "Verletzt"-Sein sahen, ein Warnetikett hätten tragen sollen. Mich wundert natürlich, dass das in der ersten Person Singular geschriebene und somit sehr unmittelbare, direkte Lied nicht in irgendeiner Weise indiziert worden ist. Im Song geht es nämlich um einen "Biedermann auf Horrortrip", der nur noch "für diesen einen Kick" lebt und nicht genug kriegen kann von Gewaltvideos, auch verbotenen Genres wie "Sadomaso-Kindersex" und im Allgemeinen sog. "Snuff-Movies". Bei diesen handelt es sich um angeblich authentische, "echte" Aufnahmen, die etwa extrem überzogene Folter- und Mordszenen zeigen. Meistens sind diese in Deutschland weitestgehend verbotenen Filme eben doch nur mittels nicht sichtbarer Filmtricks nachgestellt, also genauso künstlich und unecht wie ein normaler Horrorfilm, nur eben mit echt kranken Details, die wohl vor kaum etwas haltmachen.

Der im Lied beschriebene Typ, der in der Ich-Form, ist natürlich kein sympathischer Zeitgenosse, aber nicht unbedingt irgendein deutscher Seppel aus einem hinterwäldlerischen Hintergrundbereich der Gesellschaft. Auch wenn er sich selbst als "Biedermann" beschreibt, ist er kein deutsches Alleinstellungsmerkmal. Solche kranken Typen gibt es überall, nicht nur in Österreich (FRITZL, PRIKLOPIL), sondern auch den USA (JEFFREY YORK) – und womöglich sogar in Japan. Japan und die USA sind, soweit ich hören konnte, die Länder, aus denen der kränkste Snuff-Stuff stammt. Wobei ich dazu sagen muss, dass ich niemals eines solchen Schundwerkes ansichtig wurde.

Der Typ im Song ist süchtig nach einem sich stetig, wie bei jeder guten Sucht, steigernden visuellen Reiz durch Videobänder (heute wären es wohl DVDs, BLURAYs oder gleich Streaming-Dienste): "Jedes Videoband ist frisches Blut für mich – ich sauge es auf, um meinen Durst zu stillen – Die getankte Energie läuft immer schneller aus – bei der täglichen Jagd nach einem neuen Rausch!"

Der Herr der Videos, der Gewaltvideojunkie wird dann im titelgebenden "Hot-Clip-Video-Club" willkommen geheißen, einer fiktiven konspirativen Gemeinschaft, die die krassesten Gewaltvideos untereinander austauscht.

Dass die maximale Härte mit perversem "Sadomaso-Kindersex" vorkommt, ist schon gewagt, textlich definitiv, man könnte sowas in den falschen Hals bekommen. Schon erstaunlich entsprechend, wie viel sich die HOSEN noch 1993 auszudrücken trauten, wohlbemerkt natürlich distanziert davon, in diesem Song garantiert nicht autobiografisch geprägt!

Im Grunde ist der Song ja auch keine Verherrlichung des Liedtypen, nein, er wird als jemand zutiefst Gestörtes dargestellt, entlarvt ohne erhobenen Zeigefinger. Harmlos der Anfang, der, mit verzerrten, verhärmten E-Gitarren unterschwellig beginnt – und sich dann zum typischen HOSEN-Gröler mausert. "Verzeihen Sie die Störung – ich bräuchte mal Ihren Rat – ich such etwas ganz Bestimmtes – das nicht jeder Händler hat…" – fängt es harmlos an, dann steigert es sich zu: "Willkommen im Hot-Clip-Video-Club – hier dürfen Sie noch Sie selber sein – willkommen im Hot-Clip-Video-Club – befriedigen Sie Ihr inneres Schwein!" – Puh, Gänsehaut – und nicht eine der entzückten Sorte, sondern der elektrisierten ob des Bizarren! Wichtiger Song über ein selten beackertes Themenfeld: Kranke Gewaltvideokacke – und seine Konsumenten!

