Maike Opaska

Nebensächliches

Lara solle nicht noch blasser werden, das lasse sie geizig aussehen und passe auch gar nicht zu ihr.  Sie solle lieber
mit den Absätzen klappern und einen blauroten Lippenstift benutzen meinte Nora und hielt ihr den ihrigen entgegen. Dann warf sie die Türe ins Cafe entschlossen auf, sodaß alle Kaffeehausbesucher in ihren gesamten kleinen und großen Bewegungen innehielten und verstummten.
Vor aller Augen küsste Nora ihrer Freundin Lara einen Zitronenfalter auf den Mund. Adrian, der in einer Ecke neben einem Fremden hockte, hielt ein Glas Wein an seine Lippen ohne zu trinken. Das helle Kunstlicht zeichnete unerbittlich das Erschrecken nach, das auf sein Gesicht gezogen kam und obwohl er sich zwang, es zu missachten, sammelte es sich jetzt in seinen Augen und funkelte Lara an.  Nora bestellte einen kleinen Happen und ließ sich einfach neben ihn   auf die Eckbank fallen, während Lara gegenüber dem Fremden sitzen musste. Sein Atem roch recht süß nach Apfelmost oder Apfelgelee.
Die Kellnerin servierte allen bereits sehr zusammengeschrumpfte Flundern, die mit kleinen Kirschtomaten garniert waren, so dass Lara sie für Konfettistreusel hielt.  Der Fremde gegenüber streckte  Lara eine Tüte mit englischen Drops entgegen und dabei löste sich auf einmal seine weiße Hand aus dem Arm und huschte leicht wie ein Nachtfalter über Laras Finger. Erschrocken fing Lara den Falter ein und hielt ihn fest.
Draußen schwirrten Insekten und die Vögel schrien. Lara lauschte und dachte jetzt ans Fortfliegen. Immer weiter, immer höher, sich wegbrausen lassen im Gesang und zerschmettern an einer harmlosen Luftspiegelung, einem vorbei streunenden Blick. Eine Stimme nur könnte sie retten und Lara würde gefangen sein von seinem Zuruf. 
Steh auf und lauf weg, sagte sie sich. Was geht dich sein Atem an, sein Apfelgeruch, sein armes, gieriges Gesicht. Kauf dir eim Ticket und sag, dass du es eilig hast. Such dir etwas Neues aus, aber nur Nebensächliches.
Inzwischen hatte sich Nora eine riesige, unsinnige Brille aufgesetzt und ist hinter den Neuigkeiten einer Wochenzeitschrift verschwunden,. Sie saß in ihrem Papierturm und schnaubte als Lara versuchte, zu ihr hinter den Turmwall zu kriechen. 
Frage doch dein Gegenüber, ober er mit dir eine Apfeltorte essen geht, meinte Nora dumpf und wollte nicht mehr gestört werden. Der Fremde saß sehr gerade da und schaute immerzu an Lara vorbei auf ein ausgeschaltetes Fernsehgerät, das von der Decke herunterhing. "Wollen Sie vielleicht einen Kaffee?" fragte er ohne den Blick zu verändern. Plötzlich hielt er ihren Arm fest.  "Würden Sie mich bitte umarmen?" Lara konnte nicht antworten, denn der Arm war ein großer dicker Wurm, der sich um ihren Hals wand und nicht mehr von ihr weichen wollte.
Ich muss mich aus seiner Richtung bringen und in eine andere Flugbahn gehen, dachte sie. Und so schrie sie ihn an:"Können Sie nicht endlich tun was ich sage? Nehmen Sie diesen schrecklichen Arm von meiner Schulter"-  Er biss sich auf die Unterlippe und ließ seinen Arm in seinen Schoß fallen, seufzte und biss dann in einen Apfel, den er in seiner Jackentasche trug. "Meinen Sie, ich sollte mich erschießen? Ich bin verzweifelt."
"Ja" sagte Lara und hielt ihre Hände wie zum Gebet verschränkt, betrachtete ihn nachdenklich und sah, dass er sehr schön war. Eigentlich wollte sie seinen Mund küssen, als Sternschnuppe auf seinen Mund herabfahren, unbesonnen und so eine neue Geschichte haben. Lara verspürte den Wunsch zu tanzen, sich hinauswälzen aus dem falschen Tag und ein großes summendes Leben haben. Ihn anfüllen mit Sonne, die alle Schattern zu Samt verwandelt während sie äußerlich ignorierte, wenn Adrian unter Noras Pulli herumfummelte. Nur Adrian wußte, wie sehr Lara dies verletzte.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.01.2022. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Atempause von Maike Opaska



Ein weit gereister Journalist schließt innerhalb weniger Stunden Freundschaft mit einem liebenswerten Naturkind. Die Nachricht von seiner lebensbedrohenden Krankheit treibt den engagierten Kriegsberichtserstatter in die Abgeschiedenheit, in die Einsamkeit, wo er allein mit seinem Schicksal fertig werden will.
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