3. Auf einmal macht alles Sinn
4. Das Ding aus dem All
***
Aua, aua, mein Name ist Konrad Kalauer. Ein Zahn tut mir weh. Ich ganz schnell jetzt zum Zahnarzt geh.
Ein Zwerg, der wollte mal ein Riese sein und fiel damit aber sauber rein.
Die Riesen habe ihn nur hämisch ausgelacht und gleich platt gemacht. Das kommt davon. Jetzt liegt der blöde Zwerg mausetot an des Fußes Berg.
Ein nackter Mann mit Bart fliegt durch die dunkle Nacht.
Es ist der wundersame Nikolaus. Wer hätte das gedacht?
Ein Fußball lag ganz friedlich auf dem Elfmeterpunkt, so niedlich und so rund.
Mei oh mei! Das Spiel war jedoch schon längst vorbei. Es regnet nämlich auf Stralsund.
Der Tisch wird auf die Teller gestellt.
Die Vögel fliegen rückwärts gegen den Wind.
Die Henne kräht, der Hahn legt Eier.
Der Anfang glaubt, er sei das Ende.
Das Ende glaubt es umgekehrt.
Eine Herde blutrünstiger Schafe hetzen den armen Wölfen hinter her.
Eine fette Kuh macht es sich im Schwalbennest gemütlich.
Auf einem Apfelbaum, da wachsen süße Birnen.
Ein Esel dachte, er sei ein Pferd, dabei war es genau umgekehrt.
Tante Isolde war eine ganz holde. Sie hing am Golde. Sie wurde erschlagen von einem Raufbolde. Jetzt liegt sie tief im kalten Friedhofs-Bodenkies. Ach ist das fies.
Ein Grammophon spielt mit leisem Ton ganz zart, die Melodie von Dr. Eisenbart. Fragt mich nicht, wer das ist. So'n Mist.
Piff! Paff! Puff? Jetzt weiß ich wieder, wo ich meinen Hut gelassen habe.
Ein Lattenzaun, der hatte einen leeren Zwischenraum, durch den konnte man hindurch schau'n. Ich nahm den Zwischenraum heraus und baute mir daraus ein großes Haus. Da guckten die Latten aber ganz schön dumm, denn die standen plötzlich ohne Zwischenraum herum.
(c)Heinz-Walter Hoetter
***
Viele Hasen sind des Hundes Tod.
Gans, du hast den Fuchs gestohlen. Gib ihn wieder her! Sonst muss dich der Schlachter holen, mit dem scharfen Messer sehr.
Mit Spatzen auf Kanonen schießen.
Anstatt in den sauren Apfel zu beißen, sollte man das lieber in einen süßen tun.
Lieber arm und krank, als reich und gesund.
Vater werden ist nicht schwer. Mutter sein dagegen sehr.
Zuerst das Vergnügen, dann die Arbeit (wenn überhaupt welche da ist).
Was sich liebt, das schleckt sich.
Viele Köche verderben den Brei? Das kann ein einziger auch.
Gott weiß alles. Mein Nachbar weiß mehr.
Blutrünstige Schafe hetzen friedliche Wölfe zu Tode.
Niemand kennt die Zukunft, auch wenn es keine gibt.
Eine Tatsache ist eine Sache, die tatsächlich ist.
Tatsachen sollte man kennen, bevor man sie verdreht.
Auch eine verdrehte Tatsache ist eine Tatsache, nämlich ein verdrehte.
Eigentlich bin ich ganz anders. Nur komme ich selten dazu, anders zu sein.
Solange es psychisch kranke Menschen gibt, braucht sich der Psychiater keine Sorgen um seine Existenz zu machen.
Verschiebe nichts auf morgen, sondern, wenn möglich, auf übermorgen.
Ich habe soeben den Augenblick gesehen, wie er an mir vorüber gegangen ist.
Ich bin nicht auf mich angewiesen.
Wo er hin schlug, da wuchs kein Gras mehr, bis er in selbiges beißen musste.
Reichtum kann vererbt werden. Erfahrung nicht.
Jede Ente hat ein Ende.
Das Huhn ist das einzige Lebewesen, dass vor seiner Geburt (als Ei) und nach seinem Tod (als Hähnchen) gegessen wird.
