Katrin Meyer

Das Leben ist gut zu mir

Das Leben ist gut zu mir, es zeigt mir jeden Tag, was ich nicht brauche. Als dieser Satz in mein Leben kam, lag ich mit einer Depression in der Klinik. Nach dem Motto "Höher - Schneller - Weiter - Mehr" hatte ich gründlich an ihrer Entstehung mitgearbeitet ohne es zu merken. Ich hatte keine Einladung abgelehnt und keine Bitte abgeschlagen. Immer wollte ich allen gefallen und habe das Gefühl für meine eigenen Bedürfnisse vollständig verloren. Man konnte sich immer auf mich verlassen. Ich bin von einer Verpflichtung zur nächsten gehetzt und habe alle Warnsignale meines Körpers überhört. In der Klinik gab es dann zunächst nur Eines: Leere. Und der Gedanke: das hier wird harte Arbeit! Plötzlich hatte ich keine Termine mehr, keiner sagte mir, was zu tun war. Ich war gezwungen, mich mit mir selbst zu beschäftigen. Zu überlegen wie es so weit kommen konnte und eine Strategie zu entwickeln, mich bei mir selber zu Hause zu fühlen. Als mir dann eine Mitpatientin einen Zettel mit diesem Satz in die Hand drückte, kam ich sofort zu der Erkenntnis, dass dies mein neues Lebensmotto werden würde und mir wurde klar, was ich alles nicht brauchte. Ich brauchte nicht diese oberflächlichen Bekanntschaften. Menschen, die meinten es würde mich interessieren, was für Socken sie zum Vorstellungsgespräch tragen. Menschen, die nur von sich erzählten - von ihren Sorgen, aus ihrem Leben. Es gab sogar eine ganze Reihe von Menschen, denen ich überhaupt gar nicht gefallen wollte, stellte ich zufrieden fest. Ich brauchte auch kein Auto mit einem Super Hyper Turbo Motor wenn ich in der Rush-hour sowieso nur mit 20 km/h vorankam. Ich brauchte auch nicht die neuesten technischen Errungenschaften, die mir soooo viel Glück und Erleichterung verhießen. Auch nicht den Kaffee mit der ganz besonderen Röstung oder die Zahncreme mit der Weißer als Weiß - Formel.
Es fällt mir heute immer noch schwer, gerade in der Großstadt, all dieser Reizüberflutung zu entkommen. Überall blinkt und blitzt es, überall wird man über Dinge informiert, die man gar nicht wissen will, überall wird man von Musik beschallt, die man gar nicht hören will. Es wird mir eingeredet, dass es Lösungen für Probleme gibt, die ich gar nicht habe. Ich weiß mittlerweile ganz genau was ich brauche. Eine handvoll verlässlicher Leute, die mir versprechen, dass sie nur einen Anruf weit entfernt sind. Einen Spaziergang mit meinem Hund in der Natur. Einen Blick in den Himmel und das gute Gefühl frei entscheiden zu können. Das Vertrauen, dass jeder neue Tag schon für sich selber sorgt und dass das Leben gut zu mir ist.

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Alex lebt nach dem Motto „all you can feel”. Nach einem Zusammenbruch erholt sie sich in den Berchtesgadener Alpen und erfährt in einem Workshop zum Thema Hochsensibilität, dass es noch andere Menschen gibt, die nach dieser Devise leben. Erleichtert über diese Erkenntnis beginnt sie, ihre Vergangenheit völlig neu zu bewerten und beabsichtigt, in Zukunft ihre eigenen Regeln aufzustellen. Aber Veränderungen sind für Hochsensible gar nicht so leicht umzusetzen. Erst recht nicht, wenn wenigstens die Beziehung ein sicherer Hafen zu sein scheint. Doch dann begegnet Alex dem Fotografen Quirin und plötzlich ist gar nichts mehr sicher.

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