 

  1. DIE TOTEN HOSEN – "Im Nebel" (HERMANN HESSE) (1905/2012)

Es gibt in Sachen Gedichte und Poesie, nach der sinngemäß stimmigen Übertragung von einer Sprache in eine andere, und das noch in Reimform, nichts Komplizierteres, als Gedichte zu vertonen! Der Fallstricke ist zahlreich, man kann viele Fehler machen! Die des Notenlesens zwar nicht mächtigen, aber dafür umso prächtigere Melodiebögen immer aufs Neu entwerfenden TOTEN HOSEN bewiesen hier, in einer Gedichtvertonung eines besonders melancholischen, nachdenklich-philosophischen, dunkel-romantischen Poems von HERMANN HESSE, dass man es richtig machen kann. Die düstere Stimmung wird musikalisch geradezu vollkommen umgesetzt. Da das Gedicht historisch bedeutsam ist, muss ich diese Version als einzig relevante Vertonung heranziehen – und DIE TOTEN HOSEN haben es mit ihrem unverwechselbaren Stil zu ihrem eigenen gemacht. Meisterlich.

 

  1. DIE TOTEN HOSEN – "Kein Alkohol ist auch keine Lösung" (2002)

Der komplette Gegenentwurf zu Liedern wie dem "Möhrchen-Lied" von H. SCHNEIDER und allem, das vor Alkoholkonsum warnt: DIE TOTEN HOSEN sind immer noch die weltbesten Sauflied-Schreiber. Mit "Kein Alkohol ist auch keine Lösung" haben sie den endgültigen Vogel abgeschossen, die Hymne wider die vollständige Abstinenz hört auf diese Midtempo-Nummer harten, stampfenden Rocks, mit CAMPINOs fein artikuliertem Schreien und Grölen in Formvollendung!

Das Leben ohne jeglichen (wenigstens gelegentlichen) Drogenkonsum (zumindest der legalen Droge Alkohol) ist sinnlos, so wird es kommuniziert. Eine aus heutiger Sicht sicherlich problematische Botschaft. Charmant und voller Lebensweisheit kommt es trotzdem daher: Der große Säufer, der Liedprotagonist, meldet sich hier selbst zu Wort, sich selbst betrachtend: "Es gibt Tage, die sollten nie enden – und Nächte, die sollten nie gehen – es gibt Zeiten, da werd ich ganz ruhig – und dann kann ich die Welt nüchtern sehen – Doch meistens ist es wie immer – alles ist irgendwie grau – und manchmal kommt es noch schlimmer, wer ist schon bei sowas gut drauf?" Fragt CAMPINO unverblümt gleich zu Beginn. Die Marschrichtung steht also fest: Es gibt viele schöne Tage und Nächte, in denen man feiern möchte und "muss", dann trinkt man gern mal mächtig einen übern Durst – der dicke Kater kommt dann danach, am nächsten Morgen, wenn man wieder nüchtern wird – und ruhig. Mit sachlicher Nüchternheit aufs Leben zu schauen, ist manchmal zu bitter.

 

"Ich hab mit dem Saufen mal angefangen – und vielleicht hör ich irgendwann auf!" – verspricht der Protagonist – und man möchte es ihm glauben. Nur: WANN wird er aufhören, doch nicht erst DANN, wenn es zu spät ist?! Wenn er säuft bis zum Tod?

Das sich selbst Fremdsein nach zu viel Alkohol und der Hunger nach Leben, der sich im Durst auf Destilliertes kanalisiert kommt auch vor: "Manchmal stehe ich morgens vorm Spiegel – und seh einen wildremden Mann – und zwei Augen, die mich dann fragen: Wann fängt das Leben endlich an?" Die postsäuferische Melancholie ist eine weitere Begleiterscheinung, die erwähnt wird, was natürliche Zweifel daran aufkommen lässt, dass es sich um ein reines Loblied auf Fusel und Volumenalkohol-Getränke handelt.

