Karl-Konrad Knooshood

Deutschsprachige Musikwunder 44 - Buchstabe O 446 bis O 462

 


 

 

  1. OUGENWEIDE – "Denunziantenlied" (1988) 

Man braucht nicht lang drumherum zu labern, was ich von Denunzianten halte! Was ich mit solchen Schandmäulern und Unpersonen, solchen windigen Wichsbemmen und Arschlurchen machen möchte, gehört nicht in irgendein Werk, das für konventionelle Geschmäcker geschaffen wurde!

Denunzieren, gerade in totalitären Systemen und solchen, die dazu werden wollen, wird wohl immer aktuell bleiben, immer sich äußerster Beliebtheit erfreuen. Menschen, die denunzieren, versprechen sich davon eigene Vorteile – und/oder denken, dass wenn sie sich besonders systemtreu zeigen, indem sie gegen andere (falsch oder wahr) "Zeugnis ablegen", selbst verschont bleiben, wenn es zu Problemen kommt. Seit Zeiten des Covidismus gibt es auch wieder jede Menge "Anschwärzer", "Verpfeifer" und andere Denunzianten-Arten, auch sonst gibt’s Gesinnungswächter, die einem immer wieder auf die Nüsse gehen. Verräter sind eben ein Haufen Kompost – und gerade wenn sie einen an eine Obrigkeit ausliefern, der sie sklavisch hörig sind. Damit meine ich natürlich nicht, dass jemand, der echte Verbrechen begeht, nicht zur Rechenschaft gezogen werden sollte. Würde ich jemanden morden sehen, beispielsweise, würde ich ihn definitiv "verpetzen", denn das ist keine Form der Denunziation. Was ich meine, ist die Art Charakter, der Querdenker, Dissidenten und Andersdenkende jeglicher Couleur ans (staatliche) Messer liefert, in der Regel in Systemen, die unfrei sind oder werden. Letzteres trifft bedauerlichweise mittlerweile auf unsere Bundesrepublik zu. Nun, das kurze aber bedenkenswerte Denunziantenlied, das in eine ähnliche Kerbe schlägt wie auch "Grüß mir die Genossen" von WESTERNHAGEN (siehe sehr viel weiter unten). Fickt alle Denunzianten!

An dies wollen wir uns halten: "Der größte Haderlump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant!"

 

  1. PANKOW – "Rock'n'Roll im Stadtpark" (1983)

Stadtparks – das sind kleine Erholungsinseln im stürmischen, hektischen, überfüllten Hexenkessel-Ozean der Großstadt, jenem total verseuchten, verdreckten und luftverschmutzten Moloch. Dorthin möchte man ausbrechen. Dorthin kann man fliehen, wenn einen der Mief der Stadt erdrückt – und man weder Mobilität noch Monetärmittel zur Verfügung hat, diesem Trott gänzlich zu entkommen. Selbst die Multimillionenmetropole NEW YORK soll einen großen "Central Park" haben, TOKYO, das völlig überlaufene, hat vermutlich auch sowas.

"Rekorder gibt’s wie Sand am Meer", heißt es im Text, als jemand die Idee äußert, statt in die teure Diskothek (die Preise bringen einem zum "Crying At The Discoteque") und ins "nicht geheure" Kino doch lieber kostenlos in den Stadtpark zu gehen, denn was dort an Musik "läuft, das bestimmen wir". Es gab tatsächlich früher schon Radio- und Kassettenrekordergeräte, die per Batteriebetrieb mehrere Stunden lang liefen, die tragbar waren. Heutzutage gibt es natürlich noch viel leistungsstärkere und kompaktere Gerätschaften, mit denen man seine Umgebung Richtung Nervenzusammenbruch geleiten kann – oder sie zur Weißglut treiben.

Gut, abgesehen von der theoretischen Rücksichtslosigkeit gegenüber potenziellen weiteren Stadtparkbesuchern: Eine "tolle Idee" soll es sein, "die Idee ist toll" – "wir tanzen heut im Stadtpark – Rock'n'Roll heißt es apodiktisch und programmatisch. Und ja, immerhin kostenfrei und ohne viel Stress – und welche Songs laufen, darf man auch selbst bestimmen, jedenfalls untereinander in der Gruppe.

Rock'n'Roll spielt als potenziell "subversives" Moment eine Rolle, ob es so gemeint ist: Müsste man die Musikantentruppe nach dem Berliner Stadtteil, PANKOW, fragen, die jede "Langeweile" (ein weiterer Klassiker dieser Band) mittels "toller Ideen" bekämpft.

 

Im Song "Radio brennt" von DIE ÄRZTE gibt es ein kleines Soundsample aus einem der eher schwachen Filme mit ARNOLD SCHWARZENEGGER. Der Synchronsprecher spricht in der hochdeutschen Fassung dann die denkwürdigen Worte: "Als ich ein kleiner Junge war und der Rock'n'Roll nach Ostdeutschland kam, da haben die Kommunisten gesagt, dass er subversiv sei – möglich, dass sie recht hatten!" 

Dementsprechend halte ich den Liedinhalt für teilweise fiktiv: Die Musik des "imperialistischen Klassenfeind" im "kapitalistischen Westen" galt als etwas Umstrittenes. Natürlich ahmten etliche DDR-(Rock-)Bands den typischen Stil nach, doch Rock'n'Roll, insbesondere auf Englisch, hatte es schwer. Ob dann der ABV (der "Abschnittsbevollmächtigte", eine Art kleiner Dorfpolizist und Blockwart bzw. eine Art kleinerer Schiedsmann und Ordnungshüter) mittanzen will oder es zumindest ebenfalls für eine "tolle Idee" hält – ich weiß ja nicht. Waren diese als einfache Mitglieder der sog. "Volkspolizei" dem Staat und der Ordnung verpflichteten Leute derartig aufgeschlossen? Dies ist vielleicht der den Bereich der Fiktion tangierende Teil.

Wer jedoch massiv "Bock auf Rock" hat (wie es im Lied richtig heißt), wird hier fröhlich fündig – und kann an der Stimmung und Lebensfreude der Liedprotagonisten teilhaben. 

