Heinrich Baumgarten

Ein Essay über die Zeit

„Ich habe keine Zeit“ „Haben Sie mal Zeit für mich?“

Zwei Aussagen über etwas, was habbar ist oder gewünscht wird. Angebot und Nachfrage sind die Passagiere der Wippe, die eine Marktwirtschaft in Schwung halten.

Um was für eine Ware geht es denn bei der Zeit, von der einer behauptet, sie nicht zu haben, der andere sie erbittet? Wenn ich etwas habe oder begehre, weiß ich um dessen Wert – den absoluten wie auch den Waren- oder Handelswert.

Wenn behauptet wird, Zeit gebe es gar nicht, sondern sie sei nur ein Geländer, an dem wir uns durch unser Leben schleppen, um seine Dauer hand- und mundgerecht zu portionieren, hat das etwas für sich. Einheiten erleichtern und ermöglichen erst die Gliederung von etwas Größerem, das wir als Ganzes nicht begreifen können.

Als kleinste Zeiteinheit gelte das wertfreie Nu, dann kommt die Sekunde mit der ganzen Schar ihrer Bruchteile für Rekorde, gefolgt von ihrer 60fachen Vorgesetzten, der Minute, die wiederum als 60fache umgetauft wird in Stunde. Und 24 davon sind ein Tag.

Pause.

Jetzt wissen wir es ein wenig: Wir sind einmal schlafen gegangen, einmal aufgestanden, haben einen Teil gearbeitet, einige Mahlzeiten eingenommen, Menschen getroffen und mit ihnen gesprochen – manches ist uns gelungen, anderes nicht.

Und das wiederholt sich als Woche, Monat, Jahr usw.

Das haben wir verstanden. Aber damit können wir immer noch nicht sagen, ob Zeit etwas ist, was man haben, nicht haben oder sich wünschen kann.

Aber wir können uns vorstellen, Zeit sei eine Art Modellier-Ton oder Knete, woraus jeder sich das formen kann, was er möchte, von dem er anderen etwas abgeben oder das er einfordern kann.

Die Unsicherheit über den Charakter der Zeit spüren wir auch, wenn wir uns den Wortluder anschauen, der mit ihr geschunden wird.

Man benutzt sie als Grundwort (Lebenszeit, Schulzeit, Arbeitszeit, Freizeit, Spielzeit) oder als Bestimmungswort (Zeitschrift, Zeitgeschichte, Zeitwort, Zeitvertreib – wie schrecklich) -

oder als Adjektiv: vor-, recht-, gleich-, nachzeitig – zeitlich, vorzeitlich, urzeitlich, zeitweise.

Weise ist gut – zeitdumm oder zeiteinfältig gibt es nicht.

„O tempora, o mores – O Zeiten, o Sitten“ klagte Marcus Tullius Cicero im Verres-Prozeß.

Je mehr ich darüber grüble, desto weniger glaube ich, daß es die Zeit gibt. Und gar im Plural?

Bei allem Respekt für Cicero: Bitte nicht!

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.03.2022. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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