Doch der interessanteste Teil folgt noch in der Überleitung, die zu einer großen Auflösung führt: "Ganz ohne Drogen geht es nicht – es wird auch immer so sein", jaja, genau, "und JESUS sah das genauso, denn aus Wasser machte er Wein!" – Nun kommt also Gottessohn himself, JESUS, aus der "BIBEL" ins Spiel! Dann einer der Sätze, die man sich am liebsten auf T-Shirts oder Banner drucken lassen würde, der auf große Kaffeepott-Tassen passen würde – oder der sich als 365 Tage bis in alle Ewigkeit gültiger Kalenderspruch eignet, da er so verdammt wahr ist, dass er seitdem auf jeder meiner extrem voluminösen, weit ausladenden Geburtstagstorten gepinselt wird:

"Von VATIKAN bis TALIBAN sieht man, dass es stimmt – Dass die ganzen Abstinenzler – noch immer die schlimmsten sind!" Dem ist nichts hinzuzufügen. Dass islamische Terroristen um Taliban, IS und Co und die verknöcherten Vatikan-Veteranen, die verkalkten Typen, die ihren Glaubens-"Schäfchen" ihre Moral vorbeten. Ja, der absichtsvolle Verzicht auf viele Annehmlichkeiten ist häufig etwas, das kompensiert werden muss, sodass diejenigen, die ihn üben, häufig zum Äußersten fähig sind. Der Rest ist einfach nur Wahrheit. Wenn einem am Ende der Überleitung CAMPINO dann entgegenbrüllt: "Ich scheiß' auf meine Vorbildfunktion!" sind alle Unklarheiten ausgeräumt! Harter Stoff – ein idealer Alkoholersatz!

 

  1. DIE TOTEN HOSEN – "Lasset uns singen" (GRAF ZIRBEN & DESTILIE VAN DER VOGELBEER) (1650/2012)

Prunk- und Trunksucht und das Schlemmen, Genießen unter Freunden, vielleicht unter freiem Himmel in picknickartiger Atmosphäre und die sexuellen Spannungen zwischen den zwei Geschlechtern waren offenkundig auch in früheren Epochen keine gänzlich Unbekannten. Wer glaubt, erst das 20. Jahrhundert (oder allenfalls das 19.) hätten Spaß und Feten und üppige Feste mit allerhand Lustbarkeiten hervorgebracht, irrt fundamental! Kolossal ist allein das Frivole dieses Songs, den ein gewisser Graf Zirben, gemeinsam mit einer Dame namens Destilie van der Vogelbeer, im frühen 17. Jahrhundert verfasst haben soll. Die beiden Liedermacher sollen ein schwieriges Beziehungsverhältnis aber auch Zuneigung zueinander gehabt haben. Ob sie ein Liebespaar waren, ist wohl auf ewig unbekannt. Nun, dieses Lied ist ein Lustspiel, eine Vertonung allerhand frivoler Zweideutigkeiten und mehr. Die etwas obsolet-altmodische Sprache verleiht dem Ganzen einen besonderen Reiz. Die Trink- und Sauflied-Komponenten im Text passen wie die Faust aufs Auge, was Teile des eigenen Repertoires der TOTEN HOSEN betrifft. Perfekte Passform!

 

  1. DIE TOTEN HOSEN – "Nichts bleibt für die Ewigkeit" (1996)

Ein trostloses Lied, das keine leichte Lösung anbietet, freilich! Ein verzweifeltes, zweifelndes Lied. Es geht um Glaubens- und Existenzfragen, es wird philosophiert und daraus resümiert, dass einem doch am Ende keine (Lebens-)Zeit bleibt, man ständig versucht, Zeit aufzuholen, da sie so schnell verfliegt. Sie ist ein extrem flüchtiges Element. Auf dem sich mit religiösen, philosophischen und existenziellen Themen befassenden Quasi-Konzeptalbum "Opium fürs Volk" (wahrhaft passender Titel, ich berichtete bereits darüber) bildet dieser Song (zusammen mit "Paradies" und einer Vertonung des "Vater unser") eine thematische Einheit, wobei dieses das härteste der drei ist. Die E-Gitarren voll auf Schmackes gedreht, mit zu Anfang und Ende Klangeffekten, die die Atmosphäre eines Friedhofs mit ruhelos umherschwirrenden und dabei wimmernden Seelen erzeugen, in Teamwork mit der E-Gitarre und vor allem dem E-Bass. Dazu schreit CAMPINO an den richtigen Stellen im Refrain und flüstert bedrohlich in den Strophen (ähnlich wie auch bei "Paradies"). Zwischendrin gibt es eine kleine Erholungspause, das Intermezzo bildet ein wenig gepflegtes Vogelzwitschern, ehe dann die Gitarren und das Schlagzeug wieder loskrachen. Fein gemacht. Vergänglichkeit, Varnitas-Motivik, alles in einem bestens komponierten Lied, das die Stimmung realistisch bringt. Kein Fröhlichkeitswalzer, fürwahr, aber ein auf das Wesentliche besinnendes Lied.

