Die Taiga, der Tod und ich. (Odyssee 2000)
Die unendliche Weite der sibirischen Tundra breitete sich vor mir aus, ein riesiger grüner Wald von niedrigem Buschwerk, unterbrochen von Flecken mit kümmerlichen Birkenbestand, deren weiße Rinde, im Winter, mit dem Schnee wetteifern.
Als Geologe habe ich in Tokur an einem Projekt gearbeitet, welches die im Jahre 1939 entdeckten Goldvorkommen, neu Berechnen sollte, um größere Vorkommen zu entdecken.
Aber der KGB witterte überall Sabotage und so geriet ich in den Fokus dieser Sondereinheit.
Meine Handy Gespräche wurden abgehört und man bastelte sich auf Grund meiner deutschen Gespräche etwas zusammen, das nicht zusammen gehörte.
In Tokur waren zwischen 1940 und 1960, hunderte von Menschen in der Mine beschäftigt, heute gibt es nur noch ca. 1100 Einwohner in der Stadt.
Eines Morgens rief mich ein russischer Freund an, um mir zu sagen, “Viktor (Mein Name ist Viktor Kobasch) du musst noch heute von hier verschwinden, es tut sich was, man will dich verhören!”
Nun, ich war ja schon etwas vorbereitet gewesen, dass es jetzt aber so schnell gehen sollte, überraschte mich.
Meine Tasche, meine Papiere, Geld sowie alles Nötigste lagen griffbereit, ich verschloss meine Wohnung, ging zu meinem Wagen, startete und fuhr in Richtung Fefralsk.
Nach wenigen Kilometern erreichte ich einen kleinen regional Flughafen, hier charterte ich eine kleine Maschine um nach Omsk zu fliegen.
Von Omsk über Peking nach Australien, so war mein Plan.
Das Wetter war gut, wir hatten sehr gute Sicht, unter uns die endlose Tundra, Einsamkeit soweit man blicken konnte.
Nach etwa einer Stunde, sackte der Pilot plötzlich zusammen,
ich schüttelte ihn, schrie ihn an, aber keine Reaktion.
Die Maschine sackte immer tiefer, ich war kein Pilot, was tun?
Aus etwa 50 Meter Höhe, stürzten wir senkrecht ab.
Der Aufschlag war gewaltig, die Maschine brach auseinander und ich war tot …oder?
Es war bereits spät als ich zu mir kam, der ganze Körper tat mir weh, ich versuchte mich aufzurichten, mit zusammen gebissenen Zähnen gelang es mir endlich.
Oleg, der Pilot, war tot. Er lag zerschmettert im zerstörtem Cockpit.
Die Finsternis in der Tundra, ist nicht die, die wir kennen, es ist immer noch hell genug um alles zu Erkennen.
Ich versuchte etwas Feuer zu machen, es war mühevoll, aber es gelang mir.
Der Pilot hat immer eine Pistole bei sich, weis man doch nie…?
Ich nahm sie und steckte sie in meine Tasche, die ich nach langer Sucherei endlich gefunden hatte.
Daraus nahm ich eine Tafel Schokolade und begann zu Überlegen, was, wie, und wo ich gehen muss, um möglichst rasch von hier fort zu kommen.
Die Himmelsrichtungen konnte ich natürlich feststellen, ich musste nach Nordosten gehen, wo es irgendwo eine Bahnlinie geben sollte.
Die Nacht wurde kalt und so nahm ich meine Sachen auf und machte mich auf den Weg.
Es wurde sehr mühselig durch das unwegsame Gelände voran zu kommen, es sollte ja auch Bären und Wölfe geben.
Ich bekam Hunger, aber nichts zu essen, verzweifelt stapfte ich immer weiter.
Dann aber sah ich eine Wagenspur, die sich durch das Buschwerk schlängelte, ich konnte aber nicht erkennen, wo kam sie her und wohin führt sie.
Als die Sonne sank hörte ist Stimmen, links von mir, vorsichtig schlich ich näher heran,
Es waren zwei Männer und eine Frau, die vor einem Karren standen und sich unterhielten.
Ich richtete mich auf und rief “Hallo!”
Alle blickten zu mir her, ich ging langsam näher.
