Ramon Kania

Sündenfall

Der Apfel fiel zu Boden, glänzend rot, nur zwei kleine Stücke waren hinausgebissen worden.

Er fiel zu Boden und der Himmel verdunkelte sich. Wo eben noch goldene Farben in den Blättern der Bäume tänzelten, kehrte nun graue Ödnis ein. Wo eben noch der Wind sanft vor sich hin säuselte, kamen jetzt tobende und tosende Sturmböen auf.

Die Wolken pechschwarz, der helllichte Tag wurde zur dunkelsten Nacht. Chaos wütete und peitschte beim Crescendo der heraufziehenden Finsternis.

Dann wurde eine Kluft in die Wolken gerissen, durch die ein einzelner, alles blendender Lichtschein brach. Eine Stimme donnerte aus den Gefilden jenseits der Weltlichkeit.

„VERRATEN!“, schallte das Wort in den Bergen und Tälern wieder, so laut, dass es den Mann und die Frau in die Knie zwang.

„HINTERGANGEN!“ Sie hielten sich die Ohren zu, doch die Stimme drang bis in ihre Gedanken hinein.

„VERBANNT!“ Und der Sturm entwurzelte die Bäume, fegte die Tiere hinfort und sog das Wasser aus den Bächen und Seen, so dass nichts weiter als karges Ödland übrigblieb.

„Verlassen…“ Der Lichtstrahl löste sich auf. Die Wolken verblassten. Die Welt lag da, wie am ersten Tag.

Der Mann stand auf und blickte auf die vor ihm liegende Wüste. Er schloss die Augen. Schmerz und Kummer verzehrten sein Gesicht. Alles war fort, der Anblick unerträglich.

Hinter ihm schluchzte die Frau. Sie hatte den Apfel aufgehoben und ihre Tränen benetzten den staubigen Boden.

„Alles… vorbei…“, flüsterte sie. „Alles verloren… Alles…“ Sie starrte auf den Apfel.

Der Mann nahm sie in den Arm, um ihr Trost zu spenden, doch merkte, dass er es tat, um nicht selbst der Verzweiflung zu verfallen. Sie hielten sich fest, es war alles was sie noch hatten, in der Ödnis, die sie jetzt ihr Zuhause nennen mussten.

Momente vergingen, dann löste sich die Frau. Der Blick auf den Apfel. Sie brach ihn auseinander.

Der Mann schaute sie an, verständnislos, dann aber sah er, was sie aus dem Inneren hervorholte: Zwei makellose Kerne.

Er sprang auf und schaute sich um.

Er erblickte Staub, Staub über Staub und kargen Stein… Doch an sein Ohr, da drang ein leises Tropfen. Er stürmte zu den Felsen und stemmte einen der Steine beiseite, die Frau ihm direkt hinterher.

Der Brocken ächzte und rollte den Hang hinab. Ungläubig blickten sie auf die kleine Höhle, die dahinter lag und auf das Rinnsal Wasser, welches munter von der Decke tropfte.

„Wird es… wird es uns gelingen?“, fragte die Frau. Der Mann wandte sich ihr zu, legte eine Hand auf ihren Bauch und sagte entschlossen:

„Dieser Samen wird Früchte tragen.“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.01.2022. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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