Da stand er nun. Der Held der Geschichte. Die Prophezeiung kündigte
seine Ankunft schon seit Jahrhunderten an. Er war geboren, um mich zu
stürzen. So hieß es in den alten Schriften. Jedes Kind kannte diese
Geschichte, denn sie wurde ihnen durch ihre Eltern und Großeltern
beigebracht. Diese wissen es, von ihren Eltern und den Generationen davor. Sie
alle warteten auf die Ankunft des großen Helden. Sie warteten auf diesen
einen letzten Kampf, der nun stattfinden sollte.
Doch obwohl er als
Held geboren war, war sein Weg zu mir nicht leicht. Nein er führte
zunächst ein unscheinbares Leben, was seiner selbst eigentlich nicht wert
war. Seine Mitmenschen hätten ihn als warmherzig und gutmütig
beschrieben, da er stets mit beispielloser Selbstlosigkeit handelte. Seine
Bescheidenheit war von keinem zu überbieten. Deswegen hätte er sich
selbst niemals zum Helden der Prophezeiung erklärt, obwohl ihm doch gewisse
Parallelen schon seit längerem aufgefallen sind. Seine Entdeckung ist daher
auf einen Zufall zurückzuführen. Der Held selbst, wollte sein
einfaches Leben weiterführen, doch wurde nun in diese göttliche
Komödie reingezogen. Während ein Großteil der Leute Skepsis
zeigten, war sich der älteste und weiseste Mann des Dorfes sicher, dass
dieser Held ganz sicher der Richtige war.
Es war nämlich nicht so,
dass er der Erste ist, der sich für den Helden hielt. Nein, es gab schon
viele Vorgänger, die es probiert haben. Die meisten sind schon an der
langen und harten Reise gescheitert. Die wenigen, die es zu mir schafften
erfuhren keine heldenhafte Rückkehr.
Der Held, also der richtige
Held, war jedoch anders. Er lernte auf seiner Reise viele neue Freunde kennen,
die ihn erst zudem machten, der er heute ist. Außerdem war er der einzige,
der das mystische Schwert der Waldelfe als Liebesgeschenk bekam. Er war perfekt
gewappnet für diesen letzten Kampf.
Als ich ihm in die Augen
schaute erkannte ich die Entschlossenheit. Die Entschlossenheit das Ganze hier
ein für alle mal zu beenden. Die Prophezeiung wahr werden zu lassen und
endgültig sein Volk in ein goldenes Zeitalter zu führen. Denn zuvor
plagte ich sie mit Hungersnöten, Kriege und Armut. Und genau deshalb hasste
mich der Held. Seine Eltern sind in dieser Hölle, die ich geschaffen habe,
gestorben. Also bin ich für das harte Leben des Helden verantwortlich. Es
ist die gerechte Rache, die ihn hier antrieb.
Ich persönlich
glaubte aber auch, dass ihn der mögliche Ruhm nach einem Sieg ziemlich
reizte. Ihm würde die Welt zu Füßen legen und um Reichtümer
müsste er sich nie wieder Sorgen machen. Außerdem würde er
wahrscheinlich die Tochter des Königs heiraten dürfen. Sie war nicht
nur die schönste Frau in seinem Land. Nein, mit einer Ehe wäre er
außerdem der Erste in der Thronfolge gewesen. Dass seine
Kindheitsfreundin, die möglicherweise ja doch romantisches Interesse an ihm
hatte, auf der Strecke blieb ist hinnehmbar. Über das gebrochene Herz der
Waldelfe wollen wir hier gar nicht reden. Wenn sie schon dem Helden das einzige
Schwert gab, was mich töten kann, durfte sie auch nicht mit meinem Mitleid
rechnen.
„Bist du bereit?“ rief er mir zu und erhob
sein Schwert in meine Richtung. Es war wohl mein letzter Tanz mit dem Tod,
deshalb galt es ihn zu genießen. Ich konnte mir ein Lächeln nicht
verkneifen. Dann sprang ich auf den Helden zu und feuerte meine Angriffe auf ihn
ab. Meine Klauen konnte er eine Weile relativ gut standhalten, doch nach einiger
Zeit erwische ich ihn heftig unter seiner Brust, was ihn ziemlich mitnahm.
Erwartungsgemäß starb er hier jedoch noch nicht. Das
unterschiede ihn von den anderen Kandidaten. Auf wundersamerweise überlebte
er nämlich meinen ersten Sturm. Jeder andere, ist an diesem Punkt schon
genau an dieser Wunde verstorben. Er lag jedoch wehrlos da und brauchte nur
etwas Zeit um sich zu sammeln. Ich nutzte diese kleine Pause, um ihn daran zu
erinnern, wer ich eigentlich bin. Ich erinnerte ihn daran, dass ich das
Böse bin, was sein Volk seit Jahrhunderten tyrannisiert und quält und
wie jämmerlich er ist. Außerdem war es wichtig zu erwähnen, wie
sehr ich es genoss die Köpfe seiner tapferen Eltern wie Walnüsse zu
knacken.
Um ehrlich zu sein kannte ich seine Eltern gar nicht, aber das
war nicht der Punkt. Die Erwähnung seiner Eltern hatte nämlich den
gewünschten Effekt.