 

  1. DIE TOTEN HOSEN – "Paradies" (1996)

Obgleich es so klingt, aber holla die Hain- und Gehölz-Fee, "Hierbei ging es nie um eine Abrechnung mit Religion oder Glauben. Vielmehr war es eine Kampfansage an die Institutionen, die Religion und Glauben missbrauchen, um die Menschen unter Druck zu setzen und zu erpressen", wie WÖLLI, einer der TOTEN HOSEN, in einem Interview 1996 klarstellte. Ebenso war "Opium fürs Volk", auch wenn der Titel dieses Konzeptalbums aufs berühmteste Postulat KARL MARX' zurückgeht (vollständig: "Religion ist das Opium fürs Volk"), niemals eine Kampfansage oder gar Ablehnung der Religion. Im Gegenteil: Der gläubige Katholik, Sänger CAMPINO (bürgerlich: ANDREAS FREGE), verarbeitet auf dem Album seine Glaubenszweifel und Sehnsucht nach dem "wahren Glauben" nach christlichen Gesichtspunkten. In Liedern wie "Die 10 Gebote", "Nichts bleibt für die Ewigkeit" und auch in "Viva la Revolution" setzt er sich nicht nur mit der Religion, sondern auch Existenzfragen, Vergänglichkeit und Ersatzreligionen ("Viva la Revolution" ist eine desillusionierte Abkehr vom marxistischen Weltbild, dem man früher eine Zeitlang nachgerannt war, ohne wirklich etwas davon zu verstehen) auseinander. "Paradies" indes ist so ziemlich der beste Song des Albums.

Ein Lied mit markantem E-Gitarrenspiel, einer einprägsamen Melodie, hart und wie eine Kampfansage. Mit einem exzellenten Gitarrensolo in der Mitte, dem Fast-Flüstern des Sängers und schlüssigen Strophentexten. "Ich will nicht ins Paradies, wenn der Weg dorthin so schwierig ist", das hat viel für sich, es ist Teil meines persönlichen Credos. Allerdings ist ein kleiner charmanter Fehler enthalten: Im Christentum, insbesondere dem katholischen, gibt es das Konzept der "Wiedergeburt" so nicht, "Für den ganzen dreckigen Rest – bleibt die Hölle der Wiedergeburt" heißt es da, was eher ein dem Buddhismus entlehntes Konzept ist…

 