 

  1. PATCH WORK – "Das Ende vom Lied" (1999)

Zu Zeiten, als ich noch (tief-)gläubiger, gottesfürchtiger Christ und kein Atheist mit Option für spirituelle Erfahrungen und durchaus offen für einzelne Aspekte von Religiosität, denen ich nicht ablehnend gegenüberstehe, wurde ich eines Konzertauftrittes der Band ansichtig und anhörig. Das war in der Woche des "Weltjugendtags 2000", der in Rom stattfand. Die katholische Großveranstaltung, deren Höhepunkt die große Messe mit dem Papst höchstpersönlich (damals noch: JOHANNES PAUL II.) auf dem Petersplatz in Rom werden sollte, findet alle paar Jahre statt, da das Jahr 2000 ein solch rundes Datum war, verlegte man die Sache auf dieses Jahr, denn 1999 hätte sie eigentlich steigen sollen. Eine der Vorfeld-Veranstaltungen war das sog. "Deutsche Treffen", bei dem sich Jugendliche aus Deutschland, aus ganz Deutschland, trafen. Es war, wie alle Veranstaltungen dieser Art, ein rauschendes Fest, bei dem die katholische siebenköpfige (!) PATCH WORK, die sich, wie ihr Name nahelegte, diverser Musikstile bediente, Liedtexte aus katholischer Weltsicht schrieb, allerdings unverkrampft genug für mich. Damals jedenfalls. Abgesehen davon, dass ich eine nette junge Dame auf dem Deutschen-Treffen traf (ein Treffen, aus dem sich aber nichts weiter ergab), fetzte der Sound dieser Band mächtig ab. Das erste Lied, das mir sehr positiv auffiel, war das live irgendwie punkig flott-rasant vorgetragene "Reicht nicht" (siehe zwei weiter hier drunter). Es bewog mich dazu, am Verkaufsstand für Fanartikel (der sich praktischerweise neben der Bühne befand), das Album "Drunter & Drüber" zu kaufen, dessen Cover eine etwas beliebige, "patchworkartige" Zusammenstellung verschiedener Gegenstände und Gerätschaften aus dem Alltag (der Musiker), darunter Nahaufnahmen von Musikinstrumenten, zeigte. Sinnigerweise war es natürlich das Album mit "Reicht nicht" drauf. Das bereits 1999 veröffentlichte Album sollte laut Eigenangaben der Band im Innenteil des Begleitheftes und auf der bandeigenen Homepage (ja, es gibt sie noch) vom "Tohuwabohu" handeln, das es für eine Musikgruppe manchmal gibt:

"Bei uns geht es oft so zu: In den Familien, bei den Proben, auf den Konzertwochenenden, das kennst du sicher auch. Das Leben ist so...

Mal laut, mal leise, mal hektisch, manchmal langsam, mal fröhlich und mal traurig.

Wir haben versucht, ein bisschen von unserem Leben einzufangen und so geht es auf dieser CD eben auch drunter & drüber.

Das die vielen so unterschiedlichen Teile doch ein großes Ganzes ergeben, ist eben "PATCHWORK" und unsere Hoffnung - nicht nur für diese CD."

Doch die Musik dieser Band hat in meinem Musikgeschmacksspektrum mehrere dramatische Wandlungen durchgemacht: Fand ich sie anfänglich cool und für eine katholisch geprägte Band erfrischend (reformkatholisch), empfand ich, mit zunehmendem Alter, zunächst noch selbst gläubig, ihre Texte als zu bemüht, zu gewollt, zu gutmenschlich, zu sehr auf dieser klebrigen erzkatholischen Moral aufgebaut, diesem verlogenen Buntheitsgeschisse nur in anderem Gewand (damals hieß es alles noch etwas anders für mich), vielleicht zu katholisch "brav", artig anerzogen quasi. Dann wiederum, rein auf die musikalische Qualität der Multiinstrumentalisten-Musikgruppe bezogen, fand ich sie ziemlich scharf: Was machten sie denn auch groß falsch? Gut, Teile der Texte musste man ignorieren, insbesondere, als ich zunächst Hardcore-Atheist wurde, der alles Religiöse total ablehnte. Das war nur eine Zwischenphase. In der natürlich Texte wie der des hier vorliegenden Liedes, das unter anderem auf den Verrat JUDAS' an JESUS anspielt, eine zu stark religiöse Konnotation aufwiesen. Im Laufe locker werdender Lebensjahre, gepaart mit gewisser Altersmilde, sehe ich mittlerweile das Positive: Verschiedene Stile, geeint in den aus katholischen Lebensprinzipien und –Philosophien geborenen Texten, solide Singstimmen, professionelles Instrumentenspiel, eingängige Melodien und gekonnte Rhythmen. Vom Negativen bleibt nicht viel. Wer will es ihnen übelnehmen, wenn sie eine etwas zu einseitig positive Sicht auf gewisse Sachverhalte haben? Als gläubige katholische Christen zumal.

