Wieder so ein Tag an dem der Job mehr Frust als Lust gebracht hat. Ich bin
müde und auch irgendwie traurig, fahre viel zu schnell und die Musik ist
viel zu laut, möchte einfach nur nachhause und dann zu meiner Bank am
kleinen Waldsee. Der Platz, der scheinbar nur für mich da ist, ganz
versteckt, keine Strasse, kein fester Weg dorthin.
Endlich Zuhause
angekommen, schnell umziehen, ein Buch raussuchen und dann los. Der Weg ist
nicht weit, meine Füsse kennen ihn mit all seinen Stolperwurzeln und ich
denke darüber nach wem wohl die alte verwitterte Bank einst gehört
hatte, irgendwem muss der Platz mal wichtig gewesen sein. Gleich bin ich da, nur
noch an dem uralten dicken Baum vorbei.
Ich bleibe stehen, was ist
das, die Bank ist besetzt. An den alten Baum gelehnt denke ich darüber nach
was ich jetzt machen soll. Mich zu dem alten Mann dazu setzen ? Vielleicht
möchte er das aber gar nicht und ganz ehrlich, ich auch nicht. Ich will
allein sein, ich möchte die Stille und ich möchte einfach heulen.
Immer wieder schau ich aus den Augenwinkeln zu ihm rüber und sehe das zu
seinen Füssen ein Hund liegt. Mindestens so alt und grau wie sein Herrchen
und der hält es nicht einmal für nötig mich zu bemerken, kein
Knurren, kein Bellen, nicht einmal die Augen öffnet er. Das ist doch
wirklich frustrierend, ich bin unsichtbar.
Immer wieder sehe ich
rüber und bemerke das der Blick des Mannes starr auf den See gerichtet ist,
seine Lippen sich bewegen als wenn er mit jemanden spricht und er wischt sich
immer wieder über die Augen. Weint er ? Ich fühle mich unwohl weil ich
ihn beobachte und entschließe mich zu gehen. Noch bevor ich mich von dem
knorrigen Baum, der mich die ganze Zeit verdeckt hat, entfernen kann, ruft mich
seine Stimme
" Komm her und setz dich zu mir "
Ein wenig erschrocken bin ich schon. Ertappt ! Er schaut mir ins Gesicht und
fragt ob ich öfter an dem See bin. Ich nickte nur und wunder mich so ganz
nebenbei darüber, das ich so schüchtern bin, so bin ich doch sonst
nicht. Egal, darum kümmere ich mich dann wenn ich wieder zuhause bin. Jetzt
höre ich dem alten Mann zu.
Er erzählt das er die Bank
vor sehr vielen Jahren für seine Frau und sich hierher gestellt hat. Er
kommt nur noch einmal im Jahr an diesen Platz um ihr nah zu sein. Nein, fragen
muss ich nicht weiter und weiß auch nichts zu sagen. Am liebsten
würde ich ihn in den Arm nehmen, aber das geht nicht. Wieder schaut er mich
lange an, steht auf und bevor er geht fragt er mich ob er mir öfter
Gesellschaft leisten darf. Wieder nicke ich nur doof und wunder mich nun gar
nicht mehr.
Ich muss ein wenig lächeln als ich ihn langsam mit
seinem Hund weggehen sah. Er passte in diesen Wald mit seinen weißen
Haaren, dem Gesicht in dem ein ganzes Leben zu lesen war und diesen traurigen,
sanften Augen.
Wir trafen uns sehr oft und er erzählte mir von
seinen Kindern, Enkeln und Urenkeln. Wühlte in vielen Erinnerungen als
Lehrer und wir lachten über so viele Geschichten. Ein Buch brauchte ich
nicht mehr wenn ich den See besuchte. Mein alter Waldmann war eine endlose
Lebensgeschichte mit Kapiteln und Facetten.
Dann dieser Tag. Ich
freue mich wieder auf unsere Begegnung und will ihm erzählen was ich heute
erlebt habe. Ich bin an dem alten Baum angekommen, sehe zur Bank, da sitzt eine
etwas ältere Frau. Zu ihren Füssen liegt der alte graue Hund, der mich
diesmal bemerkt und freudig wedelt. Zögernd geh ich auf die Frau zu und
ahne was ich gleich hören würde. Ich versuche den Kloss im Hals runter
zu schlucken, aber irgendwie gelingt es nicht. Nicht weinen. nicht weinen, nicht
weinen.......hämmert es im Kopf. Sie stellt sich als seine Tochter vor und
schaut mich so an wie mich mein Waldmann immer ansah wenn er mich verstand ohne
das ich etwas sagte. Noch immer schluckte ich an den Tränen und wollte sie
nicht. Seine Tochter erzählte mir das er von mir erzählt hatte und ich
soll erfahren das er jetzt wieder mit seiner Frau zusammen ist. Nicht weinen,
nicht weinen, nicht weinen, jetzt nur nicht weinen. Dann drückte sie mich
und ging mit dem alten grauen Hund davon.
Ja und ich weinte, um einen
Menschen der mir einmal fremd war und der mir mit jedem Tag wichtiger wurde.
Den See besuchte ich weiterhin....wieder mit einem Buch.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.01.2022. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
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