Heinz-Walter Hoetter

Eine ungewöhnliche Kurzgeschichtensammlung

1. Ein selten böser Alptraum


 

Sie haben versprochen, dass Träume wahr werden können. Doch sie haben vergessen zu erwähnen, dass Albträume auch Träume sind.“

 

(Oscar Wilde irischer Schriftsteller 1854 - 1900)
 

***

 

Die liebe Sonne meinte es heute gut mit uns. Sie strahlte an diesem warmen Frühlingsmorgen in München von einem besonders blauen Himmel herab. Nirgendwo war auch nur eine einzige Wolke zu sehen.

 

Deshalb wollte ich das schöne Wetter zu einer kleinen Spazierfahrt nutzen.

 

Ich saß in meinem Rollstuhl und fuhr hinaus in den nah gelegenen Park, wo ich ein bisschen herum fahren wollte, um die morgendliche Luft einzuatmen, die mir besonders gut tat.

 

Als ich in die weitläufige Grünanlage einbog, sang ich leise ein Lied vor mich hin, weil ich der Annahme war, dass ich allein an diesem frühen Morgen unterwegs war. In einem kleinen Seitenweg allerdings, etwas abseits des Hauptweges auf dem ich fuhr, saß auf einer Parkbank ein Mann, der mich singen hörte. Als ich an ihm vorbei rollte, schaute er mich staunend an und sagte dann: "Bravo, was für ein schönes Lied!"

 

Ich freute mich natürlich über seine Zustimmung für meinen frohen Gesang, hielt kurz an, grüßte ihn freundlich und fuhr mit meinem Rollstuhl dann zügig weiter. Etwa eine halbe Stunde später verließ ich den Park auf der anderen Seite wieder durch einen weiten Torbogen aus wuchtigen Marmorsteinen, allerdings weiterhin mein kleines Liedchen singend.

 

Langsam fuhr ich unter dem imposanten Torbogen hindurch.

 

Auf der anderen Seite angekommen stand da auf einmal ein schwarzer Hund, dem offenbar mein Singen missfiel und mich mit gefletschten Zähnen böse knurrend fixierte. Weit und breit war weder ein Herrchen noch ein Frauchen zu sehen, was mich irgendwie irritierte.

 

Dann kam er plötzlich auch schon bellend näher. Eine unangenehme Angst stieg in mir hoch, weil ich mich als querschnittsgelähmter Mensch gegen einen derart aggressiven Hund so gut wie gar nicht wehren konnte. Ich befand mich in einer sehr gefährlichen Situation, die außer Kontrolle zu geraten schien.

 

Doch was sollte ich tun?

 

Im nächsten Moment sprang der bellende Köter auch schon hoch, versuchte schließlich meinen Arm mit seinem Zähne strotzenden Gebiss zu erwischen, aber er verfehlte mich um wenige Zentimeter, weil ich den Rollstuhl schlagartig wendete, sodass er hinten an die stabile Rückenplatte aus Kunststoff prallte.

 

Dadurch wurde die vierbeinige Bestie aber nur noch bösartiger, ließ jetzt erst recht nicht locker und schnappte wie wild nach einer der Leder ummantelten Armlehnen. Ich versuchte daher, den Rollstuhl mit aller Gewalt noch einmal herum zu reißen. Vor lauter Angst fing ich an zu schreien und rief verzweifelt mit kreischender Stimme um Hilfe. Aber niemand hörte mich, weil keine Menschenseele an diesem frühen Morgen in unmittelbarer Nähe war, die mir hätte helfen können. Der große schwarze Hund ließ einfach nicht locker.

 

Durch eine erneute, leider aber zu heftigen Drehung, kippte ich plötzlich mitsamt dem Rollstuhl um und lag schließlich, hilflos wie ein kleines Kind, wehrlos auf dem harten Plattenweg.

 

Im nächsten Augenblick stand auch schon die laut bellende Bestie über mir und versuchte, mich mit seinem furchtbaren Gebiss in den Hals zu beißen.

 

Abermals schrie ich wie von Sinnen auf und versuchte unter Aufbringung meiner ganzen Kraft, das schwarze Biest mit bloßen Händen abzuwehren, indem ich wie wild rasend um mich schlug.

 

Dann änderte sich auf einmal alles von einer Sekunde auf die andere.

 

Schweißgebadet und völlig erschöpft wachte ich auf, wobei ich beinahe meine Freundin mit meinen heftig strampelnden Beinen aus dem Bett gestoßen hätte, die ganz dicht gleich neben mir lag.

 

Draußen ging gerade die Sonne auf und ein Hund bellte laut unten auf der Straße.

ENDE

 

(c)Heinz-Walter Hoetter

 

 

 

***

 

 

2. Die lächerlichen Missgeschicke des Georg Taylor

 

 


Ein Missgeschick kommt selten allein“



Mister Georg Taylor war heute morgen mit dem verkehrten Bein aus dem Bett gestiegen, was sein erstes Missgeschick war. Das zweite Missgeschick passierte ihm eine viertel Stunde später im Badezimmer, als er nackt unter die Dusche trat und den Hebel der Mischbatterie fälschlicherweise bis zum Anschlag in die gegenüberliegende Richtung drehte, wobei ihn der eiskalte Wasserstrahl aus der Dusche über seinem Kopf mit voller Wucht traf.

 

Georg Taylor zuckte vor Kälte zusammen, gab kurz darauf einen schrecklich lauten Schreit von sich und verfluchte seinen Fehlgriff mehr als nur einmal.

 

"Verdammte Scheiße nochmal! Was ist bloß heute morgen los mit mir?" zischte er wütend vor sich hin und griff erneute zum Hebel der Mischbatterie seiner Brause. Er beugte sich nach vorne. Dabei rutschte er auf dem glatten Boden der Wanne aus und hätte beinahe den Halt verloren, wenn er sich nicht am Wasserhahn instinktiv festgehalten hätte.

 

Jetzt folgte aber auch schon das dritte Missgeschick, da jetzt von oben plötzlich heißes Wasser aus dem Duschkopf schoss, weil er den Hebel der Mischbatterie unabsichtlich genau in die andere Richtung gedrückt hatte.

 

Mit einem fürchterlichen Aufschrei sprang Georg Taylor aus seiner Wanne und riß dabei einen Teil des Duschvorhanges mit runter, der jetzt zerrissen und total nutzlos von der Kabinenstange herunter baumelte.

 

Die Verstimmung des Georg Taylor erreichte in diesem Moment ihre absolute Grenze, als er die vom heißen Wasser geröteten Stellen auf seinem Nacken und den beiden Oberarmen betrachte, die wie eine Verbrennung schmerzten. Für heute wollte er nicht mehr unter die Dusche gehen, sondern sich jetzt am Waschbecken ganz normal rasieren und waschen.

 

Als er gerade vor dem Spiegel stand und nach der Sprühdose mit dem Rasierschaum greifen wollte, explodierte draußen eine gewaltige Bombe, die seine Stadt in ein einziges Trümmerfeld verwandelte.

 

Der letzte Gedanke von Mister Georg Taylor war der, dass er sich fragte, ob vielleicht der Dritte Weltkrieg ausgebrochen sei. Dann zerriss eine unglaublich heftige Druckwelle, gefolgt von einer unvorstellbaren grausamen Hitze, die seinen nackten Körper, besser gesagt, dessen Reste, von einer Sekunde auf die andere verdampfte.


ENDE

 

(c)Heinz-Walter Hoetter

 


 


 

3. Am Ort der Finsternis


 

Langsam zwängte Adolf Hitler seinen ausgemergelten Körper durch die einen Spalt breit offen stehende Tür des seltsam aussehenden Gebäudes, das auf ihn den Eindruck einer riesigen Totenhalle machte. Schweigend folgte ihm eine düstere Gestalt in SS-Uniform, die aussah wie der Teufel.

Als Hitler in dem hinter der Tür liegenden diffus beleuchteten Raum stand, schaute er mit furchtsamen Blicken ängstlich herum und stellte mit Entsetzen fest, dass er offenbar in einer total verrauchten Kneipe stand.

Oder war alles nur eine böse Täuschung, eine inszenierte Halluzination?

Das nach Bier, Schnaps und Zigarettenrauch stinkende Lokal kam ihm wie ein brodelnder Kessel vor, in dem eine undefinierbare Brühe dampfte, deren Zutaten man in den Hinterhöfen irgendwelcher verwahrloster Ghettos zusammen gekratzt hatte. Schemenhaft bewegten sich einige buckelige Gestalten hin und her, doch Hitler konnte nicht unterscheiden, was es für Kreaturen waren.

Ein kaltes Etwas zerrte an seinem mit brauner Erde verschmierten, schwarz glänzenden Ledermantel. A. H. zuckte augenblicklich zusammen. Für eine Sekunde hatte er das absurde Gefühl verspürt, dass es die schmierig kalte Knochenhand des Todes war.

Sind Sie der Führer? Der größte Feldherr aller Zeiten?“

Hitler blickte sich verwirrt um. Der Sprecher war ein kleiner Junge von etwa zwölf Jahren, der aussah wie eine hölzerne Marionette mit Blut geröteten Augen und schrumpeligen Beinen, an denen einige eitrige Hautfetzen herunter hingen.

Sie suchen einen Tisch, Herr Hitler? So ganz verborgen, wo Sie keiner sieht?“ piepste der Junge fragend. Dann verschwand er so schnell, wie er aufgetaucht war.

A. H. zuckte zusammen. Woher wusste der kleine Kerl, dass er sich verbergen wollte? Mit gerunzelter Stirn ließ er sich zu dem Tisch führen und setzte sich hin – er und die diabolische Gestalt.