So kann ich nur auf meine Kenntnis dieses einen Albums zurückgreifen: Hier haben wir es mit einem fetzigen Song zu tun, dem zweitletzten auf dem Album, eigentlich dem letzten. Denn das allerletzte Liedchen ("Was bleibt") ist nur ein Instrumentalstück. Abgesehen von einem recht respektablen E-Gitarrensolo, der ansonsten klassischen Instrumentierung aus Schlagzeug, E-Gitarre und E-Bass, die jedoch an passender Stelle durch ein Saxophon sinnstiftend ergänzt werden, wird hier eine bedrohliche Atmosphäre dräuenden Unheils aufgebaut, während eine Art Endzeitstimmung konstruiert wird. In zig Metaphern wird die Entfremdung (zwischen zwei Menschen vielleicht) oder auch zwischen den Geschlechtern und Teilen der Gesellschaft beklagt, dass es dem Ende zugehe gewissermaßen: "Von deinen toten Lippen kam – der Kuss, der mich verriet" heißt es etwa, da ist die JUDAS-Referenz. "Und wieder einmal brüllen sie – in Reihe und in Glied" – könnte man ebenso mehrdeutig betrachten: Entweder sind (Neo-)Nazis gemeint, die Ende der 90er vereinzelt auch noch aufgetaucht sein dürften – oder auch Kommunisten, die in vielen Ländern der Welt damals ziemlich aktiv waren, auch Soldaten im Allgemeinen, die wiedermal in einen Krieg ziehen gegen irgendein Regime oder sogar gegen Zivilisten (mitunter die des eigenen Landes). "Ich höre was, was du nicht hörst – die Schreie aus dem Keller" – Was klingt wie eine frühe FRITZL-Vorhersage (wer hätte es ahnen können, zu dem Zeitpunkt lief dessen privates Keller-"Vergnügen", selbstverständlich nur aus seiner eigenen Sicht, bereits über anderthalb Jahrzehnte), dürfte natürlich so viel bedeuten wie: Wir sind ignorant gegenüber dem Leid, das von überallher aus "Kellern" (also nicht leicht einsehbaren, dunklen Ecken) kommt, "die Totenstille um mich her – wird lauter und wird schneller" heißt es dementsprechend weiter. Ein wenig aufbauendes Lied über die menschliche Schwäche im Allgemeinen – aber ein wichtiges, das durchaus bedeutsam sein könnte. Vermutlich kaum jemandem außerhalb des Fan-Bereichs katholischer Bands bekannt, hat diese Band jedoch mindestens drei mehr als akzeptable Hits geschaffen. Dieser ist einer davon! Eh hier noch die beiden anderen Meisterstücke vorgestellt werden sollen, muss ich meine von Grauen-Gänsehaut durchzuckten Staunensschübe darüber äußern, welch Texte die Band seitdem produziert, vornehmlich auf dem bisher aktuellsten Album (auf der Webseite unter der Rubrik MUSIK an oberster Stelle zu finden, unter patchwork-band.com): Krude, gut- und bessermenschelnde Schlaumeier-Scheiße kirchlich indoktrinierter Linkes-Dogma-Weichbirnen, peinlich und peinsam zugleich, allein, diese Texte zu lesen. Verstärkt das, das mich an einigen Texten auf dem einzigen Album in meiner Sammlung, erwähntem "Drunter & Drüber" Anstoß nehmen ließ: Eine im Grunde undifferenzierte Gesinnungs- und Haltungs-Konformisten-Frickelei ohne tieferen Sinn, trendgemäß auf ihre Zielgruppe zugeschnitten. Dass sich die katholische Kirche, genau wie die evangelische, förmlich überschlägt in Anbiederung an den absonderlichen Zeitgeist der 20er Jahre des 21. Jahrhunderts, ist verstörend genug. Dass diese Band sich anschließen musste, war erwartbar. Ist jedoch sehr schade. So wird das nichts mit meinem ursprünglichen Vorhaben, mir nach 21 Jahren endlich ein weiteres der ohnehin nicht sehr zahlreichen Alben (in über 30 Jahren sind nur sechs herausgekommen, eines davon ein Greatest-Hits) zuzulegen. Wer etwas erfahren möchte über diese drei Songs: Falls sie nicht auf YOUTUBE & Co. zu finden sein sollten, kann man sie sich, da sie schon älter sind, als MP3 auf der Bandseite herunterladen. Oder die ganze CD für den wirklich fairen Preis von 10,00 Euro.

 

  1. PATCH WORK – "Endstation" (1999)

Anhand zweier fiktiver Einzelschicksale, einmal einer männlichen, einmal einer weiblichen Person, wird hier Sucht thematisiert. Es handelt sich um einen Herrn, der Stress im Job hat und deswegen zur Flasche greift, die Dame hingegen bevorzugt Pillen: "Nur gut dosiert hält sie es aus", heißt es.

Beide Gestressten greifen immer wieder zu den Drogen, woraufhin der ewige Teufelskreislauf beginnt: "Endstation Kreisverkehr – gefangen ohne Gegenwehr", lautet die eine Hälfte des Refrains, und das Bild ist wahrhaft passend. Die ausweglose Situation bedeutet die Hölle auf Erden: Eine Spirale aus Druck und Drogen, Stress und Antistressmitteln.

Musikalisch haben wir hier eine wuchtige Jazz-Rock-Kombination mit ordentlichem Saxophonspiel, nicht unbedingt aufregend, dafür aber umso eingängiger.

Trostloses Lied, aber: Wer würde sich beschweren, wenn es wirklich so schwierig ist?!

 

  1. PATCH WORK – "Reicht nicht" (1999)

Irgendwo zwischen Ska, Polka und Rockabilly angesiedelt frotzelte sich diese Nummer direkt in meine Gehörgänge und blieb hängen. Wie sehr häufig suchte mich damals das Gefühl heim, Derartiges noch nicht gehört zu haben, etwas Einzigartiges, Extraordinäres vor mir zu haben. Wie weiter oben, bei "Ende vom Lied" erwähnt, fiel mir diese Band mit diesem Lied auf dem "Deutschen Treffen" im Rahmen der Woche des "Weltjugendtags" in Rom auf. Dort spielten sie das Stück wesentlich punkiger, was damals exakt nach meinem Geschmack war.

Inhaltlich geht’s wohl darum, dass es eben nicht ausreicht, nur stumm oder wissend zuzusehen, was abläuft, dass Selbstgerechtigkeit in dieser Situation nicht angesagt ist, dass es nicht genügt, "die Zeichen zu sehen", immer auf die große Chance als "der ewige Zweite" im Hintergrund zu lauern etc. – nicht mal der (Selbst-)Trost mit dem "ewigen Leben", wie er für viele Gläubige der christlichen Religion, insbesondere des katholischen Teils, typisch ist, wird gelten gelassen. Ein sparsam getexteter, doch effektiver Song. Für Connaisseurs.

 

  1. PAUL VAN DYK & PETER HEPPNER – "Wir sind wir" (2004) 

Gute deutsche Patriotismus-Songs ohne den verkniffenen und geradezu panisch schreckgeweiteten Blick Richtung Drittes-Reich-Vergangenheit (mit übergroßem Fokus darauf), ohne erhobenen (Moral-)Zeigefinger gibt es ohnehin extrem selten in Deutschland, wie seltene Erden für die verdammten Handy- bzw. Smartphone-Akkus. Ob nun DIE ÄRZTE, DIE TOTEN HOSEN oder RAMMSTEIN: Wenn man deutsche Identitätsthemen überhaupt aufs Tablett hievt, dann nie ohne die berühmte "braune Soße", jenes MAGGI-FIX, das den penetranten Geruch und dann Geschmack ausströmt, der alles dominiert: "Wir sind alle keine Nazis und distanzieren uns davon und vorbehaltlose, bedingungslose Liebe zu unserem Heimatland darf deshalb nicht sein und wir haben aus unserer Geschichte gelernt!"