  1. DIE TOTEN HOSEN – "Sascha – ein aufrechter Deutscher" (1993)

Ein Klischee-Neonazi, der sich hier ausgedacht wurde. Mit Namen SASCHA. Ich weiß nicht genau, ob echte Hardcore-Neonazis echt "Sascha" heißen (müssen) – und ob sie in der NPD oder noch Schlimmerem wie DER III. WEG oder DIE RECHTE sind. Der Protagonist dieses Liedes, das daherkommt wie ein bayrisches Volksmusiklied, aber auf der Nase per gewisser Geräuschverfremdung simulierter Trompeten (Nasentrompete) gemacht, mit zurückhaltendem Schlagzeug, ist ein doofer Typ, der im Grunde nicht versteht, dass die damaligen Nazis schon gescheitert sind: "vor gut 50 Jahren – hat's schon einer probiert – die Sache ging daneben – Sascha hat's nicht kapiert" heißt es zum Schluss, was von der Jahreszahl her inzwischen falsch ist, aber in den 90ern war es noch 50 Jahre (ca.) her. Auf dem Album "Kauf mich!" enthalten, kommt es, ähnlich wie sein Bruder im Geiste, "Schrei nach Liebe" von DIE ÄRZTe, nicht über ein klassisches Klischee hinaus: Sascha ist ein halbgebildeter Affe, der sich auf einmal für den "rechten"/rechtsextremen Weg entscheidet: "Er schneidet sich die Haare ab – und pinkelt auf ein Judengrab". Er ist natürlich extrem, kennt nur die Extreme, ist nicht an Grautönen interessiert: "Er ist politisch informiert – und weiß, dass jeder Fremde stört", nun, das ist eine Position, die wirklich nur die ganz rechtsextremen Wichser vertreten. Die differenzieren nicht. Schön auch der augenzwinkernde Zitat-Gruß an DIE ÄRZTE und ihr versautes Tiersex-Lied "Claudia hat 'nen Schäferhund": "Und auch sein treuer Schäferhund – bellt jetzt nicht ohne Grund" (Original: "Claudia hat 'nen Schäferhund – und den hat sie nicht ohne Grund – abends hüpft er in ihr Bett – und dann geht es rund!"). Dann die typische Doppelmoral dieser Leute, die auch von heutigen erstarkten linksextremen Antifa- und Co-Kreisen gepflegt wird: Während diese Leute und auch die sonstigen linken Gutautisten zwar groß von Multikulti und geil "Flüchtlingen" reden, überlassen sie es lieber anderen, in den Vierteln zu leben, wo diese Leute zugegen sind und nicht unbedingt positiv auffallen (auch hier gilt: natürlich nicht alle). Hier ist es so herum: Sascha mag zwar keine Osteuropäer ("Kroaten mochte er noch nie!"), erfreut sich aber an seinem Leib- und Magengericht Ćevapčići… Nun, dann eskaliert er leider, wird zum Verbrecher, zum Brandstifter: "Jetzt lässt er die Sau erst raus – und geht zum Asylantenhaus – dort schmeißt er eine Scheibe ein – denn jeder Neger ist ein Schwein – Dann zündet er die Bude an – ein jeder tut halt, was er kann – beim Thema 'deutsche Gründlichkeit' – da weiß er voll Bescheid!" heißt es in einer Weise, die einem echt fies an die Nieren geht. Man hat nun kein Mitleid mehr mit dem Nazitrottel, denn bei Brandstiftung hört der Spaß auf. Auch, dass "jeder Neger ein Schwein" sein soll, ist ganz schön drastisch, natürlich von den Textern des Liedes nicht so gemeint. Es ist nur leider die Sicht des Typen im Lied. Wie es mit Sascha weitergehen wird, diesem "gründlichen Deutschen", mit einer nicht so positiven Seite der Gründlichkeit, die Deutschen nachgesagt wird, im Guten wie leider im Schlechten, ist ungewiss: Für seine Brandstiftung gehört er natürlich für lange Jahre weggesperrt, eine empfindliche Freiheitsstrafe ist obligatorisch, sofern er gefasst wird. Im Grunde macht sich das Lied die ganze Zeit lustig über ihn, es ist ein spöttelnder Unterton in CAMPINOs Stimme, angemessen dem Thema. Im Grunde ist Sascha nämlich ein ganz armes Würstchen, ein nicht "aufrechter" Mensch, ein nur auf-rechter, der aber kein wirkliches Rückgrat und keine "Eier" (Cojones) besitzt. Er muss noch viel lernen, wie dieser eine Neonazi-Aussteiger, der sich jetzt wieder "im Schoß der Gemeinschaft" geborgen fühlt und jegliche Nichtlinken, brav und ordnungsgemäß, wie es seine Läuterung und die, die ihn entnazifiziert haben, verlangen, in eine Schublade mit Seines (früheren) Gleichen wirft. Wie schon der OUTDOOR-ILLNER so richtig sagte: "Nur weil du mal ein ungebildeter, gewalttätiger Schläger und Neonazi warst, heißt das noch lang nicht, dass andere keine legitime Regierungskritik üben dürfen!" – so ähnlich formulierte er es. Es ist deprimierend, dass heute jeder Konservative mit den dämlichen Skinhead-Glatzen, wie sie dieses fiktive Role-Model eines strammen Neonazis in diesem Lied darstellt, verwechselt und unter einen Kamm geschoren wird! Das Lied indes macht höllischen Spaß, allein der an bayrische Volksmusik angelehnte Sound. Womöglich wurde dieses Soundgewand gewählt, da bayrische Volksmusik (zu unrecht) immer als die potenziell reaktionärste und hinterwäldlerische typisch deutsche Musik angesehen wird. Dabei dürfte solch ein wirklicher Neonazi eher Rechtsrock hören. Wie mir mal ein Experte für das Thema sagte: Klingt ähnlich wie der linke Punkrock, selbst die Themen ähneln sich, nur dass beim Rechtsrock extreme Ausländer- und Minderheitenfeindlichkeit, Antisemitismus, Antiziganismus und andere Animositäten ausbreiten und auf Punkrock-Seite eben eher Kapitalismus, Konzerne, "das System" (welches auch immer) etc. Nun, dieses ist das, nach "Schrei nach Liebe", mit Sicherheit zweitwichtigste deutschsprachige Anti-Nazi-Lied.

