Karl-Konrad Knooshood

Very best of NDW



 

VERY BEST OF NEUE DEUTSCHE WELLE – die besten Musikkompilationen

 

Die NEUE DEUTSCHE WELLE (NDW) ist eine besondere Musikrichtung. Für mich als Patriot und zugleich großen Fan meiner Muttersprache Deutsch ist diese Musikrichtung eines meiner Lieblingsgenres, wenn nicht das liebste. Ende der 70er Jahre entstanden viele deutschsprachige Lieder, die sich nicht unbedingt dem süßlichen, schwülstigen und etwas altbackenen deutschen Schlager dieser Zeit zuordnen lassen. Mehr an amerikanischen und britischen Musikstilen orientiert, entwickelte sich ein wahrer Kosmos vielfältiger Musikstücke zu vielen Themen, die vom Politischen bis zum Skurrilen, Kindischen und Albernen reichten und die bis heute relevant sind. Natürlich eher links einzuordnen, machen die Lieder trotzdem Spaß und ergeben alle für sich einen besonderen Sinn. Das Besondere an der NDW ist freilich, dass sie erstmalig der deutschen Sprache in der Musik eine besondere Resonanz verlieh, die über die eher elektronische, eklektisch-textknappe Machart von Bands wie CAN oder KRAFTWERK hinausging. Die für insbesondere englische/amerikanische Ohren fremdartig und sperrig (was sie ja ist) bis "aggressiv" klingende deutsche Sprache erlebte einen nie gekannten Boom, wie er sowohl vor den 1980er Jahren als auch in den 90ern und 2000ern und erst recht 10er Jahren des neuen Jahrhunderts nie wieder so stattfand. Von einzelnen dem Rock-Obergenre grob zurechenbaren Bands wie RAMMSTEIN oder OOMPH! abgesehen, spielt deutsche Musik weltweit keine große Rolle (mehr). In den End-70ern, frühen bis mittleren 80ern dagegen wurde der amerikanische Musikmarkt, der sonst zum einen die restliche Welt dominiert, zum anderen nahezu hermetisch gegen Musik aus anderen Ländern und von anderen Kontinenten (einmal ausgenommen von britischer Musik, siehe auch die "British Invasion" in den 1960er Jahren!)  abgeschirmt ist (jedenfalls war), mit deutscher Musik aus Deutschland und Österreich nahezu geflutet. Nun gut, manche dieser Nummern (etwa das bekannteste Lied der NDW, das als erstes auf Platz 1 der US-Charts kletterte) wurden auch in einer englischen Version veröffentlicht. Deutsch war dennoch und gerade deswegen hoch im Kurs.

Als extrem großer Fan dieser Musikrichtung, die im Grunde aus einer Vielzahl von Stilen besteht (IDEAL etwa klingen stark nach Wurzeln im Punkrock, andere Bands klingen wie australischem oder kanadischem Kids-Pop à la KYLIE MINOGUE in den 80s oder die junge ALANIS MORISSETTE in den 80ern, andere wiederum nach Schlagerpop, andere wie Synthesizer-New-Wave-Pop der 80er), präsentiere ich deshalb einen kleinen Überblick über die meinerseits im Laufe der letzten 2,5 Jahrzehnte erstandenen Sammlungen der größten Hits. Ich stelle die Kompilationen einander gegenüber, analysiere, lobe und tadele, wie ich es mit allen Dingen tue. Ein genussvoller Ritt durch das bunte Land der Neuen Deutschen Welle, der Musikrichtung, die mich auch, indirekt, zu dem im Vergleich zu ihr wenig schmeichelhaften Titel für meinen Band brachte.                                                                                                                                                                                                                                        

Die Hitgiganten – "Neue Deutsche Welle" (2 CDs, 2006)

Entspannter und unkonventioneller zugleich hätte diese Kompilation werden können. Als eine der ersten, die ich käuflich erwarb, da sie mir so verführerisch und neu entgegenfunkelte und die deutsche Nationalflagge mit ihrem schönen Farbenspiel von Schwarz-Rot-Gold auf dem Cover lachte wie die Fanartikel zu jeder EM und WM, griff ich gern zu. Für Einsteiger in das musikalische Thema NDW ist diese Zusammenstellung auf zwei CDs, sind diese insgesamt 40 Hits das perfekte Kennenlern-Schnupperpaket. Mit den absoluten Klassikern und somit "üblichen Verdächtigen" fängt es an: NENA bringt ihre Anti-Kriegs-Hymne "99 Luftballons", die SPIDER MURPHY GANG folgt auf dem Fuße mit dem "Skandal im Sperrbezirk", die Freaks von SPLIFF speisen am liebsten "Carbonara", PETER SCHILLING präsentiert uns die bereits aus einigen von DAVID BOWIEs Songs bekannte Figur des "Major Tom", der hier in Klammern noch "(völlig losgelöst)" ist, mein Vornamens-Mitinhaber MARKUS will seinen Spaß ("Ich will Spaß"), EXTRABREIT lassen "Flieger" die Sonne grüßen, DÖF kommt ebenfalls geflogen, vielmehr "gedüst" – "im Sauseschritt" aus dem Weltall ("Codo"), JOACHIM WITT macht eine Psychiatrische Klinik/Irrenanstalt berühmt in "Goldener Reiter", die FEHLFARBEN grölen "Ein Jahr (es geht voran)", UKW erfreuen sich an "Sommersprossen", IXI verpasst uns einen plastikpoppigen "Knutchfleck" und die MÜNCHENER FREIHEIT steht auf Licht ("Ich steh auf Licht"). Weitere Highlights sind zahlreich gesät: NINA HAGEN verarscht ZARAH LEANDERs Song "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen" in "Zarah", PURPLE SCHULZ beschwört "Verliebte Jungs", FELIX DE LUXE flieht in einem "Taxi nach Paris" vor RHEINGOLDs "Dreiklangdimensionen", die "Fred vom Jupiter" (ANDREAS DORAU (& DIE MARINAS)) mitgebracht hat. Huch, auf den Schrecken erstmal einen "Eisbär" in der GRAUZONE, denn mit den UNITED BALLS schieße ich auch beim "Pogo in Togo" ein Tor – und zwar IDEAL genau zwischen die "Blaue(n) Augen" des TRIOs, ja, ja, "Da da da". Rufe jemand den "Kommissar", FALCO bitte! Der steigert das "Bruttosozialprodukt" im GEIER STURZFLUG wohl kaum, wenn "Das Blech" bei SPLIFF wegfliegt. Über all das kann man ganz RELAX im "Radio hör'n", "Herz an Herz" beim PASO DOBLE aneinandergeschmiegt wie "Karl der Käfer" auf der GÄNSEHAUT auf STEINWOLKE (sieben), rufend nach: "Katherine, Katherine", die mit JAWOLL im "Taxi" zu FELIX DE LUXE ins ferne Paris durchbrennt, zu HUBERT KAHs "Rosemarie", die EXTRABREIT brüllt: "Hurra, hurra, die Schule brennt". Am Ende stellt sich heraus: NENA hat das alles "Nur geträumt". Wowzi, geilomatus ultrafix, eine der besten Konventions-Kompilationen, als Einstiegsdroge ideal geeignet.

 

Die Hitgiganten – "Best Of NDW" (3 CDs, 2018)