Ob RAMMSTEINs "Deutschland" (siehe etwas weiter unten) oder FARIN URLAUBs ironisch verzwicktes Juckpulver in Liedform, "Lieber Staat": Es gibt immer nur einen Part der Vergangenheit, der ins Feld geführt wird. Außerhalb des Fußballplatzes und der Fantribünen dieses Sportes darf man Deutschland als Land, als Heimat, Herkunftsort und all das nicht mögen, denn man trägt ja die böse Nazi-DNA, das fiese Nazi-Blut in sich, jedenfalls potenziell.

So lautet jedenfalls immer offizieller und offensichtlicher die Ersatz-Erbschuldstheorie der modernen regressiven Linken und der Linksschickeria, die die christliche Lehre von der Urschuld aller Menschen (weil zwei Idioten namens ADAM und EVA von der verbotenen Frucht im Garten Eden genascht haben sollen, die sog. "Ursünde") weitestgehend abgelöst hat.

Es ist eigentlich schade, dass man nicht auch auf die positiven Zeiten, insbesondere die Entwicklung der Bundesrepublik seit ihrer Gründung vor fast 72 Jahren (Stand: 2021) eingehen kann, jedenfalls den Westteil. Die DDR ist ein eigenes Thema für sich. Dass man nicht "stolz sein darf", wenn man so will. Denn Nationalstolz und Patriotismus/Vaterlandsliebe müssen nicht gleichbedeutend sein mit der Befürwortung von Wahnsinn wie Völkermord oder sonstigem Schweinkram! Wie eine ungesunde Obsession wird immer wieder auf das Nazi-Reich referenziert, als sei es nötig, klarzustellen, dass man kein Fan dieser fürchterlichen Zeit ist.

Doch die neueren Generationen haben keine Schuld an irgendwas – und die einzige Schuldigkeit, die besteht, ist, es nie wieder zu etwas Ähnlichem kommen zu lassen wie dem, das dort damals getan wurde. Das Ganze ist eben auch der Sargnagel für unser Land, da sich die Linksschickeria samt sämtlicher Linksextremisten sowie weiterer Strömungen der heutigen regressiven Mainstreamlinken voll darauf einschießt, den scheinbar immer größer werdenden Nazi-Phantomen nachzujagen, jenen Hirngespinsten, die nur in ihrem Kopf stattfinden und schon dann einen Trigger-Effekt auslösen, wenn ihnen nur jemand widerspricht. Diese Leute wollen den "Volkstod", begünstigen eine Auflösung Deutschlands in einem europäischen Superstaat ohne einzelne Länder und versuchen alles, um die Negativentwicklungen wie die von Parallelgesellschaften aus dem Orient, Islamisierung etc. zu forcieren.

Das ist die Falle, in die man tappt: Wenn man, selbst noch so kritisch und auf diese Weise auch wiederum einigermaßen distanziert, sein Land liebt (also in unserem Fall: Deutschland), seine Kultur mag, erhalten will und sie als verbindliche Leitkultur gewahrt wissen will, da es sinnvoll ist, eine allgemeingültige zu haben, gilt man heut schon als Nazi. Und ist in der Minderheit. Jedenfalls nach allem, das einem medial vermittelt wird.

Dieses Lied macht nur bedingt eine Ausnahme. Es ist gewiss nicht angetreten, die Wunden zu heilen, die Gräben zu überwinden und schließen, das große Schisma rückgängig zu machen! Weit gefehlt! Zumal zur Entstehungszeit, als eine klarere Positionierung weder nötig war noch eventuell aus dem hartlinken Lager um die umlackierte SED, die GRÜNEN und andere einen Shitstorm ausgelöst hätte.

Es setzt nicht in ferner Vergangenheit bei den Staufern, Ottonen und noch weiter zurückliegenden Herrschern an, erst recht nicht bei den frechen alten Germanen. Nein, es beginnt in der unmittelbaren Nachkriegszeit, beschreibt die Trümmer, aus denen erst Neues entstehen musste.

Dass es "für viele keine Wiederkehr" gab, dass die Wunden nicht allesamt geheilt wurden, wird auch erwähnt – und die Frage, die das Lied durchzieht: Wer sind wir (eigentlich)? Sind wir nur das, was halt nach den bösen historischen Nazis kam? Oder sind wir etwas Eigenes? "Aufgeteilt, besiegt – und doch – leben wir ja noch", konstatiert PETER HEPPNER singend über den Slow-Motion-Elektropopbeat, den der berühmte DJ PAUL VAN DYK zur Verfügung stellt, über jene sauberen Synthesizer-Linien, die etwas pathetisch sind, aber nur ein wenig. Nicht allzu arg. Nicht zu dick aufgetragen. Die DDR wird etwas positiv dargestellt, es wird aus ihrer Nationalhymne zitiert: "Auferstanden aus Ruinen" (siehe JOHANNES R. BECHER, weiter oben). "Zogen 40 Jahre lang an einem Strang", das mag eher nicht zugetroffen haben, nicht auf die "Zusammenarbeit" beider geteilter Deutschlands. Nein, man stand sich als Zwei-Block unversöhnlich gegenüber, die DDR als Teil der Sowjetzone.

"Wir werden's überstehen!" – Das klingt natürlich nach Mutmachsong, nach einer songgewordenen Durchhalteparole für diffizile Zeiten. "So schnell geben wir nicht auf", man möchte fast meinen, das Lied wurde für die Zeit einer Nach-MERKEL-Ära verfasst, sofern wir nicht in die nun linksgrün-sozialistische Überhölle unter einer ANNALENA "TRAMPOLIN" BAERBOCK geraten. Ein starker Song, der starkmachen soll(te). Oder nur einer, der den Osten in den Fokus nimmt, der sich nur auf den Osten bezieht, wie etwa NIEMANNs "Im Osten" (siehe etwas weiter oben)? Das wird sich wohl noch zeigen…"Superreich und abgebrannt" ist etwa sehr doppeldeutig, und auch dies ist eine Komponente, die einige Male vorkommt. Deshalb ist es auch kein ernstes, reines Pathoslied, sondern durchaus streckenweise ironisch.