 

  1. DIE TOTEN HOSEN – "Stimmen aus dem Massengrab" (ERICH KÄSTNER) (1927/2012)

Neben den Anti-Nazi-Liedern der Vergangenheit gibt es Stimmen aus der Vergangenheit, die vor kommenden Ereignissen, die sie kommen sahen, warnten. Kommende Generationen sollten auch drauf kommen – und sich wapnen dagegen. Wachsamkeit ist das oberste Gebot. Nun, je länger das Dritte Reich vergangen und je länger seine schlimmsten Schergen und Kollaborateure sowie Irren tot sind, desto intensiver wird der Widerstand – und in allem rechts von hartlinks und selbst in etablierten Werten wie Familie, zwei Geschlechter, Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau etc. pp. usw. usf. wird gleich etwas Böses und Gefährliches gesehen.

ERICH KÄSTNER, Roman- und Kinderbuchautor (ich habe mit Begeisterung sein "Emil und die Detektive" und "Das fliegende Klassenzimmer" gelesen und die Verfilmungen von "Das doppelte Lottchen" gesehen und das Hörspiel von "Der kleine Mann und die kleine Miss" gehört) – und auch Dichter, hatte da ganz andere Ambitionen, er wollte nicht in Hysterie ausbrechen, indem er sich vor einem eigens an die Wand projizierten Schreckgespenst namens "Räääächtz" erschreckte, wie es heutige Linke hysterisch tun. Nein, er antizipierte treffsicher, dass der Erste Weltkrieg nicht der letzte dieser Art sein würde, den die Deutschen vom Zaun brechen. Bereits noch zu Weimarer Republik-Zeiten (1928) schrieb er das treffsichere Gedicht, das den Untertanen- und Korpsgeist der Deutschen aufs Schärfste angriff und beklagte und das bereits vorhersagte, dass die Deutschen wieder bereit sein würden, sich für irgendeinen Fatzke (sei es nun der Kaiser im ersten, da aber noch nicht klar, dass es Hitler im zweiten Weltkrieg werden würde) zu opfern, fröhlich in den Krieg zu ziehen, mit einem Lied auf den Lippen, wiederum würden sie sich als menschliches "Kanonenfutter" verheizen lassen. Natürlich konnte er nicht vorausahnen, dass sie das Ganze diesmal noch mit einem Völkermord an den europäischen Juden krönen würden. Doch wie die "Stimmen" aus dem Massengrab erschallen, die warnenden Toten, die "die Angst um Euch nicht schlafen lässt", die also auf irgendeine Weise am Leben und bei Bewusstsein jetzt in der Stimme des lyrischen Ichs sich an die noch Lebenden wenden. Die sind nämlich wiederum im Begriff, etwas Dummes zu tun und sich selbst zu opfern ohne Sinn. Auch die Kirche wird nicht verschont, sondern scharf angegriffen: "Ihr dürft die Angestellten Gottes loben – Sie sprachen schön am Massengrab von Pflicht!". Wie sie den Menschen wie Verführer einreden: "Das Leben ist der Güter höchstes nicht". DIE TOTEN HOSEN vertonten auch dies Gedicht – in einer Sicherheit für die richtige Melodie, die auch wiederum staunen lässt. Nun, ähnlich wie schon "Die Moorsoldaten" ist es kein besonders langes Lied (2,5 Minuten, dann ist im Wesentlichen schon wieder Schluss), dafür aber mit all den typischen TOTE-HOSEN-Zutaten, die in keinem anständigen Rocklied fehlen sollten! Chapeau!