Seitdem die HITGIGANTEN-Reihe nicht mehr auf SAT1 läuft, wo die Sendung eine Zeitlang präsent war (moderiert zunächst von HUGO EGON BALDER), erscheinen selten neue Kompilationen dieser "Bravo-Hits für Erwachsene", wie ich sie nenne. Der gigantomanische Name wird jedoch mehr denn je Programm, denn jede neue Folge dieser Serie hat nun statt zweier CDs drei – prallgefüllt mit dem besten an Hits der diversen Musikstile. Abgesehen von den erfreulichen komplett neuen Themenkompilationen ("Swing & Jazz", "Hip-Hop & Rap", "Rock'n'Roll", "Ostrock" usw.) gab und gibt es jedoch auch die "üblichen Verdächtigen", d.h. alte Genres, die nun auf drei CDs neu aufgelegt werden. Die meisten der dann ca. 60 Hits (= 20 Hits pro CD) kennt man dann schon von den 2-CD-Zusammenstellungen der alten Reihe. Diese hier über die NDW (BEST OF NDW) beinhaltet selbstverständlich auch sehr viele der Hits, die auch auf der Doppel-CD (von 2006, siehe oben) drauf waren. Die sowieso auf so gut wie jedem relevanten, realistischen NDW-Sampler enthaltenen FALCO "Der Kommissar", NENA "99 Luftballons", TRIO "Dadada", NENA "Irgendwie, irgendwo, irgendwann", ANDREAS DORAU "Fred vom Jupiter", JAWOLL "Taxi", PETER SCHILLING "Major Tom (völlig losgelöst)" waren schon enthalten. Doch diese Kompilation ist erfreulich erweitert. Neu sind hier Klassiker wie die ACE CATS (eine 80s-Rock'n'Roll-Band) mit "Linda", COSA NOSTRA mit "Rosa auf Hawaii", HANNES KRÖGER mit "Der blonde Hans", LILLI BERLIN mit "Ostberlin – Wahnsinn" und vor allem der Knaller von DAF, "Der Mussolini" (über einen fiktiven Tanzstil, der sich nach den schlimmsten Despoten der Weltgeschichte auf der einen und Gurus des Guten, etwa Jesus, auf der anderen Seite benennt), Hand in Hand mit dem abgedrehten "Wissenswertes über Erlangen" von FOYER DES ARTS und den RODGAU MONOTONES mit "Die Hesse komme!". Auf drei CDs geben sich hier satte 65 (!) Hits insgesamt die Klinke in die Hand. Die erste CD brilliert mit dem Starter FALCO, der seinen skurrilen "Kommissar" präsentiert, denn "den Schnee, auf dem wir alle talwärts fahren, kennt heutzutage jedes Kind", lässt sich dann von NENAs Anti-Kriegs-Hymne "99 Luftballons" (eine textlich nicht gänzlich peinlichkeitsfreie Rocknummer) abschleppen, woraufhin TRIO phlegmatisch konstatieren: "Ich lieb' dich nicht, du liebst mich nicht – aha!" ("Dadada"), HUBERT KAH bewundert den "Sternenhimmel" (die alte "Romantik-Sau"!), will einfach nur Spaß, SPLIFF gehen gern zum Italiener, um dort in radebrechendem Halb-Fake-Italienisch "Carbonara" und "una COCA COLA" bestellen. EXTRABREIT mit der bekannten Coverversion eines deutschen Liedes aus der Weimarer Zeit ("Flieger, grüß mir die Sonne"), machen Spaß, eh IDEAL "Blaue Augen" bei einer Person bewundern. "Major Tom (völlig losgelöst)" von PETER (ehemalige österreichische Hauptwährung) spielt mit den UNITED BALLS "Pogo in Togo", während sich JAWOLL im "Taxi" abholen lassen. SNÄP (sic! – nicht zu verwechseln mit dem deutschen Eurodanceprojekt SNAP, u.a. "Rhythm Is A Dancer", "Oops Up!", "The Power", "The First The Last Eternity") warten auf ihre "Elisabeth", die FEHLFARBEN bekennen, dass es vorangeht ("Es geht voran (Ein Jahr)"), während "Herz an Herz" von PASO DOBLE DÖFs "Codo" überholt, PURPLE SCHULZ sich über "Verliebte Jungs" amüsiert und die MÜNCHENER FREIHEIT die erste CD mit "Ohne Dich (schlaf' ich heut Nacht nicht ein)" verabschieden. NENA, die überrepräsentiert ist (und auch sein muss bei jeder ordentlichen NDW-Kompilation), läutet die CD Nummer 2 mit meinem Lieblingssong von ihr ein, "Irgendwie, irgendwo, irgendwann", zu dem auch zu meiner Zeit noch in der Disco getanzt wurde, insbesondere, seitdem JAN DELAYs Coverversion 1999 herauskam. Weiter geht’s mit dem Gesellschafts-Kapitalismus-Kritik-Hammer "Bruttosozialprodukt" der GEIER STURZFLUG-Band, FALCO darf mit seinem Lob-Hit auf WOLLE A. MOZART ("Rock Me Amadeus") nicht fehlen, undenkbar auch der Verzicht auf ANDREAS DORAU ("Fred vom Jupiter"), das dann kommt. Neben dem etwas klebrigen Gigolo-Macho-Charmebolzen-Chanson "Taxi nach Paris", ein weiterer Höhepunkt für mich in dieser Musikrichtung, der dem deutschen Teil der Welt von FELIX DE LUXE geschenkt wurde, fällt die INA DETER BAND mit dem pro-maskulinen "Neue Männer braucht das Land" positiv auf, ehe die Hupfdohle IXI uns "Der Knutschfleck" verpasst. Wer auf mitternächtliche obszöne Anrufe und schlaftrunken vor sich hinbrabbelnde Tiefstimmen-Frauen steht, die behaupten, mit "dem Typen von TRIO" zu telefonieren (man hört nur die eine Seite des Telefonats, nämlich die Dame) und den ziemlich herunterputzen, dem sei das ebenfalls auf der Zweier-Kompilation schon vorhandene "Hör ma (Sabine Sabine Sabine)" von DOMBROWSKI anempfohlen. Ungefähr in der Mitte der zweiten CD das größte witzige Highlight, Nummer 10. Dort fordert DAF zum lange fälligen Workout mit dem großen Ausdruckstanz "Der Mussolini". Textauszug:

Dreh dich nach rechts

Und klatsch in die Hände
Und mach den Adolf Hitler
Tanz den Adolf Hitler
Tanz den Adolf Hitler
Tanz den Adolf Hitler
Und jetzt den Mussolini

Beweg deinen Hintern
Beweg deinen Hintern
Klatsch in die Hände
Tanz den Jesus Christus
Tanz den Jesus Christus
Tanz den Jesus Christus

Kalt in multipler Bedeutungshinsicht geht’s mit "Eiszeit" von IDEAL weiter, meinem Favoriten dieser Band um ANNETTE HUMPE. Kalt, effizient der Sound, monoton und fast roboterhaft abgehackt ertönt die Stimme HUMPEs, ehe die COMBO COLOSSALE, kaum weniger unterkühlt, behauptet: "Puppen weinen nicht". Als es heiter weitergeht mit ZAZAs "Zauberstab", lädt schon das FOYER DES ARTS zum Exkurs "Wissenswertes über Erlangen" ein. Der Lokalpatriotismus geht mit dem einfach nur genialen "Sauerland" von ZOFF weiter (schön, diese vierbuchstabigen Bandnamen mit Z), die RODGAU MONOTONES warnen sogar, dass "Die Hesse komme!". Für den Ostteil des Landes, der eigentlich strenggenommen kaum etwas mit der NDW zu tun hat, tritt KARAT mit "Der blaue Planet" an, der besorgten Hymne, die thematisch einen in den 80ern durchaus real als potenzielle Gefahr in der Luft schwebenden Atomkrieg verarbeitet. JOACHIM WITT singt über ein Irrenhaus ("Goldener Reiter"), zum zweiten Mal ist mein Vornamensvetter mit am Start, mit "Kleine Taschenlampe brenn'", eh die gegen den Raubbau wider die Natur Partei ergreifende Naturschutz-Hymne "Karl der Käfer" mir als einem meiner weiteren Top-Favoriten eine GÄNSEHAUT auf die Arme und Beine zaubert und den Sack CD 2 zumacht.

CD 3 fängt mit dem schweinerockenden Ex-TON-STEINE-STERBEN-Frontschwein RIO REISER an, der ausführlich und absurd komisch seinen großen, zeitlos über sämtliche Generationen (auch meine) hinweg laufenden geilen Party-Über-Hit performt, in dem er sich episch und mit skurriler Phantasie ausmalt, wie es wäre, wenn er "König von Deutschland" wäre, ehe UDO LINDENBERG seine "Neuversion" eines alten MUSICAL-Songs (siehe Kompilationen-Kritiken) "Sonderzug nach Pankow" präsentiert, in der er sich darüber beschwert, dass er nicht in den geliebten deutschen Osten eingeladen wurde, von ERICH HONECKER. Später wurde er… Nummer 3 sind wieder die "Carbonara" (siehe CD 1) Freaks von SPLIFF, die hier beweisen, dass einem glatt "Das Blech" wegfliegt. UKW sind "total verschossen" in meine "Sommersprossen", derweil die SPIDER MURPHY GANG einen "Skandal im Sperrbezirk" wittert. Unvermeidlich NENA, nun schon mit ihrem dritten Ausflug ins Musikalische auf dieser CD, sie glaubt, "Nur geträumt" zu haben, weshalb die MÜNCHENER FREIHEIT mit ihrem nächsten Kracher "Ich steh' auf Licht" klarmachen, wie man (Alp-)Träume verhindert. KIZ (nicht zu verwechseln mit der Hass-Hip-Hop-Killercombo K.I.Z.) besuchen "Die Sennerin vom Königssee" und bringen uns dabei charmant nebenbei das Jodeln bei. HEINZ RUDOLF KUNZE schwört "Dein ist mein ganzes Herz", RELAX will nur "Radio hör'n", woraufhin NEUE HEIMAT "Ich bau dir ein Schloss" versprechen. MINISEX will dagegen nur mit dem Kfz raus ("Ich fahre mit dem Auto"), das hoffentlich, umweltkorrekt, mit Strom statt fossilem Brennstoff fährt. FEE ist zurzeit in "Amerika", EDELWEISS fordert: "Bring Me Edelweiss", am leichtesten zu finden natürlich "Am weißen Strand von Helgoland" (NIKO). STEPHAN REMMLER, Frontmann von TRIO, schließt das meisterliche Gesamtwerk mit "Keine Sterne in Athen" ab. Rundum zufriedenstellende Kompilation. Wow.