Sollte es dennoch "die neue Nationalhymne" werden, wie einige Leutchen unter dem YOUTUBE-Musikvideo zum Song kommentieren? Ist es ein stolzes Lied? Nein, natürlich nicht. Differenziert ist und bleibt es immer noch. Ohne ironische Aufbrechung kann offenbar niemand in Deutschland singen, auch nicht der stimmlich brillante Melancholiker PETER HEPPNER. Schade. Historisch dennoch ein bedeutsames Lied.

 

  1. PE WERNER – "Kribbeln im Bauch" (1991) 

"Dieses Kribbeln im Bauch, das man niemals vergisst, als ob man zu viel Brausestäbchen isst" – Muss mehr erläutert werden? PE WERNER (PETRA MALOU "PE" WERNER), ihres Zeichens Sängerin, Komponistin, Textdichterin, Buchautorin und obendrein Kabarettistin, widmet sich thematisch der Liebe, die entschwindet, da sie zur Routine wird. Dieses "Kribbeln im Bauch", dieses Schwindeligsein vor Glück, wie sie es ungefähr beschreibt, "vermisst du doch auch", das rasch vergeht, wenn die Beziehung zum Automatismus wird, man sich so sehr aneinander gewöhnt hat: "Wir haben uns so aneinander gewöhnt – uns bringt nichts und niemand aus der Ruhe – die Zeit hat uns die Leidenschaft abgewöhnt – sie steht wie das schwarze Paar Schuhe" heißt es, etwas kryptisch, teils etwas ungelenk ("gewöhnt" auf "abgewöhnt" gereimt) in einem sonst poetisch geradezu Offenbarung werdenden Lied: "Irgendwo unten im Kellerregal – wartend auf ein Begräbnis – Und wir tun so, als wär das normal – Unsere Liebe steht ab und wird schal". "Wir schleichen einander wie Katzen um die Beine – und wollen beide doch nur das Eine"… Tja…

 

  1. PETER ALEXANDER – "Die kleine Kneipe" (1976)

Da hat VADER ABRAHAM einen wahren Welthit geschaffen! Auf über 180 Coverversionen bringt es dieser Song vom berühmten Manne, der das "Schlumpfenlied" schuf: "In 't kleine café aan de haven" heißt es nämlich, das 1975 veröffentlichte kleine Meisterwerk melodisch exemplarischer Gemütlichkeit, das Multitalent PETER ALEXANDER (Schauspieler, Entertainer, Moderator, Sänger) in einer deutschen Version sang, es also in unseren Kontext übersetzte, das niederländische Liedchen. "Das kleine Beisl" heißt es auf Österreichisch/in österreichischem Deutsch. Getextet wurde ALEXANDERs Version von MICHAEL KUNZE.

Im Lied geht es um besagte Kneipe, also eine kleine Gastwirtschaft, die als wichtiger sozialer Kristallisations- und Treffpunkt fungiert, ein Milieu-Mikrokosmos, in dem "dich keiner fragt, was du hast oder bist", wo jeder dazugehören kann, der sich dorthin begibt, wie an einem magischen Ort. Man trinkt dort sein Getränk und aalt sich in der Idylle und Gemütlichkeit, die in diesem Lied so deutsch herüberschwappt wie in keinem anderen, denn "german Gemütlichkeit" ist ein fester Terminus, für den die Englischsprachigen keine adäquate Entsprechung haben. Zwar sei, laut WELT, "die so trivial sich in die Gehörgänge fressende, aber eben auch ehrliche kleine Kneipe" ein Beispiel für ALEXANDERs melancholische(re) Stücke, die linksgrüne GRÜNEN-Hauspostille DIE ZEIT (wer die noch liest, hat gänzlich die Kontrolle über seine Existenz verloren!) sieht das Musikstück natürlich als: "Lobgesang kleinbürgerlicher Gemütlichkeit", was zwar gnädig klingt, jedoch mitschwingen lässt, wie sehr man sich über das Überschaubare erhebt, da man sich für ungemein weltläufig hält. Gerade in diesen regressiv linken Zeiten ist das ein großes Problem, denn niemand könnte mehr im Irrtum liegen als der große weltmännische Zeitgenosse. Die Kleinbürgerlichkeit ist problemlos akzeptabel, schließlich hat jeder seine Heimat, vielfach auch eine Region und dort wiederum eine Ortschaft oder noch kleiner eine Straße – in diesem Fall eine schmucke, urige Kneipe. Wieso denn auch nicht? Stargeiger ANDRÉ RIEU (für die Kleinen/Jungen und Yuppies: Das ist der musikalische Großvater des DAVID GARRETT) versuchte sich an einer violingespielten reinen Instrumentalversion, ENGELBERT HUMPERDINCK machte etwas auf Englisch, der griechische Meister mit der Fistelstimme, DEMIS ROUSSOS, englischte ebenfalls auf die Melodie: "The Red Rose Cafe" heißt seine Version. Die österreichische Volksmusik-Kapelle DIE KLOSTERTALER coverte "Die kleine Kneipe" auch auf Deutsch – und all diese Versionen sind ein Beweis dafür, dass zumindest in Europa das Konzept "kleinbürgerlicher Gemütlichkeit" durchaus bekannt und weitverbreitet ist. Wer braucht nicht gelegentlich einen sozialen Rückzugsort, an dem man sich mit Gleichgesinnten trifft, vielleicht auch neue Leute kennenlernt, die da gemütlich mitsitzen und mittrinken. Tanzt man in Kneipen eigentlich auch? Auf jeden Fall gibt’s Schnittchen und Schnitzel…

 

  1. PETER FOX – "Haus am See" (2008)

Eine andere Art Idylle als die einer kleinen Spelunke in irgendeiner Kleinstadt in irgendeiner Straße hatte PETER FOX, einer von zwei Frontmännern der Berliner DANCEHALL-Band SEEED (ja, mit drei E!) (eigentlich: PIERRE BAIGORRY, *03.09.1971 in West-Berlin, dies Jahr 40 werdend!) im Sinn, als er 2008 sein "Haus am See" in musikalischer Form bezog. In seiner Imagination und im Musikvideo wird angedeutet, wie er als alter Patriarch einer sehr nachkommenreichen Familie glücklich als alter Mann am Wasser "seines" Sees sitzt, vor einem Haus, eigentlich einer einfachen Hütte, nicht mehr zum Leben brauchend als das – mit einem Strohhut und einer Angel, an einem Grashalm kauend, ein aufgepickter Regenwurm wippt zum Takt des mit gospelartigem aber dezentem Damenchor im Hintergrund begleiteten Dancehall-Reggae-Mischlingslied. Dass diese fast schon "spießige" Vision der Jugend der späten 2000er, die dann ein sicheres Leben in Wohlstand und Freiheit doch einem reinen Abenteuer und Sich-treiben-Lassen und "Null-Bock"-Haltung und Alles-scheißegal vorzogen, so populär wurde, ist klar. Dass das Liedchen natürlich nicht ohne ironische Brüche und dickes Augenzwinkern auskommen kann, auch.

