Angie Pfeiffer

Do you like Pina Colada

Mitte September:
Ein trüber Sonntagabend:

Ich saß allein in meinem Zimmer und wusste nichts mit mir anzufangen. Das Lesefutter war mir ausgegangen und das Fernsehprogramm war, wie immer, öde. Im Nebenraum rumorten meine Töchter. Die beiden hatten sich schon am Nachmittag in ihrem Zimmer eingeigelt und probten für ihre neu gegründete Mädchenband. Anja, die Ältere, hatte es sich in den Kopf gesetzt, ein neuer Stern an Deutschlands Pophimmel zu werden und begeisterte ihre Schwester mit dem Versprechen auf unbegrenzte Ausgehzeiten und Treffen mit allen Größen des Showbiz. Nachdem ich die angehenden Stars einige Mal zur Ordnung gerufen hatte, war die Lautstärke auf ein erstaunliches Minimum zurückgeschraubt worden. Gelangweilt nippte ich an meinem Rotweinglas, schaltete den Computer ein. Eigentlich hatte ich in einem Literaturforum ein paar Geschichten lesen wollen, war aber letztendlich auf der Pinnwand gelandet und stieß auf einen interessanten Eintrag.

Hallo Du! Magst Du den „Pina Colada Song“?

Hier ist meine Version: Stehst Du auf Pina Colada oder bevorzugst du Champagner? Träumst Du davon, um Mitternacht an einem verschwiegenen Strand Liebe zu machen? Möchtest Du jemanden kennenlernen, mit dem Du ernsthafte Gespräche führen oder einen Riesenblödsinn machen kannst? Dann bin ich der Richtige! Was lässt Dich zögern - trau dich! Lass uns unser eigenes Abenteuer erleben! Noch etwas: Ich bin unter Garantie nicht Dein Ehemann!

Das hörte sich nett an und auch ein bisschen verwegen. Der Text machte mich neugierig. Nachdenklich schüttete ich mir etwas Wein nach. Sollte ich es wirklich wagen? Warum eigentlich nicht, eine kurze Nachricht besagte noch gar nichts. Wahrscheinlich würde gar keine Antwort bekommen. So schrieb ich also spontan:

Hallo Unbekannter,
ich sitze hier bei einem Gläschen Rotwein und habe durch Zufall deinen netten Text gefunden. Ich mag den Pina Colada Song (heißt er nicht eigentlich Escape?), allerdings ist das Getränk nicht mein Ding, es ist mir viel zu süß und zu klebrig. Doch Champagner liebe ich. Sowieso passen Champagner und ein einsamer Strand gut zusammen. Ich bin ganz gern allein, doch manchmal fände ich es schön, jemanden an meiner Seite zu haben. Jemanden, der unkompliziert ist, mit dem ich schmusen und kuscheln, lachen und weinen kann. Jemanden, den ich liebhaben, mit dem ich zanken und Blödsinn machen kann.
Hier ist mein Steckbrief:
Ich heiße Patricia doch meine Freunde sagen einfach Pattie. Ich habe rote Haare und grüne Augen, bin aber nur ganz wenig hexig. Meinst Du es, könnte zwischen uns funken? Ach, noch etwas: Du bist unter Garantie nicht mein Ehemann, es gibt nämlich keinen!

 

Montag, 24. September
von: Tommy
an: Pattie
Cocktails am Strand

Hallo Pattie oder doch lieber Patricia?
Mal ehrlich, mir ist Champagner auch lieber. Aber ich dachte zu einem einsamen Strand gehört auch ein entsprechender Cocktail. Selbst Rupert Holmes hatte, als er das Lied einspielte, noch nie eine Pina Colada getrunken.
Das hier ist mein erster Versuch in Sachen Flirt, denn eigentlich bin ich ziemlich schüchtern. Home OFFICE, das ist mein Ding. Doch ich habe mich einfach mal getraut den Text im BLEISTIFTkritzler Forum einzustellen, allerdings hatte ich nicht viel Hoffnung eine Antwort zu bekommen. Das Forum ist ja nicht unbedingt eine Partnerbörse.
Über eine Antwort von Dir würde ich mich sehr freuen.
Viele liebe Grüße von Tommy

 

Dienstag, 25. September

von: Pattie
an: Tommy
???
Hi Tommy,
danke für deine nette Mail. Du bist also ein bisschen schüchtern? Das gefällt mir, denn Baggertypen gibt es zur Genüge. Was machst du, wenn du nicht gerade Champagner schlürfst, dich an einsamen Stränden herumtreibst, im Internet surfst und unschuldigen Mädchen schreibst?
Fragt Pattie
PS: Patricia sagen eigentlich nur meine Mutter, mein Lateinlehrer und unser Pastor.

 

