Angela Redeker

Weihnachtsengel


Weihnachten - meine Begegnung mit einem Engel

Es war Heiligabend 1988, vor neun Tagen war meine kleine Tochter Carrie mit knapp 2000 g drei Wochen zu früh per Kaiserschnitt auf die Welt gekommen. Eine extreme Gelbsucht machte ihr das Leben schwer und das unnatürliche Geräusch beim Abhören ihres Herzens versetzte mich in Panik. Ich stand vor ihrem Brutkasten und war dankbar für jeden Atemzug, den sie tat.

Auf den Fluren herrschte reges Treiben, die Krankenhausleitung hatte zugestimmt, dass die Wöchnerinnen für drei bis vier Stunden nach Hause zu ihren Familien durften. Junge Väter holten stolz ihre Frauen ab, kleine Kinder hüpften glücklich um ihre Eltern herum und krähten jeden entgegen
„Der Weihnachtsmann kommt bald“.
Durch die Fensterscheibenfront, die das Babyzimmer von den Fluren trennte sah ich ihnen nach, erwidertet einen kleinen Gruß und blieb allein zurück. Meine Gedanken wanderten zu meinen Söhnen 8 und 6 Jahre alt, sicher waren sie genauso aufgeregt, wie gerne wäre ich jetzt bei ihnen gewesen. Aber meinem Mann war es zu umständlich und der Weg von Lübeck nach Bad Oldesloe zu weit,
„Ich will mit den Jungs in Ruhe Weihnachten feiern, dich abholen und dann wieder wegbringen , das bringt doch nichts“,
waren seine Worte, die mein Herz wie in einen Schraubstock zwängten und erbarmungslos zu drehten. Ich sah meine kleine Tochter an, die wie ein nasser Lappen bewegungslos da lag, eine große weiße Brille schützte ihre Augen von dem blauen Licht, während sich meine mit Tränen füllten.
„Sie sollten sich ausruhen“,
sagte die Kinderkrankenschwester zu mir und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie mich loswerden wollte, traurige Mütter am Heiligenabend sieht niemand gern. Also ging ich durch die nun stillen Flure auf mein Zimmer, löschte das Deckenlicht und sah hinaus in eine klare dunkle Nacht. Wie von selbst kamen die Worte „Euch ist ein Kind geboren“, in meinen Kopf. Ich setzte mich auf´s Bett, dort lag das erste Weihnachtsgeschenk für meine Tochter (ein kuschelig, grauer Elefant). Ich hatte wie alle jungen Mütter, Geschenke zur Geburt bekommen, doch dies hier war direkt für sie. Meine große Schwester, selbst Mutter von zwei Kindern, war am frühen Morgen hier gewesen und hatte ihr dies gebracht und obwohl sie noch viel zu tun hatte war sie, auch als die Kinder quengelten, einwenig geblieben. Meine Hände strichen über das Kuscheltier und mir fiel ein, dass es von Krummesse nach Bad Oldesloe viel weiter war als von Lübeck. Zu dem Schmerz in meinem Herzen mischte sich Einsamkeit und die Angst ihn zu hassen. Eine Kälte, die von innen kam ergriffe von mir Besitz.
Von Fern hörte ich leise Musik, irgendwo im Haus sang ein Chor, Stille Nacht, in Gedanken sang ich mit, doch bei ...das traute hochheilige Paar.... war mir als ob mein Herz von Eisspitzen durchbohrt wurde.
Dann öffnete sich die Tür und ein Fremder betrat mit den Worten
„Frohe Weihnachten Angela“,
den Raum, fast erschrocken drehte ich mich um, mit einem vertrauten Lächeln kam ein Pastor auf mich zu nahm meine Hände und küsste meine Stirn.
„Friede auf Erden..“,
„und den Menschen ein Wohlgefallen“,
vollendete ich den Satz und all die Tränen, die ich den ganzen Tag über tapfer zurück gehalten hatte bahnten sich ihren Weg, Gedanken, die nicht in Worte gefasst werden sollten machten sich selbstständig.
„Bitte, sie fehlen mir so.......
ich hab solche Angst....
darf ich sie behalten“.
Wie ein wärmendes Tuch legte er seine Arme um mich und ich fühlte mich auf seltsame Weise leicht und geborgen. Seine leisen Worte, die von Liebe Vertrauen und einem Engel, der mich nicht vergisst sprachen, waren wie Balsam auf meine verletzte Seele. Sanft wiegte er mich hin und her und blieb bei mir bis ich eingeschlafen war.
Am nächsten Morgen, als die neuen Blutwerte meiner Tochter vorlagen, meinte der Arzt
„...sieht alles schon besser aus, scheint als wäre ein Engel hier gewesen“.
Und ich dachte „zwei“.


Den kleinen grauen Elefant hat meine Tochter heute noch, er sitzt auf dem Schrank über ihrem Bett und bewacht ihren Schlaf.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Angela Redeker).
Der Beitrag wurde von Angela Redeker auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.10.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Angela Redeker als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Am Ende oder am Anfang? von Anke Treinis



Eine gescheiterte Affäre, die eigentliche Ehe in Gefahr? Es gibt keinen Ausweg mehr? Das Ende oder gibt es einen Neuanfang?

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Autobiografisches" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Angela Redeker

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Sein erster Schnee von Angela Redeker (Autobiografisches)
FC St. Pauli wird 100 von Karl-Heinz Fricke (Autobiografisches)
Bis an die Grenze ( Ein Tatsachen - Bericht ) von Ralph Bruse (Autobiografisches)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen