Julia Knirsch

Der geheimnisvolle Junge aus Afrika - Teil IV

Als Robbie wiederkam, war Nadine wie versteinert. Doch sie brachte es nicht über sich, ihn auf den Brief anzusprechen. "Was hat denn die Memsab?", fragte er. Nadine antwortete nicht. Stattdessen fragte sie: "Hast du Heimweh, ich meine nach Afrika?" Gebannt sah Nadine ihn an. Er seufzte: "Ich würde lieber in Afrika wohnen, mit meinen Eltern. Aber verstehe mich nicht falsch. Ich mag es hier, aber ein wenig Heimweh habe ich schon!" "Würdest du", Nadine schluckte, "unter Umständen bei der deiner Tante leben wollen?" Robbie schüttelte den Kopf: "Sie ist die grausamste Person, die ich kenne. Eine Woche habe ich schon bei ihr gewohnt. Es ist schlimm." Nadine war getroffen. "Willst du es mir erzählen?", fragte sie vorsichtig. Aber wieder schüttelte Robbie eindeutig den Kopf: "Es sind zu viele Erinnerungen!" Ein wenig beleidigt, drehte sich Nadine weg. Robbie nahm sich ein Buch und begann wieder zu lesen. Es war eindeutig in afrikanischer Sprache geschrieben, denn Nadine konnte schon den Titel nicht entziffern. Nadine sah sich Robbie an. Man sah ihm sein großes Leiden nicht wirklich an. Er war in sich gekehrt und fraß seinen Kummer in sich hinein. "Wie bei Oma!", dachte Nadine. Vor einem Jahr, war Mutters Schwester an Krebs gestorben. "Mum geht in die Kirche und betet, aber Oma.", dachte Nadine.

Nach einer halben Stunde eisiger Stille, entschloss sich Nadine zu gehen. Robbie würde nie mit der Sprache rausrücken. "Zum Abendessen komme ich wieder!", meinte Nadine. Warum hatte sie sich in so einen jungen verlieben müssen? Sicher würde ihn bald das Heimweh packen und er würde zurück nach Afrika in ein Kinderheim gehen. Voller Trauer aß sie zu Abend und ließ immer wieder etwas in eine Plastiktüte verschwinden.

Es kostete Nadine viel Mühe wieder den Dachboden zu betreten. Aber sie wusste, dass Robbie im Moment auf sie angewiesen war. Als sie die Tür zum Dachboden geschlossen hatte, saß Robbie mit einer Gitarre auf dem Boden. "Schau, Memsab, was ich gefunden habe! Und hör jetzt zu, ich habe ein Lied für dich gemacht!", sagte er. Erwartungsvoll und gespannt, was jetzt folgen würde, setzte sie sich neben Robbie und lauschte den wohltuenden Klängen der Gitarre.

In the morning, when I stand up
I miss Africa, but
When I see your smile
And see you,
I never want to leave
Germany alone!
When I see your cry,
I want to cry, too!
I love you, my darling,
I love you!

Nadine stiegen die Tränen in die Augen. So etwas hatte noch nie ein Junge für sie gemacht. In Worte, war es nicht auszudrücken, was sie jetzt fühlte. Sie nahm Robbie in den Arm und er küsste sie auf die Wange. Lange lagen sie sich in den Armen, aber dann stürzte sich Robbie schon auf das Essen. Nadine war noch immer wie in Trance, denn sie konnte sich nicht mehr vorstellen ohne Robbie zu sein.
Robbie fragte: "Hat es dir gefallen?" Nadine nickte. Robbie sah zu Boden, es war ein Glitzern in seinen Augen, das auf Tränen hinwies.
Nadine fragte besorgt: "Was ist Robbie?" Robbie holte tief Luft: "In Afrika glauben wir, dass wenn wir etwas träumen, es auch in Erfüllung gehen wird. Bei mir, war das schon öfter so. Z.B. Als meine Eltern starben, hab ich es geträumt! Heute Nacht hatte ich auch einen Traum, und zwar: Dass ich wieder nach Afrika zurück gehe! Es tut mir Leid, Nadine!" Nadine traf, das wie ein Schlag. Sie zitterte. Kaum fängt, etwas Schönes an, so ist es auch schon wieder vorbei. Nadine war sich aber sicher, sie würde alles tun, um Robbies Rückkehr nach Afrika zu verhindern!

Fortsetzung folgt.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.10.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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