Nun, Sätze wie "Ich hab 20 Kinder, meine Frau ist schön", die an die Lebenseinstellung eines islamischen Patriarchen erinnern, der seine Frau laut Vorschrift aus seiner "heiligen Schrift", dem fucking KORAN, "als Saatfeld" betrachtet, das er durchvögeln kann, "wann immer es dir beliebt", wie es so ähnlich dort steht, können verstörend und missverständlich wirken, doch sind sie vermutlich Teil überzogener Satire.

 

  1. PETER FOX – "Schwarz zu Blau" (2008)

Ähnlich der Tour de Force "Alles neu", diesem Geigenspiel-auf-Trip-Hop-Dancehall-Amoklauf musikalischer Art, wie von einem völlig ab- und aufgedrehten DURACEL-Häschen, das durch und durch und durchläuft, ist auch diese musikalische Großtat etwas Hektisches, in dem sich jedoch faszinierende Alltäglichkeit mit phantastischer Poesie mischt, in der Beschreibung des Berliner (Alltags-)Lebens, gern auch die Freizeit und das Nachtleben auf Fetenfeierpartymeilen. Wie der Protagonist des Liedes über "Schnapsleichen" steigt, wie er sich durch das Viertel schlägt, das er ob dessen Vielfalt und Buntheit (nicht nur im positiven und illustren Sinne) durchaus zu lieben versteht (wird ja in den Lyrics deutlich). Trotz des Unrats, der überall liegt ("Und überall liegt Scheiße, man müsste eigentlich schweben"), der Streitereien (ein gewisser TAREK und SAM kriegen sich in die Wolle), der überall herumlaufenden Freaks und versifften Leute (u.a. Prostituierte der Straße), "Müde Gestalten im Neonlicht – mit tiefen Falten im Gesicht".

Die tiefe Liebe zur Stadt Berlin, die ich nie ganz nachvollziehen konnte (erst recht nicht in jüngeren Zeiten, seit sie zu einem derartigen Moloch und Scheißhaus in Stadtform geworden ist), wird auch im Refrain deutlich, wo drastisch mit den Kontrasten gespielt wird: "Guten Morgen, Berlin – du kannst so hässlich sein, so dreckig und grau – du kannst so schön schrecklich sein!" – Und weiter: "Deine Nächte fressen mich auf!" – Das ist immerhin besorgniserregend. Sehr negativ.

Auf einer sehr versöhnlichen Note geht dieser wilde Song aus, der aber seine melancholischen Momente voll ausschöpft: "Ich bin kaputt – und reib mir aus meinen Augen deinen Staub – du bist nicht schön – und das weißt du auch: Dein Panorama versaut". Ein wenig fühle ich mich bei diesen Zeilen an GRÖNEMEYERs "Bochum" erinnert, wo es ähnlich heißt: "Du bist keine Schönheit – vor Arbeit ganz grau". Ein glänzendes Stück Lokalkolorit, mit vorsichtigem Lokalpatriotismus, kritisch untermauert, in einem recht netten Lied.

 

  1. PETER KRAUS – "Sugar, Sugar Baby" (1958) 

Gilt als erster richtiger Rock'n'Roll-Song auf Deutsch. In den späten 50ern beschloss der damals noch junge, gutaussehend-charmante PETER KRAUS, es seinen großen amerikanischen Vorbildern wie etwa ELVIS PRESLEY, CHUCK BERRY und anderen nachzumachen und auf Deutsch sein Liedchen vorzutragen. "Sugar, Sugar Baby", der englische Titel, sollte dabei die Coolness unterstreichen, die damals bereits, unter den ersten richtigen Amerikanismen, die in Deutschland in der Nachkriegszeit eintrudelten, unumgänglich waren, wollte man einen ähnlichen Erfolg erzielen. Auch wenn sich KRAUS' Song nicht halb so cool und oberlässig anhört wie die amerikanischen Vorbilder – zumindest in meinen Ohren. Vielen ging es damals wohl genauso. Deutsch galt bei Jugendlichen damals bereits als "spießige" Sprache, auch wenn sie ihre Vorteile gegenüber dem oft plump-primitiven Englisch hat und sich vor kaum einer Sprache verstecken muss, nur hinter dem Französischen, das noch edler klingt. Hier folgt KRAUS den Pfaden großer Rock'n'Roller seiner Zeit, versucht, es nicht zu peinlich wirken zu lassen, was…gelingt oder nicht – liegt im Auge des Betrachters. Das Mädels-Namedropping der ganzen jungen Damen, die der Liedprotagonist kennt, stammt aus dem Original-Rock'n'Roll, wurde stets gern weitergeführt, u.a. 1999 in LOU BEGAs "Mambo No. 5". Die Melodie des genannten Liedes stammte nämlich auch aus den 50ern (von PEREZ PRADO und seinem Orchester), der Text wurde allerdings von BEGA hinzugedichtet. Nun, KRAUS' "Sugar, Sugar Baby" ist seine eigene Sache, nachdem er bereits LITTLE RICHARDs "Tutti Frutti" ins Deutsche übertragen und herausgebracht hatte. Sehr schön. Jetzt historisch hier: Rock'n'Roll auf Deutsch! Zack!