Grübelnd lauschte Hitler der sonderbar anmutenden Musik einer skelettierten Vier-Mann-Kapelle. Es war ein Lied, in dem die Stimmen der Vergangenheit sprachen, vom vergessenen Glanz grenzenloser Macht, von Ruhm und Herrlichkeit einer längst vergangenen nationalsozialistischen Zeit, als man ihn noch anhimmelnd „den Führer“ nannte.

Die Leute in dem schummrigen Lokal sahen wie verbrannte Puppen aus, und ihre Köpfe schienen für ihren zerbrechlichen Körper viel zu groß. Ihre langen, knöchernen Finger ähnelten blutlosen Spinnenbeinen.

Plötzlich erblickte Hitler am Ausgang der Kneipe etwas Weißes. Die Muskeln seines geschwächten Körpers spannten sich.

Sieht aus wie die Uniform eines Polizisten, dachte er.

Sein unruhiger Blick wanderte durch den ganzen Kneipenraum. Und wieder schimmerte es weiß.

Überall schienen weiße Polizisten zu sein. Er sah noch einen und noch einen und noch einen. Die weißen Flecken kamen aus dem Nichts und wurden heller und größer und kamen plötzlich direkt auf ihn zu.

Du Idiot! dachte Hitler. Dieser verdammte Junge. Ich hätte es mir denken können! Er hat mich denunziert.

Grelles Licht flammte plötzlich von allen Seiten auf und Hitler bemerkte, dass einige Schirm lose Deckenlampen eingeschaltet worden waren.

Das helle Licht hatte die lasterhafte Atmosphäre des Lokals verscheucht, und jetzt sah der weite Raum wie jeder andere aus – nüchterne Betonwände, die jedes Geräusch schluckten und keinen Laut nach außen dringen ließen.

Trübe Augen blinzelten, gierige Hände fingerten schattenhaft herum und nervös gingen einige grotesk aussehende Gestalten ärgerlich murrend auf und ab. Die Gäste des Lokals waren in fauligen Lumpen gekleidet und etliche von ihnen liefen barfuß herum. Ihre Füße waren mit schwarzen Flecken überzogen, aus denen Maden und Würmer heraus krochen.

Ich sitze in einer Falle, dachte der Führer. Panik stieg in ihm hoch. Im gleichen Augenblick dehnte er seinen schlanken Körper nach oben und sprang auf. Sein Stuhl stürzte bei dem Versuch um, den nah gelegenen Ausgang des Raumes zu erreichen.

Die Männer in Weiß kamen jetzt angerannt. Einige hielten einen Gummiknüppel in der Hand, schlugen damit auf Hitler brutal ein und drängten ihn zurück auf seinen Stuhl, wo sie ihn festhielten. Mit letzter, verzweifelter Kraft riss Hitler sich noch einmal los und hetzte schreiend wie ein verwundetes Tier zur Ausgangstür. Blut tropfte aus seinem offenen Mund.

Eine Frau schrie hysterisch, und die Musik verstummte augenblicklich. Die Musiker schlichen mit katzenhafter Behendigkeit zu einem verborgenen Hinterausgang und verschwanden. Die meisten Gäste schienen von dem allgemeinen Aufruhr unbeeindruckt. Unbeweglich saßen sie wie erstarrte Leichen da, und nur ihre leeren, blicklosen Augen drehten sich langsam auf Hitler zu, der mit weiten Sprüngen durch das Lokal rannte.

Adolf Hitler!“ schrie einer der Polizisten in weißer Uniform. „Sie sind umzingelt! Rühren Sie sich nicht von der Stelle oder wir erschießen Sie!“

Hitler rannte weiter. Schüsse krachten und etwas zischte an seinem Kopf vorbei.

Nur noch ein paar Meter bis zur Tür, dann habe ich es geschafft. Noch eine Sekunde, schrie sein Gehirn. Nur noch eine Sekunde...

Standen vielleicht auch Wachen draußen vor der Ausgangstür?

Wieder krachten Schüsse, wieder zischten einige Geschosse an seinem Kopf vorbei.

Dann traf ihn ein Projektil direkt in den Rücken und durchschlug seine Wirbelsäule.

A. H. blieb wie angewurzelt stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. Es tat nicht weh, nur ein kleines Stechen, so wie der Stich mit einer spitzen Nadel.

Hitlers Körper verbog sich nach vorne. Er taumelte wie ein Mann aus Stahl, der sich im Zeitlupentempo vorwärts quält. Trotzdem erreichte er noch die Tür und griff zitternd nach der Klinke, die aussah wie ein fleischloser Oberschenkel. Doch dann wurde sein Körper von einer Lähmung ergriffen, die ihn überwältigte und langsam zu Boden gleiten ließ.

In der dunklen Welt jenseits seines schwindenden Bewusstsein hörte er ein schrilles Stimmengewirr. „Macht ihn fertig, diesen verdammten Hund! Tötet ihn auf der Stelle! Reist ihm die Organe aus seinem Leib! Keine Gnade mit ihm!“

Hitler spürte einen Druck und etwas heißes auf seiner linken Hand. Jemand hielt ihn fest.

Der Höllenfürst stand gebeugt über ihm. Seine roten Augen funkelten böse.

Wolltest du fliehen, Adolf? Auch jetzt noch?“

Ja.“

Das geht aber nicht. Sie haben schon wieder etwas Neues für dich ausgedacht. Doch bevor die nächste Vorstellung beginnt..., stirb erst mal.“

Der Teufel verschwand und im gleichen Moment standen die zerlumpten Gestalten aus dem Lokal vor dem röchelnden Hitler und rissen wie wilde Bestien seinen im Todeskampf zuckenden Körper Stück für Stück auseinander.

***

Langsam zwängte Adolf Hitler seinen ausgemergelten Körper durch die einen Spalt breit offen stehende Tür des seltsam aussehenden Gebäudes, das auf ihn den Eindruck einer riesigen Totenhalle machte. Schweigend folgte ihm eine düstere Gestalt in SS-Uniform, die ein hässliches Gesicht hatte und aussah wie der Teufel.

Als Hitler in dem hinter der Tür liegenden diffus beleuchteten Raum stand, schaute er mit furchtsamen Blicken ängstlich herum und stellte mit Entsetzen fest, dass er sich offenbar in einer alten KZ-Baracke befand. Es roch nach Tod und Verwesung. Verhungerte Gestalten lagen auf faulenden Holzpritschen und starrten ihn aus blicklosen Augen an. Maden und Würmer krochen aus ihren eitrigen Mündern, die wie zu einem lautlosen Schrei weit geöffnet waren. Ein furchtbares Stöhnen erfüllte den muffigen Raum.

Ein kaltes Etwas zerrte an seinem mit brauner Erde und getrocknetem Blut verschmierten, mattschwarz glänzenden Ledermantel. Für eine Sekunde hatte er das absurde Gefühl verspürt, dass es die schmierig kalte Knochenhand es Todes war.

War das hier alles nur eine böse Täuschung, ein schrecklicher Albtraum oder eine inszenierte Halluzination, die nie ein Ende nahm?

Bekommt jeder die Hölle, die er sich verdient hat? Dieser Gedanke schoss Adolf Hitler durch den Kopf und fing plötzlich an zu schwitzen, als er wieder in der riesigen Halle des Todes stand.


 

ENDE

(c)Heinz-Walter Hoetter

 

 

 

 

 

4. Am Strand der Erinnerungen


 

Vorwort

Die Psychose der Normalen und Gesunden

"Es ist ja nicht so, dass der Inhalt einer Wahnidee das eigentlich Pathologische ist, sondern vielmehr sein Stellenwert innerhalb des Erlebens eines vom Wahn betroffenen, das sich unabrückbar auf sein Ich bezieht.

Wenn also "der Kranke" einmal etwas auf sich bezogen hat, fehlt ihm offenbar die Freiheit, auch wieder davon abrücken zu können. Diese fatale Unkorrigierbarkeit bei einer voll ausgeprägten Psychose ist das obligatorische Merkmal des Wahns."

Wenn man diesen Satz konsequent ernst nimmt, müßten sich alle "normalen" und "gesunden" Menschen, einschließlich der Psychiater, eigentlich selbst stationär einweisen.

Der ganz normale Wahnsinn?

Die unkorrigierbaren Irrtümer der Gesunden und Normalen erkennt man an ihrer mörderischen Geschichte, die bis heute nur ein gigantisches Meer aus Blut, Tränen und unsäglichem Leid unter ihnen hervorgebracht hat.

(Heinz-Walter Hoetter)



***

 

Sie erinnern mich an jemand“, bemerkte die junge Frau, die als Kellnerin die Gäste der Strandterrasse bediente.

 

Prof. Georg van Malden betrachtete interessiert von der ebenerdigen Terrasse des noblen Restaurants aus das Gewühl am Strand, wo gerade wegen einer Veranstaltung ganz schön was los war.

 

Er sah die hübsche Kellnerin mit dem Tablett in der Hand an und fragte sie direkt: „Wieso das?“

Sie verzog den Mund zu einem verlegenen Lächeln, blickte etwas unbeholfen zu ihrem lässig da sitzenden Gast hinüber, der jetzt ein Glas Whisky an seine trockenen Lippen hob und einen tiefen Schluck des edlen Gesöffs mit sichtlichem Genuss zu sich nahm.