 

Die ultimative Chartshow – "Die erfolgreichsten Hits der Neuen Deutschen Welle" (2 CDs, 2007)

Die Annäherungsweise der CHARTSHOW, dem großen, knalligen, noch niveauärmeren und nervigeren TV-Format des SAT1-Konkurrenten RTL, dem mit dem blöderen Moderator (OLIVER GEISSEN) war immer schon, gelinde gesagt, anders als die der Hitgiganten. Die "Bravo-Hits für Erwachsene" wird hier durch eine "Bravo-Hits für die Unterschicht(en)" ersetzt, was keinesfalls allzu abwertend klingen soll. Doch die zumindest TV-Präsenz des Formats ist einfach so überkandidelt, übertrieben, die Gaststars dumm, doof und dreist, meist nicht lustig und zum Fremdschämen ideal geeignet. Vor einigen Wochen (Stand: Mitte 2020) schaute ich mir, für meine Verhältnisse ungewöhnlich, bis in die späte Freitagnacht/Samstagfrühe (bis kurz vor 4) die Wiederholung einer Folge aus der Hauptfernsehzeit an, aus Rücksicht auf LINCHEN, die diese Shows meistens ungern schaut. Das Konzept ähnelt natürlich dem der Hitgiganten: Show-Rahmen, ein paar Gäste (meist die B- bis Z-Prominenz des eigenen Senders, also bei "Hitgiganten" SAT1-"Stars", bei RTL eben deren Flachs-Promi-Abschaum), ein bisschen passend zum jeweiligen musikalischen Thema aufgebaute Kulissen und (insbesondere bei der Ultimativen Chartshow) dämlichen Party-Spielen und allerhand Spöks, den kein Schwein wirklich braucht. Dann werden bei der Ultimativen Chartshow 50 (seltener: 30), bei den Hitgiganten 30 beste Hits präsentiert, die bei Hitgiganten nach Gusto und Dafürhalten der Redaktion (und des Moderators?), bei der Ultimativen Chartshow von zwei Musikexperten nach irgendwelchen Kriterien wie Erfolg, Verkaufszahlen, Bekanntheitsgrad etc. (aber immer so, dass eine typische "Für jeden was dabei"-Mischung entsteht) ausgewählt werden. Die 30 bzw. 50 Plätze werden in den Shows natürlich nur häppchenweise gezeigt (mal zwei, mal drei, maximal vier hintereinander, natürlich in aufsteigender Reihenfolge von 50 zu 1 bzw. 30 zu 1). Das Konzept ist und war bei beiden Sendungen, dass die Songs nicht einfach ausschnittweise gezeigt werden, sondern ein Off-Sprecher interessante Nebeninformationen dazwischenquatscht wie ein Radiomoderator, dazu werden am unteren Bildschirm wie "Untertitel" Zusatzinfos eingeblendet. Das Nervigste bei beiden Formaten jedoch: Die eingeladenen Promis oder irgendwelche sonstigen Dödel, die für irgendwas "berühmt" sind (häufig fürs: Berühmtsein) quatschen da rein, wie sie das Lied finden oder woher sie's kennen oder wie sie über den Künstler/Interpreten denken oder was das Lied musikhistorisch bedeutet (Letzteres nur bei Herrschaften wie Richter ALEXANDER HOLD aus der gleichnamigen Gerichtssendung). Vielfach sind diese Kommentare von solch erlesener Doofheit, von solcher Einfalt und Null-Checkeristik, dass ich nur noch entnervt facepalmen kann.

Von dem allen abgesehen kommen die Kompilationen wesentlich erwachsener und reifer rüber, selbst und gerade wegen der ansprechenden Cover (gut, dieses stinkt nicht gerade nach Originalität). Hier widmet man sich also der NDW – und das ist eine wesentlich sinnvollere Sache als viele andere musikalische Zusammenstellungen der CHARTSHOW, über die ich immer gern die Nase rümpfe. Nun, anfänglich blieb es bei einem einzigen Sampler dieser Reihe ("Lovesongs"), später dann stockte ich mächtig auf. Von den vielen, die es gibt, habe ich nun insgesamt 12, eine ist diese, im Vergleich zu Hitgiganten immer noch wenig, da sind es immerhin 53 (und das sind längst nicht alle in der Reihe erschienenen).

Schauen wir uns dieses Werkstück also genauer an – und betrachten wir die Besonderheiten und Unterschiede zu anderen Kompilationen zum selben Thema!

Ausgerechnet NENAs berühmtes "Nur geträumt" befindet sich auf diesem Sampler, im Gegensatz zu den meisten anderen, nicht in der Originalversion drauf, sondern in einer "New Version" (laut Booklet), die 2002 aufgenommen wurde, als sämtliche NENA-Hits aus Jubiläumsanlässen von NENA-Bandmitglied und Produzent/Songtexter UWE FAHRENKROG-PETERSEN, der sämtliche NENA-Songs geschrieben hat, das ganze Repertoire einer Neues-Jahrtausend-Jahrhundert-kompatiblen-Aufbrezelung unterzogen, so auch dieses Lied, was dieser Kompilation sogar ein wenig Glanz verleiht. Auch "99 Luftballons" muss man in der umstrittenen Neu-Aufzucht ertragen, abgesehen davon, dass sich eine im Jahre 2005 remastered (also in der reinen Klangqualität verbesserter) Version von "Die Hesse komme" von den RODGAU MONOTONES auf CD 2 befindet. Des Weiteren hat sich ein erfrischender fauler Apfel zwischen die durch und durch NDW-Hits geschlichen. Mein Lieblings-Sauflied "Lieschen, Lieschen", ein etwas versauter, sexistischer Rockkracher der bayrischen Spaßkapelle DIE ALPENRAMMLER (hier ist Name fast Programm, ich habe jedoch noch ein weniger sexuelles Lied von ihnen auf einer anderen Sammlung, nämlich "Wunderbar"), mit dem ich beste Erinnerungen ans Ende meiner Pflichtschulzeit (Sommer 1999) verbinde. Der Song ist von 1998, also über 15 Jahre später als die heißeste Phase der NDW in der ersten 80er-Hälfte war. Dennoch könnte man diesen Song durchaus diesem Genre zuordnen, müsste es dann jedoch mit ähnlich gestrickten Saufliedern auch tun.

Abgesehen von den "üblichen Verdächtigen" der NDW, die Genre-Definierer sind, sind neben PETER SCHILLINGs großem Hit von ihm noch das eher aus der zweiten Garnitur stammende "Terra Titanic", FRÄULEIN MENKE ist diesmal nicht mit dem "Tretboot in Seenot", sondern unterwegs in "Hohe Berge". Zwei eher Schlager oder Deutschrocker kommen mit KLAUS LAGE BAND ("1000 und 1 Nacht (Zoom)!)") und HEINZ RUDOLF KUNZE mit "Dein ist mein ganzes Herz". STEPHAN REMMLER sieht "Keine Sterne in Athen", PURPLE SCHULZ hat hier nichts mit "Verliebte Jungs" am Hut, sondern ist traurig und einsam in "Sehnsucht". FALCO steuert einmal nicht seinen "Kommissar" bei oder verlangt von W.A. MOZART "Rock Me Amadeus", sondern bringt sein "Wiener Blut" zur Sprache. IDEAL sind nicht in ihrer "Eiszeit" unterwegs oder himmeln "Blaue Augen" an, sondern lobhudeln sich durch "Berlin", dem heutzutage Shithole des Landes, der einzigen "Hauptstadt, die einen negativen Einfluss auf den Rest des Landes hat" in "ganz Europa" (HENRYK M. BRODER). Sonst gibt es jede Menge der üblichen Perlen, die natürlich weiterhin schweineliebenswert sind. Eine würdevolle, würdige Sammlung solider Meisterwerke, eine der besten der CHARTSHOW.