 

  1. PETER MAFFAY – "Du" (1970)

Viel weiter oben findet sich die Parodie der LASSIE SINGERS: "Ich". Doch hier geht es um die zweite Person Singular in der deutschen Sprache. Mit "er/sie/es" würde es weitergehen, doch hier verharren wir beim großen MAFFAY-Hit: Als der junge Mann mit rumänischen Wurzeln noch etwas unbedarf aussah und noch eher schlagereske statt deutschrockige Musik machte, wohl auch seine Texte noch nicht selbst schrieb, sondern professionelle Schlagerkomponisten diese anfertigen ließ, war er, aus meiner bescheiden Sicht nicht nur am besten, nein, er hatte eben auch noch eine gewisse Schönheit in der Stimme. Ich kannte sonst nicht viel von ihm (siehe hier drunter), doch 1997 erschien "Tribal Voice", das er mit YOTHU YINDI ("Kind und Mutter"), einer australischen Band mit einem Frontmann mit Aborigines-Abstammung, einspielte (Empfehlung: ausdrücklich!), eine flotte Rocknummer mit australischen Ureinwohner-Instrumentierung an einigen Passagen. Das fand ich gut. Gut fand ich als kleiner Kerl in den mittleren 80ern auch schon "Du" – und das Album. Meine Ma hatte es auf Schallplatte. Lang ist's her… Dieses ist das effektivste Liebeslied überhaupt: Es vermittelt die richtigen Gefühle, es ist süßlich und kitschig, doch weiß emotional zu ergreifen. Es hat eine der schönsten Melodien, die ich jemals gehört habe: "Du bist das Mädchen, das zu mir gehört! – Ich lebe nur noch für Dich!" – "Du – bist alles, was ich habe auf der Welt!" – Universell die Botschaft – und doch von größter Kraft.

 

  1. PETER MAFFAY – "Und es war Sommer" (1976)

Zugegeben, ich war nie der größte Fan des Altrockers, des Deutschrockers Nummer 1, der sich die Pole-Position in der deutschen Musikgeschichte, auch von Bekanntheitsgrad und Relevanz her, mit GRÖNEMEYER, WESTERNHAGEN und inzwischen BERG, EGLI, FISCHER teilt, der erdig-ehrlich und bodenständig ist und doch weltgewandt ist  – alles Eigenschaften, die ich durchaus schätze. Der Grund für meine Ablehnung ist also nebulös bis diffus, selbst weiß ich es nicht. Ein alter Klassenkamerad, Sohn des Küsters unserer Kirchengemeinde, war Hardcore-Fan, er spielte Schlagzeug und einige MAFFAY-Hits nach. Obwohl ich diesen sympathisch-schelmischen Kerl kannte, war mir nie nach MAFFAY, auch die Chance, eine alte Schallplatte meiner Mutter ("Für das Mädchen, das ich liebe", wo auch obiges "Du" drauf ist) wiederaufzutragen, ließ ich verstreichen, bis meine weibliche Verwandte ersten Grades all die alten Platten wegwarf, da man ohnehin von sperrigen Schallplatten auf CDs umgestiegen war. Moderne Zeiten eben. Aus der örtlichen Bücherei unserer Kleinstadt lieh ich mir das 1992 erschienene Album "Freunde + Propheten", von dem ich jedoch nur den Song "Falsche Propheten" (hier eine leise Empfehlung auch dieses Liedes im Ferneren) richtig gut fand. Eine solide Rocknummer.

Geht man jedoch in die 1970er zurück, jenes Jahrzehnt, in dem man, stärker noch als in den vergleichsweise noch braven 60s, die Frechheit, universelle Grenzüberschreitung in sämtlichen Populärmusik- und Filmgenres suchte, wagte und stetig erweiterte, findet sich dieses "anmaßende" Lied des späteren Rockmusikers, der zu dieser Zeit noch eher nach betulich-süßlichem Schleimschlager klang. Es behandelte ein (zu der Zeit) Grenzthema: Jungspund von jugendlichen 16 Lenzen liebt reife Frau von 31, verführt und ihn charmant, mit ihrer Reife verzaubernd, ins "Geheimnis" der physischen Liebe einweiht. Die ihn behutsam und vertrauenerweckend unter ihre Fittiche nimmt: "Es war Sommer, das erstes Mal im Leben" singt MAFFAY aus Sicht des jungen Mannes (der umgekehrte Fall, reifer Herr verführt 16-Jährige, wäre bis in heutige Zeiten ein Skandal, potenziell stünde "Vergewaltigung" im Raum) – und fürwahr: Eine Offenbarung! Sein "Erstes Mal", das große Mysterium, das Generationen von BRAVO-Lesern beschäftigte und das in solcherlei Zeitschriften aus Erfahrungsberichten meist als etwas unendlich Schönes, Angenehmes beschrieben wurde, markiert symbolisch hier den "ersten Sommer". Denn dass man mit 16 schon einige Sommer (ohne Anführungsstriche) hinter sich haben dürfte, steht außer Frage. Ein romantisches Lied? In der Tat. "Doch als Mann sah ich die Sonne aufgehen" wird es konkreter: Er hatte also seinen ersten Koitus, sein erstes "Kommen", ein Abspritzen, um es unromantischer direkt beim ferkeligen Namen zu nennen. Ob es Safer Sex war, ist ungewiss. Spielt hier keine Rolle. Ein erotisches Prickeln geht bedingt von diesem Song aus, das man auf einer einsamen Insel ebenso gut gebrauchen kann wie beim gemeinsamen Liegen am Strand. Bei jeglicher Romantik.

 

  1. PETER RUBIN – "Wir zwei fahren irgendwohin" (1973)

Ein Schlagerhit als Eskapisten-Lyrik? Ein romantisches Lied ist es allemal: PETER RUBINs dunkle, markant-kräftige Herrenstimme, die seinerzeit bereits um mindestens 20 Jahre älter wirkte als der Sänger war, singt auf unvergleichlich wunderbare Weise von dem, das meine Liebste und ich am liebsten machen: Am Wochenende "irgendwohin" fahren, zwar meist schon mit irgendeinem Ziel, aber eben ins Grüne, ins Schöne, in blühende Landschaften und niedliche, pittoreske Dörfer voll uriger Schlichtheit und Altehrwürdigkeit. Man stelle sich vor, man tuckert gemächlich mit dem Kfz oder sogar einer Kutsche dahin. Für fröhliche Frühlingstage bis einschließlich heitere Herbsttage im Spätseptember bestens geeignet, für die trüben Tage im Winter oder April eher nicht. Erstklassig! Kein Refrain nötig, nur schöne Strophen mit dem Titel als Aufhänger und Pointe zugleich. GOETHEs berühmte Konklusion seines "Osterspaziergang" wird hier auch angespielt, in einer der zahlreichen Varianten, die bestehen. Immerhin besser als das frühere DM-Motto "Hier bin ich Mensch – hier kauf ich ein". Pfff.