 

Ja, sie erinnern mich an jemanden, der hier vor einiger Zeit schon mal am gleichen Tisch gesessen hat, den gleichen Whisky trank und genau so aussah wie sie. Entweder haben sie einen Doppelgänger oder sie sind wirklich der gleiche Gast“, sagte die junge Bedienung mit nachdenklichem Unterton in ihrer ansonsten hellen Frauenstimme. Fast ohne Luft zu holen sprach sie weiter: „Aber vielleicht irre mich auch nur. Ich komme ja mit so vielen Menschen in Kontakt, dass man schon mal den einen oder anderen verwechselt. - Entschuldigen sie bitte, wenn ich sie mit meiner Frage belästigt haben sollte! Es wird auch nicht wieder vorkommen.“

 

Ohne ein weiteres Wort zu sagen säuberte sie noch schnell den Aschenbecher, stellte ihn auf den Tisch zurück und machte sich dann umgehend wieder an die Arbeit, um die anderen Gäste nicht warten zu lassen.

Van Malden blickte ihr nachdenklich hinterher. Die Frau muss ein gutes Gedächtnis haben, dachte er so für sich. Wie kann das nur sein? Sie hat mich tatsächlich wiedererkannt. Unglaublich!

 

Ein wenig tiefer als die Terrasse lag der Strand, der überall von einer großen Menschenmenge bedeckt war. Über dem brummelnden Stimmengewirr hörte man die endlosen Kommentare aus den Transistorradios zwischen Flaschen, Liegestühlen und Sonnenschirmen. Manchmal konnte man den Sand des Strandes gar nicht mehr sehen, weil einfach zu viele Menschen da waren. Sogar an der Flutkante, wo seichtes Wasser träge mit angetriebenen Zigarettenschachteln und anderem Abfall spielte, hielten sich eine Menge Kinder und Jugendliche auf, die den schmalen Sandstrand mit ihren quirligen Körpern verdeckten.

 

Als van Malden zur weiten See hinüber sah, wurde ihm bewusst, wie schnell die Zeit vergangen war. Was ist aber schon Zeit, wo er doch eigentlich in der Zeitlosigkeit lebt? Diese Frage stellte er sich hin und wieder.

 

Dann beobachtete er wieder die Menschenmenge.

 

Überall ragten nackte Schenkel und Schultern in die Luft, Glieder lagen verschlungen da. Trotz des Sonnenscheins und der beträchtlichen Zeitspanne, die sie hier schon am Strand verbracht hatten, waren viele der Leute noch weiß oder bestenfalls rosarot wie gekochter Schinken. Ruhelos änderte die Masse der Leiber dauernd ihre Lage, in dem vergeblichen Versuch, die richte Lage für ihre Bequemlichkeit zu finden.

Normalerweise hätte dieser Anblick von zuckendem Fleisch und entblößter Haut mit seinem widerlichen Geruch nach ranzigem Sonnenöl und hitzig stinkendem Schweiß Georg van Malden gleich wieder dazu veranlasst, die Terrasse des Restaurants schnellstmöglich zu verlassen, um mit seinem Carmobile landeinwärts zu brausen. Aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund war seine sonstige Abneigung gegen die breite Öffentlichkeit verflogen. Er fühlte sich merkwürdig angeregt durch die Anwesenheit so vieler Menschen und er war nicht imstande dazu, die Terrasse zu verlassen. In Wirklichkeit wollte er das auch gar nicht.

 

Die See war eben und ruhig. Die Wellen schienen keine Kraft zu haben. Ein laues Lüftchen wehte herüber. Weit draußen, am fernen Horizont, lag eine niedrige Wolkenschicht über dem Wasser.

 

Van Malden wollte gerade einen weiteren Schluck Whisky zu sich nehmen, als er plötzlich aufstand und über das Geländer der Terrasse auf den Strand starrte. Unten, etwa in der Mitte des Sandstreifens, bewegte sich ein ununterbrochener Strom von Badegästen wie auf einem Trampelpfad parallel zur Promenade. Langsam quetschten sie sich aneinander vorbei und etliche trugen das übliche Badespielzeug, wie Gummireifen, Schwimmwesten oder Taucherbrillen, mit sich herum.

 

Hatte van Malden nicht gerade im Getümmel der Menschenmenge Lester Sherrington gesehen?

 

Er suchte mit seinem Blicken intensiv den Strand ab; aber der flüchtige Augenblick des Erkennens war vorbei; wahrscheinlich hatte er sich nur getäuscht. Vorsicht war geboten! Van Malden kannte diesen Mann nur zu gut. Nach Möglichkeit wollte er ihm aus dem Weg gehen.

Widerstrebend setzte er sich hin und rückte seinen Stuhl näher ans Geländer. Trotz seiner augenblicklichen Besorgnis beherrschte ihn schon den ganzen Tag ein undefinierbares, aber deutliches Gefühl der Unruhe. Irgendwie hatte schon die bloße Vermutung, dass Sherrington in seiner Nähe sein könnte, dieses unangenehme Gefühl verstärkt. Wenn Sherrington hier ist, würde er ihn auch früher oder später finden und seine ganze Arbeit zunichte machen. Das wusste van Malden. Nun, vielleicht war Sherringtons flüchtige Erscheinung nur die Projektion der andauernden nervösen Spannungen und seiner merkwürdigen Abhängigkeit von diesem Mann.

 

Direkt unter dem Geländer der Terrasse hatte sich eine große Familiengruppe in der Menschenmenge ein privates Gehege abgegrenzt. Auf der einen Seite, buchstäblich in unmittelbarer Reichweite von van Maldens Tisch, hatten die jugendlichen Mitglieder der Familie eine weitere Sandgrube ausgehoben, die wie ein Nest geformt war. Ihre schlaksigen Körper, eingezwängt in knappen feuchten Badeanzügen und Badehosen, lagen so ineinander verschlungen da, dass man den seltsamen Eindruck hatte, sie seien keine Menschen sondern ein großes ringförmiges Tier.

 

Van Malden verstand jedes Wort der jungen Leute, trotz des ständigen Lärms der Veranstaltung am Strand, denn sie lagen direkt unter ihm in bequemer Hörweite. Er konnte ihr geistloses Gerede mithören und verfolgte die Kette von Kommentaren an ihrem Radio, während sie wahllos von einer Station zur anderen schalteten. Mit der Zeit ging ihm das auf die Nerven. War er aber nicht selber schuld daran, das alles so war wie es ist?

 

Irgendwo schrie plötzlich eine weibliche Stimme. Van Malden beugte sich vor und suchte die Reihen der mit Sonnenbrillen maskierten Gesichter ab. Es lag etwas Klirrendes in der Luft.

 

Er beobachtete jetzt das Sonnenlicht, das von den verchromten Radiogeräten und den funkelnden Sonnenbrillen reflektiert wurde, während der ganze Strand in schiebender und stoßender Bewegung war. Der Lärm wurde hörbar lauter. Van Malden hielt in dem grellen Licht der Sonne die Augen halb geschlossen und erschrak. Der Strand erschien ihm plötzlich wie eine riesige Grube voll sich windender weißer und rosafarbener Schlangen. Er riss die Augen auf. Jetzt wusste er, dass Sherrington tatsächlich in seiner Nähe war.

 

Van Malden rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her und merkte auf einmal, dass ihm die Kante des metallenen Tisches in die Ellbogen schnitt. Der billige Lattensitz war sehr unbequem, und sein ganzer Körper schien in einer eisernen Jungfrau mit Dornen und Zwingen zu stecken.

 

Wieder hatte er das merkwürdige Gefühl, als würde bald etwas Schreckliches passieren. Er sah zum blauen Himmel hinauf und beobachtete ein paar weiße Wolken, die wie Segelschiffe dahin zogen. Aber er konnte sich damit einfach nicht ablenken und auf seine eigentliche Arbeit konzentrieren.

 

Da ist irgendwas im Wasser.“

 

Die junge Kellnerin stand plötzlich wieder an seinem Tisch und zeigte mit dem ausgestreckten Zeigefinger der rechten Hand in Richtung Küstenlinie. - „Dort drüben, sehen sie doch!“

 

Van Maldens Blick folgte ihrem erhobenen Arm. In etwa zweihundert Meter Entfernung hatte sich an der Wasserkante eine kleine Gruppe versammelt. Die trägen Wellen brachen sich an den nackten Füßen der Leute, während sie irgendeinen Vorgang im seichten Wasser beobachteten.

 

Ich kann nichts sehen.“ sagte van Malden und blickte umso angestrengter zum Strand hinunter.

 

Dann sah er Sherrington, wie er langsam über den leise plätschernden Strandwellen schwebte und genau auf ihn zukam.

 

Auf der Terrasse und unten am Strand warteten alle darauf, dass etwas passierte; alle Hälse reckten sich erwartungsvoll zu Sherrington rüber, als ob von dieser Person alles Kommende abhängen würde. Ein seltsames Schweigen überzog den gesamten Strand wie eine dunkle Wolke, die das Sonnenlicht abhält.

 

Das fast völlige Fehlen von Geräuschen und Bewegungen nach den vielen Stunden voll schwelender Unrast schien sonderbar und unheimlich und legte über die Hunderte von ausschauenden Gestalten eine dichte Atmosphäre der Unsicherheit.

Die Gruppe am Rand des Wassers verharrte noch immer im stillen Schauen, so als wüssten sie, was ihnen bevorstand.

 

Was geht dort bloß vor sich?“ fragte die junge Frau van Malden.

 

Die weißen Wolken am Horizont verschwanden nach und nach. Die Sonne verdunkelte sich und der blaue Himmel löste sich langsam auf.