 

  1. DIE TOTEN HOSEN – "Unter den Wolken" (2017)

Von "Über den Wolken", in einer schwindelerregenden Höhe, geht es nun hinab, ein paar Stockwerke tiefer, "Unter den Wolken" ist es eh viel lauschiger. Man schaut von dortaus auf die Erde hinab, die Menschheit, die an der Schwelle steht: Der Linke-Weg, der langfristig der Spezies die Lebensgrundlagen und Überlebensfähigkeit entzieht – oder der pragmatische, eher konservative Weg, der alte Werte pflegt, kultiviert und gegebenenfalls wiederentdeckt, um auf der anderen Seite progressive Ressourcen zu aktivieren, mittels derer eine glorreiche Zukunft jenseits von Klimawahn, Islamisierung, Genderirrsinn, sozialistischem Ideenmüll und gesellschaftlicher Infantilisierung erst möglich würde.

Das Schöne und gleichzeitig Schlimme an diesem Lied ist: DIE TOTEN HOSEN finden zum Teil die richtigen Worte, doch kommen auf das denkbar falscheste, verheerendste Resultat. Es ist, als sprächen sie die richtige Sprache, freilich, ohne ihren Sinn zu verstehen, geschweige denn ihre Grammatik zu begreifen. Als plappere ein Papagei einen Satz in einer beliebigen Sprache nach – oder als sagte ich etwas auf Russisch oder Chinesisch, das mir vorher jemand vorgesagt hat. Und als ob ich einen Teil davon verstünde, allerdings in einem anderen Zusammenhang. Eine linke Punkband, die nicht mehr Punk ist ("Ist das noch Punkrock?", siehe viel weiter oben), singt über den drohenden Verlust von Freiheit, Hoffnung und Demokratie, ohne freilich zu verstehen, dass ihre eigene Klientel und ihre eigene Einstellung längst nicht mehr in irgendeiner Form rebellisch, subversiv oder mutig vorgetragen sind, sondern Teil des linken Mainstreams, gegen den sie sich nicht einmal stellen! Denn das wäre ja mutig! Nein, sie merken nicht, dass sie längst Teil des Problems sind – und bei der Lösung desselben ebenso wenig zu suchen haben wie Feuer bei der Brandbekämpfung oder topintegrierte Ausländer bei der Lösung der Probleme mit den parallelgesellschaftlichen und nicht gutintegierten.

Dann wird die große Hoffnung inszeniert, während auf der Maxi-CD ein Lied ("Gegenwind der Zeit") einen Quasi-Nazi-Staat an die Wand malt, der nicht existiert und nicht existieren wird, und zwar 2017! Da wird groß von Freiheit gesprochen – und nicht beachtet, dass die eigene Klientel was das Zeug hält zensiert, sperrt, löscht und shitstormt. Das ist übrigens dasselbe Phänomen wie bei den linken Arschgeigen unserer Zeit, die sich auf INSTAGRAM, TWITTER, FACEBOOK, YOUTUBE und Co tummeln: Sie sind die hasserfülltesten Zeitgenossen, wenn man ihnen nur widerspricht – und ziehen alle Register, in der Gewissheit, sehr selten gelöscht zu werden. In Zeiten freiheitsbeschränkender Gesetze und immer schärferer Maßnahmen gegen die freie Rede, sind Teile dieses Liedes eine Wohltat, was die scheinbare Erkenntnis betrifft. Eine kraft- und hoffnungsvolle Nummer. Schön irgendwie auch. Jaja…