von: Tommy
an: Pattie
Ich bin‘s, Tommy
Hallo Pattie...
...schon Clapton fand, dass Pattie einen Song wert ist! Deshalb, und weil ich ganz bestimmt kein Lateinlehrer oder Pfarrer bin, werde ich es mir verkneifen, jemals Patricia zu dir zu sagen, außer vielleicht in einem Notfall! Kennst du die Story?
Clapton wartete auf seine Frau, die beiden wollten eine Party besuchen. Wie das bei euch Mädels so ist, hatte Pattie sich zum 5. Mal umgezogen, das wievielte Kleid anprobiert. In der Zwischenzeit klimperte er auf der Gitarre herum und herausgekommen ist „Wonderful Tonight“, ein Song, den Clapton in 20 Minuten fertig hatte und der letztendlich ein Millionenhit geworden ist. Überhaupt bin ich ein ausgesprochener Claptonfan. Magst du seine Musik?
Was mache ich, wenn ich nicht im Net bin? Das fragt sich mein Chef auch des Öfteren. Also, ich bin technischer Angestellter. Sicher hast Du einen Hero erwartet. Ich muss Dich enttäuschen, bin ein Schreibtischtäter.
Nebenbei bin ich ein leidenschaftlicher Segler. Nein, nicht auf allen Weltmeeren. Die Nord- und Ostsee reichen mir völlig. Außerdem mag ich Musik: von den alten Stones und, wie bereits erwähnt Eric Clapton, bis zu aktuellen Hits. Was ich nicht mag, ist Techno. Wahrscheinlich bin ich dafür schon zu alt. Obwohl - das kann auch nicht sein, denn ab und an regt sich da doch noch was ...
Ich mag es auch zu kuscheln, zu lachen, Blödsinn zu machen. Dafür hassen mich einige Kollegen (wegen des Blödsinns, nicht wegen des Kuschelns, denn streicheln und knuddeln gehört nicht ins Büro glaube ich)!
Falls es dich interessiert: Haare habe ich noch, aber ob ich vorzeigbar bin, kann ich schlecht beurteilen. Was noch? Wie gesagt, ich bin im Baggern ungeübt. Vielleicht möchtest du noch etwas von mir wissen?
Ich wage mal einen kleinen, vorsichtigen Kuss. Tommy

Ein aufregender Dienstagnachmittag

So fing alles an. Es folgte ein reger Mailwechsel. Bald war klar, dass wir uns einfach sehen mussten … Nervös schloss ich mein Auto ab und machte mich auf den Weg zum Treffpunkt. Ich hatte das Fahrzeug auf einem abseits gelegenen Parkplatz abgestellt. Wenn du ein paar Schritte läufst, dann wirst du bestimmt ruhiger’, dachte ich, aber das war überhaupt nicht so. Je näher ich dem Treffpunkt kam, umso aufgeregter wurde ich. ‚Was mache ich, wenn mich ein fetter, glatzköpfiger alter Mann erwartet, der mir das Foto seines jüngeren Bruders untergejubelt hat? Wenn ich den Typen dann nicht mehr los werde? Man hört genug über Verrückte, die im Internet herumspuken’, brachte ich mich in Rage. Der Treffpunkt war bereits in Sichtweite, eigentlich musste ich nur noch die Straße überqueren. ‚Das ist ja wieder typisch für dich, Patricia, verabredest dich mit einem Irren!’ Ein Horrorszenario spulte sich in meinem Kopf ab, sodass ich versucht war, einfach umzukehren und nach Hause zu fahren. Für einen Augenblick blieb ich mitten auf dem Bürgersteig stehen. Doch ehe ich es mir überlegen konnte, legte sich eine Hand auf meinen Arm. „Hallo, du musst Pattie sein. Es ist schön, dass wir es endlich geschafft haben, uns zu treffen.“  Ich schluckte trocken – und glaubte meinen Augen nicht zu trauen. Tommy sah genau so aus, wie auf den Fotos, nur noch viel sympathischer. ‚Boh, das ist er’, dachte ich und fiel ihm um den Hals. Ein wenig verlegen nahm auch er mich in den Arm und drückte mich kurz an sich. „Ich bin ein bisschen nervös gewesen“, erklärte er. „Schließlich verabrede ich mich nicht jeden Tag mit jemandem, den ich über das Internet kennengelernt habe. Ich habe dich schon von der anderen Straßenseite gesehen, du bist mir sofort aufgefallen. Da bin ich dir kurzerhand entgegengegangen.“ Mit einem Mal war alle Aufregung verschwunden. Ich hakte mich bei Tommy ein. „Jetzt sollten wir einen Kaffee trinken und uns ein wenig näher kennenlernen, was meinst du?“

Ja, so war das damals.

Ein halbes Jahr später ist Tommy mit Sack und Pack bei mir eingezogen. Das ist inzwischen 20 Jahre her; wir kauften Möbel, einen zweiten Dackel, die Herr der Ringe Trilogie als DVD, ziemlich viele Autos, mehrere Wohnwagen, eine Menge Bügeleisen, drei verrückte Katze, ein Haus, vier Motorräder und haben versucht, alle unsere Träume zu verwirklichen. Die Kinder sind inzwischen erwachsen. Sie haben allesamt eine Familie gegründet. Unsere verrückte Verliebtheit hat sich in ein vertrautes Miteinander verwandelt. Wir haben uns in der Zwischenzeit geliebt, gefetzt, vertragen und niemals dem Respekt voreinander verloren.
Das Wagnis ist gelungen - wir haben uns gefunden und werden uns nie mehr loslassen.

„If you like Pina Colada's,

And getting caught in the rain,

If you’re not into yoga,

If you have half a brain,

If you like making love at midnight,

In the dunes on the cape,

Then I'm the love that you've looked for,

Write to me and escape.“
Escape (The Piña Colada Song) ist ein Lied von Rupert Holmes aus dem Jahr 1979

Pina Colada - das Rezept

 

4cl Crem of Coconut

2 cl Schlagsahne

6 cl Rum

8 cl Ananassaft

1 Scheibe Ananas

etwas Zitronensaft

 

Die Ananasscheibe in Würfel schneiden, mit Ananassaft, Cream of Coconut, Rum, Schlagsahne, Zitronensaft in den Mixer geben. Gut durchmixen. Fertige Pina Colada in ein Glas gießen, mit gestoßenem Eis auffüllen.

Mit einer frischen Ananasscheibe und Cocktailkirsche garnieren.

Leserprobe aus meinen Roman "@Mail Verkehr

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.02.2022. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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