 

Unterhalb der Terrasse, so weit der Blick reichte, standen die Leute plötzlich langsam auf. Ein gedämpftes Gemurmel setzte ein, das bald von dringlicheren, schärferen Geräuschen abgelöst wurde. Der ganze Strand schien in kringelnde, quirlende Bewegung geraten zu sein, die einzigen bewegungslosen Gestalten waren die Leute der kleinen Gruppe am Strand, die den fliegenden Mann beobachteten, der über ihren Köpfen hinweg zu der vor dem Restaurant liegenden Terrasse schwebte. Als er dort angekommen war, steuerte er schnurstracks zu van Malden hinüber und blieb direkt vor seinem Tisch stehen.

 

Sieh einer an, hier steckst du Hundesohn also.“ sagte Sherrington mit ärgerlichem Gesichtsausdruck. Dann setzte er sich zu van Malden an den Tisch, rief die junge Kellnerin zu sich und bestellte bei ihr ein Glas Wasser. Einen Moment lang blickte sie zu Sherrington hinüber, zwinkerte ihm plötzlich mit dem rechten Auge zu und setze dabei ein vielsagendes Lächeln auf bevor sie verschwand, um seine Bestellung zu erledigen. Anscheinend kannten sich beide, denn Sherrington erwiderte ihr Benehmen mit einem leichten Kopfnicken.

Schließlich wendete er sich van Malden zu, der die ganze Zeit die Situation mit einiger Beklemmung beobachtet hatte.

 

Dann sagte er zu ihm: „Ja ja, der alte Professor Georg van Malden. Hat man sie nicht für verrückt erklärt? Wie oft muss ich ihnen noch sagen, dass es keinen Zweck hat, sich vor mir zu verstecken. Mich ärgert ihr Verhalten. Sie sind wie ein kleines, freches Kind, das ständig von Zuhause weg läuft. Ich finde sie dennoch immer und überall, ganz gleich wo sie sind. Die fatalen Auswirkungen ihrer illusionären Fähigkeiten auf den geistigen und körperlichen Zustand sind nicht zu übersehen. Sie sehen einfach schrecklich aus! Können sie überhaupt noch zwischen Illusion und Wirklichkeit unterscheiden, mein Guter? Außerdem: Unsere Sensoren können mittlerweile jede Veränderung im Raum-Zeit Gefüge orten und somit in kürzester Zeit ihren Standort lokalisieren. Und jetzt verhalten sie sich ganz ruhig! Ich werde ihnen eine Beruhigungsspritze geben, damit die von ihnen hier erzeugte Illusion wieder gefahrlos verschwinden kann.“

 

Die junge Kellnerin kam mit einem kleinen Kästchen heran, öffnete den verchromten Metalldeckel und überreichte Sherrington den sterilen Inhalt.

 

Danke Schwester!“ sagte er zu ihr und fuhr fort: „Sie können jetzt gehen! Die Kollegen werden den Rest für sie erledigen. Ich wünsche ihnen noch einen schönen Feierabend!“

 

Der senile Professor ließ sich widerstandslos die Spritze verabreichen. Er konnte sowieso nichts dagegen tun. Man würde sie ihm mit Gewalt verabreichen, sollte er sich dagegen zur Wehr setzen. Das wusste er nur zu gut.

 

Die Fähigkeit, seine real gewordene Illusion zu beherrschen, war ihm jetzt völlig entschwunden. Alles löste sich um ihn herum auf. Das Meer, die Sonne am blauen Himmel, die vielen Menschen am Strand, das Restaurant, der Whisky vor ihm auf dem Tisch und die Terrasse auf der er mit Sherrington saß. Eine unbezwingbare Lähmung ergriff ihn, als das Serum zu wirken begann. Dann wurde er von einem Weinkrampf geschüttelt und sein lautes Schluchzen drang durch die alten Kellerräume der psychiatrischen Anstalt, in denen er sich nur für ein paar Stunden verstecken konnte, bevor man ihn dort in einer schmutzigen Ecke fand.

Schließlich verlor er sein Bewusstsein und seine hilflosen Schreie verhallten ungehört im Innern des eigenen, dunklen Nichts.

 

Einen Tag später.

 

Ausgestreckt und gefesselt im Bett erblickte der alte Professor van Malden durchs Fenster das Grün der Bäume, während der warme Sommernachmittag langsam über die roten Dächer der psychiatrischen Anstalt zog. Er hatte das Gefühl, er sei in einer irrealen Welt angelangt, die aus sinnlosen Wänden von sterilisierten Steinplatten, aus eisigen Todesfluren und aus weißen Menschengestalten ohne Seele bestand.

Das Zimmer, in dem er lag, wurde auf einmal dunkel, obwohl es draußen noch hell war. Prof. van Malden drehte den Kopf auf die andere Seite und sah mit einiger Zufriedenheit, dass sich der Rolladen, einem geheimnisvollen Befehl gehorchend, langsam senkte und dem Licht von draußen jeden Eintritt verschloss.

Abermals baute sich eine neue Illusion auf, die sich von den Erinnerungen des alten Professors nährte, der mal eine Koryphäe auf dem Gebiet der Psychiatrie gewesen war.

 

ENDE


(c)Heinz-Walter Hoetter

 

 

 

 

 

 

 

5. AZRAEL - Der Schatten des Todes


 


 

Ich bin Azrael, der Todesengel. Ich bin der Engel der Finsternis und kehre alles Licht ins Dunkel um. Mein weiter Umhang ist so schwarz wie das Universum, bevor es die Sterne sah. Meine Gedanken wandern von Geist zu Geist, von Seele zu Seele. Ich bin der Sammler der Seelen, ernte sie überall im Universum. Ich bin der Herbst der Schöpfung und das Zwielicht in Raum und Zeit.

 

Ich bin Azrael, der Engel des Todes und der Rache. Nie sah mich ein Mensch in meiner wahren Gestalt, es sei denn, ich kam, um ihm sein Leben zu nehmen oder seine Seele zu geleiten an den Ort, wo sie ihre Ruhe findet.

 

Die Menschen fürchten den Tod. Und diese Furcht übertragen sie nun auf mich.

 

Ich bin Azrael, der Engel des Todes und der Rache...

 

 

***

 

 

Es regnete in Strömen. Ein heftiger Wind peitschte durch die leeren Straßen der Kleinstadt, die wie ausgestorben da lag.

 

Nein..., nein..., nein! Geh’ weg von mir! Lass mich los!“ sagte eine langsam erstickende Stimme, die von einer jungen Frau kam.

 

Rachel Blair war starr vor Entsetzen. Dicke Regentropfen klatschten ihr ins Gesicht. Sie wollte ihre schreckliche Angst in die von düsteren Regenschleiern verhangene Nacht hinausschreien, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt. Trotzdem versuchte sie es. Doch der Schrei blieb ihr im Hals stecken. Sie konnte nicht einen einzigen Laut von sich geben. Sie hatte das Gefühl, jemand hielt ihr den Mund zu.

 

Ihre Angst steigerte sich noch, als sie merkte, dass sie offenbar jemand festhielt. Oder war es nur der heftige Wind, der an ihrem völlig durchnässten Mantel zerrte? Sie konnte es im Moment selbst nicht sagen.

 

Hastig und mit vom Schrecken weit aufgerissenen Augen sah sie nach allen Seiten. Sie konnte aber niemanden sehen. Wer oder was hatte sie da nur ergriffen? Wieder starrte sie in die Dunkelheit, doch da war nichts.

 

Die junge Frau riss sich jetzt zusammen, unterdrückte ihre wachsende Furcht mit aller Gewalt, versuchte auf dem schmalen Gehsteig langsam weiter zu gehen und überlegte sich verzweifelt, wie sie sich auf andere Art und Weise bemerkbar machen könnte. Doch im Moment schien jeder Gedanke daran sinnlos zu sein, denn ihr Bewusstsein wurde immer stärker von einer schier grenzenlosen Angst überwuchert, die jeden Schrei und fast jeden Bewegungswillen unterdrückte.

 

Die einsam daliegende Straße war nur schlecht beleuchtet. Sie lag außerdem etwas abseits und noch dazu weit draußen am ruhigen Stadtrand. Hier fuhren nur wenige Autos vorbei und weit und breit war keine weitere Menschenseele zu sehen. Die Leute hielten sich bei diesem äußerst schlechten Wetter sowieso in ihren Wohnungen auf, sahen vielleicht noch Fernsehen oder schliefen bereits in ihren gemütlichen Betten.

 

Rachel Blair dachte daran, dass alles allein ihre Schuld gewesen war und beschimpfte sich innerlich selbst. Warum musste sie auch ausgerechnet mit ihrem alten Wagen eine Spritztour in die Berge unternehmen und warum hatte sie nicht auf den aktuellen Wetterbericht gehört? Auf dem Rückweg kam sie schließlich in diesen sintflutartigen Dauerregen, der bald jede Straße unter Wasser setzte. Dann gab es irgendwo einen Kurzschluss unter der Blechhaube ihres Oldtimers und der Motor starb von einer Sekunde auf die andere einfach ab. Trotz aller Bemühungen ihrerseits sprang der Vierzylinder nicht mehr an. Durch die unzähligen Startversuche entlud sich die Batterie immer mehr und am Ende fiel auch noch die gesamte Stromversorgung aus.

 

Schließlich entschloss sie sich dazu, den Rest des Weges bis zur nahgelegenen Kleinstadt, obwohl es immer noch sehr stark regnete, zu Fuß weiterzugehen, um Hilfe zu holen. Schon auf der einsamen Landstraße glaubte sie sich von etwas verfolgt, konnte aber nicht genau sagen, was es war. Als sie den Stadtrand erreicht hatte, wähnte sie sich endlich in Sicherheit. Aber das war ein Trugschluss, wie sich später herausstellte. Rachel hatte bisweilen den seltsamen Eindruck, in eine andere Welt hinein versetzt worden zu sein aus der es für sie offenbar im Augenblick kein Entrinnen gab.