 

Kneipenhits – "Neue Deutsche Welle" (2 CDs, 2001)

Die wohl eher kleine Plattenfirma "Rüssel Musikverlag GmbH", firmierend unter DISKY, wiederum teilansässig in den Niederlanden, bringt die KNEIPENHITS-Kompilationen heraus, ähnlich wie die HITGIGANTEN und die ULTIMATIVE CHARTSHOW zu verschiedenen musikalischen Gebieten. So geschehen auch hier bei dem NEUE DEUTSCHE WELLE-Hype. Auf zwei CDs versammeln sich zwar nicht besonders viele (insgesamt 30 Hits, also genau 15 pro Scheibe) der NDW-Schmankerl, doch sind hier alle relevanten versammelt. Die Auswahl bleibt leider überschaubar und berechenbar, da es sich größtenteils wirklich mal wieder um die "üblichsten Verdächtigen" handelt. NENA als Anfängerin der CD Nummer 1 (mit "99 Luftballons", was denn sonst?) ist ebenso unvermeidlich wie die FEHLFARBEN, die Furore mit ihrem zugegebenermaßen wirklich hammeraffenoberammagaudigeilen Hit "Ein Jahr (es geht voran)". Der unvermeidliche MARKUS startet CD 2 mit…na? "Ich will Spaß" natürlich. UKW folgen ihm mit "Sommersprossen", NENA muss auch noch einmal auftauchen mit "Irgendwie, irgendwo, irgendwann" und KLAUS LAGE BAND verirrt sich auch allzu leichtfertig mit einem Eigentlich-Schlager auf eine NDW-Sammlung ("1000 und 1 Nacht (Zoom!)"). Doch dann fallen positiv die Durchbrechungen des Konventionellen auf, auf dieser Sammlung wohl noch um einiges mehr als auf DIE HITGIGANTEN und DIE ULTIMATIVE CHARTSHOW. RHEINGOLD ist hier nicht mit seinem bekanntesten Stück "Dreiklangdimensionen" vertreten, sondern mit "Das steht Dir gut", SPLIFF sind ausnahmsweise keine "Carbonara"-Freaks, denen "Das Blech" wegfliegt (das "Nach-Köhler-Art" ist auf der zweiten Digitalscheibe), sondern pflegen hier ihr "Déjà vu". JAWOLL sind keine "Taxi"-Aficionados mehr, sondern pflegen ein "Rendezvous – Ich hab dich seit langem nicht gesehen". Gut, PURPLE SCHULZ badet in seiner "Sehnsucht", ZAZA zaubert den "Zauberstab" hervor, die SPIDER MURPHY GANG enthüllt den "Skandal im Sperrbezirk", begibt sich aber dann, auf CD 2, in die "Schickeria". UKW haut noch einen zweiten Song raus, "Hey Matrosen", einen dritten Volltreffer legen sie noch mit "Ich will" hin, der Trotzhymne einer ganzen Generation. Erfreulich sind einige Neueinspielungen aus dem Jahr 2000 (2001 ist diese Sammlung herausgekommen), zu diesen gehören die Klassiker von FALCO ("Der Kommissar 2000"), GEIER STURZFLUG ("Bruttosozialprodukt 2000"). Ganz neu sind hier: FUX mit "Überdosis Glück", PROFIL mit "Berühren", das Lied "Codo" mal nicht von DÖF, sondern ET CETERA (welch Name!) – und ein weiteres Highlight von FEHLFARBEN ("14 Tage"). Die große sog. "Hitrevue" von GEIER STURZFLUG, aus ihren fünf größten Hits bestehend, beendet CD 2 und somit die ganze Show mit einem Knalleffekt. Ja, ich mag diese sympathische kleine Kompilation! Wowzi, toll!

 

Fetenhits – "Neue Deutsche Welle" (2 CDs, 1998)

Wie so oft, wenn man einen FETENHITS-Sampler kauft, kriegt man eine ordentliche Ladung spitzenmäßiger, hervorragender Songs für sein somit sinnvoll investiertes Geld. So routiniert perfekt auch bei dieser Zusammenstellung, die zwar nicht vor ganz und gar unkonventionellen randständigen Songs der NDW glänzt, sich schon, wie die meisten Kompilationen, auf die großen Klassiker verlässt (siehe etwa die Auswahl der einschlägigen, berüchtigten Künstler, dem Who-is-Who der NDW auf dem Cover), nichts wird dem Zufall überlassen.

Und doch geht allein das Cover schon frische Wege, enthält es doch (siehe Textfeld über diesem Text), im Gegensatz zu so vielen anderen, eher schlicht gehaltenen (man vergleiche die der beiden HITGIGANTEN- und den KNEIPENHITS-Sampler) Umschlagbildern eine Menge mehr Potenzial für den neugierigen Griff. Übrigens ist dies die erste Kompilation eines tatsächlich Zweiteilers bei der Reihe (den zweiten werde ich mir langfristig gebraucht erstehen).

Und die nicht überall vorhandenen Hits sehen zuerst genannt: GEIER STURZFLUG, bekannt für linkspolitisch-sozial- und gesellschaftskritische, launige Lieder und Protestsongs und ironische Ausflüge, die man leicht ernstnehmen und damit falschverstehen kann ("Bruttosozialprodukt", "Pure Lust am Leben"), steuern hier gleich direkt auf Europa: "Besuchen Sie Europa (solange es noch steht)", lautet ihr in einen Liedtitel transferierter Sponti-Spruch – und versteht man Europa nicht als Kontinent, sondern ein Konglomerat sich gegenseitig kräftig in den Brei scheißender, immer mehr Kompetenzen an das bürokratische, autokratische Monstrum von EU abgebenden Länder, die sich gegenseitig in die Schuldenfalle schicken und mit überwiegend deutschem Steuergeld und all dem ficken, das mal heilig und unantastbar war, könnte man meinen: Ja, die EU wird wohl zusammenbrechen, nicht mehr "stehen", denn viele setzen den Kontinent mit dieser ursprünglich guten, zu etwas Schrecklichem pervertierten Idee von EG, dann EU gleich. Und alleiniges Vertrauen auf Europa ist insofern töricht wie verrückt! Der BREXIT spätestens hat gezeigt, dass das gesamte Konstrukt unter seinem eigenen Gewicht zusammenbrechen wird – früher oder später. Eine Frage der Zeit – ich werde abwarten – und diesen Soundtrack dabei hören…Als weiteres Highlight, das man nicht überall hat, ist die SPIDER MURPHY GANG mit "Schickeria", dann MARKUS mit "Schön sind wir sowieso" (Letztere Behauptung hätte ich gern einmal bitte untermauert von Experten… HUBERT KAH will des Weiteren "Einmal nur mit Erika… (dieser Welt entflieh'n)", JOACHIM WITT gibt den verantwortungsvollen "Herbergsvater" mit viel "Tri Tra Trullala" – und auch hier sind die ALPENRAMMLER als finales Schmankerl am Ende der zweiten CD mit am Start: "Lieschen, Lieschen", immer wieder, nicht totzukriegen, diese Durch-die-Hecke-zieh-Hymne für den BALLERMANN 1.0 (jetzt wohl nimmer). Sonst kennt man die Prozedur, wie jedes Mal: "99 Luftballons" (NENA) fliegen hoch zu "Major Tom", der "völlig losgelöst" über den "Sternenhimmel" (HUBERT KAH) Richtung "Fred vom Jupiter", der mit seinen "Sommersprossen" (UKW) wie ein Lausbub aus "Berlin" (IDEAL) aussieht, dessen "Blaue Augen" IDEAL verzaubern, während die "Sennerin vom Königssee" (Kiz) mit "Rosemarie" (wiederum HUBERT KAH) zum Nordpol surft, um den "Eisbär" in der GRAUZONE zwischen der "Terra Titanic" und dem "Bruttosozialprodukt" (PETER SCHILLING, GEIER STURZFLUG) um Rat wegen hoffnungsloser "Computerliebe" um Rat zu fragen, da "die Module verrückt spielen" (PASO DOBLE, gecovert von KRAFTWERK). Tja, NDW ist sowieso das Beste! Keine Widerrede!

Sampler "NDW 2" (1 CD, keine Jahresangabe)

Das Cover ultraschlicht, ein wenig wie lieblos dahingeklatscht, kommt auch dieser Sampler rüber. Es ist einer von mehreren des Musiklabels KARUSSELL, einer kleinen POLYGRAM-Tochter aus Hamburg, die da erschienen sind – und es gibt auf der schmucklosen CD ohne weiteres Booklet, mit bloßem Cover, alles kleingeschrieben auch noch, auch Eigennamen, in zwei Farben, zur Unterscheidung – ein paar Hits, die aber eher unbekannter Weise existieren. Hier hat man also mehrere einzelner Stars der NDW, angefangen mit HUBERT KAH, der gleich viermal dabei ist: "Sternenhimmel" (noch bekannt), "Engel 07", "Du bist so schön" und, als ob er den Rachen niemals vollkriegen könnte: "Einmal nur mit Erika". STEPHAN REMMLER sieht "Keine Sterne in Athen", JAWOLL laden zum "Rendezvous", GROBSCHNITT verorten "Schweine im Weltall", TRIO liegen mit "Drei Mann im Doppelbett", trinken dazu "Bommerlunder" (nicht den eisgekühlten, das waren DIE TOTEN HOSEN), NIKO trifft sich dazu "Am weißen Strand von Helgoland" mit "Die Sennerin vom Königssee" (KIZ), während FRÄULEIN MENKE patzig erwidert: "Ich hol' doch keine Brötchen". Schöne kleine Kompilation. Nur klein.

 

"NDW Superstars" (2 CDs, 2019)

Das Covermotiv, bestehend aus lauter Audiokassetten in allen Farben hätte natürlich genauso gut für andere Musikrichtungen gepasst: 80er im Allgemeinen, denn in den 1980er Jahren nutzte man noch sehr ausgiebig Audiokassetten. Aber auch eine 90er-Kompilation hätte es sein können, denn in den 90ern erlebte man eine Weiterverwendung der Audiokassette, gern stellte man sich selbst Mixtapes zusammen, gern auch für den Schwarm, in den man hoffnungslos verknallt war. Man nahm seine Lieblingssongs auf, in der Hoffnung, dass die Flamme sie auch mögen würde. Die meisten Audiokassetten hatten eine Gesamtspielzeit von 90 Minuten, ab und zu wurden auch 60-Minuten-Bänder verwendet. Also 45 respektive 30 Minuten pro Kassettenseite (man musste dann ja immer wieder umdrehen), Verschleiß (mechanischer) und Bandsalat waren ständige Gefahren. Ich persönlich stellte viele Hundert Audiokassetten zusammen, da ich damals, mit eher übersichtlichem Taschengeld, mir seltener die sauteuren CDs leisten konnte (einen günstigen Musikdealer wie ANDRÄ hatte ich damals nicht in meiner Nähe, außerdem gab es solche Läden noch kaum), mir immer CDs aus der Bücherei lieh, die ich dann auf Audiokassetten überspielte. Aus dem Radio schnitt ich ebenfalls, wie viele meiner Generation, vieles mit, oft stundenlang. Einige digitalisierte Inhalte der wenigen Dutzend Audiokassetten, die ich noch behalten habe, bestehen aus alten Comedy-Formaten meines alten Favoriten-Radiosenders EINSLIVE. "Home Taping" killte nicht die Musik, doch ich hatte zu viele solcher Kassetten. Aus Platzgründen musste ich… Eine Zeitlang gab es übrigens die 120-Minuten-Kassettenbänder, wobei diese (mit immerhin 60 (!) Minuten pro Seite) aus dünnerem Band und damit gefährdeter waren, zu verschleißen oder dem Bandsalat zum Opfer zu fallen – und mit einem deutlich saftigeren Kaufpreis waren sie kaum erschwinglich. Dennoch: Es waren coole, saumäßig abgefahrene, aufgeweckte Zeiten! Nun ist es leider aus. Die 80er sind rum, die 90er sind rum. Das war's.

Dieser jüngste Sampler ist der mit Abstand neueste in meiner Sammlung. Beim Stöbern im CD-Regal bei ROSSMANN (im Gegensatz zum größten Konkurrenten DM verfügt der ROSSMANN meist über eine überschaubare Auswahl an Musik- und Hörspielkassetten, meist auch Sampler-Sammlungen, also z.B. die Reihe "100", von der ich für extrem günstiges Geld "100 Rockhits" und "100 Flower-Power-Hits" erstehen konnte. Diese hier ist die erste zur NDW, die mir positiv in die Augen gesprungen ist. Nun, worum handelt 's sich? Zwei CDs, leider nicht ganz gefüllt (nur 15 Songs pro Seite, also "nur" insgesamt 30), einige Klassiker, doch überraschend viele schöne Außenseiter, die ich bisher noch nicht auf CD hatte.

INGRID PETERS flieht rein imaginär-musikalisch nach "Afrika", also die umgekehrte "Flucht"-Route der jungen, starken Männer, die jetzt in Massen kommen. "Neue Männer braucht das Land" hätte INA DETER gesagt, doch die ist nicht mit dabei hier. IDEAL bleiben weiterhin im Inzwischen-Shithole "Berlin" (naja, das Lied gab's öfter, siehe oben), dafür gibt es das HONGKONG SYNDIKAT (hört sich gefährlich an), das zum Tanz bittet, zum würzig-scharfen "Samba Olec" (wie das Gewürz, nur ein bisschen anders geschrieben), FEE hat diesmal nicht nur was an "Amerika" (CD 2) zu mäkeln, sondern begibt sich zunächst ganz seriös in den "Wahnsinn" (nicht zu verwechseln mit "Wahnsinn (Hölle, Hölle, Hölle)" von WOLFGANG PETRY), CLOWNS & HELDEN haben mit "Ich liebe Dich" auch erst auf CD Nummer 2 was am Hut, sie begeben sich erstmal unter "Die Spieler" – womöglich bei HYPERINO ("Hyper, hyper"-SCOOTERs H.P. BAXXTER ist jetzt im Werbespot zu sehen) – aber nur für Spieler aus Schleswig-Holstein…JOACHIM WITT ist so besoffen (Fachterminus: blau), dass er wohl Märchen sieht – oder einfach märchenhaft blau ist, in "Märchenblau". Nach der "Eiszeit" von IDEAL, die wir schon ein wenig kennen, fällt SCALA 3 auf: "Ich glaub, ich träume". KLAUS LAGE besitzt die Frechheit oder verschmitzte Chuzpe, einen alten BEATLES-Klassiker ("I Am The Walrus") zu covern, natürlich fachgerecht übersetzt in "Ich bin das Walross". Chapeau! CLOWNS & HELDEN, die hier insgesamt dreimal (!) vertreten sind, beschließen die erste CD mit "So wie sie ist".

Die zweite CD beginnt etwas kindgerechter: "Tri Tra Trulala (Herbergsvater)" singt JOACHIM WITT wiederum (auf der ersten CD ist er mit seinem bekanntesten Werkchen "Goldener Reiter" (über eine Irrenanstalt), INTERZONE finden, dies sei doch ein "Kinderlied", woraufhin DER PLAN zum "Gummitwist" einlädt. Doch die Albernheit findet ein rasches Ende: IDEAL führen weiter hinter den düsteren Depressionsvorhang, sie spüren die "Monotonie" – und zwar "An der Nordseeküste" von KLAUS & KLAUS, wo FALCO "The Sound Of Musik" präsentiert, CAMILLA MOTOR "Abhaun' (Der Motor läuft schon)" wollen, PASO DOBLE allerdings eher nur in die "Fantasie", schließlich wollen sich DIE KRUPPS mit "Goldfinger" treffen. Letzteres ist keine genaue Coverversion des SHIRLEY-BASSEY-Songs zum gleichnamigen Film… Als auch das HONGKONG SYNDIKAT nach "Berlin" will, breche ich lieber ab. Eine schöne Kompilation, die noch einige letzte NDW-Überraschungen für mich bereithielt. Und das bei einem Drogerie-Discounter, und das in einem kleinen CD-Regal dort!

 

Indirekte NDW – Sonder-Sampler mit deutsch(sprachig)en Hits:

Sampler – "100 Pro Deutsch" (2 CDs, 2006)

Deutschsprachige Musik – tja, eine Sache für sich. Deutschland- und Deutschenhasser, selbst meistens Deutsche, sind wahrscheinlich nicht begeistert, betrachten sie doch alles als "Deutschtümelei", das auch nur ein wenig wie die Sprache klingt, die sie selbst sprechen. Doch die rolligen Ratter-Punkbands, die diese Antifa-Schnösel und Co. hören, "singen", vielmehr grölen/grummeln auch auf Deutsch. Gäbe es keinen Markt für Liebhaber des vielfältigen deutschen Liedgutes, das im Laufe der letzten 7,5 Jahrzehnte der Nachkriegszeit entstanden ist, gäbe es wohl nicht solche Sampler, die auch noch, provozierend, den absoluten Namen "100 Pro Deutsch" tragen – ein harter Trigger für die Deutschlandhasser-Fraktion. Doch die Vielfalt, die hier vertreten ist (siehe Coverfotos), sucht ihresgleichen. Und das Schöne ist (was ich erst beim weiteren Googeln herausgefunden habe), dass es von dieser Kompilation noch eine zweite Folge gibt. Doch bleiben wir bei dieser hier. Wie auf dem Cover bereits zu sehen ist, wechseln sich hier altgediente Ex-DDR-Bands wie KARAT aber auch Post-Wende-Ost-Bands wie ROSENSTOLZ, der unvermeidliche "Intellektuell"-Wessi HEINZ RUDOLF KUNZE und sogar internationale Legenden wie DAVID BOWIE und PETER GABRIEL ab. Zu sehen auch der sympathische Schmusesänger ADEL TAWIL (der ein wenig wie XAVIER NAIDOO klingt, nur heller), der sich vor etlichen Jahren mit ANNETTE HUMPE (Ex-IDEAL), einer Ikone der NDW, zu ICH+ICH zusammengetan hat, der würdig gealterte Sängerknabe REINHARD MEY, SILBERMOND (ausm Osten) und sogar die Schmeichel-Chansonsängerin ANNETT LOUISAN.

Handeln wir zunächst ab, was an dieser Kompilation lupenrein NEUE DEUTSCHE WELLE ist (außer das Vorhandensein von Ex-NDW-Stars, die in anderen Bands aufgehen, siehe ICH+ICH): CLOWNS & HELDEN fangen die erste der zwei CDs mit "Ich liebe Dich" an, die RODGAU MONOTONES sind diesmal nicht mit "Die Hesse komme!" vertreten, dafür gleich zweimal: Auf Position 3 der ersten CD mit "Ei gude Wie", auf Position 5 der zweiten CD mit "Volle Lotte". Und als ob das nicht schon oberhammeraffengeilomatcheckergold genug wäre, hören wir einen weiteren Ex-NDW-Star: NENA bringt eines ihrer großen Comeback-Lieder von Mitte der 2000er: "Liebe ist", EXTRABREIT performen gemeinsam mit HILDEGARD KNEF den alten Gassenhauer der Ex-Film-Diva, "Für mich soll's rote Rosen regnen", GEIER STURZFLUG empfinden immer noch die "Pure Lust am Leben", PETER SCHILLING beschwört seinen "Major Tom (völlig losgelöst)", PURPLE SCHULZ hat "Sehnsucht" und KLAUS LAGE BAND hat "1000 und 1 Nacht" voller Schäferstündchen Zeit, bis es "Zoom macht", wie es so schön im Lied heißt. Doch auch die 90er beweisen hier ihre Präsenz und zeigen deutlich auf, dass die NEUE NEUE DEUTSCHE WELLE (oder NEUE DEUTSCHE WELLE 2.0) der 2000er nicht unbedingt die einzige Phase mit geiler deutschsprachiger Musik gewesen sein muss: ACHIM REICHEL schluffelt sein altbekanntes "Aloha Heja He" (1991), CREME 21 covern in punkig-flotter Rockmanier RUDI CARELLs "Wann wird's mal wieder richtig Sommer", CINEMATIC lassen HEINZ RÜHMANN & OLIVER GRIMM wiederauferstehen (mit Ausschnitten aus dem Film "Wenn der Vater mit dem Sohne"), in dem mit modernen Beats unterlegten "Unser Lied (LaLeLu)" und AYMAN rettet als knuddeliger Kuschelbär mit "Mein Stern" die 90er in die 2000er hinüber. Die 2000er, die goldene Ära Nummer 2, was deutsche Musik anbelangt, kommt hier mit REVOLVERHELD und ihrem "Freunde bleiben" daher, ECHT legen einen Kickstart der 2000er mit ihrer RIO-REISER-Coverversion "Junimond" im Jahr 2000 hin, SILBERMOND säuseln sentimental-kitschig eine "Symphonie", PAUL VAN DYK und PETER HEPPNER gniedeln sich durch die deutsche Selbstbewusstseins-Hymne "Wir sind wir" in Pathos und mit viel Liebe, COWBOY23 nutzen die "Gelegenheit", "Jetzt ist Sommer" zu sagen (WISE GUYS), EDWARD REEKERS frohlockt daraufhin "So schmeckt der Sommer", WOLFSHEIM (ein Musikprojekt, das ebenfalls unter PETER HEPPNERs Mitwirkung besteht) sehen "Kein Zurück", BAP, die urkölsche Deutschrockband, entdeckt hier in ihrem "Aff un zo" (vermutlich: "ab und zu" auf Hochdeutsch) den relaxten Sommer-Reggae für sich, BOPPIN' B, die Rockabilly-Rock'n'Roll-Band des neuen Jahrtausends, grüßen "Bye bye" und die SÖHNE MANNHEIMS meinen "Und wenn ein Lied". ANNETT LOUISAN hat ein Problem mit einer Person namens "Eve", die sie mit "Na, Eve?" grüßt…Ein imposantes, hörenswert-witziges Wortspiel mit Wörtern, die auf "iv" enden, beginnt…

Eine brillante Kompilation, die bunteste Mischung soweit, die es geben kann. Deutsche Musik hört sich schön an und ist wunderbar.

 

Sampler – "Über sieben Brücken musst du geh'n – Die stärksten Songs aus Ost und West" (1 CD, 2003)

Mit gerade einmal zwei direkt und eindeutig der Neuen Deutschen Welle zurechenbaren Liedern ergibt sich bei 19 Songs insgesamt ein Wert von 10,53 Prozent (auf die zweite Nachkommastelle aufgerundet). Doch dieser Sampler, der deutsche Schlager und Hits aus der Ex-DDR, also das enthält, das man später gern unter dem Begriff "Ostrock" subsumierte, ist die perfekte Melange uriger deutscher Liedkunst, die sich parallel entwickelte, im Osten und Westen in unterschiedlichen Richtungen, auch thematisch. Während die DDR-Bands ein gewisses subversives Songschreib-Talent mit subtiler politischer Botschaft entwickeln mussten, konnte man in der BRD, jenem sagenumwobenen Deutschland-West, unpolitisch süßliche Schunkel-Blödellieder kreieren. Natürlich gab es auch die reine Fröhlichkeit in Songs auf beiden Seiten. Beginnen indes kann dieses Werk nur eigenwillig, nämlich mit dem lange posthum Wiedervereinigung veröffentlichten "Im Osten" von NIEMANN (2001), ein Loblied auf den Osten Deutschlands, in dem die Dinge irgendwie besser sind und besser laufen (angesichts der desolaten Lage im Westen seit Bestehen sperrangelweit für die gesamte Dritte Welt offenstehender Grenzen seit 2015 ff. kann dies nur bestätigt werden). UTE FREUDENBERG, ebenfalls aus der ehemaligen DDR, freut sich über "Ein Tag wie heut", KARSTEN SPECK, Ex-Ostler, findet auch, "Heut liegt was in der Luft". Ein weiteres Ost-Schauspiel- und Sanges- sowie Unterhaltungsschwergewicht namens MANFRED KRUG betritt dann die Bühne – mit einem schönen Gruß nach Bochum, mitten ins Ruhrgebiet, wo der HERBERT, der GRÖNEMEYER (heutzutage GRÖLEMEYER, da er ziemlich genau vorzugeben gedenkt, "wie das in unserer Gesellschaft zu laufen hat", es gar "diktieren" will) wohnt: Eine Slo-Mo-Coverversion des größten 80er-Hits des HERBERT G. in gepflegtem Ambiente (von der Instrumentierung her), wo KRUG sanft säuselnd "Männer" interpretiert. FRANK SCHÖBEL indes versucht sich lieber an einer dieser peinlichen eingedeutschten Versionen eines englischen Klassikers, in diesem Fall "Without You", das wir in bekannten Versionen von NIELSSON (70er) und MARIAH CAREY (90er) kennen, das aber ursprünglich von BADFINGER geschrieben und komponiert wurde, das hier natürlich mit "Ohne dich" übersetzt wird. Das Fernsehballett des MDR setzt derweil eine der zahlreichen Lobeshymnen an das Inzwischen-doch-recht-arg-Shithole Berlin in Szene ("Berlin-Berlin"), KARAT dürfen ihre bekannteste, in Song gegossene Philosophie-Abhandlung "Über sieben Brücken musst du gehen" bringen, woraufhin wir für den Mittelteil den Osten der Republik nun gänzlich verlassen und von Westen Herr UDO LINDENBERG mit "Sonderzug nach Pankow" tröten hören, NENA mit ihrer unvermeidlichen Anti-Kriegs-Hymne "99 Luftballons" (sooo dicke Eier!), MARKUS (ich kann's nicht mehr hören!) "Ich will Spaß" fordert, die MÜNCHENER FREIHEIT ihr schönstes Lied bringt diesmal, nee, nicht "Ohne Dich (schlaf' ich heut Nacht nicht ein)", sondern "Tausendmal Du". Zack, NINA HAGEN bringt ihre deutsche "Neuversion" von "White Punks On Dope", nämlich "TV-Glotzer" ("Ich glotz TV!"), dann die "OSTALGIE-RARITÄTEN", wie der letzte Teil, das letzte Drittel der Titelliste überschrieben ist, also Track 13 bis 19: EKKI GÖPELT (wer göbelt da nicht im Chor?), SIMONE CHRIST, DIE FÜRSTEN (erinnern an DIE PRINZEN), UTA BRESAN, BIANCA GRAF und ELKE MARTENS bringen hier ihre schlageresken Fresken in Wort-und-Gesangsform, eh HERBERT KÖFER mit dem launig-lustigen Schelmenstück "Schall und Rauch" über seltsame Nachnamen räsoniert. Eine geile Ostalgie-Kompilation, die bis zur letzten Patrone, dem finalen Song, große Gaudi macht, da bleibt keine Lachträne versteckt, da ist nichts verborgen als pure West-Ost-Versöhnung, die schon auf dem Cover angedeutet wird: VW-Käfer und TRABANT (TRABI) stehen nebeneinander, gleichberechtigt als Partner!

 

Ronny's Pop Show – "Die deutsche Pop Rock Hip Hop-Sonderausgabe" (Extra Spezial) (2 CDs, 1993)

Hätte man es so gewollt, hätte es irgendwelche Bemühungen gegeben, in diese Richtung weiterzugehen, zu forcieren, was eine zweite Neue Deutsche Welle (NDW 2.0 hätte werden können, wäre diese Zusammenstellung die perfekte dafür gewesen. Anfang und Mitte der 90er (und selbst in der zweiten Hälfte) gab es schon längst die Vorläufer dessen, was in den 2000ern dann mit einer Art N-NDW (einer neuen Neuen Deutschen Welle gewissermaßen), vorsichtig ausgedrückt, umso stärker zum Vorschein kam: Die Sehnsucht der Deutschen nach mehr Musik in ihrer eigenen Sprache. In den 90ern gab es durchaus etliche zumindest im deutschsprachigen Raum erfolgreiche Lieder und Künstler, die in den heimischen Charts erfolgreich waren. Abgesehen von der Band HUAH! mit ihrem Album "Scheiß Kapitalismus" (siehe Album-Besprechungen 2014-2020), die in den frühen 90ern damit eine Art "Spätgeburt/Nachgeburt" der NDW hervorbrachten, findet sich auf dieser Sonderedition der berühmten Sampler-Reihe (der auch eine Sendung zugrunde lag)

Mit dem Affen RONNY, RONNY'S POP SHOW (im Deutschen wäre das Apostroph weder vor noch hinter dem S wirklich nötig, denn es dient schon als Steigerung von Namen, die nicht auf S enden) Einiges, das man mit Fug und Recht zum besten deutschen Liedgut zählen könnte. Ähnlich wie die NDW (mit der dieser Sampler jedoch strenggenommen überhaupt nichts mehr zu tun hat) wird hier ein bunter Reigen skurriler, teils politischer, teils gesellschaftskritischer und teils einfach lustiger Nonsens-Lieder vorgetragen, vielfach haben wir es auch thematisch mit dem zu tun, was in den 90ern mehr als in den 80ern bewegte: Beziehungskisten und die damit verbundenen Verwerfungen und Fallstricke. Ähnlich wie in der Comedy, diesem sagenhaften Boom, der in den 90ern ebenfalls aufkam, Thema hauptsächlich: Mann & Frau (weitere Geschlechter hatten sich noch nicht in den Mainstream hineingefressen). Hier sind versammelt: Insgesamt immerhin 25 Lieder, leider nur 14 auf der ersten, 13 auf der zweiten CD, doch die haben es in sich! Ein verloren geglaubter Spirit der NDW wird ins quasi nächste Jahrzehnt (das letzte vor dem großen Boooom, der großen 2 vor der Tausend) gerettet.

Den Beginn bestreitet hier HAPE KERKELING, der große deutsche Komiker, im Gespann mit dem hessischen Kabarettkunst-Urgestein HEINZ SCHENK, mit einer Nummer, die aus dem Mediensatire-Film "Kein Pardon" frisch im selben Jahr des Sampler-Erscheinens (siehe oben: 1993) mit den beiden Komikern in der Hauptrolle, entnommen ist: "Witzischkeit kennt keine Grenzen" (sic!) ist ein fetziges, fröhliches und extravagantes Lied, das später den Rappern DIE FANTASTISCHEN VIER Platz macht, die in ihrem "Saft" über den Austausch von Körperflüssigkeiten zwischen den Menschen räsonieren, wenngleich auf sehr witzige Weise, mit Soundmemes aus der SLIM-FAST-Werbung ("mmh, köstlich") und der deutschen Synchronfassung des ersten Teils von "Die nackte Kanone"/"The Naked Gun"… Nach dieser Geschmackssache im wörtlichen Sinne, lassen DIE PRINZEN ihre politisch brisante "Bombe" platzen, der Rock-Pop-Nummer, in welcher sich der Lyrikus imaginiert, eine Bombe zu sein, die immer dann detoniert, wenn die Menschen etwas Unsinniges oder Gemeines tun. Wenn sie:

- ihr Essen wegschmeißen

- auf einer Party nichts läuft, außer dass sich jeder besäuft

- wenn in der ersten Nacht auf Safer-Sex (per Gummi) verzichtet wird

- alles vollgemüllt wird

- Frauen den Männern immer, wenn Letztere mal lieb sind, immer gleich die Triebsteuerung unterstellen

- Eltern ihre Kinder hauen

Natürlich darf die Nazikeule nicht fehlen, diesmal geschwungen gegen echte Nazis, Neonazi-Glatzen, die in den frühen bis mittleren 90ern leider allzu präsent waren. So stimme ich dieser Nazi-Strophe (damals wohl in solchen Songs obligatorisch) vollkommen zu, schließlich schreibe ich keine "hohlen Naziparolen" an Häuserwände, nenne niemanden Kanaken (jedenfalls nicht ohne triftigen Grund und ohne seine Sprache zu kennen), will nicht jedem in die Fresse hauen (das ist nicht unbedingt ein Alleinstellungskriterium der Neonazis) und hab auch sonst mit der Springerstiefelfraktion nichts am Hut. Blöd, dass man das heute sagen muss. Genauso wie es kaum noch vorstellbar ist, dass es mal, in den 2000ern, als der Hype um deutschsprachige Musik erfreulicherweise wieder stark an Fahrt aufnahm und viele qualitativ noch hochwertige Songs gemacht wurden, die nichts mit dem pseudointellektuellen Gewäsch heutiger Gemeinplatzverteilungs-Sangesbarden zu tun haben, sogar Diskussionen um eine Deutschquote im Radio gab. Heute würde diese Quotenforderung ungerechterweise als "Rassismus" oder "Deutschtümelei" oder "Nationalismus" oder ähnlicher Blödsinn verschrien, während alle anderen Arten von "diskriminierenden" oder tatsächlich benachteiligenden Quoten wie Migrantenquoten, Frauenquoten oder Besonders-beschissene-Elektropampen-Musik-Quoten frenetisch jubelnd begrüßt würden. Schade eigentlich, dass alles in sirupklebriger Politkorrektheit versinkt – rettungslos.