Wer früher stirbt, ist länger tot.
Wer nichts tut, tut auch was, nämlich nichts tun.
Wer Erfolg haben will, der muss was tun und auf ihn warten.
Jeder Fehlschlag kann der Schlüssel zum Erfolg sein.
Es krächzt der Hahn am Morgen.
Wer keine Lösung weiß, der kann immer noch das Problem bewundern.
Die Pflicht ruft? Ich habe nichts gehört.
Genitiv ins Wasser. (Geh nie tief ins Wasser).
Ab heute spare ich. Koste es, was es wolle.
Wer hier Rechtschreibfehler von mir findet, der darf sie behalten.
Werde niemals das, was du nie sein möchtest.
Dummheit und Wahrheit sind Zwillinge, denn wer die Wahrheit sagt, der ist oft der Dumme.
Wer lügt, der muss die Wahrheit kennen.
Nur wer die Wahrheit kennt, der kann auch lügen.
Hast du deinen Traumjob schon gefunden? Wenn ja, dann gute Nacht!
Ich weiß, dass ich verrückt bin. Wenn ich aber weiß, dass ich verrückt bin, kann ich gar nicht verrückt sein, sonst wüsste ich ja nicht, dass ich verrückt bin. Ist das nicht verrückt?
Hat ein Baum Äste, ist das für ihn das Beste. Hätte er nämlich keine Äste und ist ganz kahl, wäre er ein Pfahl.
Aus dem Stolpern lernt der Mensch von Fall zu Fall.
Wer faul ist, der muss mit seiner Arbeit schneller fertig geworden sein.
Wenn ich nichts tue, weiß ich nie, wann ich damit fertig bin.
Woher soll ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage?
Nieder mit der Schwerkraft! Es lebe der Leichtsinn!
Ich kam unfertig auf die Welt. Dann wurde ich nach und nach fertig gemacht.
Nur wer am Ende ist, der kann auch wieder von vorne anfangen.
Wenn ich schon nicht überzeugen kann, so kann ich wenigsten noch für Verwirrung sorgen.
Ein Floh braucht kein Klo.
Grüne Philosophie: Rettet die Bäume, esst mehr Biber!
Ich sah einen blonden Jüngling mit pechschwarzem Haar.
Wer kann schon um die Ecke denken?
Aus Spaß wurde Ernst. Jetzt ist Ernst fünf Jahre alt.
Ohne Füße ist schlecht laufen.
Wer anderen eine Grube gräbt, muss noch lange kein Totengräber sein.
Leichte Menschen sind leichter zu kidnappen als schwere.
Man kann nicht in der Mitte gehen, wenn man nur zu zweit geht.
Ich reiß dir den Kopf ab und schmeiß ihn dir ins Gesicht.
Jeder Zwerg hat auch mal klein angefangen.
Was ist eine Prophezeiung? Wenn man alles genau so macht, wie sie prophezeit worden ist und damit in Erfüllung geht.
Wenn der Wurm sich verspätet, kann der frühe Vogel auch keinen fangen.
Das Leben wäre um einiges leichter, wenn es nicht so schwer wäre.
Ein offenes Herz ist besser, als am offenen Herzen operiert zu werden.
Auch Vegetarier müssen mal ins Gras beißen.
Vorsicht Lebensgefahr! Auch in Bayern fällt mal ein Fön in die Badewanne.
Schlau ist, wer sich dumm stellen kann. Umgekehrt geht nicht.
Um Zebra zu fotografieren, braucht man nicht unbedingt eine Buntfilm-Kamera.
Niemand ist allein. Man hat immer noch sich selbst.
In einem Sarg hat man dich zum letzten Mal reingelegt.
Ist eine Feder vielleicht leichter als federleicht?
Dem Ende geht immer ein Anfang voraus.
Wenn der Schreiner maß nimmt, ist der Sarg nicht mehr weit.
Alles wird gut. Wenn nicht, dann ist es noch nicht gut.
Freiheit bedeutet auch, wessen Sklave man sein will.
Liebe auf den ersten Blick muss wohl etwas mit einer Augenkrankheit zu tun haben.
Wer träumt, der lebt noch.