 

Da! Etwas raschelte verdächtig im Gebüsch gleich neben ihr.

 

Wieder hatte die junge Frau das komische Gefühl, als würde sie von etwas nicht näher definierbaren heimlich beobachtet, verfolgt und mit jedem weiteren Schritt, den sie tat, schien dieses ominöse Etwas näher zukommen.

 

Plötzlich spürte sie wieder eine Berührung. Rachel Blair öffnete den Mund zu einem Schrei, aber anscheinend wollte jemand nicht, dass sie ihrer Angst eine Form verlieh. Sie spürte das genau.

 

Ihr Herz fing an zu rasen. Das Blut rauschte wie wild in ihren Ohren. Ihr Verstand hatte große Mühe, nicht vor der eigenen Angst zu kapitulieren, sonst würde sie im nächsten Augenblick sicherlich durchdrehen und verrückt werden.

 

Dann sah sie auf einmal nur noch rote Flecken, die vor ihren geschlossenen Augen herumtanzten. Je länger sie allerdings die Augen zu hielt, desto mehr kroch ihr die Angst unter die Haut, eine Angst, gegen die sie nicht ankam. Ja, die kurz davor war, ihr unerbittlich das Leben aus den Adern zu saugen.

 

***

 

Der Schatten des Todes fuhr auf das Wesen herunter und hüllte es vollkommen ein. Zu seiner vollsten Zufriedenheit war es warm und lebendig. Es war einfach wunderbar, dass die abgrundtiefe Angst dieser zweibeinigen, aufrecht gehenden Kreatur sofort und in steigendem Maße vorhanden war. Er spürte, dass der Lebenswille dieser Person begann, sich zu regen. Ihr Überlebenswille war enorm stark ausgeprägt.

 

Azrael konnte für dieses schwächliche Wesen trotzdem nur grimmige Verachtung empfinden. In ihm kam auf einmal eine große Freude auf, dass allein nur seine bloße Anwesenheit Angst und Panik dieser primitiven Kreatur zu steigern schien. Er versuchte daher mit aller Konzentration, das Gefühl des Schreckens in ihr zu steigern. Dadurch entstanden jene Kräfte, die er selbst brauchte, um immer stärker zu werden. Es schien, als würden sie sich jetzt in dem Wesen unter ihm schlagartig potenzieren. Und genau das war seine Absicht, denn nur so bekam er die meiste Nahrung.

 

Deshalb verstärkte er seine Präsenz noch um eine weitere Stufe, wickelte sich dichter um diese ängstliche junge Frau, die doch so zerbrechlich war. Ganz vorsichtige schlang er sich wie eine unsichtbare Schlange um ihren weiblichen Körper, der vor Angst wie Espenlaub zitterte.

 

Azrael musste vorsichtig sein. Er hatte nicht vor, dieses Wesen zu zerstören, dann wäre es keine Nahrung mehr für ihn gewesen. Als er kurz darauf bemerkte, dass sich das Opfer in ihm tatsächlich wehrte, stieg seine Zufriedenheit ins Unermessliche.

 

Ah, tat das gut! Er genoss diese schreckliche Angst, die für ihn pure Nahrung war.

 

Je stärker er wurde, desto mächtiger und größer wurde die Furcht in diesem Wesen, von dem er wusste, das es sich Mensch nannte.

 

Wieder trieb er mit allergrößter Sorgfalt und Vorsicht die Spirale des Schreckens voran. Diesmal schien es noch besser zu klappen als mit seinem letzten Opfer.

 

Der alte Mann war einfach gestorben und hatte Azrael damit tief enttäuscht. Hungrig musste er den toten Körper zurücklassen, aber diesmal musste es einfach anders sein. Er hatte aus seinen zurückliegenden Fehlern gelernt.

 

Schon bald spürte er, dass er recht behalten sollte. Die Behutsamkeit hatte sich wirklich gelohnt. Die Angst des unschuldigen Opfers reichte jetzt, um ihn wirklich zu stärken. Der Schatten des Todes war begeistert. Zum ersten Mal war es ihm gelungen, ein menschliches Wesen am Leben zu erhalten, obwohl es von einer übermächtigen Furcht heimgesucht wurde.

 

Azrael musste sich beherrschen. Er durfte der jungen Frau nicht zu viel von der herrlichen Kraft ihrer steigenden Angst abziehen – jedenfalls nicht so viel, dass das Opfer zusammenbrach oder sterben würde. Das wäre nämlich mehr als ärgerlich, denn dann musste er mit der Suche wieder von vorn beginnen, weil er nicht absehen konnte, wie lange er wach bleiben und gegen den herrschenden Geist, den er auch jetzt als leichte Kraft am Rand seines Bewusstseins spürte, würde ankämpfen können. Er musste also sehr, sehr vorsichtig mit diesem Wesen umgehen. Die Zeit, die ihm noch blieb, wollte genutzt werden.

 

Plötzlich spürte er, dass sich in der bebenden Brust seines Opfers die Angst wie ein Klumpen Blei zusammenballte und zu einem verzweifelten Schrei das Innere des Körpers abermals verlassen wollte. Deshalb versuchte Azrael, schon beinahe zärtlich, der jungen Frau die Luft zum Atmen zu nehmen, zwar für wenige Sekunden nur, aber dennoch sehr konsequent, damit der Schrei, den sie tun wollte, nicht nach außen dringen konnte.

 

Sanft und leise legte er sich über den offenen Mund des weiblichen Menschen und drückte ihn Stück für Stück zu. Nicht, dass es aufhörte zu atmen, nicht, dass sein Lebenswille besiegt wurde! Nein, das durfte ihm auf gar keinen Fall passieren!

 

Noch konnten sie beide daraus schöpfen. Doch weder er noch sein Opfer durften Aufmerksamkeit erregen. Seine Nahrungsaufnahme durfte nicht gestört werden. Der Schrei dieser erbärmlichen Kreatur durfte daher den Körper unter gar keinen Umständen verlassen. Er durfte sich nicht Bahn brechen und nach außen dringen, sonst wäre seine Nahrung, die ihn am Leben erhielt, verloren.

 

Dieses Opfer unter ihm hatte anscheinend mehr Potenzial, als er sich das in seinen kühnsten Visionen vorstellen konnte. Es wehrte sich noch immer, was Azreal grenzenlos entzückte. So was kam wirklich nicht oft vor.

 

Der Überlebenswille dieser primitiven Lebensform war einfach erstaunlich und sehr animalisch ausgeprägt. Die Kraft aus der vorhandenen Angst seines Opfers war noch lange nicht ausgeschöpft. Vielleicht würde er auch noch in Zukunft von diesem Wesen zehren können, was ein großer Vorteil für ihn wäre. Offenbar konnte die Kreatur mit der Angst gut leben. Wenn er behutsam vorging, würde sie ihm noch lange dienen können – und das nicht nur heute.

 

***

 

Rachel Blair wehrte sich mit aller Kraft gegen das kaum greifbare und formlose Dunkel, das sie lückenlos umgab. Rein mechanisch waren ihre Abwehrbewegungen, wenn sie denn überhaupt zustande kamen. Anfangs war sie der Meinung gewesen, von irgendeinem Straßenräuber verfolgt zu werden, der sie gepackt und geschubst hatte. Doch das stellte sich als Irrtum heraus. Einen Straßenräuber kann man sehen, aber dieses unheimliche Etwas war unsichtbar und trotzdem real gegenwärtig.

 

Dennoch versuchte sie, gegen das besitzergreifende, würgende lichtlose Nichts anzugehen, das ihr die Luft zum Atmen nahm und sie daran hinderte, ganz bestimmte, vom eigenen Willen ausgehende Körperbewegungen zu machen. Wut kam jetzt in ihr hoch. Die junge Frau versuchte sich deshalb zu beruhigen, um nicht außer Kontrolle zu raten.

 

Plötzlich dachte sie an ihre unbeschwerte Jugendzeit und wie sie als junges Mädchen ihre erste große Liebe kennen lernte. Sie musste bei dem Gedanken lächeln, als sie ihm gesagt hatte, sie ginge allein nach Hause und ihm dabei flüchtig auf den Mund küsste. Sein enttäuschtes Gesicht würde sie nie vergessen. Immerhin war der junge Mann ein paar Jahre älter als sie gewesen. Er war ein richtiger Charmeur und sie wusste damals schon, was er in Wirklichkeit von ihr wollte. Es geschah dennoch, nur ein halbes Jahr später. Wieder huschte ein sanftes Lächeln über ihr angstverzerrtes Gesicht.

Einen Moment lang spürte sie, dass die erstickende Dunkelheit ein wenig nachzulassen schien. Sie nutzte diese Gelegenheit, um tief Luft zu holen und kämpfte gegen den dichten, spürbar präsenten Schatten an. Doch kaum war sie sich ihrer schrecklichen Lage bewusst, erholte sich auch die Finsternis wieder und wurde noch ein wenig dichter als zuvor.

 

Rachel Blair war wie benommen. Erneut glaubte sie, ersticken zu müssen, und doch, keuchend wenigstens um eine bisschen Atemluft ringend, gab sie nicht auf.

 

Auf einmal machte sich Panik in ihr breit. Wieder wollte sie schreien. Aber auch diesmal blieb er ihr in der trockenen Kehle stecken. Die sie umgebende Finsternis dagegen kam noch ein Stück näher. Ganz sanft, doch unerbittlich und gnadenlos schnürte sie der jungen Frau die Kehle immer mehr ein, sodass der alles befreiende Schrei in ihr blieb.

