Michael Fellner

Samael - Der Todesengel

Der Beginn meines zweiten Romans

Samael – Der Todesengel

Eine Kleinstadt in den 80er Jahren

 

 

“Als Gott sah, wie viel Unrat und Abschaum es auf der Erde gab, sandte er einen Engel auf die Erde, um wieder für Sauberkeit und Gerechtigkeit zu sorgen.

Aber stattdessen kam ein schwarzer Engel.

Ein Engel des Todes.

Und die Festlegung zwischen Recht und Unrecht begann sich langsam zu verwischen.”


 

„Es ist schon lange her. Eine Ewigkeit.

Und doch verfolgt mich das Gefühl noch heute. Noch immer bin ich auf der Suche nach Liebe. Liebe in seiner reinsten Form. Die wirkliche Liebe. Voll Leidenschaft und Intensität. Ein sich Ausleben der Emotionen und Glücksgefühle. Einen Menschen, den man liebt im Arm zu halten und ihn an sich zu drücken. Ihm alles zu geben.“

 

Die wunderschönen Gedanken endeten abrupt.

 

Ein Schlüsselrasseln weckte Kowalski aus seinen davoneilenden Träumen. Die harte Realität kehrte zurück.

"Aufstehen, Kowalski, du mußt zum Arzt!"

Kalt und abweisend wie immer. Das ging seit sieben Jahren so, seitdem er hier auf Staatskosten Urlaub machte. Oder besser, Urlaub machen mußte. Der Staatsanwalt hatte gemeint, es wäre besser für die Menschheit, wenn man ihn auf Nummer sicher ins Gefängnis verfrachtet. Und im Überschwang der Gefühle forderte er gleich 10 Jahre. Es wurden dann doch nur 7 Jahre und die waren heute abgelaufen. Aber immerhin, bis zum letztem Tag mußte Kowalski die Strafe absitzen. Aber jetzt war der Tag gekommen, an dem man ihn nicht mehr einsperren konnte und er wußte genau, was er zu tun hatte. Der Tag der Vorhersehung war gekommen.

In ihm lauerte eine Bestie und die begann langsam zu erwachen. Das Urteil und der Prozess gegen ihn waren ein Missverständnis, oder auch ein Fehlurteil. Man konnte es nennen, wie man wollte. Auf jeden Fall war es falsch. Und heute wurde er entlassen, um es wieder zurecht zu rücken.

Kowalski schwang sich von seinem Bett und sah sich kurz in seiner karg eingerichteten Zelle um. Eine harte Pritsche mit einer Matratze, ein kleiner Schrank, ein Tisch, ein Stuhl, Waschbecken und Toilette. Sein Zuhause seit sieben Jahren. Er lächelte kurz und folgte dann dem Justizbeamten. Seine paar Habseligkeiten aus der Zelle hatte er bereits gepackt. Während er durch die inzwischen allvertrauten Gänge und über die Treppen schlenderte, gingen ihm viele Erlebnisse der letzten Jahre durch den Kopf. Man hatte ihn hier eingesperrt, weil er Liebe wollte. Nur Liebe und sonst gar nichts. Was ist denn Schlechtes an der Liebe.

 

Das dumme Gerede vom Psychiater bei der Verhandlung.

 

"Der Angeklagte ist ein Psychopath, der es versteht, ganz normal zu wirken, bis es unverhofft zu einem Ausbruch kommt. Er versteht es andere Menschen zu manipulieren. Wie eben auch bei diesem Fall. Ich halte ihn für sehr gefährlich. Es kennt keine Emotionen und reagiert ausgesprochen gefühlskalt"

 

Gott sei Dank, hat dem Trottel niemand so recht geglaubt.

 

Für Kowalski war klar, er mußte seinem Anwalt für seine Verteidigungsstrategie ein ganz dickes Lob aussprechen. Er ist doch nicht verrückt und schon gar kein Psychopath. Liebe und Gefühle sind doch was ganz Normales für ihn.

Auf eins konnte sich Dr. Sorge aber verlassen. Dass er diesen Punkt noch einmal mit ihm durchsprechen wird. Und zwar entspannt unter vier Augen.

Während Kowalski die letzten Meter bis zum Arztzimmer ging, grinste er leicht.

Er würde so etwas nicht auf sich sitzen lassen. Diesmal wird Dr. Sorge es ja verstehen.

Nach der Untersuchung beim Arzt und der Ausstellung seiner Entlassungspapiere war der Weg dann frei. Eine kurze Verzögerung, als ihm die Zivilkleidung und die paar bei der Einlieferung abgenommenen Gegenstände wieder ausgehändigt wurden, natürlich korrekt gegen eine Unterschrift und dann noch ein paar nette Worte zur Entlassung vom zuständigen Beamten, die Kowalski natürlich wie immer mit einem freundlichen Lächeln quittiert, und schon war er endlich draußen.

Nach sieben Jahren wieder frei. Glücksgefühle ließen seinen Körper regelrecht erzittern. Er glaubte, die Freiheit riechen und schmecken zu können. Die Luft roch irgendwie anders, so kam es ihm vor. Das Vogelgezwitscher war auch irgendwie anderes. Die vorbeifahrenden Autos schienen ihm "Freiheit" zuzurufen. Ein irres Gefühl erfaßte ihn.