In einem Anfall von blinder Wut schaffte
es der Held nochmal aufzustehen und wild um sich zuschlagen. Anders als am
Anfang, wusste ich auf diese Angriffe keine Antwort, sodass er mich dieses Mal
auf den Boden ringte. Er war jedoch nicht so arrogant, wie ich und baute sich
direkt über mich auf. Mit seinem Bein auf meinem Bauch und dem Schwert
erhoben fragte er mich: „ Irgendwelche letzten Worte?“ „Fahr
zur Hölle!“ fauchte ich zurück. Zugegebenermaßen waren das
nicht die ikonischsten letzten Worte für einen Bösewicht, aber ich
durfte auch nicht riskieren, dem Helden einen tieferen Einblick in meine Psyche
zu geben. Andernfalls hätte dies meine Tötung komplizierter machen
können, als sie es sein sollte.
Er hob sein Schwert ein
letztes Mal an und ich schloss meine Augen. Meine letzten Gedanken drehten sich
darum, was für ein genialer Bösewicht ich für dieses Volk war.
Wie viele falsche Helden ich schon abgeschlachtet habe, bevor ich gegen den
wirklichen Helden in einer epischen Schlacht verloren habe. Wie lange ich auf
diesen Moment nur gewartet habe! Und jetzt war er da. Mein Körper bebte vor
Erregung. Es war das Ende, wovon jeder Bösewicht nur träumen konnte.
Als das Schwert meine linke Brust berührte ließ ich einen
markerschütternden Schrei aus meinen Kehlen, der wohl in die
Geschichtsbücher eingehen wird.
Dort wird man sich erzählen,
dass die Schlachtung des Teufels in den tiefsten Flächen der Wälder
und den höchsten Spitzen der Berge zu hören war. Ich werde eine
Legende sein…
Es geschah etwas merkwürdiges. Ich
spürte das Schwert auf meiner Brust aber es berührte mich nur etwas
unsanft. Es durchstach nicht mein Herz. Eine kurze Zeit später spürte
ich jedoch das Schwert auf mich fallen und hörte daraufhin einen dumpfen
Laut. Ich öffnete meine Augen und sah den Helden schwer würgend vor
mir liegen. Seine verwirrten Blicke trafen schnell meine, die selbiges
empfanden, bis ich realisierte was passiert war.
Nach dem 2. oder
3. Kampf gegen einen falschen Helden war ich etwas genervt. Obwohl ich wusste,
dass ich gegen falsche Helden kämpfte, die mich nicht besiegen konnten und
auch nicht würdig waren es zu tun, waren die Kämpfe teilweise lang und
anstrengend. Deshalb entschied ich mich jedes Mal ein Nervengift in meine
Handschuhe zu implementieren. Erwische ich nun jemanden nur einmal mit meinen
Klauen, ist der Kampf aufgrund des Giftes innerhalb kürzester Zeit vorbei.
Habe ich in der Aufregung wirklich vergessen das Gift aus den Handschuhen zu
entfernen?
Ich rannte zum Helden hin. „Hey, komm bitte wach
auf! Du musst mich töten hörst du? Mir egal, was danach wird aber
jetzt musst du dieses Schwert nehmen und deinen verdammten Job erledigen.“
Doch es war zu spät. Die einzige Antwort, die ich von ihm bekam waren die
letzten Versuche irgendein Wort auszusprechen, bevor er mich dann mit der ewigen
Stille bestrafte.
Oh was für eine Tragödie das doch ist!
Was soll ich jetzt tun? Er war der Richtige. Er war der Held, der das Böse
stoppen sollte. Es war schon so erzählt worden. Hätte ich ihm doch nur
nicht diese Wunde zugefügt. Aber andererseits hätte ich den Helden
auch nicht einfach hier durchmarschieren lassen können. Er musste auf ewig
von dieser Schlacht gezeichnet worden werden, damit sie würdig ist mein
Leben zu beenden. Warum habe ich bloß das Gift nicht raus genommen? Es war
meine einzige Chance auf ein würdiges Ende.
Jetzt wo der Held
aber gestorben ist, wird die Prophezeiung nicht als erfüllt angesehen
werden. Das heißt sie werden jemand neues für mich schicken. Und wenn
ich ihn einfach mich umbringen lasse? Ich würde dieses Mal ganz sicher das
Gift vorher entfernen. Es wäre aber nicht das Gleiche. Niemals lasse ich es
zu, durch einen Taugenichts umgebracht zu werden. Es darf nur der Held sein. Der
einzig wahre… der, der gerade tot vor mir liegt. Er wird nie nachhause
zurückkehren, mit dem Kopf des Bösen in seiner Tasche. Er wird nie die
Prinzessin des Landes heiraten und irgendwann zum König des Landes
aufsteigen. Es werden auch nie Geschichten vom einstigen Bösen erzählt
werden, die durch den mutigen Helden besiegt worden ist. Stattdessen bleibt die
Welt so wie sie ist. Gehüllt ist sie, in Finsternis und geplagt von Krieg
und Leid. Ein würdiges Ende für diese Ära und auch für mich
ist nun vom Tisch. Was bleibt ist das Böse und zwar für immer und
ewig. Was für eine Tragödie!
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.01.2022. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
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