 

In ihrer grenzenlosen Verzweiflung versuchte sie, ihrem unbekannten Peiniger Fragen zu stellen.

 

Wer bist du? Was willst du von mir?“ fragte sie mit gepresster Stimme, die heiser und krächzend über ihre bebenden Lippen kam. Sie wusste eigentlich nicht, mit wem sie eigentlich sprach. Sie tat es dennoch.

 

Das Blut rauschte ihr wegen des Sauerstoffmangels in den Ohren. Sie konnte kaum ihre eigenen Worte hören. Jeder Versuch, das Dunkel um sie herum zu fassen oder sich dagegen zu wehren, lief ins Leere.

 

Das Sprechen kostete ihr unendlich viel Kraft. Beinahe wäre sie ohnmächtig geworden, als sie erneut mit dem Unbekannte redete.

 

Was habe ich dir getan? Willst du mich töten? Ist es das, was du willst? Du wirst meine Seele niemals bekommen! Ich gehöre nicht dir. Und wenn du mich wirklich schon sterben lassen willst, dann warte nicht länger damit, du Scheusal!“

 

Plötzlich hörte Rachel Blair ein leises Flüstern, das in ihr Ohr drang wie ein schwacher Windhauch.

 

Ich will dich nicht töten. Ich will nur deine Angst haben. Wer Angst vor dem Tod hat, will leben. Du hast einen großen Lebenswillen. Er wird mich für meine Aufgabe stärken. Ich kann nicht genug davon bekommen. Ich lebe von der Angst des Menschen. Deshalb habe ich gar nicht vor, dich sterben zu lassen. Jedenfalls nicht im Moment. Du sollst leben und mich nähren. Mehr nicht! Mein Hunger nach Angst ist grenzenlos. Ich bin noch lange nicht satt.“

 

Das Flüstern in ihrem Ohr verschwand so schnell, wie es gekommen war. Rachel Blair konnte es nicht glauben. Hatte sie mit einem unsichtbaren Schatten gesprochen, gar mit einem Geist geredet oder verfiel sie langsam dem Wahnsinn? Trotzdem stieg Wut in ihr hoch. Wie konnte dieser Jemand oder dieses Etwas es wagen, sie zu benutzen und zu quälen?

 

Diese aufsteigende Wut verlieh ihr plötzlich Kraft, doch der Schatten des Todes schien diese Kraft zu spüren. Wieder schnürte er ihr die Kehle zu, wodurch er erreichte, dass sie ihre Wut vergaß und sich auf das überlebenswichtige Luftholen konzentrieren musste.

 

Der jungen Frau taten die Lungen weh, als sie verzweifelt nach Luft rang. Sie bekam einfach zu wenig Sauerstoff und wäre um ein Haar in Ohnmacht gefallen. Sofort ließ der Druck auf ihren Hals wieder nach.

 

In ihrem Kopf lachte es leise.

 

Gut gemacht! So es richtig. Mehr will ich gar nicht von dir. Warte noch ein Weilchen! Du hast mir noch nicht genug von deiner Angst gegeben. Und versuche erst gar nicht, zu entkommen. ICH bin stärker als du!“

 

Rachel Blair wollte aufstöhnen. Aber sie schaffte es nicht. Ungewollt liefen ihr ein paar Tränen übers Gesicht, als ihr bewusst wurde, dass sie dieser wolkigen, schattenhaften Dunkelheit hilflos ausgeliefert war. Im gleichen Augenblick machte sich Hoffnungslosigkeit in ihr breit. Sie würde bestimmt sterben. Heute, gleich hier am Rande der Kleinstadt und mitten im Regen auf einer menschenleeren Straße. Niemand würde ihren Tod bemerken. Sie war ganz allein auf weiter Flur.

 

Nein!“, durchfuhr es sie auf einmal. Woher nahm sie nur diese Kraft? Rachel Blair wollte nicht sterben. Sie hang zu sehr am Leben, auch wenn sie eine Hure mit schmutziger Vergangenheit war.

 

Nein, verdammt noch mal! Meine Zeit ist noch nicht gekommen. Mein Leben gehört mir! Verschwinde, wer immer du auch bist!“ kam es leise und mit gepresster Stimme über ihre blutleeren Lippen. Die Sekunden, in denen sich Rachel Blair gegen den Schatten des Todes wehrte, wurden zur Ewigkeit.

 

Doch dann änderte sich etwas.

 

Ganz plötzlich hatte sie den komischen Eindruck, dass wieder ein wenig Kraft in ihre schwammig gewordenen Glieder zurückkehrte. Die dichte, beinahe greifbare Finsternis, die sie umgab, schien tatsächlich etwas nachzulassen.

 

Ich werde dich jetzt verlassen. Aber ich komme irgendwann wieder. Dein Lebenswille ist stärker als deine Angst. Noch...“, sagte eine sanfte Stimme in ihrem Kopf. „Ich will nicht, dass du stirbst. Aber sei auf der Hut! Noch bin ich mit dir nicht fertig.“

 

Noch einmal spürte sie, dass die Dunkelheit wieder dichter wurde, und der Druck auf ihre Kehle zunahm, gerade so, als erging eine drohende Warnung an sie. Erneut stieg Angst und Beklemmung in ihr auf. Das unbekannte Wesen wollte offenbar damit zeigen, dass sie ihr Leben ausschließlich seiner Gnade verdankte und dass sie noch einmal davon gekommen war..., jedenfalls vorerst.

 

Ganz plötzlich verschwand der Schatten des Todes. Es wurde langsam hell draußen und der Regen ließ nach. Über den Dächern der Kleinstadt dämmerte der Morgen.

 

Rachel Blair torkelte über den schmalen Gehsteig auf die regennasse Straße, wo sie entkräftet auf dem grauen Pflaster zusammenbrach.

 

Sie hörte noch eine ferne, aufgeregte Stimme, die sie fragte, ob mit ihr alles in Ordnung sei, dann verlor sie vollends das Bewusstsein. Dunkelheit umgab sie.

 

***

 

Rachel Blair fuhr mit einem lauten Schrei aus dem Albtraum hoch, der sie noch vor einer Sekunde umfangen hatte.

 

Für ein paar Sekunden lang rang sie nach Luft wie jemand, der zu lange unter Wasser gewesen war und nicht genügend Sauerstoff bekommen hatte.

 

Verärgert starrte sie in den Raum, als könnte er etwas für den Albtraum oder die schlechte Laune, dann schlug sie die Decke energisch zurück, verließ das Bett und tappte hinüber zum Fenster. Sie öffnete es und ließ frische Luft hinein. Draußen schien die Sonne am blauen Himmel. Der Tag versprach schön zu werden.

 

Schließlich suchte sie das Badezimmer auf. Während sie die richtige Temperatur des Duschwassers einstellte, dachte sie an ihren Albtraum zurück, der sie immer noch so plastisch umfing wie eine reale Erinnerung. Die meisten Träume vergisst man schnell nach dem Aufwachen, doch dieser ging ihr echt an die Nieren. Er wollte einfach nicht verschwinden.

 

Was hatte sie da in ihrem Traum erlebt? War ihr etwa ein Engel des Todes begegnet?

 

Es heißt ja immer, dass Träume nichts weiter sind als der Spiegel der Seele, und das Träume Schäume sind. Oder hatte sie nur Angst vor etwas, das ihr im wirklichen Leben tagtäglich und überall begegnete?

 

Hatte sie vielleicht nur Angst vor dem Tod?

 

Rachel Blair riss sich zusammen. Sie verbannte all diese unangenehmen Gedanken aus ihrem Bewusstsein. Nein, sie war kein abergläubischer Mensch. Sie glaubte nicht an die Macht der Träume, sondern stand mit beiden Beinen im realen Leben und hatte nicht vor, dem Tod die Hand zu reichen.

 

Nach dem Duschen zog sie sich einen Bademantel über und ging zurück ans Fenster. Von draußen floss angenehm kühle Morgenluft ins Zimmer, die Rachel erfrischte und ihre Gedanken wieder klarer werden ließen. So war es gut. Das gefiel ihr.

 

Sie bückte sich leicht nach vorne und schaute auf die belebte Straße hinunter, auf der mittlerweile das quirlige Kleinstadtleben pulste. Auf dem Marktplatz gegenüber war eine Menge los. Überall war fröhliches Gelächter und sogar etwas Musik zu hören.

 

Dann geschah es.

 

Die junge Frau rutsche beim weiteren Vorbeugen aus den nassen Badelatschen, stürzte im nächsten Moment mit einem lauten Schrei kopfüber aus dem offenen Fenster und schlug mit ihrem Körper unten auf der Straße dumpf und hart auf.

 

Der Sturz aus dem dritten Stock ihrer Wohnung hatte ihr das Genick gebrochen. Rachel Blair kam noch einmal für wenige Sekunden zu Bewusstsein. Sie bemerkte dabei die schwarz gekleidete Gestalt mit den goldenen Locken und den seltsam bernsteinfarbenen Augen, die in unmittelbarer Nähe neben ihr kniete und ihr die ausgestreckte Hand hinhielt, als wolle sie ihrer Seele beim Hochkommen aus dem sterbenden Körper helfen.

 

Rachel Blair ergriff instinktiv die helfende Hand des Engels. Alles war auf einmal so friedlich und still. Es fiel ihr nicht schwer mit ihm zusammen durchs Licht zu gehen, das sich vor den beiden aufgetan hatte.

 

 

ENDE


(c)Heinz-Walter Hoetter

 

 

***

 

 

 

6. Das Geheimnis der Trias-Muschel


 

Ich griff nach der großen Meeresmuschel im gelbweißen Sand, hob sie vorsichtig auf und hielt sie an das rechte Ohr.