Ich muss Gott nicht dafür danken, was ich selbst bezahlt habe.
Die schönsten Vögel sperrt man in Käfige. Spatzen dagegen nicht.
Auf dem Friedhof sollte man nicht von Unsterblichkeit reden, weil es irgendwie komisch klingt.
Ich habe in meinem Leben schon viele komische Vögel kennengelernt, aber keiner konnte fliegen.
Das Böse ist nicht komisch.
Menschen, die sich einbilden, den Ton angeben zu müssen, pfeifen oft auf dem letzten Loch.
Junggesellen haben viel Glück gehabt.
Bestimmt wissen Giraffen nicht, wie Fürze riechen.
Es gibt zwei Arten, den Gürtel enger zu schnallen. Einen um den Bauch, den anderen um den Hals.
(c)Heinz-Walter Hoetter
***
Das Problem des Leidens
Wie Leibniz lehrt, kann man ausgehend von drei Aussagen zeigen, dass jeweils nur zwei davon wahr sein können. Diese drei Aussagen lauten:
Gott/Allah ist allmächtig
Gott/Allah ist gut
Es existiert Böses auf dieser Welt
Alle drei Sätze sind Grundvoraussetzung der semitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam und werden durch die jeweiligen „Heiligen Bücher“ bestätigt (behaupten sie zumindest).
Gottes Allmacht wird z. B. im Christentum an verschiedenen Stellen betont, so zum Beispiel der Aussage:
Als nun Abraham neunundneunzig Jahre alt war, erschien ihm der HERR und sprach zu ihm: "Ich bin der allmächtige Gott; wandle vor mir und sei fromm."
Nachdem Gott selbst von sich mehrmals sagt, er sei allmächtig, gibt es für bibelgläubige Menschen keine Möglichkeit mehr, dies zu leugnen oder zu relativieren. Das üblicherweise vorgebrachte Argument, Gottes Allmacht sei eingeschränkt, zum Beispiel durch den freien Willen der Menschen, steht in diametralem Widerspruch zum Text der Bibel. Wenn Pfarrer Wilhelm Busch in einem Gleichnis andeutet, Gott könne nicht das in sich Widersprüchliche tun, als Arbeiter ihn fragten, ob denn Gott in seiner Allmacht einen Stein schaffen könne, der für ihn selbst zu schwer hochzuheben sei, verkennt er die Tatsache, dass ein allmächtiger Gott auch die volle Macht über die Gesetze der Physik hat und daher auch dieses Problem lösen könnte. Gottes Allmacht wird in der Bibel ausdrücklich betont und lässt sich nicht wegdiskutieren.
Die Güte und Liebe Gottes wird ebenfalls an etlichen Stellen beschworen, obschon sich diese Güte häufig dadurch einschränkt, dass sie ausschließlich dem jüdischen Volk zugute kommt und anderen Völkern versagt wird. Dennoch lassen sich in der Bibel Beispiele finden, die belegen, dass zumindest die Christen ihren Gott als gut und lieb betrachten, zum Beispiel
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen!
oder
HERR, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen
(Psalmen 36.6)
Immer wieder taucht in der Bibel die Aufforderung auf, das Böse aus der Mitte zu entfernen. Viele Beispiele finden wir im Kapitel Deuteronomium, wie
[...]-, auf dass du das Böse aus deiner Mitte wegtust
Das Böse kann allerdings nur dort entfernt werden, wo es existiert. Die Bibel bejaht ganz klar Gottes Güte und Allmacht, sowie auch die Existenz von Bösem auf dieser Welt. Auch im Koran des Islam wird die Güte und Allmacht Allahs gepriesen und das Böse als ein Faktum in dieser Welt beschrieben.
Vorausgesetzt Gott/Allah existiert, führen obige Aussagen zu widersprüchlichen Folgerungen. Ist Gott allmächtig und gut, so lässt er Böses auf dieser Welt nicht zu, es dürfte nicht existieren. Ist Gott allmächtig und es existiert Böses auf dieser Welt, so ist er zwangsläufig nicht gut, denn er verwendet seine Allmacht nicht, um das Böse zu beseitigen. Ist Gott gut und es existiert Böses auf der Welt, so kann er nicht allmächtig sein, denn es fehlt ihm die Fähigkeit, das Böse zu beseitigen. Damit ist bewiesen, dass die Bibel/der Koran lügt.
