Alfred Horak

Give Peace a chance

Ich sitze zu Hause und warte angespannt auf eine Veränderung. In der Hand halte ich einen Schlachtplan, meinen Lebenslauf, den ich heute auch verschicken werde. An Firmen die Einsicht nehmen dürfen, in die Kampfhandlungen eines Unverstandenen, eines Gescheiterten, welcher sich anbiedert, sich an die noch mehr Gescheiterten verkaufen will. Sicherlich man tut sich schwer, abgekapselt zuhause wie in einem Loch zu sitzen. Zeitweilig stelle ich mir das Wort „Frieden“ vor, auch wenn ich beim vorläufigen Halt beim Billa die Überschrift „Krieg“ auf fast jedem Revolverblatt entdecken kann. Also fahre ich nachhause, mein anderes zuhause. Aber wo ist mein zuhause überhaupt? Ich stelle mir einen Regenwaldbaum vor, einen Körper zusammengerollt, wie in einem Uterus zwischen seinen Wurzeln. Es plätschert ein Bach, aber es könnten auch die Geräusche einer übergroßen Gebärmutter sein, dessen Grenzen ich nicht erkenne. Dann überfällt mich eine kleine Geburtswehe, welche mich aufschreckt. „Krieg“ es herrscht Krieg, ich lasse den Krieg herein, in meinen Kopf. Statt wunderschöne Blumen und Kolibris in einem Regenwaldbach, sitze ich zwischen den Wurzeln eines stämmigen alten Baumes und sehe dunkle Wolken aufziehen. Die Pflanzen verwandeln sich in Atomsprengköpfe und der nahegelegene Ameisenhaufen in eine kleine Armee, welche unaufhaltsam gegen mich voranschreitet. Doch ich sitze noch im Auto, fahre Richtung Heimat, aber dort herrscht auch Krieg, hat immer Krieg geherrscht. Im Radio spielen sie „Give Peace a Chance“. Ein Mädchen im Radio meint, man solle diesen Song den ganzen Tag spielen, aber das wäre nur eine Monotonie, eine Konditionierung auf Frieden, ein Verzweiflungsschrei, da es keine anderen Mittel mehr gibt, Hoffnung zu fassen, in Ländern in dem Frieden immer nur ein Fremdwort war. Kein Verständnis für eine andere Kultur, keine Zeit für Empathie in! andere Mentalitäten, lediglich wissenswertes, welches man „googeln“ kann, um in Diskussionen im Vorteil zu sein, nichts was mir Hoffnung gibt auf baldigen Frieden. Fast hätte ich jetzt eine Krähe überfahren, welche eine totgefahrene Amsel mitten auf der Straße frisst. Also bin ich abgelenkt. Ja, jetzt lenke ich nur mehr, mein eigenes Schicksal, raus aus dieser Stadt, ich lenke ab. Im Radio haben sie gesagt, daß die Abschreckungswaffen in höchste Alarmbereitschaft versetzt wurden. Was darf ich mir vorstellen unter Abschreckungswaffen? Ich denke mir: „Frieden kann es also nur geben, wenn es eine Abschreckung durch plötzliche Anwesenheit von Unsicherheit gibt. Am besten bei jedem Menschen gleichzeitig auf dieser Welt. Das ist ihnen gut gelungen. Also beziehe ich mich auf meine Kompetenzen, so wie jeder Mensch sich auf seine angeborenen Kompetenzen von Geburt an beziehen sollte, um abschätzen zu können, ob er sich in einen kriegerischen Akt, der seine Auslöschung mitbestimmt, einmischen sollte. Ich mache dies gerade. Meine Gedanken werden farbiger und der Tachometer im Cockpit übersteigt die höchste zulässige Geschwindigkeit. „Raus aus der Stadt!“ sagt mein menschlicher Kopf, am besten 50 km entfernt vom Epizentrum, rauf auf eine sichere Raststätte. Wie ein Paint- ball Spieler, dem die Munition ausgegangen ist, verteidige ich mich mit Farbe und Pinsel, male die im Kopf entstehenden Raketen bunt an, schreibe Frieden auf jeden imaginären Panzer in bunten Regenbogenfarben. Dann überkommt mich Panik. Was, wenn er mit seinen Ministern und Gefolgsleuten doch den roten Knopf drückt? Es herrscht morgendliche Stille in meinen Gedanken, zu groß ist die Stille, eine Stille vor einem Sturm. Gedankenstürme ziehen auf und ich werde noch schneller, denn die Autobahn erwartet mich. Bin ich schon aus der Fallout-Zone. Panik bricht aus. Ein privater Tiertransporter überholt mich. Auf seiner Karosse! rie sehe ich eine geographische Landkarte von Europa aufgemalt, auf welche 2 Hunde mit Sonnenbrillen starren. In einer Ecke sehe ich eine kleine Sonne aufgemalt. Ein Zeichen, dass selbst die Tiere sich langsam Schutzbrillen vor der neuen Sonne aufsetzen sollten. Dann lasse ich endlich die Stadt hinter mir, denke nach, wie sich die Menschen in Westeuropa nach einem Atomschlag helfen würden, mehr als sie sich je zuvor geholfen haben wahrscheinlich. Endlich bin ich draußen aus der Kernzone, aus der Fall-Out Zone und stelle mich auf den heiß ersehnten Parkplatz und warte auf den großen Blitz. Er kommt nicht. Lediglich der Tiertransporter verfolgt mich und parkt sich neben mir auf dem Autobahnparkplatz ein. Ich habe ihn anscheinend unbemerkt wieder überholt. Gott sei dank, war er nicht schneller. Ein Zeichen, denke ich mir und fahre wieder zurück nach Wien. In eine andere Heimat eben, welche nicht getroffen worden ist, in meine Parallelwelt.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.03.2022. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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