 

Andächtig lauschte ich eine zeitlang wartend mit geschlossenen Augen, bis ich das gleichmäßige Rauschen eines uralten Meeres vernehmen konnte, über dessen unzählige Wellen ein warmer, stürmischer Wind hinwegfegte. Jedenfalls empfand ich es so. Beide Geräusche zusammen erzeugten in meinen Ohren einen seltsam anmutenden Widerhall, der mich stärker und stärker in seinen Bann zog. Ich wurde langsam schläfrig und bald wähnte ich mich in eine andere Welt versetzt.

 

Plötzlich sah ich vor meinem geistigen Auge eine einsame Bucht, wie sie vor vielen Jahrmillionen an gleicher Stelle, wo ich gerade stand, einmal ausgesehen haben muss. Weiße, schroff aussehende Klippen ragten in einen weiten, tiefblauen Himmel hinein, und urweltliche Reptilien schwammen im klaren Meerwasser ziellos nach Opfer suchend hin und her. Eine andere Reptilienart bewegte sich mit panikartigen Bewegungen schlangenförmig über den rauen Strand, wobei sie wechselseitig seltsam klingende Laute von sich gaben.

 

Wollten sie sich nur vor ihren Jägern in Sicherheit bringen?

 

Tatsächlich konnte ich mehrere dunkele Schatten im flachen, kristallklaren Wasser erkennen.

 

Einige grotesk aussehende Panzerfische stießen aus den Untiefen hervor, griffen die flüchtenden Kriechtiere pfeilschnell an und schlugen tiefe Wunden in ihre fleischigen Körper, sodass sich an vielen Stellen das aufschäumende Meerwasser blutrot einfärbte. Hier und da konnte man auch das furchterregende Brüllen eines Sauriers im fernen Urwald aus Palmfarnen vernehmen.

 

Dampfende Vulkankegel umringten den gesamten Horizont, ihre rötlich leuchtenden Schlote maserten den Himmel.

 

Das Rauschen der anbrandenden Wellen in der Meeresmuschel steigerte sich auf einmal zu einem unerträglichen Donnergetöse, das mit dem ansteigenden Heulen des stärker werdenden Windes zu wetteifern schien. Von einer Sekunde auf die andere befand ich mich plötzlich am flachen Ufer eines urzeitlichen Meeres in der Trias.

 

War alles nur ein Fata Morgana, eine Halluzination?

 

Ich wusste es in diesem Moment selbst nicht.

 

Schon wollte ich die Muschel vor lauter Schreck vom Ohr nehmen, als ich in diesem Geräuschgewirr mehrmals hinter einander einen dünnen, aber menschlichen Schrei vernahm. Verwundert suchte ich in meinem geistigen Bild die nähere Umgebung ab. Schließlich konnte ich in den unmittelbar vor mir liegenden weißen Kalkklippen, etwas oberhalb der Brandung, einen dunklen Höhleneingang ausmachen in dem eine junge Frau stand, die Hilfe schreiend mit einem langen Gegenstand um sich schlug. Offenbar wehrte sie etwas ab, das sie bedrohte. Das schäumende Wasser der auslaufenden Wellen umspülte mehrmals hintereinander die farbigen, jedoch etwas verschwommen wirkenden Bilder und bald sah ich weder die Frau, noch konnte ich ihre verzweifelte Stimme hören.

 

Vom Eindruck der sich mir bietenden, recht außergewöhnlichen Situation gefesselt presste ich die weiße Kalkmuschel noch fester ans Ohr.

 

Das kann doch gar nicht wahr sein. Wie ist so was möglich? Ich sehe in einem prähistorischen Höhleneingang ein menschliches Wesen stehen, das in diesem Zeitabschnitt der Erdgeschichte überhaupt noch nicht existiert hat“, flüsterte ich gebannt leise vor mich hin.

 

Da!

 

Jetzt trat eine deutlich sichtbare Gestalt aus der Höhle heraus und ging mit leicht wankenden Schritten auf den offen daliegenden Strand zu, wo eine wogende Welle nach der anderen anbrandete. Es war wieder diese unbekannte Frau. Sie lief direkt in mein Blickfeld .

 

Instinktiv riss ich den linken Arm hoch und schrie so laut ich konnte zu ihr rüber.

 

Halt! Um Himmels Willen, gehen Sie nicht weiter! Sie werden im Meer ertrinken oder von den Reptilien gefressen. Bleiben Sie stehen!“

 

Für einen Augenblick zögerte sie, sodass ich der rührigen Annahme war, sie hätte meine warnenden Worte tatsächlich verstanden. Kurz darauf lief sie jedoch weiter auf den tosenden Strand zu. Dann sah ich noch, wie sie etwas Großes aufhob und anschließend hastig in die Höhle zurück floh, wo sie sich offenbar vor den urzeitlichen Reptilien der Umgebung in Sicherheit wähnte.

 

Ich horchte weiter und bemerkte nach wenigen Sekunden, dass das Bild vor meinem geistigen Auge mit wachsender Geschwindigkeit verblasste. Im nächsten Augenblick wurde es dunkel. Dann begann wieder alles von vorne, wie bei einem Film, der sich dem Betrachter in einer Endlosschleife präsentierte.

 

Ich nahm die große Meeresmuschel für ein paar Sekunden vom Ohr und im gleichen Augenblick befand ich mich wieder in der Gegenwart meiner eigenen Zeit. Ein kleines Wellenpaar umspülte meine nackten Füße, die im weichen Sandstrand etwas eingesunken waren. Ich ließ meinen Blick in die nähere Umgebung schweifen und entdeckte plötzlich auf der anderen Seite der Bucht einen unscheinbar aussehenden Höhleneingang in der weißen, hoch aufragenden Felsenwand. Jetzt befand er sich allerdings nicht in Strandhöhe, sondern etwa zwanzig Meter weit darüber.

 

Zum letzten Mal lauschte ich in die Muschel hinein, schloss abermals die Augen und ließ die gleichen Bilder der uralten Küste vor meinem geistigen Auge vorbei ziehen. Für einen flüchtigen Moment sah ich wieder diese Frau, die immer noch am Höhleneingang stand. Ihr Gesicht sah blass und ausgemergelt aus und war von unmenschlichen Strapazen gekennzeichnet. Ihr schlanker Körper wurde von einem eng anliegenden, lederartigen Anzug umfasst, der ihr an einigen Stellen in Fetzen herunterhing. War sie vielleicht eine gestrandete Zeitreisende, die aus irgendwelchen Gründen nicht mehr in ihre eigene Zeit zurückkehren konnte? Oder gehörte sie einer außerirdischen, raumfahrenden Rasse an, die schon vor 230 Millionen Jahren die Erde in der Trias mit einem Raumschiff besucht hatte und deren Besatzung möglicherweise hier in dieser Meeresbucht verunglückt war? Alle nur möglichen Theorien schwirrten mir durch den Kopf, bis ich es endlich aufgab, weiter darüber nachzudenken. Ich fand es außerdem irgendwie sonderbar, womit ich mich da beschäftigte.

 

***

 

Ich fand diese Millionen Jahre alte, erstaunlich gut erhaltene, nicht versteinerte Riesenmuschel bei Ebbe; sie lag am Strand zwischen zwei kleinen Felsen und leuchtete wie eine Perlmuttspirale durch das klare Wasser. Als ich sie zufällig an mein Ohr hielt, drangen diese seltsamen Bilder in mein Gehirn, die mich bald immer stärker in ihren Bann zogen, je länger ich sie auf mich einwirken ließ.

 

Später zertrümmerte ich die Muschel aus reiner Neugier und entdeckte tatsächlich tief im Innern des zerbrochenen Kalkgehäuses ein oval aussehendes, etwa acht Zentimeter langes Ding, das sich sofort in meiner Hand mit seinem zugespitzten Ende wie eine übergroße Kompassnadel stur auf einen ganz bestimmten Punkt ausrichtete, nämlich genau dorthin, wo sich jener Höhleneingang befand, den ich in der dargestellten Bildsequenz vor meinem geistigen Augen gesehen hatte. Ich erkannte schnell, dass es zwischen diesem eigenartigen Fundstück aus der Muschel und der entdeckten Höhle in der Wand des gewaltigen Kalksteinfelsens eine geheimnisvolle Verbindung geben müsse, was mich schließlich dazu bewog, der Sache näher auf den Grund zu gehen.

 

***

 

Ich brauchte etwa eine Stunde, bis ich unterhalb des Kalkfelsens stand und eine weitere, bis ich endlich in zwanzig Meter Höhe den über mir liegenden Höhleneingang erklommen hatte. Dann kroch ich auf allen Vieren durch die gähnende Öffnung und leuchtete mit der Taschenlampe in den schwarzen Schlund hinein. Zu meiner großen Überraschung verbreiterte sich der Eingang schon nach etwa zwei Meter zu einem mannshohen Gang, der noch weiter in den schroffen Fels hineinreichte und kein Ende zu nehmen schien.

 

Beeindruckt von seiner Größe beschloss ich, weiter in den Höhlengang vorzudringen. Überall lagen fossile Seemuscheln herum, die sich einst im subtropischen Meer wärmten. Vorsichtig tastete ich mich im Schein meiner Taschenlampe weiter vor, bis ich ganz überraschend gegen etwas metallisches stieß, das sich offenbar direkt vor mir befand. Der hin und her wandernde Lichtkegel meiner Taschenlampe erfasste schließlich ein etwa fünf Meter langes, röhrenartiges Objekt mit einem Durchmesser von etwa zwei Meter, das allerdings mit einer äußerst dicken Staubschicht überzogen war. Als ich vorsichtig daran herumkratze, brach gleich ein ganzes Stück wie eine kleine Schneelawine davon ab und legte eine darunter liegende Metallhaut unbekannter Herkunft frei, die mir trotz der verursachten Staubwolke im Schein meiner Taschenlampe silbrig glänzend entgegen leuchtete.

