Heinrich Baumgarten

Ein Sandal ist ein Skandal

 

 

 

 

Ein Sandal ist ein Skandal

 

 

Eine merkwürdige Geschichte, zugegeben.

Ich, der sie zu erzählen versucht, bin ein Unding. E i n e Sandale.

Das bin ich.

Normalerweise kommen wir von der Spezies „luftige Fußbekleidung“ eigentlich, wie unsere ganzheitlich bedeckenden Vettern und Basen, stets im Doppelpack daher:

die Sandalen, die Halbschuhe, die Schnürstiefel, die Schaftstiefel bzw. ein Paar Sandalen, ein Paar Halbschuhe wcetera nullnull.

Aber wer sagt schon: „Heute ziehe ich meine neue S a n d a l e an bei dem schönen Wetter.“ Zwar gibt es gelegentlich Querelen bei denen, die uns ausfüllen, etwa in dem Kontext: „Meine linke Sandale (oder die rechte) drückt, sitzt nicht richtig, hat eine Schnalle verloren“ oder so. Im letzteren Falle bedeutet das in unserer Überflußgesellschaft den sofortigen Exitus für das ganze Paar. Sandalozid der häßlichsten Art. Abgelatschte, zerrissene, übertragene, sohlenprofillose usw. haben hingegen ein erfülltes Leben hinter sich und scheiden ohne Groll aus demselben.

Aber nun wieder näher an mein Problem, meine Vita.

Das Elend der Restsocken ist jedem der von uns Beherbergten sattsam bekannt. Aber bei der Spezies der textilen Fußbekleider besteht eine Chance der Umschulung.

Sie können, von kreativen Benutzern neu kombiniert, für Aufsehen sorgen, modische Trends setzen im Sinne von Designer-Stücken oder – zur Linderung späterer Altersarmut als Sparstrumpf bzw. -socke Verwendung finden.

Die Gefahr des Waschmaschinen-Orkus ist für Strumpfens und Sockens nicht allzu bedrohlich.

Aber ich – übrigens eine linke Sandale und weniger prominent als die gleichnamige Socke – bin aufgeschmissen, quasi schon endlagerungsgeweiht.

Wie kam es, wie kam ich zu dieser Situation?

Nun, unser Träger ist ein begeisterter Fußball-Fan, und in Erwartung der bevorstehenden WM in Brasilien übt er sich gerne an Torwänden und eigentlich überall sonst auch im Kicken. Rechtsfüßler, der er ist, hat er meinem Rechts-Pendant so manche Strapaze zugemutet, da er auch vor leeren Getränkedosen, gar Steinen, nicht Halt macht. Heimlich freute ich mich über die Schonung, die ich erfuhr; aber nun kam vor einigen Tagen das dicke Ende für mich.

Am Fähranleger in Hitzacker lag eine Dose, und unser Bewohner versetzte ihr einen seiner Elf-Meter-Stöße, wobei sich meine bedauernswerte Schwester von seinem Fuß löste und in hohem Bogen im Strom landete, unerreichbar, weil sehr schnell von der Strömung mitgerissen. Die dauernden ruckartigen Beschleunigungs- und Verzögerungs-Schocks durch die Kicks hatten ihr Schnallensystem instabil gemacht und überstrapaziert.

Immerhin brauchte ich den Kicker nicht mehr nach Hause zu transportieren, weil der nicht hinken wollte. Er trug mich lässig – ausgerechnet in der rechten Hand – zurück in sein Quartier.

Denkste!

In den ersten der zwei in Hitzacker aufgestellten Abfalleimer pfefferte er mich, wobei er ein häßliches „Und Tschüß!“ von sich gab.

Nun werde ich wochenlang hier herumdümpeln müssen, Wind und Regen ausgesetzt, umweht von üblen Düften aus den Plastikbeutelchen der Hundebesitzer...

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.03.2022. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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