Heinz Lechner

Nie mehr arbeiten !



14 Uhr. Tochter, fast schon 16 jährig, kommt von der Schule.
Sie wünscht sich eine Avocado und einen Semmelstern, - ob ich Lust habe zu besorgen. Logisch, sage ich, froh, gebraucht zu werden. Also aufs Rad und zum Bäcker und Discounter. Der Discounter hat Eis im Angebot, das wusste ich natürlich und deshalb habe ich ja den Auftrag so widerspruchslos angenommen. Wieder zuhause erwähne ich so nebenbei, dass ich eigentlich zum Grab der Eltern wollte,- gießen. 
Mach das, sagt sie und ich bemerke, dass sie mich los werden will. Also dann!
Nach den ersten paar Metern auf dem Rad, beschließe ich, dass es eigentlich ein gutes Wetter hat um in den Biergarten zu fahren. Es ist der letzte Septembertag und wie lange wirds noch so schön sein? Es ist ein stürmischer Tag, die Wolken rasen vorbei und ich quäle mich ab mit meinem alten Damenrad. Das tut gut! Es geht auch durch einen Wald und wenn die Sonne durchbricht, bleib ich immer wieder mal stehen für eine Natur-Fotographie. Ich knipse gerne.
Aber dann: schon von Weitem erkenne ich, dass sich im Biergarten kein Mensch befindet. Dort angekommen, kann ich es lesen: „Montag Ruhetag“. Ich Blödmann hätte es wissen können. Ich beschließe, zur Tankstelle zu fahren, ein Bierchen zu kaufen und zum See rauszufahren. Dort kann man gut sitzen und gemütlich mit dem Tablet, welches ich immer bei mir führe, ein Geschichtchen über genau dieses Erlebnis schreiben.
Auf dem Weg zur Tankstelle fällt mir ein, dass ich keinen Flaschenöffner dabei habe. Scheisse! Natürlich könnte ich sie an der Tanke öffnen, aber mit einer offenen Bierflasche zum See radeln? Wie schaut das denn aus! Außerdem habe ich Angst, der wertvolle Inhalt der Bierflasche könnte in meiner Hängetasche auf mein Tablet schwappen. Glücklicherweise habe ich einen Geistesblitz: Bierdose. (Für einen Bierliebhaber wie mich ist es eigentlich ein absolutes „No-Go“ Bier aus Dosen zu trinken, aber in dieser Notsituation,…..)
Alles klar. Auf dem Weg zum See bewölkt es sich immer mehr und der Wind wird saukalt. Aber ich habe einen Pullover dabei, Gott sei es gedankt! Ganz allein sitze ich zwischen den Bierbänken, nur ein altes Pärchen sitzt am anderen Ende der Sitzgarnituren, ebenfalls Radfahrer, die hier wohl ein Päuschen einlegen.
Ich könnte rundherum zufrieden sein. Schreiblaune hat mich erfasst und das Bier schmeckt auch nicht schlecht. Leider nähert sich vom Norden her eine dunkelgraue Wolkenwand und der Wind frischt auf. Ich liebe diese Stimmung!
Etwa eine halbe Stunde brauche ich, um dieses hier zu schreiben, dann ist auch mein Bierchen leer. Das Firmament ist nun voller bedrohlicher, grauer Regenwolken.
Mich friert.
Nichts wie heim!

Als ich losfahren will, entdecke ich auf dem Parkplatz des See‘s einen einsamen SUV stehen. Ein imposantes, gewaltiges Gefährt! Ich denke, wenn es mal darauf ankommt, also zum Beispiel der Russe kommt, ist er in kürzester Zeit zu einem Panzer umgebaut. Auf der gegenüberliegenden Seite des Sees hatte ich zuvor eine Person am Ufer ausgemacht. Der vermeintliche Besitzer dieses Monsters.
Man stelle sich vor, irgendjemand,- könnte ja vielleicht ein Bruder im Geiste sein - käme nun und würde in schönster geschmackvoller Frakturschrift auf die Fahrertür des verhassten Fahrzeugs mit einem spitzigen Gegenstand - zum Beispiel einem Hebelkorkenzieher mit Flaschenöffner - das Wort „Greta“ eingravieren.
Nur so als Scherz. Aber so etwas macht man natürlich nicht, auch wenn man sich moralisches im Recht befände......
Das gehört sich nicht, - Pfui!
Es war auch nur so ein Gedanke. Ich habe keine Ahnung, weshalb mir, als alter Pazifist, solch eine frevelhafte Tat überhaupt in den Sinn kommen konnte,
........ die Idee aber.........also rein theoretisch..........

Auf dem Heimweg fahre ich durch einen windgeschützten Park, die Sonne bricht wieder raus und ich entdecke eine Bank an einem See, romantisch. Die Temperaturen sind wieder erträglich. Ich verweile ein wenig auf der Bank und könnte jetzt noch ein Bierchen vertragen.
Mir fällt ein, dass heute Werktag ist und ich eigentlich nicht auf dieser Bank sitzen sollte. Statt in der Arbeit zu sein, mache ich eine Radtour. Unglaublich. Ich bin erst 63 und mein Arbeitgeber hat mich entlassen vor 3 Monaten. Das war fast so etwas wie ein Sechser im Lotto, weil es sich nicht mehr rentiert, sich noch eine Arbeit zu suchen, - wegen der Rente.
Aber ich muss sagen, es ist schwer, dieses neue Leben anzunehmen. Dieses Gefühl, von nun an ein so ziemlich unnützes, von fast allen Pflichten entbundenes Lebewesen zu sein, muss man erst mal verkraften, - nach 45 Arbeitsjahren. Aber nach anfänglichen Zweifeln habe ich mich zu der Meinung durchgerungen, dass es mir einfach zusteht meinen Lebensabend zu genießen.
Das ist gar nicht so leicht wie man glauben möchte.

Jetzt ist es nur noch etwa ein Kilometer bis nach haus. Ich trete noch mal so richtig in die Pedale um mir einzureden, wie gut ich noch drauf bin, - körperlich.
Es hat sich auch schon Hunger eingestellt. Zuhaus warten Schinkennudeln auf mich und als Nachspeise eine Tasse Kakao und ein glasierter Lebkuchen mit, - wenn ich Glück habe - noch drei Mandeln drauf.
Und abends gibt Arte einen alten BillyWilder - Film.
Mir geht es also richtig gut. So richtig gut,
.......ich werde es schon noch lernen, das süße Nichtstun!


 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.10.2021. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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