Als ich bei ihnen war, sah ich, einer der Männer trug ein Gewehr, es waren Bauern die auf dem Heimweg waren.
Ich hatte mir eine Geschichte zurecht gelegt, die ich ihnen nun auftischte.
Sie luden mich ein mit ihnen zu kommen, es seien nur noch fünf Werst und ich sei herzlich Willkommen.
Es war ein kleines, sibirisches Dorf, aber ich war erst einmal sehr froh, eine Unterkunft gefunden zu haben.
Am anderen Morgen machte ich mich auf den Weg, um den mir beschriebenen Pfad zu folgen, tatsächlich kam ich an die Bahnlinie.
Der kleine Bahnhof war menschenleer, nichts tat sich.
Nach drei Stunden hörte ich einen Zug in der Ferne, das Pfeifen seiner Sirene und gleich darauf erschien auch der Bahnwärter, er betätigte ein Signal und der Zug hielt kurz an, um mich einsteigen zu lassen.
Im Zug bezahlte ich einen Fahrschein nach Omsk.
Einen Tag später in Omsk, nahm ich mir ein Zimmer in einem kleinen Hotel, endlich Waschen und Schlafen.
Omsk ist eine moderne Stadt. Breite Straßen und ein großer Bahnhof.
Ich studierte die Fahrpläne und suchte eine Verbindung nach Peking.
Zwei Tage später saß ich im Zug, er machte noch einen Stopp an der Grenze zu China.
Auf dem Bahnsteig lief Militärpolizei herum, Beamte kamen in den Zug, ich wurde unruhig, das galt sicherlich mir.
Ich verließ den Zug auf der anderen Seite, lief über ein paar Gleise und mischte mich unter die Reisenden, die den Zug verlassen hatten. Die Fahrt bis hier her, war eine Fahrt durch die Taiga, soweit man sehen konnte, nur ebenes Land, keine Berge, aber der Amur floss hier, ein sehr breiter Fluss, er bildete die Grenze zu China.
Ich kam wieder in einem kleinen Hotel unter, Geld hatte ich genug, aber ich wollte nicht im 3 Sterne Hotel auffallen.
Die kleine Stadt hatte nicht viel zum bieten, ich blieb die ersten Tage auf meinem Zimmer, nur zum Essen ging ich in den kleinen Speiseraum.
Ich las in der Zeitung, dass die Menschen wachsam sein sollten.
Bei einen kleinen Spaziergang fiel mir ein kleines Haus auf, in einem Fenster war ein Pappschild mit einem gezeichneten Bett, darunter stand -Bed-Room- .
Ich klopfte und eine ältere Frau öffnete die Tür, sie sah mich fragend an: Ich deutete auf das Schild und sie nickte, öffnete die Tür weiter und ich trat ins Haus.
Drinnen fragte ich auf englisch: Sprechen sie englisch?”
Sie sagte, “Yes, a little bit!”
Es stellte sich heraus, dass sie früher Lehrerin war, sie konnte etwas englisch sprechen.
Ich sagte ihr, dass ich ein Zimmer brauche, für eine längere Zeit. Sie zeigte mir den Raum, er war klein, aber sauber und so holte ich mein weniges Gepäck und hatte für eine gewisse Zeit eine Unterkunft.
Meinen Plan, nach Peking zu Fliegen, hatte ich aufgegeben, er schien mir zum gefährlich, so lies ich mir in den nächsten Wochen einen Bart wachsen, Frau Wu, meine Vermieterin, besorgte mir passende typische Kleidung.
So ausgestattet, verlies ich mein Zimmer und mischte mich unter das Volk.
Das Grenzstädtchen war ein kleiner Ort, aber jeden Tag hielt ein Zug, der danach weiter nach China fuhr.
Eines Morgens überraschte mich der frühe Wintereinbruch, es hatte in der Nacht geschneit.
Die Kontrollen am Bahnhof wurden fortgesetzt, ich konnte mir nicht vorstellen, dass es meinetwegen war, aber ich musste sehr vorsichtig sein.
So beschloss ich, dass ich versuchen musste, zu Fuß und unbemerkt, über die Grenze zu gelangen.
Dazu musste ich den Amur überqueren. Der Fluss war hier sehr breit, etwa drei Kilometer.
