lePoete Nelia

Einem Leben begegnet

Wieder so ein Tag an dem der Job mehr Frust als Lust gebracht hat. Ich bin müde und auch irgendwie traurig, fahre viel zu schnell und die Musik ist viel zu laut, möchte einfach nur nachhause und dann zu meiner Bank am kleinen Waldsee. Der Platz, der scheinbar nur für mich da ist, ganz versteckt, keine Strasse, kein fester Weg dorthin.

Endlich Zuhause angekommen, schnell umziehen, ein Buch raussuchen und dann los. Der Weg ist nicht weit, meine Füsse kennen ihn mit all seinen Stolperwurzeln und ich denke darüber nach wem wohl die alte verwitterte Bank einst gehört hatte, irgendwem muss der Platz mal wichtig gewesen sein. Gleich bin ich da, nur noch an dem uralten dicken Baum vorbei.

Ich bleibe stehen, was ist das, die Bank ist besetzt. An den alten Baum gelehnt denke ich darüber nach was ich jetzt machen soll. Mich zu dem alten Mann dazu setzen ? Vielleicht möchte er das aber gar nicht und ganz ehrlich, ich auch nicht. Ich will allein sein, ich möchte die Stille und ich möchte einfach heulen. Immer wieder schau ich aus den Augenwinkeln zu ihm rüber und sehe das zu seinen Füssen ein Hund liegt. Mindestens so alt und grau wie sein Herrchen und der hält es nicht einmal für nötig mich zu bemerken, kein Knurren, kein Bellen, nicht einmal die Augen öffnet er. Das ist doch wirklich frustrierend, ich bin unsichtbar.

Immer wieder sehe ich rüber und bemerke das der Blick des Mannes starr auf den See gerichtet ist, seine Lippen sich bewegen als wenn er mit jemanden spricht und er wischt sich immer wieder über die Augen. Weint er ? Ich fühle mich unwohl weil ich ihn beobachte und entschließe mich zu gehen. Noch bevor ich mich von dem knorrigen Baum, der mich die ganze Zeit verdeckt hat, entfernen kann, ruft mich seine Stimme

" Komm her und setz dich zu mir "

Ein wenig erschrocken bin ich schon. Ertappt ! Er schaut mir ins Gesicht und fragt ob ich öfter an dem See bin. Ich nickte nur und wunder mich so ganz nebenbei darüber, das ich so schüchtern bin, so bin ich doch sonst nicht. Egal, darum kümmere ich mich dann wenn ich wieder zuhause bin. Jetzt höre ich dem alten Mann zu.

Er erzählt das er die Bank vor sehr vielen Jahren für seine Frau und sich hierher gestellt hat. Er kommt nur noch einmal im Jahr an diesen Platz um ihr nah zu sein. Nein, fragen muss ich nicht weiter und weiß auch nichts zu sagen. Am liebsten würde ich ihn in den Arm nehmen, aber das geht nicht. Wieder schaut er mich lange an, steht auf und bevor er geht fragt er mich ob er mir öfter Gesellschaft leisten darf. Wieder nicke ich nur doof und wunder mich nun gar nicht mehr.

Ich muss ein wenig lächeln als ich ihn langsam mit seinem Hund weggehen sah. Er passte in diesen Wald mit seinen weißen Haaren, dem Gesicht in dem ein ganzes Leben zu lesen war und diesen traurigen, sanften Augen.

Wir trafen uns sehr oft und er erzählte mir von seinen Kindern, Enkeln und Urenkeln. Wühlte in vielen Erinnerungen als Lehrer und wir lachten über so viele Geschichten. Ein Buch brauchte ich nicht mehr wenn ich den See besuchte. Mein alter Waldmann war eine endlose Lebensgeschichte mit Kapiteln und Facetten.

Dann dieser Tag. Ich freue mich wieder auf unsere Begegnung und will ihm erzählen was ich heute erlebt habe. Ich bin an dem alten Baum angekommen, sehe zur Bank, da sitzt eine etwas ältere Frau. Zu ihren Füssen liegt der alte graue Hund, der mich diesmal bemerkt und freudig wedelt. Zögernd geh ich auf die Frau zu und ahne was ich gleich hören würde. Ich versuche den Kloss im Hals runter zu schlucken, aber irgendwie gelingt es nicht. Nicht weinen. nicht weinen, nicht weinen.......hämmert es im Kopf. Sie stellt sich als seine Tochter vor und schaut mich so an wie mich mein Waldmann immer ansah wenn er mich verstand ohne das ich etwas sagte. Noch immer schluckte ich an den Tränen und wollte sie nicht. Seine Tochter erzählte mir das er von mir erzählt hatte und ich soll erfahren das er jetzt wieder mit seiner Frau zusammen ist. Nicht weinen, nicht weinen, nicht weinen, jetzt nur nicht weinen. Dann drückte sie mich und ging mit dem alten grauen Hund davon.
Ja und ich weinte, um einen Menschen der mir einmal fremd war und der mir mit jedem Tag wichtiger wurde.

Den See besuchte ich weiterhin....wieder mit einem Buch.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.01.2022. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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