Der Widerspruch zwischen Leid und Gottes Existenz taucht nicht nur im christlich-/ jüdischen Kontext auf.
Die Existenz von Bösem ist auch nicht notwendig, um die Kreaturen zu prüfen, denn ein allwissender Gott wüsste im Voraus, ob eine bestimmte Kreatur die Prüfung bestehen würde oder nicht. Dazu kommt noch, dass sich Allwissenheit mit freiem Willen schwer verträgt. Der Schluss liegt nahe, dass Gott, wenn es ihn gibt, nicht mächtig genug ist, das Böse zu entfernen, oder nicht gut genug, das zu wollen. In jedem Fall ist er entweder nicht allwissend oder wir Menschen haben keinen freien Willen. Es haben sich bereits Generationen von Theologen vergeblich bemüht dieses Problem zu lösen. Meist folgen als Antwort auf dieses simple, in drei Sätzen formulierbare Problem dicke Bücher mit den haarsträubendsten Verdrehungen. Am Ende überzeugen solche Bücher höchstens weil man ihnen nicht mehr folgen kann. Mit Argumentation hat das nichts mehr zu tun, sondern nur noch mit Rhetorik. Aber nur weil etwas schön gesagt wurde, ist es noch lange nicht wahr.
Als das menschliche Böse bezeichne ich alle Formen menschlicher Gewalt. Das menschliche Böse entspringt dem freien Willen. Ein Gott, der den Menschen freien Willen zugesteht, darf nicht in das Handeln der Menschen eingreifen. Daher könnte man das menschliche Böse erklären. Allerdings muss ich gegen diese Ansicht den Einwand anbringen, dass es nicht nötig gewesen wäre, dem Menschen den Wunsch einzupflanzen oder die Fähigkeit zu geben, Böses zu tun. Irgendwoher muss doch der menschliche Drang Böses zu tun herkommen, und woher sollte in einer erschaffenen Welt etwas kommen, wenn nicht von Gott dem Schöpfer, wenn es einen gibt? Warum hat der Mensch die Fähigkeit, Böses zu tun, nicht aber die Fähigkeit ohne Hilfsmittel zu fliegen? Wenn jemand den Menschen erschaffen hat, so hat dieser dem Menschen seine Fähigkeiten und Unfähigkeiten gegeben. Niemand kann etwas schaffen, ohne die volle Verantwortung dafür übernehmen zu müssen, auch nicht ein Gott.
Was wir als Böse bezeichnen, ist meist nichts anderes, als simple Existenzangst. Wenn wir das Prinzip vom Kampf ums Überleben betrachten, stellt sich plötzlich die Frage, ob es das Böse an sich überhaupt gibt. Ist es nicht vielmehr so, dass das, was wir als Böse bezeichnen, nichts anderes ist, als eine falsche Einschätzung im Kampf ums Überleben? Ein übersteigerter Egoismus oder Selbstschutz? Es ist nichts anderes, als ein Urinstinkt, der jedem Lebewesen zugrunde liegt. Von der Warte der Evolution her betrachtet gibt es Böses gar nicht. Es gibt nur Dummheit, übersteigerten Egoismus und falsche Situationsbeurteilungen, und das wäre vermeidbar.
Das natürliche Böse ist im Gegensatz zum menschlichen Bösen die Form von Leid, die den Menschen ungewollt trifft, also nicht Ausdruck des freien Willens ist. Dabei handelt es sich um wilde Tiere, reißende Ströme, zerstörende Unwetter, Vulkanausbrüche, Erdbeben, Autounfälle, Zahnausfall, Hirntumor, um ein paar wenige Beispiele zu nennen. Diese Form des Bösen hat nichts zu tun mit dem freien Willen der Menschen. In einer gottgeschaffenen Welt macht derartiges Leiden keinen Sinn und der Schöpfer muss sich die Frage gefallen lassen, warum er in seiner angeblichen Güte dies nicht verhindert hat. Ein mächtiger Gott, er braucht nicht einmal allmächtig zu sein, hätte eine bessere Welt erschaffen können, als die uns vorliegende. Das natürliche Leid lässt sich in einer gottgeschaffenen Welt nicht rechtfertigen.