Frau Wu hatte zu mir Vertrauen gefasst und ich fragte sie, ob sie eine Möglichkeit kenne, unbemerkt über den Fluss, nach China zu gelangen?
Sie kannte diese Möglichkeit.
Ich kaufte mir Winterkleidung und eines frühen Morgens ging ich, mit allem ausgestattet, was mir gehörte, zehn Kilometert, immer in der Nähe des Flusses, entlang, bis ich zu einer kleinen, flachen Hütte kam, hier versteckte ich mich bis zum späten Abend.
Dann kam der Bruder von Frau Wu, zog ein vorher verstecktes, kleines Boot aus einem Versteck, deutete an ganz still zu sein und ruderte mich, über den Fluss nach China.
Meine Winterkleidung war gut gewählt, Stiefel, Mantel und Mütze, sowie Handschuhe, hielten mich einigermaßen warm.
Ich lief weg vom Fluss, durch die Taiga, nach Osten.
Ich würde nach etwa 50 Kilometer auf einen kleinen Bahnhof stoßen, von dort würde es weitergehen, nach -Psopmang Pu- und von dort nach Peking.
Es schneite immer kräftiger und das Gehen wurde immer beschwerlicher, vor mir breitete sich die Unendlichkeit der Taiga aus, aber auch die Ungewissheit, ob ich das Geplante auch erreichen würde.
Nachts, aber bei hellem Licht, erschien die Taiga unheimlich, das ferne Geheul von Wölfen, das Knirschen des Schnees unter meinen Füßen und dazu das flirrende Licht der Sterne.
Als ich mich einmal umdrehte, sah ich in der Ferne, einen dunklen Schatten, der auf meiner Fußspur lief.
Nein, das war kein Wolf, aber auch kein Mensch.
Aufgeragt nahm ich die kleine Pistole des Piloten in die Hand schaute auf dieses Unbekannte, welches auf mich zukam.
Mein Herz schien plötzlich stehen zu bleiben, es gab nur noch Wenige von ihnen, aber es gab sie.
Etwa einhundert Meter trennten uns noch, mich von diesem Amur-Tiger, der größten Raubkatze der Welt, ca, 3,50 Meter lang und mehr als 300 Kg schwer.
Meine Gedanken wirbelten durcheinander, nur noch 50 Meter, ich hörte das knurrende Schnaufen, bei seinen Sprüngen stiebte der Schnee unter seinen Pranken.
Ich habe mit dem Leben abgeschlossen, schließe die Augen und höre plötzlich, ein lautes metallischen Knacken.
Als ich die Augen öffne, steht der Tiger vor mir, keine Zehn Meter entfernt, sein Maul ist aufgerissen, die linke Pranke schlägt in meine Richtung, aber er bleibt jaulend und knurrend stehen.
Dann sehe ich, er ist mit der rechten Tatze in eine Bären oder Tigerfalle geraten, die Falle ist fest im Boden verankert, er kann sich nicht mehr davon lösen.
Immer wieder versucht er sich zu befreien, dabei bohren sich die spitzen Krallen der Falle, immer tiefer in sein Fleisch.
Ich blicke in seine Augen, bernsteinfarbig sind sie und schön, ein wunderschönes Fell umhüllt den Körper, nur sein Geruch ist sehr streng.
Ich schaue mich um, nur Taiga, sonst Nichts.
Was soll ich machen, mit der kleinen Pistole kann ich ihn nicht erschießen, er wird hier jämmerlich sterben.
Der Tiger liegt am Boden und leckt seine Pfote.
Ich gehe langsam weiter, drehe mich nicht mehr um, ich habe hier in der Taiga dem Tod ins Auge gesehen.
Fünf Tage später war ich in Peking, am sechsten Tag bestieg ich die Quantas Maschine nach Darwin.
Da ich für Australien kein Visa hatte, sprach ich einen Beamten im Flughafen an.
Der Rest ist schnell erzählt, ich durfte den Flughafen nicht verlassen, musste mir ein Ticket nach Frankfurt kaufen und war schon zwei Tage später in Deutschland.
Aber diese wenigen Minuten in der chinesischen Taiga, werde ich niemals vergessen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.08.2021.
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