Auf dieser Kompilation ist das zum Glück nicht der Fall, die kommt so anarchisch daher, möchte man meinen, dass es eine wahre, tiefgehende Freude ist! Mit Euphorie erfüllt mich die deutsche Version der frechen, "sexistischen" sexy Reggae-Nummer von 1991, dieser von INNER CIRCLE (einer sehr sympathischen jamaikanischen fünfköpfigen Combo) schwitzig-peppig inszenierten Gute-Laune-Sommernummer "Sweat (A-la-la-la-la-long)", mit Runzeln vom vielen Schmunzeln: "Breit" (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Song von DIE ÄRZTE, 2007 auf ihrem Album "Jazz ist anders" erschienen) wird von INNER KNEIPE (hihi) gesungen, ein Typ, der in breitem Tonfall von seinem Vollsuff erzählt, mit den klassischen Problemen, dass der "Wirt ein Arschloch" ist, "der gibt mir nichts mehr". Und dann ist er breit, so breit…

Apropos deutsche/Neuversionen von Liedern: DIE GALAKTISCHEN 2 machen es mindestens so gut wie DIE LASSIE SINGERS. Erstere kontern den großen Durchbruch-Hit "Die da?!" von DIE FANTASTISCHEN VIER mit "Der da". Die Damen drehen den Spieß um: Während im Original zwei Kerle sich von ihren neuen Freundinnen erzählen und davon, wie sehr die neue Beziehung die Geldbörse leert ("Wem sagst du das, ich bin schon wieder blank – doch dafür hat meine jetzt neue Klamotten im Schrank"), stellt sich am Ende heraus, dass "die da, die freitags nicht kann" dieselbe Frau ist, bei beiden. Die promiskuitive Schla…ue Frau fährt also mindestens zwei-, nein dreigleisig: "Und wer ist dieser Mann? Ich glaub, das ist der Grund, warum sie freitags nicht kann!" – Die beiden Damen hier, die GALAKTISCHEN 2, spielen sich die Bälle noch ein wenig knackiger und lustiger zu, der Beat und die Synthis sind um einiges zackiger und eingängiger als das Original. Sie haben (mal wieder) von ihren jeweiligen Typen genug, ziehen los: "Denk an den Aufriss, is' der da nicht ganz nett?!" – Und genießen ihre Frauenfreundschaft und das Leben als ungebundene Singles, die sich sporadisch mit Kerlen einlassen, die, wie könnte es anders sein, wiederum auch mehrere Eisen im Feuer haben… Geiler Song. Die erwähnten LASSIE SINGERS (die noch viel bekannter sind und von denen mir noch mehrere Songs auf diversen Compilations zugeflogen sind) parodieren einen alten PETER-MAFFAY-Song, nämlich "Du", MAFFAYs ersten Erfolgssong. In "Ich" wird zu diesem Zweck weitestgehend nur das Wörtchen "Du" durch "Ich" ersetzt. Eine kleine grammatikalische Formalität, von zweiter Person Singular zu erster. Als deutsche Neuversion ausufernden Ausmaßes darf auch OTTFRIED FISCHERs perfekte Parodie auf "I'm Too Sexy" der britischen Zwei-Mann-Group RIGHT SAID FRED, die Ohrwürmer am laufenden Band ablieferten, hier schlicht zu "Sexy" verkürzt (bitte nicht mit WESTERNHAGENs "Sexy", 1989, verwechseln), spricht auf des Schauspielers, Sängers und Kabarettisten korpulente Körpergestalt an, gegen die "STALLONE und SCHWARZENEGGER" "spindeldürre Stecha gegen meine Kraftpaketa" seien. Mit bayrischem Dialekt und Lokalkolorit gefärbter Song, der großen Spaß macht. Die wohl absurdeste, skurrilste "Neuversion", von der ich mir wünschte, sie wäre von mir gewesen (leider war ich damals, als diese Kompilation rauskam, noch ca. drei Jahre von meiner dichterischen Tätigkeit entfernt), stammt von der Saufliedkapelle NORBERT UND DIE FEIGLINGE (vermutlich spielt der Name auf den Feigenschnaps an, "Kleiner Feigling"): Zur Melodie von "Lady In Black" (URIAH HEEP) wird die Geschichte eines chronisch-manisch Marzipansüchtigen erzählt, der durch den exzessiven Konsum dieser legalen Droge ernsthafte Zahnprobleme bekommt und deshalb zum Zahnarzt muss. Als er sich dort in die Zahnarzthelferin verliebt, gibt es für ihn kein Halten mehr: Er muss einfach immer mehr Marzipan essen, noch viel mehr denn je zuvor, denn er möchte sie wiedersehen. "Mein Leid ist durch die Liebe motiviert", singt der Protagonist im Lied. Ähnlich wie im Original, wo viel "aaa-aaa-aaa-aaa" gesungen wird (statt lalala oder so), wird hier kurzerhand ein amüsantes Wortspiel daraus gemacht: Alles auf A: Blutgruppe: A, Krankenkasse: A…OK, Zahnschmerzen: aaaaaaa! Den Vogel schießt dann noch OSTBAHN-KURTI & DIE CHEFPARTIE ab: "Bertl Braun" ist eine lupenreine Anspielung/Verramsche von "Bobby Brown" (FRANK ZAPPA). Eigenkompositionen kommen von dem einzigen kleinen, vagen Lichtblick auf die NDW-Helden der SPIDER MURPHY GANG, die auf der ersten CD ein reizvolles Medley ihrer besten und größten Hits präsentiert, u.a. "Ich schau dich an", "Schickeria" und ihren bekanntesten Kracher "Skandal im Sperrbezirk". Eigenkompositionen gibt es selbstverständlich auch: DIE TOTEN HOSEN bringen ihren ersten, am "Uhrwerk Orange" orientierten Anti-Faschismus-Hit "Hier kommt Alex", die ABSTÜRZENDEN BRIEFTAUBEN schunkeln sich durch ihre flotte Punk-Pop-Sauf-Nummer "Pa-Pa-Paderborn", STEPHAN REMMLER (Ex-TRIO) fleht "Bittebitte Barbarella", auch PURPLE SCHULZ ist wieder zugegen, diesmal mit seinem weniger bekannten "Weitergehen". Also viele NDW-Altstars vertreten. KLAUS LAGE steuert "Der erste Kuß" (alte Rechtschreibung) bei, HEINZ RUDOLF KUNZE jammert "Leichter gesagt als getan", UDO LINDENBERG und NINA HAGEN tun sich für die musikalische Schmonzette "Romeo & Juliaaah" (sic!) zusammen, LUNA LUNA fordert "Küss mich" und SISSI PERLINGER (später auch bekannt als Kabarettistin) singt kosenamend über "Püppi", NDW-Kultikone NENA bringt ihr eher lahmes "Was dann" (in den 90s hatte sie sowieso nur einige halbgare Rohrkrepierer wie etwa das anderweitig befindliche "Mecka nich'"). DIE FANTASTISCHEN VIER bringen auf CD 2 ein wesentlich niveauvolleres Lied, das sehr meditative, chillige Summer-Chill-Out-Söngchen "Lass die Sonne rein", das nur noch vom "Tag am Meer" (noch meditativer) derselben Band übertroffen wird. Ein Gute-Laune-Song, der zur guten Laune auffordert. Wer könnte widerstehen? Mit einem weiteren Medley, diesmal der PRINZEN, endet der Sampler, mit unter anderem ihren damals bekannten Hits "Gabi und Klaus", "Mein Fahrrad", "Millionär", "Mann im Mond" – "Alles nur geklaut" – Song und Album kamen ein Jahr später (1994). Affengeil, diese Sonderausgabe, insbesondere die Covergestaltung überzeugt auf ganzer Linie, der Inhalt ist aber auch der affengeile Affenzirkus deluxe.

 

Und das, liebe Leser, waren sie, die größten Stars auf den größten Kompilationen zum Thema NEUE DEUTSCHE WELLE. Wer auf mehr von dem geilen Stoff steht, kann mich gern fragen und sich bei mir die tollen Kompilationen mit mir gemeinsam anhören. Sie sind phantastisch!

Auf Wiedersehen und bis bald.

 


Außer der Reihe. Es ist ein wenig schade, dass es bei E-stories unter KURZGESCHICHTEN nicht die
Kategorie "Kritiken" oder "Rezensionen" gibt. Die uralte Kunst der Kritik an Büchern, (Musik-)Alben,
einzelnen Songs und Zusammenstellungen diverser Musikinterpreten und -Titel, der Empfehlung oder des
Abratens, ist doch eine, die es wert ist, gepflegt zu werden. Zudem bietet sie (in diesem Fall mir) eine
willkommene Abwechslung zu sonstigen Geschichten mit Kürze und Würze.

Für diesen Fall: Wer die NDW ("Neue deutsche Welle" mag, diese skurrile und ausgefallene, diese sehr
spezielle Musik, deren Machart ein absolutes Novum war und die 80er gehörig aufgewertet hat) mag, wird
hier sicherlich gut beraten. Ich stelle hier mehrere Musiksammlungen vor, die es im gängigen Handel
immer noch geben dürfte, sowohl online als auch offline (letzteres in wohlsortierten Läden), meist auf CD
erhältlich, vielfach auch bereits als digitalen Download (kostenpflichtig natürlich), seltener wird auch
wieder Vinyl (Schallplatte) angeboten, letzteres ebenfalls wiederum in gutsortierten Läden oder bequem
online. Empfehlungen sind doch etwas Wunderschönes, nicht wahr?
Karl-Konrad Knooshood, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.01.2022. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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