Es sind Dinge wie Zahnausfall, Geistesschwäche, Vulkanausbrüche, Raubtiere, die in einer göttlichen Welt nichts verloren haben. Dies lässt mich die Existenz eines Gottes verneinen, egal aus welcher Religion er stammen mag. Eben diese Dinge sind aber plötzlich selbstverständlich, wenn man die Evolutionstheorie zugrunde legt.
Ja, so gesehen macht auf einmal alles Sinn.
(c)Heinz-Walter Hoetter
Am fernen Horizont konnte man eine lange Kette von mächtigen Bergen erkennen, die weit in den blauen Himmel hineinragten. Auf den meisten Gipfeln lag noch Schnee, der selbst im Hochsommer nicht auftaute.
Am Fuße der Berge gab es viele enge Schluchten und tiefe Täler mit geheimnisvoll anmutenden Wäldern, die noch nie eine Axt oder Kettensäge gesehen hatten.
Weit draußen vor dem Gebirge durchzogen sanfte Grashügel die stille Landschaft und manchmal traf man auf einsame, moosbewachsene Hütten, die allerdings unbewohnt waren. Einige von ihnen standen wohl schon seit langer Zeit hier, was man auch daran erkennen konnte, dass ihre Kamine langsam zerbröckelten und die niedrigen Dächer an vielen Stellen große Löcher aufwiesen.
Obwohl diese Gegend jedem Durchreisenden auf dem ersten Blick menschenleer vorkommen musste, wohnten dennoch ein paar unverwüstliche Einheimische hier, die aber allesamt weit verstreut am Rande eines weitgespannten Sperrgebietes ihr karges Dasein fristeten.
Einer dieser wenigen, alteingesessenen Bewohnern war der alte Mr. Henry Bischoff, der zwar recht wirr im Kopf war, aber bestens darüber Bescheid wusste, warum vor langer Zeit die meisten Bewohner aus dieser schönen Landschaft nach und nach weggezogen sind.
Mr. Bischoff war eigentlich von Natur aus ein sehr schweigsamer Mensch, der über die damaligen Vorkommnisse nur selten ein Wort verlor. Wenn jedoch mal Besucher hier vorbei kamen, die sich für die schöne, unberührte Landschaft interessierten, erzählte er ihnen stets von den seltsamen Ereignissen, die sich hier vor langer Zeit zugetragen haben sollen, und die angeblich bis heute fortdauern würden, wie er stets ahnungsvoll andeutete.
Warum der Alte noch da war, das hatte einen einfachen Grund. Sein kleines Haus, welches man seinerzeit extra für ihn bauen lies, lag an einer belebten Straße, die damals neu gebaut werden musste. Sie schlängelte sich wie eine Schlange unmittelbar am weitläufigen Sperrgebiet entlang und verlor sich schließlich irgendwo im fernen Gebirge.
Die alte Straße gab es zwar immer noch, die allerdings unten an den Bergen vorbei durch die tiefen, stark bewaldeten Täler verlief, jedoch später zu einem erheblichen Teil vom smaragdgrünen Wasser eines neu gebauten Stausees überflutet worden war.
Und genau aus diesem Grunde hatte man vorsichtshalber die alte Straße eben für den gesamten Verkehr gesperrt, weil es immer wieder Leute gab, die mit ihren geländegängigen Fahrzeugen, trotz aller Warnungen übrigens, auf dem Rest der überwucherten Fahrbahnen bis tief in die dunklen Wälder und meist zu nah an die zerklüfteten, steil abfallenden Ränder des Stausees gefahren waren. Immer wieder ereigneten sich deshalb in fast schon regelmäßigen Abständen unheimlich anmutende Unfälle, die sich niemand erklären konnte. Die meisten Unfallopfer tauchten seltsamerweise nie wieder auf und blieben verschollen, obwohl man wochenlang mit allen technischen Mitteln nach ihnen gesucht hatte. Aber das alles ist schon lange her. Heute darf kein Mensch mehr dieses weiträumig abgesperrte Gebiet betreten. An etlichen Stellen hat man sogar unüberwindbare Stacheldrahtzäune hochgezogen.