 

  1. PETER SCHILLING – "Major Tom (völlig losgelöst)" (1982)

DAVID BOWIE hatte in "Space Oddity" bereits die von ihm ersonnene fiktive Figur "MAJOR TOM" erwähnt, SCHILLING, der Mann mit dem Nachnamen wie die frühere österreichische Währung, witterte hier wohl auch den Reibach in diversen Währungen – und kreierte seine deutsche Antwort auf das große Weltraum-Thema. Mit einem eingängigen, einzigartigen Beat und ordentlichen Synthesizern erzählt er die Geschichte des Weltraumpioniers Major Tom, der die Befehle der Bodenkontrolle in Frage stellt und sich entschließt, nie wieder zur Erde zurückzukehren, obgleich die mit ihm per Funk verbundenen Bodenstationsmitarbeiter noch versuchen, ihm ins Gewissen zu reden ("Wollen Sie das Projekt denn so zerstören?") – "doch Major Tom – macht einen Scherz…" Was ist jedoch sein Motiv? Will er, ähnlich wie der Protagonist in REINHARD MEYs "Über den Wolken", der Welt entfliehen, die ultimative Freiheit erleben? Ist er verrückt geworden und fliegt psychotisch ins weite Weltall hinein? Ins Unendliche? Nun, es ist schwer zu sagen. Nachdem der Herr Tom die Erde ein wenig aus der Distanz beobachtet hat, will er wohl einfach nie wieder zurück. Möglich, dass das wahr ist.

 

  1. PETERLICHT – "Sonnendeck" (2001)

Auf einem unsauberen Elektrobeat tuckert dieses Lied gemütlich vor sich hin wie ein Emslandkanaldampfer im Kleinformat, vielleicht auch ein kleines Ruderboot auf einem Binnensee im Innenland irgendwo jwd. Der Grundbeat ist diffus und scheint etwas dumpf, als habe man sich die Ohren mit kilometerweise Watte verstopft und ein riesiger Vorschlaghammer träfe auf eine Trommel knapp außerhalb des Trommelfells. Dazu gibt es dezente Synthesizer, die die notwendigsten Geräusche für eine Melodie vorantreiben. Irgendein Typ, der seine Band nennt wie das Licht, das auf Polizeifahrzeugen angebracht ist (das sog. Peterlicht), schmeichelt mehr als zu singen: Ein gemütliches Sommerlied der Entspannung, eine Chillout-Atmosphäre sondergleichen verströmend, in der Ruhe liegt neuerdings wieder die Kraft Anfang der 2000er. "Wenn ich nicht hier bin, bin ich aufm Sonnendeck, bin ich, bin ich, bin ich", meint er lakonisch, "oder im Aquarium". Na toll. "Und alles, was ist, dauert drei Sekunden, eine für davor, eine danach und eine mittendrin". Aha. Eine interessante philosophische Erkenntnis. Ob die einem kommt, wenn man sich etwas zu arg gesonnt hat und der riesige Feuerball einem das Hirn versengt hat?

Zu gehässig! Es ist ein wunderschönes, skurriles und unkonventionelles Lied, bei dem ich wiedermal denken musste: "Wow, das hat's in der Form auch noch nicht gegeben". Das ist schon das größte Lob. Wer auf Entspannung aus ist, wer das Ruhige liebt und nichts gegen ein wenig Elektronik statt Rockelemente und Schlager in der deutschen Musik hat, wird hier endlich fündig. Hinter- und tiefgründig ist es allemal, wenn auch kurz und abgehackt.

 

  1. PUHDYS – "Alt wie ein Baum" (1977)

Nein, gemocht hab ich dieses Lied noch nie! Mir ist klar: Man muss es nennen, wenn es um deutschsprachige Musik, insbesondere Ostrock und Ostlyrik, geht. Musikalisch hat es mich jedoch nie geflasht, die Melodie gefällt mir gar nicht, das Schlagereske daran kotzt mich in diesem Fall eher an, die Rockröhre des Sängers bildet hier zwar einen interessanten Kontrast, aber sie hat für mich keinen Ohrwurmcharakter. Ja, der Text ist in Ordnung, sie gehen zurück auf ein altes Gedicht von LOUIS FÜRNBERG (1909-1957), eines österreichisch-ungarischen Dichters. Wie im Lied beschrieben: "Alt wie ein Baum möchte ich werden, genau wie der Dichter es beschreibt". Der Dichter schrieb übrigens eines der wichtigsten SED-Parteilieder… Umstritten, würde ich sagen…

Nun, die Gitarrensoli im Mittelteil des nur knapp zweidreiviertel Minuten langen Liedes sind recht ordentlich geraten, obgleich eine weitere mir zugetragene Information stimmt: Es ähnelt frappierend einem der eher schwächeren Songs von QUEEN: "'39" heißt der – und hört sich ein wenig wie eine Country-Blues-Variante an…Schon seltsam.

Inhaltlich? "Alt wie ein Baum möchte ich werden" – nun ja: 1977, zu einer Zeit also, als noch nicht absehbar war, dass das verfickte Sozialismus-System der DDR 13 Jahre später (zumindest scheinbar) zusammenbrechen würde, ist das ein gewagter Wunsch: In einem System, in dem Du nicht wirklich frei Deine Meinung konsequenzlos äußern darfst (so sie von der offiziellen Einparteien-Linie abweicht), in dem du bespitzelt wirst/werden kannst und man dich in Willkür in irgendwelchen STASI-Knästen versauern lassen kann, ist es doch deprimierend, lange zu leben. Da möchte man doch, ähnlich wie in dieser Zeit mit ihrer Infantilität und ihrem heraufdämmernden sozialistischen und islamophilen Wahnsinn, lieber möglichst früh die Kurve kratzen, oder nicht? Jedenfalls, wenn man noch einen halbwegs gesunden Geist sein Eigen nennt. Schön ist das mit der Baumkrone, die "weit, weit, weit über die Felder zeigt", mit der "alle meine Träume" eingefangen werden.

Ob wohl irgendwas Politisches verklausuliert zwischen den Zeilen steckt?

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