Deutschsprachige Musikwunder 82 - Buchstabe W 727 bis W 728

727. WOLFSHEIM – "Kein Zurück" (2003)

PETER HEPPNERs Stimme, die schon JOACHIM WITT bei "Die Flut" (siehe weiter oben) Schützenhilfe leistete, ist prädestiniert für grüblerische, depressive Songs. Mit ihrem deprimierenden Timbre der Schwermut, voll tonnenschweren Ballasts, verleiht sie diesem fast in Moll gestimmten Popmusikstück aus Elektronikmusik-Versatzstücken und ein wenig Synth-Pop-Schwängerung aus den 80ern eine ungemeine Tiefe. Auch inhaltlich geht es um die Unmöglichkeit der Rückkehr oder Wiederkehr zu etwas Altem, Altbekanntem, das Vertraute ist dahin, das Leben geht immer weiter, "immer vorwärts, Schritt für Schritt". Mit seinem Projekt WOLFSHEIM, unter anderem bekannt für "Once In A Lifetime" (1999, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen, sonst gänzlich anderen Song von den TALKING HEADS), für das sein musikalischer Partner MARKUS REINHARDT die Melodien und Kompositionen beisteuert, ging er Anfang bis Mitte der 2000er dazu über, auf Deutsch statt Englisch zu singen.

Bei diesem Lied wirkte als Co-Autor ein gewisser AXEL ERMES mit, seines Zeichens Musikproduzent. Herausgekommen ist eine unwiderstehlich nachdenkliche, teils getragene, teils dynamische Musiknummer, DARK WAVE und Synth-Pop der gehobenen Niveauklasse.

Anzumerken wäre noch, dass man zunächst in Musikpresse und Musikfernsehen nicht von der Idee begeistert war, dass die bisher auf Englisch singenden WOLFSHEIM auf einmal auf Deutsch singen. Es ist schon bezeichnend, dass man die primitive Weltsprache Englisch der eigenen Landessprache vorzieht, in dem Glauben, auf Englisch klänge gleich alles besser und cooler – und dass auf Deutsch kein großer Erfolg zu erzielen sei. "Wir finden WOLFSHEIM ganz cool, aber nicht in Deutsch!" sprach man ungefähr. Dass man solch Betonkopf sein muss, diese unfassbare Arroganz pflegend, DARK WAVE und andere 80er-Elektromusik-Stile könnten nicht auch auf Deutsch funktionieren (welch ein Irrtum, schließlich kommt die erste relevante elektronische Musik ironischerweise aus Deutschland, siehe KRAFTWERK, CAN und AMON DÜÜL et al). Fast jeder Stil funktioniert auch in jeder Sprache der Welt, höchstens K-POP würde auf Deutsch oder Französisch etwa nicht funzen. COUNTRY klang auf Deutsch auch immer peinlich, zumindest, bis sich BELA B. auf seinen letzten zwei Solo-Alben seiner annahm (siehe weiter oben). Inhaltlich, wie angedeutet, philosophische Lebensbetrachtungen: über das Älterwerden, Schwelgen in (Kindheits-)Erinnerungen, ein wenig wie "Über sieben Brücken musst du geh'n" von KARAT, ins frühe 21. Jahrhundert übertragen und weiterentwickelt. Verpatzte Beziehungen, verpasste Chancen, Verwerfungen und Zerwürfnisse sind weitere Themen, die in epischer Breite ausgehandelt werden. Im Prinzip ein unnachahmlich schönes Lied, unwiderstehlich, unüberhörbar. Würdig, einzugehen in die Annalen der wunderschönsten Musik weltweit.

728. WUM'S GESANG (WUM & WENDELIN) – "Ich wünsch mir 'ne kleine Miezekatze" (1972)

Was die gesangliche Leistung anbelangt, muss hier der ausgefeilteste Mut zur Hässlichkeit unterstellt werden! Ein einzig' Gegröle, bewusst auf "schräg" und "schräpig" gemacht, ein Krächzen mehr als ein Singen, das der Zeichentrickhund WUM zum Besten gab. Die sonst mindestens so liebenswert wie die beiden Herren im Bad und andere knollennasige Cartoon-Figuren gezeichnete Comic-Hunde-Person wurde vom wohl besten deutschen Humoristen aller Zeiten, LORIOT (alias VICCO VON BÜLOW) erfunden und trat in der Unterhaltungsshow "Wum & Wendelin" auf und lockerte das Programm auf. Wer würde sich nämlich nicht eine kleine süße Miezekatze "für (s)ein Wochenendhaus"? Wer könnte Katzen, insbesondere die Kleinen, die Kitten, nicht ins Herz schließen, nicht mögen? 

1972 mit Gold ausgezeichnet, behandelt das Lied einen lieben Kerl von Hund, der einer kleinen Katze nicht nur sein Herz, sondern auch einen Platz im Wochenendhaus bescheren will, ihr eine Spielzeugmaus beschaffen, um sie zu beschäftigen – und eine schöne Luftmatratze, sich darauf aufzuhalten oder es sich gemütlich zu machen. Die Instrumentierung ist so niedlich, dass man sie sich auch gut als Untermalung für eines der zahllosen niedlichen Katzenvideos vorstellen könnte, die heutzutage auf YOUTUBE kursieren.

Gut, die zweite Strophe ergibt dann diesbezüglich weniger Sinn – und entspricht dem Berichten eines alten, verwirrten Herrn, der irgendwie nicht mehr ganz richtig im Kopf ist und irgendwelche Dinge (wie einen verdreckten Suppenknochen) findet und sie mitschleppt nach Hause. Immerhin beschließt er dann, die wenigen verbliebenen Hinterkopfhaare sinnvollerweise zu einem Zopf zusammenzuknoten, falls jemals genügend nachwächst. Sinnvoll. Doch dann der "Opa", der "ganz allein im Duett" mit sich selbst singt – alles sehr verwirrend. Aber unterhaltsam und irgendwie super amüsant.

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