***
Ich hielt meinen schweren Geländewagen an und stieg aus. Es war still in der Gegend und der Boden, auf dem ich jetzt stand, war überzogen mit feuchtem Moos und faulenden Resten alter Bäume, die sich hier einst hoch in den Himmel erhoben hatten. Nun lagen sie morsch und verwittert überall herum. Ich ließ meinen Blick langsam über die weite Landschaft gleiten und erinnerte mich an längst vergangene Zeiten, die mein damaliges Leben von Grund auf verändert haben.
Ach so, ich habe mich ja noch nicht vorgestellt.
Mein Name ist Joe Allen. Als ich damals hier das Gelände für den neuen Stausee zu vermessen begann, lernte ich während meiner Tätigkeit auch den etwa 40jährigen Mr. Bischoff kennen, der hier wohnte.
Mr. Bischoff lebte zu jener Zeit noch in einem kleinen Anwesen direkt am Rande eines tiefen Tales mit dichtem Waldbestand. Beides gibt es allerdings schon lange nicht mehr, weil sich heute sowohl das Tal als auch der Wald tief unterhalb der Wasseroberfläche des neuen Stausees befinden, an dessen Bau ich als junger Vermessungsingenieur viele Jahre, und bis zu seiner Fertigstellung, mitgewirkt habe.
Heute werde ich endlich mal den mittlerweile 85 Jahre alten Mr. Bischoff besuchen, was ich eigentlich schon immer in der Vergangenheit tun wollte, doch jedes mal kam etwas Unvorhergesehenes dazwischen. Ich habe ihm einfach einen Brief geschrieben und ihn darin gefragt, ob wir uns über gewisse Dinge aus der damaligen Zeit unterhalten könnten. Er war nicht abgeneigt, und so stehe ich heute hier.
Ich schloss meinen abgestellten Geländewagen ab und marschierte hinüber zu seinem Haus. Eine Weile später klingelte ich an seiner Tür. Schon bald wurde sie geöffnet. Der alte Mr. Bischoff begrüßte mich freundlich, ließ mich herein und wies mir einen gemütlichen Platz am Wohnzimmertisch zu, auf dem bereits dampfender Kaffee stand.
Während Mr. Bischoff unsere Tassen mit heißem Kaffee füllte, fing ich das Gespräch an.
„Es ist schon lange her, Mr. Bischoff, als wir uns das letzte Mal gesehen haben. Leider war ich wegen meiner Arbeit immer verhindert. Ich habe mir heute extra Zeit dafür genommen, ihnen mal einen Besuch abzustatten. Danke auch für ihre nette Einladung. Wie gesagt, bin ich sehr daran interessiert, mir von ihnen die Geschichte erzählen zu lassen, was sich damals wirklich in dieser Gegend hier abgespielt haben soll. Es gab so viele Gerüchte, die im Umlauf waren, und immer noch sind wohlgemerkt, sodass keiner weiß, welche Erzählung eigentlich wahr ist und welche nicht. Was ist also ihre Version von dem, was damals passiert ist, Mr. Bischoff?
Der alte Mann blickte mich argwöhnisch an. Dabei stellte er ein Stück Kuchen vor mir auf den Tisch, nahm dann behäbig auf seinem Stuhl Platz und fing an zu reden.