 

  1. DIE TOTEN HOSEN – "Wannsee" (2017)

Wie schon in CONNIE F.s "Pack die Badehose ein" wird in "Wannsee", na was wohl?, der Wannsee in Berlin gelobt. Ein immer noch beliebtes und romantisches aber längst völlig überlaufenes Touristen- und Bade-Aficionado-Ziel. Im Lied spielen die HOSEN, auf für sie fast ungewohnt humorige Wortspielweise mit dem Wort "Wannsee" und einer alten, verflossenen Flamme, die der Liedprotagonist wiedersehen will. Dabei ist er frisch verliebt und so frisch klingt das Lied denn auch. Der ideale Sommerhit, der Laune macht. "Wann seh, wann seh, Wannsee ich dich endlich wieder?" fragt Sänger CAMPINO sehnsüchtig – und wir schließen uns ihm besser an!

 

  1. DIE TOTEN HOSEN – "Was zählt" (2001)

Galt "Alles aus Liebe" noch als "gefühlsduselig", war "Was zählt" die Kür! Ja, der Hit des verzweifelt und suchend Umherirrenden, des rastlos, ruhelos Wandernden, der nach der großen Liebe, dem ultimativen Liebesglück "überall und nirgendwo" sucht, schließlich fündig wird, verspricht seiner Angebeteten, der Person seines Herzens, er werde/sei bereit, den Weg neu zu gehen! Nochmal alles durchzumachen, was nötig war auf diesem beschwerlichen Weg. Er ging durch die Hölle, "Ich bin durchs Meer geschwommen, hab von Wasser und Salz gelebt", doch möchte seine Vergangenheit, die er in einer "Tasche" mit sich trägt, hinter sich lassen, überlässt sie seiner gewonnenen Liebe zur Vernichtung: "Siehst du die Tasche, die ich mit mir trage, da ist meine Geschichte und mein ganzes Leben drin! – Du kannst sie mir wegnehmen – und sie verbrennen – Sie ist voller Erinnerungen, die ich nicht mehr haben will!" Durch den kraftvoll peitschenden, krachenden Sound nimmt man das Lied wirklich ernst, als authentisch wahr. Es ist eines der energischsten, energetischsten Intensivzeugnisse für das stärkste Gefühl, zu dem Lebewesen, vor allem Menschen, fähig sind. "Ich würd denselben Weg noch einmal für dich gehen!" verspricht CAMPINO – und man möchte ihm jedes Wort glauben.

Als 2001 dieses Lied als erste Vorab-Single in die deutschen Charts stürmte, war ich begeistert. Wie immer, wenn eine meiner Lieblingsbands zurück am Start war. Und so hart und heftig hatten sie, so intensiv hatten sie schon ewig nicht mehr geklungen.

Zu ihrem 20-jährigen Bandjubiläum 2002 erschien dann auch das dazugehörige Album "Auswärtsspiel", eines der Meisterwerke der Band. Besser als das 2005 erschienene "Zurück zum Glück". "Wenn nur die Liebe zählt" heißt es im Refrain, und man muss unwillkürlich, aber nur kurz, an KAI PFLAUMEs gleichnamige Liebesverkupplungssendung denken. Ansonsten hat dieses poetisch und lyrisch auf höchstem Niveau anzusiedelnde Lied nur wenig mit der Sendung zu tun. Eigentlich gar nichts. Umso besser. Zu der Zeit, als auch LINKIN PARK eine Entdeckung wurde ("In The End", 2000), hatte man es in den Charts mit harter Rockmusik zu tun. Endlich mal wieder!

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