Brigitte Waldner

Ein kleiner schwarzer Jeep mit der Zahl 300 im Kennzeichen


Ich ging mit meiner Hündin am Abend des 2. Oktobers 2021 eine Gassirunde bis zum Wald. Als ich am Rückweg war, war es schon richtig dunkel und gegen 20 Uhr. Da kam der hässliche, aber neu aussehende, kleine schwarze Jeep des Jägers. Der Mann klettert mutmaßlich in eines der dortigen Baumhäuser und betrachtet mit Nachtsichtgeräten Felder und Wald und erschießt jedes Reh. Ich habe ihn schon mehrmals bei seiner Ankunft gesehen. Es scheint ihm schon peinlich zu sein, von mir gesehen zu werden, dass er schon wartet, bis ich außer Sichtweite bin und dann seine Fahrt auf dem Feldweg fortsetzt.

Darum sieht man in unserer Gegend ja nie mehr Rehe seit meiner Kindheit. Eigentlich ist das nicht koscher, mit Nachtsichtgeräten dem schlafenden Wild aufzulauern, aber es wird verbotener Weise gemacht, falls es verboten, jedenfalls nicht gerne gesehen ist, soviel ich weiß vom Fernsehen her. Jäger sollten den Tieren die Nachtruhe lassen. Das sei eine Vereinbarung.

Gegen 22 Uhr hörte ich genau zwei schallgedämpfte Schüsse. Hat er „mein Reh und mein Kitz“ erschossen?
Diesen Sommer lebte ein Reh mit seinem Kitz in einem Maisfeld vor meinem Haus, das erste Mal in meinem ganzen Leben von 65 Jahren. Abends und morgens sah ich sie oft, wenn sie auf den Feldern vor dem Maisfeld grasten. Der Mais wurde neulich geschnitten, und das Reh wanderte mit seinem Kitz aus dem Feld heraus und wohin, das habe ich nicht gesehen, vermutlich zurück in den Wald, falls es überhaupt so weit kam. Es wurde am Abend des 2. Oktobers bei Dunkelheit herausgeklatscht und herausgetrieben. So hörte sich das an. Ich bin nur Ohrenzeuge. Bei Erreichen des Waldes wurde es vom Jäger mutmaßlich gleich erschossen und sein Kitz auch, das noch nicht einmal so groß war, wie das Muttertier. Er hatte schon dort darauf gepasst. Das war sehr sehr hinterlistig und gemein. Um den Sommer zu überleben, war es so schlau, sich im Maisfeld zu verstecken samt Kitz.

Ein Reh ist so ein schönes Tier mit einer runden schwarzen Nasenspitze und es ist kein Raubtier, kein Problemwolf, der 30 Schafe in einer Nacht reißt und trotzdem nicht erschossen wird zum Leid der Schafzüchter. Ich hätte es gerne in meinen Garten gelassen und behalten. Hier wäre es vor dem Jäger sicher gewesen, oder auch nicht. Vielleicht hätte es einer meiner Nachbarn erschossen, entweder der Räuber, der früher auch Jäger war, (bis ihm der Jagdschein entzogen wurde, als er auf meine Mutter und mich im Garten mehrfach geschossen hatte, sobald wir uns in den Garten begaben, während er und sein Familienklan unser Nebengebäude ausplünderten) oder der mit der Fußfessel, der täglich zweimal grillt (und seine eigenen Hasen und Kaninchen grillt und sich und seinen umfangreichen Patchworklan damit ernährt). Beiden würde ich das zutrauen.

Vor einem Jahr habe ich mit dem Jäger des schwarzen Jeeps geredet. Er saß schon in einem Baumhaus und forderte mich auf, nicht in den Wald zu gehen, weil er schon auf Rehe wartete. Ich habe ihn gefragt, ob das sein muss. Er sagte ja, das muss er machen, sonst kämen die Behörden und schießen alles wahllos nieder, weil hier in dieser Gegend kein Reh sein darf. Aber warum, das konnte er mir nicht sagen. Du armes, schönes Reh, mit deinem lieben Kitz, du weißt ja nicht, wie mir das leid tut.

Schäme dich, du rücksichtsloser Jäger, einen Fuchsbandwurm wünsche ich ihm und dass er mal runterfällt von einem der vielen Baumhäuser. So wie ein Reh einwandert, wird es schon erschossen, sobald sie es eben kriegen.

In jungen Jahren begegnete mir einmal ein Mann, der mir sagte, dass er gerne ein Rendezvous mit mir hätte. Er suchte eine Frau fürs Leben. Dann erzählte er mir, dass er ein Jäger sei und mir Reh und Fasan schießen würde. Er meinte es gut und wollte mich damit beeindrucken, aber ich sagte ihm damals gleich, ein Jäger kommt als Mann für mich nicht in Frage. Er war sehr verwundert, direkt schockiert, dass ich ihn sofort ruppig ablehnte. Er sah gut aus und war sehr nett, aber „Jäger“ heißt für mich „Mörder“, und in so einen Mann kann ich mich nicht verlieben. Da habe ich auch Angst, dass er mich und meine Kinder und meine Katzen erschießt. Das habe ich ihm auch so erklärt. Ich war jung und das war meine Einstellung. Das ist sie auch heute noch. Ich könnte nie mit einem Jäger zusammenleben. Da hätte ich ewige Angst und ich möchte auch diese ganzen Trophäen nicht in meinen Wohnräumen an die Wand montiert bekommen. Wenn ich am Haus eines Jägers in meiner Straße vorbeigehe und abends das Licht brennt, sehe ich in deren Wohnzimmer die ganze Wand vollgepflastert mit Geweihen, da wird mir übel nur vom Hinsehen. Jäger sind Massenmörder, meine ich.

© Brigitte Waldner

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.10.2021. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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