„Nun Mr. Allen, ich möchte nicht lange um den heißen Brei reden. Wann alles anfing, weiß ich eigentlich nicht mehr so genau. Ich erinnere mich aber noch ganz genau daran, dass alles mit diesem Meteoriten begonnen hat, der nur eine Woche vor ihrer Ankunft hier in dem tiefen Tal donnernd explodiert war. Die meisten Leute haben allerdings nichts davon mitbekommen. Ich aber schon, da ich ganz in der Nähe des Tales wohnte, wo der Meteorit nieder ging. Einen Tag später, es muss wohl um die Mittagszeit gewesen sein, ereigneten sich eine Kette von weiteren, jedoch kleineren Explosionen, deren weiße Rauchschwaden schließlich wie ein Nebelschleier das ganze Tal zudeckten. Erst am nächsten Tag bin ich zusammen mit einem anderen Bauern aus der Gegend frühmorgens zu der Einschlagstelle hinaus geeilt, um den Besucher aus dem All näher zu besichtigen. Dann lag er vor uns. Die Erde war überall aufgerissen und in einem Umkreis von mehreren einhundert Metern waren alle Pflanzen verbrannt worden. Einige Büsche und Bäume qualmten immer noch, auch das umliegende Gras war bis auf den letzten Halm verkohlt. Das komische jedoch war, dass der Meteorit gar nicht so aussah, wie ein Meteorit. Seine Form glich vielmehr die einer Kugel, etwa in der Größe eines Fußballs. Die sich ständig bewegende Oberfläche glitzerte wie ein Meer aus Millionen von Sternen. Wir nannten diese Kugel nur „Das Ding aus dem All“, weil es nicht von dieser Erde war. Hin und wieder schossen sogar kleine Blitze aus der unheimlichen Oberfläche der Kugel, die kleine Vertiefungen im verbrannten Waldboden hinterließen. Wir beschlossen später, niemanden von unserem geheimnisvollen Fund etwas zu erzählen und deckten „Das Ding“ einfach mit einer Schicht Erde, losen Ästen und Zweigen zu. Wir markierten die Stelle noch zusätzlich mit herumliegenden Steinen, um die Kugel später schneller wieder finden zu können. Danach verließen wir den Ort und wollten erst einmal sozusagen Gras über die Sache wachsen lassen. Nach etwa zwei Woche kamen wir wieder zurück. Zu unserer großen Überraschung konnten wir das kugelförmige Ding nicht mehr wiederfinden. Wo wir auch suchten, das Gebilde war wie vom Erdboden verschluckt. Außerdem hatte sich während unserer Abwesenheit seltsamerweise die gesamte Vegetation erholt, was uns erst im Nachhinein aufgefallen war. Neue, kräftige Bäume waren in den Himmel gewachsen, Sträucher wucherten überall herum und auf den freien Stellen wuchs mannshohes Gras. Mein Kollege und ich haben uns darüber sehr gewundert. Zum Glück hatten wir die Stelle mit Steinen gekennzeichnet. Deshalb konnten wir den so markierten Ort genau lokalisieren. Aber die Kugel blieb dennoch verschwunden. Sie ist nie wieder aufgetaucht. Zur gleichen Zeit trafen Sie bei uns ein und fingen mit den Vermessungsarbeiten für den Stausee an. Ich dachte schon, sie hätten dieses kugelförmige Ding vielleicht auch gesehen oder möglicherweise etwas davon mitbekommen, wo es verblieben war. Sie sind doch die ganze Zeit dort herumgelaufen und haben die Gegend vermessen, Mr. Allen. Ach was, vergessen sie meine dümmlichen Fragen. Nun, die Geschichte geriet danach jedenfalls langsam in Vergessenheit, bis eines Tages diese seltsamen Vorkommnisse eintraten, wodurch in unserer Umgebung die Menschen in Angst und Schrecken versetzt worden sind. Zuerst begann das Sterben der Haustiere, dann folgte das Geflügel und alle anderen Tiere auf den angrenzenden Bauernhöfen. Die Tierärzte standen vor einem Rätsel. Ein paar Monate später fingen schließlich einige Bewohner an, wirres Zeug zu reden. Auch wurden sie in der Nacht von schlimmen Alpträumen heimgesucht, die ihnen schwer zusetzten. Manche brachten sich sogar um, weil sie glaubten, von Dämonen verfolgt zu werden. Als dann noch verschiedene Krankheiten ausbrachen, die man sich nicht erklären konnte, verließen immer mehr Bewohner ihre Häuser und zogen weg von hier. Dann waren die Dörfer dran. Auch sie waren bald öd und leer. Einige davon versanken schließlich in den Fluten des neuen Stausees, andere wiederum wurden später von der