Kowalski versuchte erst einmal ruhig stehen zu bleiben und sog die Gefühle regelrecht in sich hinein. Und langsam wurde er ruhig und entspannt. Jeglicher böse Gedanke war momentan gebannt. Er wollte nur leben und fühlen. Er mußte lange zurückdenken, um sich an einen so schönen Frühlingstag zu erinnern. Blauer Himmel, ein leichter warmer Wind, überall aufblühende Blumen.

Er stand von der Parkbank auf, als das angeforderte Taxi hielt. Der Fahrer, ein junger Kerl mit zotteligem Haar, sah ihn seltsam an, als er sein Fahrtziel nannte. Mit dem Taxi fast 50 km war eben nicht üblich. Aber Kowalski wollte so schnell wie möglich zurück in seine Heimat.

Da, wo er sich zuhause fühlte.

Da, wo seine Wurzeln waren.

Mit kalter Stimme fuhr er den Taxifahrer an: "Was ist? Wollen sie mich jetzt dorthin fahren oder nicht? Geld genug habe ich. Wenn`s vielleicht daran liegen sollte."

"Schon okay" kam es hastig zurück. "Muß nur noch der Zentrale Bescheid sagen, bei so einer weiten Tour."

Den Rest der Fahrt mußte er nichts mehr reden. Er wollte auch nicht. Hing lieber seinen Gedanken nach. Der Fahrer ließ ihn in Ruhe und konzentrierte sich auf die Straße. Ab und zu jedoch erwischte er den Fahrer dabei, wie er ihn im Rückspiegel beobachtete. Er versuchte dies zwar unauffällig zu machen, aber einem alten Hasen wie Kowalski fiel so etwas eben auf. Er war eben schon immer sehr mißtrauisch gewesen.

Langsam wurde die Umgebung immer vertrauter. Ja, das war sie. Seine Heimat. Endlich wieder zu Hause.

Der Todestanz konnte beginnen.

Und die Tanzpartner suchte er sich selbst. Die Vorhersehung hatte ihn dafür bestimmt. Das war ihm in all den Jahren klargeworden. Und jetzt mußte er der Vorhersehung folgen. Er war von Gott berufen worden, und es gab keine Zeit sich zu verweigern.

Das Taxi hielt wie von ihm verlangt am Bahnhof. Ein kleiner schäbiger Bahnhof. Schmutzig, dreckig, alt. Penner auf dem Stufen, vier oder fünf Stück, die ihre Flaschen tranken. Ihr ganzes Hab und Gut in Plastiktüten verpackt. Penner, der letzte Dreck. Lebensuntüchtig. Kowalski sah sie verächtlich an, während er langsam ausstieg. Zwei dieser verkommenen und versoffenen Typen starrten ihn an. Glotzten ihn regelrecht an.

Sie sahen einen durchtrainierten Mann, mit kräftigen Oberarmen, tätowiert und mit kurzgeschorenen Haaren. Kowalski sah sie durchdringend an. Hart, direkt in die Augen. Beide wichen sofort seinem Blick aus. Sie rochen die Gefahr. Penner merken, ob sie jemand anreden können oder nicht. Sie wittern es mit ihrem ureigenen Instinkt des auf der Straße Lebenden. Auch sie wollen Überleben.

Für Kowalski war es aber der Abschaum, der weggehörte. Kurz mit einer Waffe gezielt und weg war das Gesindel. Ab auf dem Friedhof.

Er zahlte die Taxirechnung und auch ein kleines Trinkgeld dazu. Vor allem dafür, dass der Fahrer ihn die Fahrt über in Ruhe gelassen hatte. Mit ein paar Schritten war er im Bahnhofsvorraum. Die Tür zur Telefonzelle ließ sich kaum bewegen und nur unter äußersten Krafteinsatz konnte er sie schließen.

Seine Finger blätterten in dem zerfledderten Telefonbuch. Endlich hatte er die Nummer.

Sabine, gleich bin ich da.

Auf das Klingeln wurde recht schnell abgehoben.

"Hallo, Baby. Dein Freddy ist wieder im Lande"

Stille am anderen Ende der Leitung. Ein kurzes Schnaufen. Ein Nachdenken.

"Was willst du, Freddy, das ist doch schon so lange her. Wo bist du?" atemlos und schnell kamen die Worte.

"Du, was willst du. 7 Jahre ist das her. Was willst du?"

"Nichts will ich, nur mich melden. Ich will dich besuchen. Ohne irgendwelche Hintergedanken. Schließlich sind sieben Jahre vergangen. Ich weiß, dass das mit uns nichts mehr ist. Aber momentan habe ich halt keinen und wenn man nach so vielen Jahren wieder draußen ist, dann will man halt mit jemanden reden."

Seine Worte waren süß und lieb. So wie sie es gerne hatte.

Ich kenne dich doch, Sabine, dachte Kowalski.

"Sabine, laß uns ein bißchen reden. Kurz nur. Ich will nur so allgemeines reden. Einfach ein bißchen Unterhaltung nach der langen Zeit."

Der Klang seiner Worte wurde trauriger.

Das zog. Er wußte es.

"Na gut, Freddy, aber sonst nichts. Ich bin mit jemand anderes zusammen. Da läuft nichts. Nur reden. Und auch nur weil ich dich mal so gerne hatte. okay."

"Na klar. Sabine. Wohnst du noch an deinem alten Ort. " Sie stimmte zu.

"Ich komm dann mal vorbei. Auf einen kleinen Kaffee oder so. Nur kurz. Dann muß ich eh wieder los, die Ämter abklappern. Also bis dann."

Kowalski hängte ein und ließ ihr keine Chance nein zu sagen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.11.2021. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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