 

Der ovale Gegenstand aus der Trias-Muschel zuckte auf einmal in meiner rechten Jackentasche wie wild hin und her. Als ich ihn in meinen Händen hielt, sprang er wie von einem starken Magneten angezogen auf das sichtbar gewordene Stück Metall und raste unter der dicken Staubschicht hindurch bis in die Mitte der Röhre, wo er offenbar in einer Vertiefung verschwand. Kurz darauf vibrierte die Metallröhre wie Espenlaub und wenige Augenblicke später öffnete sich mit einem surrenden Geräusch ein schmaler, türgroßer Eingang. Unwillkürlich trat ich einen Schritt zurück und stolperte dabei über einen herumliegenden Felsbrocken. Ich fuchtelte hilflos mit den Armen in der Luft herum, fiel kurz darauf der Länge nach hin, wobei mir die Taschenlampe aus der Hand glitt und mit dem Leuchtkopf auf den harten Felsenboden aufschlug. Klirrend zerbrach das Glas und das Licht erschloss.

 

Als ich mich in der pechschwarzen Dunkelheit noch völlig orientierungslos wieder hochgerappelt hatte, drang auf einmal helles Licht aus der Röhre, was mich dazu bewog, näher auf den geöffneten Eingang zuzugehen. Vorsichtig trat ich vor und blickte neugierig ins Innere des unbekannten Objektes, das mit einer atemberaubenden Technik bestückt war, die aussah wie das Cockpit eines modernen Düsenflugzeuges. Fasziniert starrte ich in den kleinen Raum hinein und bemerkte dabei nicht, wie sich direkt über mir geräuschlos zwei tentakelförmige Arme näherten, die mich blitzschnell mit ihren metallischen Klammern an beiden Armen festhielten und mit brutaler Gewalt in das röhrenförmige Gebilde hineinzogen. Kaum war ich drinnen, glitt hinter mir die Tür wie von Geisterhand bewegt wieder zu. Dann wurde ich in eine schalenförmige Vertiefung gedrückt und das Licht erlosch augenblicklich. Ich merkte noch, wie ich langsam mein Bewusstsein verlor.

 

***

 

Als ich wieder zu mir kam, saß ich immer noch in dem schalenförmigen Sitz, aber der Eingang des kleinen Raumes stand weit offen. Die zwei Metalltentakel waren verschwunden. Das röhrenförmige Gebilde befand sich offenbar immer noch in der gleichen Höhle, die allerdings jetzt vom eindringenden Tageslicht einigermaßen hell ausgeleuchtet wurde. Offenbar befand sich ganz in der Nähe ein Meer, denn ich konnte das Rauschen der heranrollenden Wellen hören. Noch ganz benommen verließ ich auf unsicheren Beinen das seltsame Objekt und trat hinaus in Freie, wo mich der Anblick einer urzeitlichen Welt wie ein Donnerschlag traf.

Ein Rudel kleiner, aber räuberischer Ceolophysis zog an mir vorbei, die den nahen Meeresstrand nach Beute absuchten. Die Luft war feuchtheiß und hinter mir sah ich einen dichten Urwald aus baumartigen Farnen in denen sich einige Pflanzen fressende Plateosaurus aufhielten. Ich wagte mich keinen Schritt weiter aus der Höhle, denn selbst diese hasenkleinen Raubsaurier hätten für mich gefährlich werden können. Sie verschmähten sicherlich auch kein Menschenfleisch.

 

Erst langsam begriff ich meine lebensgefährliche Situation. Ich war irgendwo in der Trias angekommen, wahrscheinlich 230 oder sogar 250 Millionen Jahre vor meiner Zeit. Aber auf welche geheimnisvolle Art und Weise die Zeitmaschine in der Triashöhle mich hier hingebracht hatte, wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass ich da war. Mehr nicht.

 

Auf dem Rückweg zu dem Objekt in der Höhle fiel mir auf einmal dieses kleine ovale Ding wieder ein, das ich in der Trias-Muschel am Strand gefunden hatte. Es war irgendwo in der metallenen Außenhülle der Röhre verschwunden und seitdem nicht mehr aufgetaucht. Als ich endlich wieder vor der seltsamen Maschine tief im Innern der Höhle stand, war der Eingang hermetisch verschlossen und nichts deutete darauf hin, dass es an der von mir geglaubten Stelle überhaupt jemals einen Zugang gegeben hat. Panik stieg langsam in mir hoch. Im gleichen Augenblick krabbelte etwas über meine nackten Füße.

 

Erschrocken sprang ich zur Seite und erblickte zu meiner großen Überraschung das ovale Metallstück aus der Trias-Muschel, das jetzt auf winzigen Drahtfüßchen wie eine Robotermaus über den felsigen Boden dahinkroch. Es wollte offensichtlich die Höhle verlassen, um an den Strand zu gelangen, wo unzählige dieser riesigen, leeren Muschelgehäuse herumlagen. Hastig ergriff ich es von hinten mit beiden Händen und sofort zog es seine winzigen Beinchen ein, die im Innern des schlanken Metallkörpers verschwanden. Kurz darauf drehte sich das zugespitzte Ende wieder automatisch in Richtung der Röhre, als wolle es mir unmissverständlich sagen, wohin es will. Mir wurde klar, was das zu bedeuten hatte.

 

Ich setzte es also vorsichtig auf die Außenhülle der Zeitmaschine ab und im gleichen Moment sauste es auf dieser abermals mit hoher Geschwindigkeit entlang, bis zu jener verborgenen Öffnung der Metallhülle, in der es abrupt verschwand. Keine Sekunde später öffnete sich der Eingang wieder und die zwei Metalltentakel fuhren von oben leise von der Decke herunter. Dann verharrten sie in einer Art Wartestellung. Erleichtert stellte ich fest, dass ich jetzt in meine Zeit ohne Schwierigkeiten zurück konnte, denn ich hatte das Geheimnis der Trias-Muschel gelöst.

 

Bevor ich allerdings in das röhrenförmige Objekt wieder einsteigen wollte, nahm ich mir die Zeit dazu, mich noch ein wenig in der Höhle umzusehen.

Sie war recht groß und hatte in etwa die Ausmaße eines zweistöckigen Hauses. Erst jetzt bemerkte ich mit Schrecken, dass Teile des schroffen Höhlenbodens mit humiden Knochen und Schädel übersät waren. Als sich meine Augen an das diffuse Licht gewöhnt hatten, entdeckte ich die Überreste eines ledernen Anzugs zu meinen Füßen, in der sich noch der mumifizierte Körper eines weiblichen Menschen befand. War das die Frau gewesen, die ich in der seltsamen Aufzeichnung gesehen hatte? Der Bekleidung nach muss sie es wohl gewesen sein. Offensichtlich war sie dem Geheimnis der Trias-Muschel ebenfalls auf die Spur gekommen, wohl aber viel zu spät, denn das ovale Ding war mittlerweile unbemerkt aus der Höhle verschwunden und hatte sich in eines der zahllos herumliegenden Muschelgehäuse verkrochen. Ob es noch mehr von diesen teuflischen Apparaten gab? Die vielen herumliegenden Gebeine unglücklich gestrandeter ließen das jedenfalls vermuten.

 

Jetzt wurde mir auch klar, warum die Frau trotz der großen Gefahren immer wieder zum Strand runter gelaufen war. Sie hat verzweifelt nach diesem ovalen Apparat gesucht, ihn aber in den zahllos herumliegenden Riesenmuscheln nicht finden können. Das satanische Ding lag immer noch irgendwo am Strand und hatte sie von dort aus sogar beobachtet. Die Frau wusste nur, dass es der Schlüssel für die Rückkehr in ihre Zeit gewesen wäre. Als ihre Kräfte schließlich schwanden, starb sie, wie die anderen vor ihr auch, hier in der Triashöhle einen einsamen Tod in einer für sie völlig lebensfeindlichen Umwelt.

 

Ein Schauer lief mir bei dem Gedanken über den Rücken, dass mich beinahe das gleiche Schicksal ereilt hätte. Schnell ging ich zurück zur Zeitmaschine, die immer noch mit geöffnetem Eingang auf mich wartete. Während ich mich von den herab schnellenden Tentakeln absichtlich in die Zeitmaschine bugsieren ließ, machte ich mir Gedanken darüber, was ich mit ihr machen sollte, wenn ich wieder in meine Zeit angekommen bin. Den Höhleneingang in die Luft sprengen? Die Zeitmaschine zerstören? Das kam für mich irgendwie nicht in Frage, denn ihre Möglichkeiten waren beachtlich. Das Beste wird wohl sein, wenn ich diesem kleinen teuflischen Krabbelding alle Beine abzwicke, damit es mir nicht mehr davon kriechen kann. Sicher ist sicher. Und wenn es mich dann wieder mal juckt, mache ich einfach Urlaub in der Trias und suche am urzeitlichen Strand in den herumliegenden Muschelgehäusen nach weiteren seiner diabolischen Artgenossen.

 

Und wer weiß das schon? Vielleicht finde ich noch ganz andere Sachen, dort am Triasstrand. Denn von Menschenhand ist dieses Ding bestimmt nicht gebaut worden.

 

ENDE


 

©Heinz-Walter Hoetter

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.11.2021. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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