Regierung zu Sperrgebieten erklärt, die man nicht mehr betreten durfte. Es gab allerdings immer wieder Leute, die sich den Anweisungen der Regierung widersetzten und bis in die alten Dörfer vordrangen. Keiner von ihnen ist je zurück gekehrt. Was mit ihnen geschah, weiß man bis heute nicht. Die örtlichen Behörden hüllten sich stets in Schweigen. Sie haben jeden Vorfall vertuscht und tun bis heute so, als sei alles normal. Das ist es aber nicht, Mr. Allen. Irgend etwas Schreckliches kam in der Gestalt dieser schwarzen Kugel in das tiefe Tal herab und keiner weiß, wo dieses Gebilde hin ist, das seine Umgebung extrem verändern und beeinflussen kann, wie ich das damals zu meinem Entsetzen selbst heraus gefunden habe. Es kann alles verändern, und das ganz nach seinem Belieben. Unfassbar, nicht wahr? Es hat offenbar große Macht über die Materie und ganz besonders über jenen Teil der Materie, die lebt. Wissen Sie, was mir komisch vor kommt? Sie waren doch ebenfalls die ganze Zeit damals da unten in dem Tal und sind als einziger immer wieder unbeschadet daraus aufgetaucht. Vielleicht hat Sie dieses Ding aus dem All verändert, Mr. Allen. Es hatte ja Zeit genug, um sich von seinem schweren Aufschlag zu erholen. Deshalb verstand ich auch, warum dieses seltsame Gebilde meinem Kollegen und mir anfangs nichts anhaben konnte. Es hat, wohl um seine Spuren zu verwischen, später auch die gesamte zerstörte Vegetation wieder innerhalb kürzester Zeit neu entstehen lassen. Unerklärlich, wie es so etwas fertigbringen konnte. Aber es kann auch töten, wie ich weiß. Es ernährt sich eigentlich von allem, was lebt. Das würde auch das Verschwinden der vermissten Personen erklären, die man damals nicht mehr gefunden hat. So, und das ist meine Geschichte, Mr. Allen.“
***
Viel später. Draußen war es schon dunkel geworden.
Ich verließ das Haus von Mr. Bischoff wieder und ging zu meinem Wagen zurück. Der alte Mann hat mich nicht angelogen. Seine Erzählung war auch keine Ausgeburt seines verwirrten Geistes, wie andere behauptet haben. Nein, seine Geschichte entsprach völlig der Wahrheit. Seine Fragen haben mich deshalb auch nicht überrascht. Ich wusste nur zu gut, was er dachte. Ganz sicher war er sich allerdings nicht, aber er wusste wohl, wer ich wirklich war. Ich hätte ihn mit Leichtigkeit töten können, trotzdem verschonte ich sein Leben. Der Gedanke war mir einfach verhasst, einen alten Mann, der sowieso bald sterben würde, der inneren, verformbaren Masse meines Körpers zuzuführen. Ich habe auch meine guten Seiten, wie jeder Mensch, zu dem ich mich nach und nach verwandelt habe.
Ich, Joe Allen, bin nämlich „DAS DING“.
Oder sollte ich lieber sagen, dass ich es einmal war?
(c)Heinz-Walter Hoetter
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Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Heinz-Walter Hoetter).
Der Beitrag wurde von Heinz-Walter Hoetter auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.03.2022.
- Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
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Diagnose: Marathonläufer: Ein autobiografischer Roman
von Lothar Altenkirch
Ein 18jähriger bekommt die Diagnose Krebs im Endstadium. Noch 3 Monate zu leben.... Was nun? Aufgeben? Kämpfen? 8 Jahre später wird hier erzählt, wie aus einem pflegebedürftigen Krebspatienten der Marathonläufer Lothar Altenkirch wurde. Seine Leiden, seine Persönlichkeitsentwicklung, sein Kampf, seine Tränen, seine Freude und der Sieg über den Krebs. Lebendiger denn je läuft er heute jedes Jahr mehrere Marathonläufe, und seine Geschichte zeigt, wie selbst aus scheinbar absolut aussichtsloser Lage, mit unbedingtem Willen, viel Mühe und dem Ausbrechen aus der eigenen konventionellen Denkweise der Weg zurück mitten ins Leben möglich ist. Dieses Buch soll allen Kranken und Verzweifelten Mut machen, niemals aufzugeben. Tragisch, spannend, kritisch und mit einem Augenzwinkern wird hier die Geschichte vom Auferstehen aus dem Rollstuhl zum Marathonläufer erzählt.
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